... ich wußte gar nicht, daß er schon 67 war. Dabei hatte ich ihn schon mit 16 verehrt und hätte es mir eigentlich denken können. Aber im Rechnen war ich schon immer schwach. Und auch daran ist F.K. Waechter schuld, Deutschlands bester satirischer Zeichner, über den heute die traurige Meldung zu lesen war, daß er einem Krebsleiden erlag.
Schuld an meinen permanenten Mathe-Fünfen hatte er deshalb, weil ich mich stets auf meine Art für die ungeliebten Unterrichtsstunden vorbereitete: Denn: Statt Mathematik-Bücher packte ich immer "Das große Loriot-Buch" und die letzten Ausgaben der Zeitschrift
"Pardon" in meine Schultasche. Das war die "Mutter" der heutigen
"Titanic", und sie gebar so wunderbare Künstler wie Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Hans Traxler oder Chlodwig Poth, um nur ein paar von ihnen zu nennen, die dann später unter dem Begriff
"Neue Frankfurter Schule" Furore machten und bis heute unvergessen sind.
Doch leider nicht unsterblich, wie mir jetzt wieder auf so schmerzliche Art bewußt geworden ist. Denn gerade Friedrich Karl Waechter hinterläßt die größte Lücke, wenn es um die die genialen Zeichner der damaligen linken Chaos-Szene ging: Göttlich kreative Punk-Poeten, denen nichts heilig war und die sich auch von niemandem das Lästermaul verbieten ließen.
So gab es immer wieder Gerichtsverfahren gegen die "Pardon", weil vor allem die CDU/CSU in den Werken der Autoren der "Neuen Frankfurter Schule" die moralischen Werte des Abendlandes bedroht sahen. Und F.K. Waechter war eines der größten "Ferkel" unter ihnen, der allerdings stolz darauf war, zum Kreis der von Franz-Josef Strauß gezählten intellektuellen "Schmeißfliegen" zu gehören ;-)
Das setzte er auch später konsequent fort, als ihn die angesehene Wochenzeitung "Die Zeit" bat, regelmäßig für die Magazin-Beilage zu arbeiten. Schließlich hatte er zu dieser Zeit auch schon mehrere Preise für Illustrationen von Kinderbüchern erhalten. Zunächst ging auch alles gut. Doch dann überkam ihn das Verlangen, auch mal wieder ein paar "schweinische" Zeichnungen abzuliefern, was wohl einigen der ehrwürdigen "Zeit"-Herausgebern mißfiel, er sich aber nicht von ihnen überreden ließ, "braver" zu werden. Also verzichtete er lieber. Denn einen wie Waechter kann man auch mit Geld nicht locken. Er ließ sich von niemandem weder zähmen noch verdrehen.
Dennoch wurde er auch danach mit Preisen überhäuft, und die Museen rissen sich um ihn. Auch in Hamburg war bis vor einigen Monaten noch eine Langzeit-Ausstellung seiner Zeichnungen zu bewundern. Dagegen machte er sich in den Medien rar und lehnte fast alle Talkshow-Einladungen ab. Konsequenterweise wollte er nicht einer von denen sein, die er Zeit seines Lebens verspottete.
Um F.K. Waechter trauern seine Frau, seine 3 Söhne und viele Menschen, die er wie mich zum Lachen gebracht hat, weil er mit uns auf "einer Linie" lag und mit ein paar Strichen "ohne Worte" die kaputte Welt oft besser beschreiben konnte als die meisten schreibenden Lackaffen, die dasselbe nicht unter 10 Manuskript-Seiten fertigbringen.
Wer von den Jüngeren unter Euch F.K. Waechter nicht gekannt haben sollte, wird mit Hilfe von Google schnell auf Seiten mit Zeichnungen von ihm stoßen. Und ich habe mir sogar die Mühe gemacht, den Einband seines wohl berühmtesten Buchs einzuscannen, das den Titel trägt:
"Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein".
Aber Ihr seht ja, wie speckig und abgegriffen mein Exemplar ist. Denn ich habe oft und gern "geguckt" und kann mich bis heute nicht an seinen Zeichnungen satt sehen. Und wie so oft: Die Guten sterben zuerst. Und wenn es dann auch noch jemand ist, mit dem man quasi "aufgewachsen" ist, schmerzt es besonders. Zuletzt hatte ich bei George Harrison ein ähnliches Gefühl. Aber vielleicht bin ich inzwischen auch einfach nur alt und sentimental. Über solche alten Säcke hat sich F.K. Waechter auch immer gern lustig gemacht ;-)
Gruß Ben
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/na...lt/?cnt=727460
http://www.spiegel.de/kultur/literat...375069,00.html
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news...es/540837.html
http://derstandard.at/?url=/?id=2177187