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3. October 2002, 18:49   #29
Rumpelheinzchen
 
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Ich lese gerade noch einmal meine eigenen Worte.
Ich glaube dort muss etwas Grundlegendes relativiert werden.

Ich bin nicht für die Wehrpflicht, denn da spricht zuvieles dagegen, wie folgt:

Wie das gesamte Wehrstrafgesetz, so atmet insbesondere sein fahnenflüchtiger Paragraf 16 den Geist einer auch noch anderwärts kräftig riechenden und wirksamen schlimmen deutschen Tradition. An die Wehrmachtsausstellung und ihre im Kern stimmige Aussage - die unterlaufenen Fehler sind gerade darum sehr zu bedauern und kaum zu entschuldigen - will ich gar nicht besonders erinnern. Der Großteil der im Wehrstrafgesetz und, weniger aufgetragen, im Soldatengesetz (mitsamt den diversen Konnexgesetzen) vor 1945 geprägten Form, die in der Bundesrepublik weiterentwickelt worden ist, hat mit dem Konzept "Bürger in Uniform", hat mit einer Wehrmacht, wenn sie denn sein muss, als selbst Menschenrechten und Demokratie verpflichteter Institution in einer Demokratie wenig zu tun, in der Menschenrechte und Völkerrecht unmittelbar gelten (vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 25 und 26 GG). Die Kommentatoren greifen deshalb ohne Scheu auf frühere Wehrstrafgesetze und deren Auslegung zurück, um die heute gültigen Paragrafen "angemessen" auszulegen.

Ungeheuerlich ist hierbei zuerst das vordemokratische "Soldatenbild". Ungeheuerlich ist zum Zweiten die Vorstellung von der Bundeswehr als einer kollektiven, auf sich selbst bezogenen Gehorsamsphalanx. Ungeheuerlich ist erst an dritter Stelle der abgeleitete Gehorsam, zu dem gewöhnliche Bürger wie wir verpflichtet werden. Wehe, wenn wir der Sonder- und Überorganisation, genannt Bundeswehr, in unserem Verhalten, in diesem Fall einem angeblich fehlplatzierten und fehladressierten Aufruf, nicht gerecht werden. Hinzu kommt als grundrechtliches Ärgernis im Ärgernis, wie mit Hilfe des Symbols "Fahne" und des Antisymbols und Verhaltens "Fahnenflucht" Gehorsam unterhalb aller eigenen Vernunft "eingeseelt" und kopflose Identifikation mit der Truppe gleichsam automatisiert werden sollen. Diese kopflose, alles eigene Nachdenken ersparende Identifikation soll just mit einem Symbol eingeübt, ja erzwungen werden, das geradezu emphatisch alle bürgerlich demokratische Vernunft zu Gunsten der nationalstaatlichen Gedankenlosigkeit hat ausverkaufen lassen.

Wie kommt es nur, dass das Wehrstrafgesetz als ein Sonderrecht einer schwer kontrollierbaren, de jure und mehr noch de facto höchst dürftig kontrollierten Institution - des Militärs also -, deren Aktionsbegründungen informationell meist geheim erfolgen, ebenso wie deren wichtigste Entscheidungsverläufe, nicht einmal gründlich im Lichte liberaler Demokratie und ihres Rechtsstaates durch- und aufgeforstet worden ist? Meines Wissens hat noch kein Richter die Notwendigkeit empfunden, nicht de lege lata eines solchen Gesetzes und seines unmöglichen Paragrafen 16 WStG zu entscheiden, sondern, sein Urteil einstweilen suspendierend, Karlsruhe anzurufen.

Die dort agierende Richterin "Miller" nimmt sich in
regulum justica so aus:


Die das Urteil fundierende Behauptung, weder das Recht auf Kriegsdienstverweigerung noch Paragraf 22 WStG erlaubten, dass sich ein Soldat von der Truppe entferne, belegt, mit Verlaub gesagt, dass die Amtsrichterin jenseits meiner allgemeinen Einwände wenig Ahnung vom Sozialverhalt einer Truppe und darüber hinaus einer Truppe mitten im Krieg hat.

Dass Frau Miller es außerdem versäumt, die soldatische Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Grundgesetz auch nur zu erwähnen, mag angesichts der aufgezählten Mängel geradezu als eine lässliche Unterlassungssünde gewertet werden.

Hiermit klargestellt.