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9. February 2008, 23:46   #11
Ben-99
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... es gibt viel Schlimmeres als die verordnete Magerkost für Hartz-IV-Empfänger. Denn ich kenne Leute, die immer mehr zu vereinsamen drohen, weil sie in einer Großstadt leben, es sich aber nicht leisten können, die wenigen ihrer noch verbliebenen Freunde regelmäßig zu besuchen.

Hamburg kann stolz sein auf sein gut ausgebautes Streckennetz, was die S- und U-Bahn-Verbindungen betrifft. Deshalb kann ich mit meiner HVV-Jahreskarte auch jederzeit quer durch die Stadt fahren, und ich tue es gern. Andere würden das auch gern tun, nur fehlt ihnen leider das Geld dafür. Denn das Abo-Ticket für den Gesamtbereich kostet 138 Euro - zuviel für Hartz-IV-Empfänger, das wird man wohl verstehen.

Was mich ärgert ist, daß die Betroffenen aber oft nicht mal den normalen Fahrpreis aufbringen können oder wollen. Denn um sich mal eben von Wandsbek aus mit einem Kumpel aus Altona zu treffen, eine Fahrt, die mit der U-Bahn nicht mal 20 Minuten dauert, müßte er 2 x 4,20 Euro berappen. Und zu den 8,40 Euro kämen dann auch noch die Ausgaben für die Biere, die er mit seinem Freund in der Kneipe trinkt. Es ist leicht nachzurechnen, wie oft bzw. selten sich ein Hartz-IV-Empfänger das im Monat leisten kann.

Also sitzt er lieber allein vor der Glotze und spart das Geld, um sich in den nächsten Tagen statt "Suppe mit 80 Gramm Fleischeinlage" lieber ein Schnitzel oder vielleicht auch mal wieder ordentlichen Tabak oder sogar ein kleines Geschenk für sein Kind aus der längst geschiedenen Ehe zu gönnen, das er zwar liebt, aber eben auch viel zu selten sieht, weil er inzwischen am anderen Ende der Stadt wohnt.

Ich sehe die Gefahr nicht darin, daß die Millionen in Deutschland lebenden 340-Euro-Menschen verhungern oder verdursten könnten. Eher trocknen sie irgendwann innerlich, psychisch allein vor ihren Fernsehern aus, weil man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, mit anderen Menschen real, also eben nicht über SMS oder Internet zu kommunizieren.

Und daran sollen sie selbst schuld sein? Seid doch mal ehrlich: Würdet ihr 8,40 ausgeben, nur um von einen Stadtteil in den anderen und zurück zu fahren, wenn Ihr täglich im Schnitt nicht mal 4 Euro zum Fressen über habt? Ich nicht. Und ich kann gut verstehen, daß sich manche davon lieber zwei Flaschen Fusel gönnen, um die Gedanken zu vertreiben, die viele an ihr früheres fleißiges Arbeitsleben erinnern, als sie noch dachten, daß ihr in Jahrzehnten eingezahltes Geld später für ein menschenwürdiges Leben als Rentner oder Langzeit-Arbeitsloser durch unvorhersehbarer Krankheit reichen würde.

Viele von denen fühlen sich betrogen. Und in ihrer Einsamkeit können sie sich nicht mal mehr anderen Menschen mitteilen und sich mit ihnen austauschen. Manche von ihnen wählen aus Frust radikale Parteien, andere hängen sich still und leise auf dem Dachboden auf. Brav wie sie sind, um der "Gemeinschaft" nicht noch mehr Unannehmlichkeiten zu bereiten.

Gruß Ben