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6. January 2008, 14:17   #21
tw_24
 
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Es sind, wie ich an anderer Stelle schon schrieb, Bootcamps gewiß keine Ideallösung, wenn man aber über "Erziehungslager" tatsächlich ernsthaft debattieren will, sollten (und könnten) Befürworter wie Gegner die ja dokumentierten Erfahrungen anderer einfach mal wahrnehmen. Eine Erkenntnis, die jedenfalls das US-Justizministerium 2003 veröffentlichte, ist in der Tat die wenig erfreuliche Mitteilung, daß das Ziel, geringere Rückfallquoten im Vergleich zu anderen Formen des Strafvollzugs zu erreichen, durch Bootcamps nicht erreicht wurde.

Sie ist indes auch nicht höher als beim 'herkömmlichen' Strafvollzug, und das gilt für Jugendliche wie Erwachsene. Billiger allerdings sollen Bootcamps durchaus sein. Und wenn das Ergebnis ohnehin das gleiche ist, ein aus Sicht der Gesellschaft nicht unwahrscheinlicher Mißerfolg nämlich, könnten sie vielleicht doch ganz praktisch sein, für das gleiche Geld könnten schließlich mehr Straftäter betreut werden. Nur sollte man das dann eben auch sagen. Und für Wähler wäre es vielleicht recht erhellend, wahlkämpfende Besserwisser darauf anzusprechen ;-).

Jedoch beurteilen andererseits Ex-Insassen von Bootcamps ihren Aufenthalt dortselbst eher positiv als Erleider 'normalen' Strafvollzugs. Sie fühlen sich besser auf ihr Leben nach der Freilassung vorbereitet (, was man natürlich auch böse deuten kann), fühlen durch die Rundum-Betreuung gar nicht schlecht sich unterhalten. Im Bootcamp fühlen sich vor Gewalt Mitgefangener mehr Insassen sicher als in anderen Strafanstalten. Andererseits ist die Angst vor dem Personal größer, was allerdings wohl auch systemimmanent sowie gewollt ist.


Insgesamt sind die amerikanischen Erfahrungen vielleicht nicht unbedingt ernüchternd, denn sie liefern individuell - es gibt statistisch mehr (re-)sozialisierte und (aus-)gebildete Bürger - sicher ein paar Argumente für Bootcamps, aber eben bemerkenswert besser sind sie allgemein nicht. Nur billiger. Politiker und Wahlberechtigte, die die Erfahrungen aus den USA nicht kommunizieren, um eine halbwegs ausgewogene Debatte schon im Ansatz nicht zu gewährleisten bzw. eben nicht nach Zahlen fragen, sollten nicht wahlberechtigt sein.

Statistiken sind indes grundsätzlich als Auftragsarbeit anzusehen, aber auch gefälligst wahrzunehmen; der Vorredner beispielsweise zitiert eine Quelle, die von "[m]indestens 30 Jugendliche[n]" ausgeht, die "in den vergangenen 20 Jahren in Bootcamps ums Leben gekommen" sind, Wikipedia meint, es seien mindestens 65. Angesichts solcher Differenzen mag ich gern ein Fach Quellenkritik im nächsten hessischen Bootcamp empfehlen ;-). Vielleicht könnte ich, bewaffnet selbstverständlich, sogar den Lehrer geben ...

MfG
tw_24