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14. July 2005, 01:31   #3
Ben-99
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... das Buch hatte mir auch gefallen. Obwohl es mit vorher erschienenen Böll-Werken der Güteklasse "Ansichten eines Clowns" natürlich kaum verglichen werden kann. Aber mit der Zeit bekam Heinrich Böll halt Spaß daran, politisch auch mal konkreter zu werden und damit genau die Richtigen zu ärgern ;-)

Das hatte dann auch wunderbar geklappt. Und ich kann mich noch heute gut an den Krieg zwischen ihm und dem Springer-Verlag erinnern. Wobei die armen BILD-Redakteure es natürlich nicht leicht hatten, jemanden als üblen "Terroristen-Freund" zu brandmarken, einen ganz "gefährlichen" Linken, der dummerweise aber gerade den Friedensnobel-Preis erhalten hatte *g*.

Entsprechend locker sah es Böll, der sich von den Drecksschreibern überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ. Von ihm stammt ja auch der seitdem berühmt-berüchtigte Begriff der "klammheimlichen Freude", die man möglicherweise in bezug auf einige der RAF-Opfer verspüren kann. Aber natürlich nicht, weil sie getötet wurden, wie es ihm manche seiner Feinde gern in die Schuhe schieben wollten, sondern er hatte wohl eher damit gemeint, daß jetzt auch mal die Leute Schiß haben müssen, die vorher genauso brutal über Leichen gegangen sind, dafür aber noch mit hochdotierten Posten und diversen Orden belohnt worden sind.

Wer sich mal neuere Dokumentationen über die verachtenswürdige Karriere von zum Beispiel Hanns Martin Schleyer angesehen hat, der kann vielleicht verstehen, was Böll damit meinte. Denn Schleyer war nicht etwa irgendein harmloser Mitläufer, sondern hatte als SS-Mitglied und aktiver Nazi in der Hitler-Zeit die Seilschaften geknüpft, von denen er dann nach dem Krieg profitierte, so daß seine Karriere auch keinen Knick bekam, sondern er später erst recht steil aufstieg - bis zum Vorsitzenden des Arbeitgeber-Verbandes.

So etwas macht nicht nur Linke wütend. Sondern dafür müßten sich eigentlich alle Deutschen schämen. Aber vor dem Attentat und auch noch Jahre später, hatte es ja angeblich niemand gewußt.

Dennoch fand ich es nicht weniger ekelerregend, als ich damals die Meldung las, daß man ihn am Ende seiner Geiselhaft kaltblütig tötete. Und inzwischen weiß man ja auch, daß die Entscheidung, ihn hinzurichten, auch einige seiner Bewacher entsetzt hatte. Für mich war das schon damals ein Grund mehr, für die Hauptverantwortlichen der RAF-Morde nicht das geringste Verständnis aufzubringen. Was vor allem für den in jeder Hinsicht überschätzten Baader gilt. Bei seiner ihm intellektuell weit überlegenen Freundin Gudrun Ensslin sah das schon ganz anders aus.

Lediglich für Holger Meins und vor allem für Ulrike Meinhof kann ich Verständnis aufbringen. Das waren Menschen, die Gewalt immer verabscheuten und sich auch vorher schon für die Nöte anderer Menschen eingesetzt hatten. Beide waren nie wirklich das, was man als "Terroristen" bezeichnet, sondern sind da in etwas hineingeraten, das sie am Ende nicht mehr steuern konnten und es für sie auch keinen Ausweg mehr gab. Somit war ihr (Frei-)Tod mindestens genauso tragisch wie das Schicksal aller RAF-Opfer.

Und Heinrich Böll kannte eben einige der RAF-Leute persönlich, ließ manche sogar in seinem Haus wohnen und hat sich dann später Gedanken darüber gemacht, warum man für die Opfer der RAF so viel Tränen übrig hat, nicht aber für die Menschen, die der staatlichen Gewalt zum Opfer fallen. Dabei hatte er durch seinen frühen Tod gar nicht mal mitbekommen, wie die "Treuhand", deren Chef Rohwedder später ja auch erschossen wurde, auf kriminelle Art Menschen in den Ruin getrieben hat, indem man nur Wessis die Chance gab, sich die schönsten Stücke aus dem neuen frischen Ost-Kuchen auf ihren Teller zu legen. Und so wurden durch die "Treuhand" auch kleine Ganoven und Berufskriminelle zu Multimillionären - und zwar völlig "legal".

Das nur mal so zum Begriff "klammheimliche Freude", gegen die eigentlich nichts einzuwenden ist und die ich auch hin und wieder verspüre, wenn es mal Leute erwischt, die sich vorher auch keine Gedanken über die Not anderer Menschen gemacht haben oder sogar für deren Not maßgeblich verantwortlich waren.

Außerdem war Heinrich Böll einer der wenigen wirklich "liebenswerten" deutschen Schriftsteller, weil er auch in seiner Art ganz anders war, was jeder von den Älteren bestätigen wird, die ihm mal auf einer Lesung zuhörten oder ihn bei einem TV-Interview sahen. Denn er wirkte so gar nicht blasiert und abgehoben "intellektuell" wie die meisten berühmten Autoren, sondern mit seinem schnoddrigen Kölner Akzent und seiner herzlichen, humorvollen Art eher wie ein Teddybär zum Knuddeln.

Kein Wunder, daß es weder ein ultrarechtes Arschloch wie der CSU-Vorsitzende F.-J. Strauß, der Schriftsteller wie Heinrich Böll im Nazi-Jargon "Schmeißfliegen" nannte, noch die BILD-Zeitung schafften, ihm ans Bein zu pinkeln. Und so sah denn auch irgendwann der Springer-Verlag ein, daß er keine Chance gegen Böll hat.

Und natürlich verspüre auch ich gegenüber BILD und seinen anderen Feinden aus der rechten Ecke eine "klammheimliche Freude", wenn auch 20 Jahre nach dem Tod dieses großartigen Erzählers sein '74 erschienenes Buch "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" noch immer gelesen und der gleichnamige Film von Faßbinder hoffentlich irgendwann sogar zum 100. Mal im Fernsehen gezeigt wird ;-)

Gruß Ben