Einzelnen Beitrag anzeigen
23. November 2005, 10:16   #1
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
Deutscher Ausnahme-Film: "In Sachen Kaminski".

... bis Anfang der 80er Jahre konnten unsere Regisseure noch stolz darauf sein, daß nach Ansicht vieler internationaler Kritiker in Deutschland die anspruchsvollsten Fernseh-Filme produziert werden.

Doch das ist lange her. Und inzwischen habe ich mir angewöhnt, gerade nicht einzuschalten, wenn es um einen Film "made in Germany" geht. Meist sind es schlechte Drehbücher, irgend etwas Belangloses wird zum "Ereignis" aufgeblasen, nur weil wieder mal die üblichen Schauspieler mitwirken, deren Köpfe uns zeitgleich an jedem Zeitschriften-Kiosk entgegenglotzen. Deutscher Einheitsbrei eben von immer denselben Köchen mit immer denselben Zutaten zusammengerührt für ein anspruchsloses Publikum, das selbst über die lahmsten Komödien lacht und ergriffen bei billigen Kitsch-Dramen zum Taschentuch greift.

Aber wie so oft: Ausnahmen bestätigen die Regel. Und ganz selten findet man sogar echte Perlen unter den deutschen Produktionen. Wer Lust hat, kann sich heute abend davon überzeugen, wenn er um 20.15 Uhr auf 3Sat den Fernsehfilm "In Sachen Kaminski" einschaltet, der im Sommer bereits auf ARD und Arte lief und in seltener Einigkeit die Kritiker vor Begeisterung aus dem Häuschen brachte.

Mir ging es genauso. Denn obwohl es sich um ein anrührendes Thema handelt, sorgen der Regisseur und die hervorragenden Schauspieler dafür, daß es zu keinem Zeitpunkt in theatralisches Gefühlsgedusel abgleitet. Alles wirkt realistisch. Obwohl man sich denken kann, wie schwierig es ist, ein liebevolles, aber geistig zurückgebliebenes Ehepaar zu spielen, das mit ihrer kleinen Tochter glücklich zusammengelebt hat, bis eine Frau vom Jugendamt, die es natürlich nur "gut" meint, ihr das Kind wegnehmen läßt, weil man der Ansicht ist, daß "behinderte" Eltern als Erzieher ungeeignet seien und das Mädchen in einer Pflegefamilie mehr Chancen für die Zukunft hätte.

Der Film zeigt den jahrelangen Kampf der Eltern um ihr Kind, und man will es kaum glauben, daß es sich um eine wahre Begebenheit handelt, die sich vor ein paar Jahren tatsächlich so in Deutschland abgespielt hat (siehe beigefügten taz-Artikel). Und dafür, daß man den Film nicht so schnell vergißt, sorgen Matthias Brandt (Sohn des früheren Kanzlers) und Juliane Köhler durch ihre überragenden schauspielerischen Leistungen bei der Darstellung der sehr herzlichen, aber in bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten eben auch sehr einfachen Eltern. Gerade wenn man vor kurzem noch die Bunker-Ballade "Der Untergang" gesehen hat, in der Juliane Köhler noch eine bis zuletzt locker-lustige Hitler-Gattin Eva Braun spielte, ist man beeindruckt von ihrer erstaunlichen Wandlungsfähigkeit.

Kurz und gut: Seht es Euch an, und Ihr werdet die 90 Minuten nicht bereuen. Und danach können wir dann wieder wie üblich die ausländischen Produktionen genießen, weil das nächste gute Stück aus Deutschen Landen bestimmt erst wieder lange auf sich warten läßt.

Gruß Ben

http://www.taz.de/pt/2005/07/15/a0182.nf/text

http://www.prisma-online.de/rga-onli...uliane_koehler

http://www.prisma-online.de/rga-onli...atthias_brandt