Thema: Stichtage
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18. June 2008, 10:22   #170
Jules
 
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18. Juni 1968: Alkoholismus als Krankheit anerkannt

Die Deutschen sind ein trinkfestes Volk. Im Land der Dichter und Denker gilt Alkoholkonsum als berauschendes Mittel gegen schlechte Stimmung und kreativen Stau. "Es ist ein Brauch seit alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör", lautet ein süffiger Reim von Wilhelm Busch, "Rotwein ist für alte Knaben / eine von den besten Gaben" ein anderer. Und der Weimarer Geheimrat Goethe schenkt gleich noch einen nach: "Solange man nüchtern ist, gefällt das Schlechte", heißt es beim Dichterfürsten. "Wenn man getrunken hat, weiß man das Rechte."

Aber im Geist des Weines, des Bieres und des Alkopops steckt oft der Teufel. Übermäßiger Alkoholkonsum kann süchtig machen. Er führt nicht zu dichterischen Höhenflügen, sondern zu körperlichem und geistigem Verfall. Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) zieht deshalb die Reißleine. Sie definiert Alkoholismus 1952 offiziell als Krankheit. Alkoholkranke sind "exzessive Trinker, deren Abhängigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht, dass sie deutliche geistige und körperliche Störungen oder Konflikte in ihren mitmenschlichen Beziehungen, ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen aufweisen, oder sie zeigen Vorstadien einer solchen Entwicklung", definiert die WHO. "Daher brauchen sie Behandlung". Am 18. Juni 1968 zieht das Bundessozialgericht nach. Seither können sich Alkoholkranke in Deutschland für ihre Entziehungskur in ambulante oder stationäre Behandlung begeben. Die Kosten der Therapie übernimmt die Kranken- oder Rentenversicherung.

Trotzdem gilt der übermäßige Genuss von Alkohol vor allem unter Jugendlichen hierzulande immer noch als Kavaliersdelikt. Das "Komasaufen" ist ein beliebter Freizeitspaß. 2007 landen knapp 20.000 Jugendliche mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus. In Deutschland konsumieren Schätzungen zufolge über 11 Millionen Menschen Alkohol auf problematischem Niveau, bis zu 1,5 Millionen Bundesbürger gelten als abhängig. Vielleicht sollte sich das Volk der Dichter und Denker statt an Wilhelm Busch und Goethe lieber an Martin Luther orientieren. Der hatte bereits im 15. Jahrhundert geschrieben: "Es ist leider gantz Deutschland mit dem Sauffen Laster geplagt".

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