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5. February 2007, 06:18   #8
Amanda Grayson
 
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Zitat von Ben-99 Beitrag anzeigen
Natürlich sehen die Angehörigen der Opfer das anders. Aber würde man das beherzigen, hätte man auch schon längst die Todesstrafe wieder einführen müssen, um den Rache-Gedanken der Opfer Rechnung zu tragen. So funktioniert die Rechtsprechung aber nicht in einem wirklich demokratischen Staat.
Deswegen sind hierzulande Richter zuständig, anstatt daß die Blutrache herrscht.

Es gibt einerseits das Gesetzbuch, andererseits das Empfinden der Bürger, die zu jedem Verbrechen ihre eigene Ansicht haben, wie es bestraft werden sollte - je nachdem, wie sie persönlich es empfinden.

Sicher würde der eine oder andere (viele) bei einem bestimmten Verbrechen, das nun gerade ihm persönlich zuwider ist, die Lynchjustiz befürworten. "Wenn ich den in die Finger bekäme, dann würde ich...)

Der gleiche Mensch ist vielleicht jemand, der mit 100 StuKi durch eine geschlossene Ortschaft rast. Ist ja nicht schlimm... Geschwindigkeitsbegrenzungen sind eine Schikane von dieser doofen geldschneiderischen Polizei. Usw.

Und genau dieser Mensch wird sicher heilfroh sein, wenn er vor einem Richter steht, bevor ihn ein Elternteil des Kindes, das er totgefahren hat, in die Finger bekommen hat, ne? Danach könnte er wohl auch nicht mehr vor dem Richter STEHEN.

Will damit sagen, Menschen lehnen den Rechtsstaat ab, sobald sie ihre eigenen Gefühle als "ungerecht" behandelt empfinden. Mit anderen Erfahrungen wären sie heilfroh, daß es diesen Rechtsstaat gibt.

Ich habe in eine deutschstämmige Familie hineingeheiratet, die viele Jahre in der Sowjetunion verbracht hat, bevor sie nach Deutschland ausreisen durfte. Kann sein, daß ich das schonmal erzählt habe.

Aber ich bin immer wieder beeindruckt von den Ansichten meines Mannes. Für ihn bedeutet unser Rechtsstaat nicht Mißachtung der Emotionen der Opfer. Sondern Gleichbehandlung, Abwesenheit von Willkür, Sachlichkeit.

SO kann man das auch sehen. Vielleicht muß man erst mal mit Menschen reden, die woanders als in Deutschland gewohnt haben, um das eigene Land und die Gepflogenheiten hier schätzen zu können.

Und vielleicht könnte man die Leute, die so laut brüllen "dem und dem gehört die Rübe ab" *ach nee, wäre zu gut für ihn, der muß erst anständig gefoltert werden* mal in ein Land versetzen, in dem es Blutrache gibt... vielleicht einfach nur in einen der Karl-May-Romane... daß sie mal am eigenen Leib erfahren, wie sich Rache fortpflanzt und Haß wieder Haß erzeugt und Gewalt wieder Gewalt.

Ja, zurück zu den Terroristen. Ich persönlich... ICH PERSÖNLICH habe kein Verständnis dafür, wie diese Menschen die Frechheit haben können, eine Begnadigung zu beantragen.

Aber es ist ihr Recht, und unser Recht gilt für sie ebenso wie für alle anderen. Daß jemand sich gar nicht schämt, das ist meine persönliche emotionale Ansicht, und es ist - wie oben gesagt - gut, daß diese für die allgemeine Rechtsprechung nicht maßgeblich ist.

Die Rechtsprechung ist nicht moralisch. Es geht rein nach dem Gesetz und nicht nach dem Gefühl.

Mag man sich darüber aufregen, wenn auch Terroristen nach diesem Prinzip behandelt werden. Andererseits wird jemand, der etwas getan hat, was die "Volksseele" aufregt, z. B. Ehebruch begangen oder mit überhöhter Geschwindigkeit jemanden totgefahren *gaaaaaaaaaaaaar nicht schlimm, habe ich mir nichts bei gedacht, ist eben so passiert*, wohl recht froh sein, wenn er nicht von Menschen be- und verurteilt wird, die an sich ebenso sind wie er selbst... nur mit anderen Schwerpunkten. Vielleicht sogar von ehemaligen Terroristen, die nun wieder das, was er getan hat, absolut intolerabel finden?