Thema: Castro tot ?
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3. August 2006, 01:15   #6
Ben-99
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... von wegen Urlaub in Brasilien – jetzt weiß ich, wo Sacki in Wirklichkeit war: Er hat in einem Umerziehungslager in Miami bei rechtsextremen, militanten Exil-Kubanern einen 10tägigen Crash-Kurs absolviert und weiß nun, daß vor Castros Revolution die Insel das reinste Paradies war. Alle Kubaner liebten ihren Diktator Batista, der von den USA wie eine Marionette dirigiert wurde, so daß die amerikanische Mafia dort ohne Rücksicht auf die Bevölkerung vor allem durch Immobilien-Käufe ihr schmutziges Geld waschen konnte.

Klar, für die US-Urlauber war Kuba bis 1959 ein Paradies. Ist ja auch schön, wenn man sich nur wenige Kilometer entfernt eine ganze Insel als Puff halten kann. Und wen hat es schon interessiert, wie es der kubanischen Bevölkerung erging? Für die Folter-Opfer in Batistas Kerkern interessierte sich doch kein Schwein. Und auch nicht, daß die meisten Einwohner in stinkenden Slums vegetierten, medizinisch nur unzureichend versorgt waren und nur wenige von ihnen lesen und schreiben konnten.

Und dann hatte ein junger Jurist aus guter Familie eine Idee. Und kurz darauf sollte ein alter, rostiger Kahn namens "Großmutter" mit ein paar motivierten, kampfbereiten Männern auf die Küste von Kuba zusteuern. Unter ihnen auch ein eher schüchterner junger Arzt aus Argentinien namens Ernesto Guevara Serna, von seinen Freunden "Che" genannt. Und der Rest ist nicht nur Geschichte, sondern die Geschichte einer Revolution, die mit keinem anderen Umsturz verglichen werden kann. Weil sie verhältnismäßig unblutig über die Bühne ging und weil Fidel Castro als dienstältester Staatschef der Welt noch heute von mehr Kubanern verehrt wird als es uns Kapitalismus-Gläubigen genehm ist.

Vielleicht ja deshalb, weil er dafür gesorgt hat, daß in Kuba jeder eine Wohnung hat, daß fast alle Einwohner lesen und schreiben können und daß die extrem geringe Kinder-Sterblichkeitsrate und überhaupt die medizinische Versorgung für ein armes, lateinamerikanisches Drittwelt-Land, und nur mit solchen Staaten darf man Kuba vergleichen, in jeder Hinsicht auch heute noch vorbildhaft ist. Sonst würden sich in Havannas Kliniken ja wohl nicht auch reiche Amerikaner von den in der ganzen Welt angesehenen Ärzten behandeln lassen. Auch wenn sie für die läppischen 160 Kilometer, die zwischen den Florida Keys und Fidels Inselreich liegen, abenteuerliche Umwege in Kauf nehmen müssen, weil die USA noch immer Direkt-Flüge verbieten.

Und wer sich heute darüber beklagt, daß sich die meisten Menschen in Kuba noch immer keine Luxusgüter leisten können und daß sich die Versorgungslage besonders nach dem für den westlichen Kapitalismus siegreichen Ausgang des Kalten Krieges und der damit verbundenen Zersplitterung der Sowjetunion dramatisch verschlimmert hat, sollte nicht vergessen, daß das törichte Handels-Embargo der USA, mit dem man den Erz-Feind Castro ärgern will, fast ausschließlich nur die kubanische Bevölkerung trifft, weshalb auch in Amerika immer mehr Politiker das Ende dieser menschenverachtenden Politik fordern, was natürlich mit der jetzigen Bush-Clique nicht zu machen ist.

Dafür kann Fidel Castro stolz darauf sein, bisher 10 amerikanische Präsidenten nicht nur im Amt, sondern durchaus auch körperlich "überlebt" zu haben, denn schon der angeblich so "friedliche" John F. Kennedy wollte ihn damals heimtückisch töten lassen. Statt dessen hat die ganze Welt über das berühmte "Schweinebucht"-Desaster gelacht, als CIA-Agenten mit Hilfe von Exil-Kubanern und mit Wissen des Weißen Hauses versuchten, Castro zu stürzen und sich dabei besonders dumm und dilettantisch anstellten.

Seitdem gilt Castro zwar als "unverwundbar", aber er ist beileibe kein Heiliger. Denn eine Revolution ist niemals ein Kinderspiel, schon gar nicht "friedlich" und daher immer auch blutig. Und natürlich würde auch ich mir heute wünschen, daß in Havannas Gefängnissen weniger politische Gegner einsitzen und daß man den Bürgern mehr Meinungsfreiheit gestatten würde – obwohl gerade das in der bei uns trotz allem weitgehend noch immer amerikafreundlichen Presse immer wieder übertrieben dargestellt wird.

Denn sonst wären wohl auch viele der Menschen, mit denen ich damals als deutscher Journalist auf Kuba in einer auffällig lockeren Atmosphäre Interviews führen durfte, anschließend im Knast gelandet, denn es war oft ein Dolmetscher anwesend, der natürlich hinterher seine Berichte abliefern mußte. Und trotzdem hatte mir nie jemand vorgeschrieben, wen ich befragen darf und wen nicht. Im Vergleich zur damals noch existierenden DDR war das für mich fast schon ein "freies" Land. Denn solche durchaus lockeren, liberalen Arbeitsbedingungen hatte ich bei meinen DDR-Reisen niemals erlebt.

Vor allem fanden sich dort auch meist gar keine Bürger, die bereit waren, mit einem Wessi-Reporter zu reden. So hatte sich damals auch mein Bild von den "Dunkeldeutschen" geprägt: Immer sah ich sie mit leicht gesenktem Kopf vor mir stehen, kaum jemand traute sich, mir in die Augen zu sehen, und alle hatten "keine Zeit" oder sonstige angeblichen "Gründe", um auf meine eher harmlosen Fragen zu antworten. Ganz anders meine Erlebnisse mit den Kubanern: Die konnten zwar stundenlang auf die Regierung schimpfen und daß sie auch gern soviel Kohle und Luxusgüter wie manche Leute in Amerika hätten. Aber am Ende betonten die meisten von ihnen, daß sie dennoch stolz darauf sind, in Kuba zu leben, weil es dort zwar keine Reichen gibt, man aber dafür sorgt, daß alle Menschen satt werden und man daher das kommunistische System für gerechter hält. Und schon deshalb konnten sich die meisten ohne Fidel auch gar keine andere "Vaterfigur" als politischen Führer vorstellen. Für mich klang das alles sehr echt und überzeugend.

Und daher hoffe ich, daß Fidel Castro, dessen unvergleichliches Charisma ihn schon seit vielen Jahren zu einer lebenden Legende gemacht hat, gegen den ein intellektueller Tölpel wie George W. Bush nur wie ein unbedeutender Wicht wirkt, hoffentlich bald von seiner Krankheit genesen sein wird. Und natürlich verachte ich Menschen, die in Florida Freudentänze aufführen, nachdem sie in den Nachrichten davon gehört haben, daß der 79jährige kubanische Staatschef anscheinend ernsthaft erkrankt ist.

Und Sacki möchte ich ganz sachlich fragen, wie er denn Leute wie Pinochet, Franco, Mussolini, S. Hussein, Pol Pot, Stalin, Hitler, usw. beschreiben würde, wenn er schon für Fidel Castro derart harte Worte findet. Ich meine nicht, daß er es verdient hat, mit Massenmördern in einer Reihe aufgeführt zu werden. Die von ihm und Che Guevara damals mit so wenigen Mitteln angeführte kubanische Revolution ist auf jeden Fall als historisches Glanzstück zu werten und hat den Einwohnern Kubas zunächst auch mehr Freiheit und ein in jeder Hinsicht besseres Leben gebracht, als sie es vorher unter der Knechtschaft des Batista-Regimes kannten.

Gruß Ben