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21. March 2008, 18:36   #1
Ben-99
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Kein Gulasch am Karfreitag?

... sollte Fleisch am heutigen Gedenktag des Genagelten für "zivilisierte" Menschen wirklich tabu sein? Ich wundere mich immer wieder, wie viele konservative Spießer in Redaktionen herumhängen, die doch sonst immer so "cool" und "hip" sein wollen, was leider auch auf manche "Spiegel"-Schreiber zutrifft.

Just dort im Online-Angebot erklärt uns heute Ullrich Fichtner, das ist einer dieser Suppenkasper, die immer unterschwellig den Blödsinn behaupten, daß man angeblich für einen fairen Preis in Deutschland nichts Genießbares findet und somit für ein gutes Essen halb um die Welt fliegen muß, warum wir heute am Karfreitag kein Fleisch essen sollten. Na ja, "erklären" ist vielleicht das falsche Wort, denn auch ihm mag nicht wirklich etwas Gescheites zu diesem Thema einfallen.

Dabei habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn religiöse Menschen am heutigen Tag auf Fleisch verzichten. Wer nach Gottes Wort leben will, soll das in Frieden tun. Wer aber sogar betont, nicht besonders religiös und auch nicht in einem besonders religiösen Elternhaus aufgewachsen zu sein, der sollte uns allerdings tunlichst mit dämlichen Erklärungsversuchen solcher Art verschonen:

Zitat:
Wer am Kreuzigungstag Gulasch oder Spanferkel mampft, kommt vielleicht nicht in die Hölle. Aber er verrät einen teuflischen Mangel an Kultur.

(...)

Unsere Mahlzeiten finden statt in einem dichten Gewebe aus Werten, Tabus, Pflichten und Verboten, ganz gleich, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Wer deshalb einfach so die Frage stellt: Warum denn bloß kein Fleisch an Karfreitag?, der sollte auch Antworten suchen auf ein paar andere Fragen: Warum nicht Hunde essen? Warum Christstollen backen? Warum einen Oster-Brunch veranstalten? Warum am Aschermittwoch Fisch essen?
Tja, warum nur? Das kann uns Herr Fichtner leider auch nicht sagen. Und trotzdem ist er felsenfest der Überzeugung, daß das gut so ist. Weil Deutsche eben zum Beispiel keine Hunde essen. Keine Ahnung, warum solche Spinner meinen, daß schon deshalb nur unsere deutsche "Kultur" den Segen Gottes vedient und nicht etwa das kulinarische Banausentum irgendwelcher minderwertiger Untermenschen in Fernost. Er geht, vielleicht ohne es zu ahnen, sogar noch weiter und spricht indirekt anderen Völkern das Recht ab, sich als "zivilisiert" zu bezeichnen:

Zitat:
Im Essen und seinen vielen ungeschriebenen Regeln ist, wenn man genau hinschaut, der Prozess unserer Zivilisation aufgehoben. Manche Vorschriften sind sehr lebendig geblieben, so selbstverständlich, dass wir sie gar nicht hinterfragen. Andere verblassen, wollen langsam verblühen. Aber so oder so ist unser Essen ein wesentliches Abbild von Kultur, ein komplexes Sammelsurium. Und so kommt es mir so vor, nicht nur am Karfreitag, als hätten Feiertage zumindest den Mehrwert, uns daran ab und an zu erinnern.
Daß er damit Milliarden Menschen diskreditiert, in deren Ländern es schon Hochkulturen gab, als wir Germanen noch furzend alles aus der Hand fraßen, kommt solchen reaktionären Topf-Schreibern anscheinend nicht in den Sinn. Nur gut, daß sie eben auch nur für Soßen-Gelaber und nicht für Politik zuständig sind.

In diesem Sinne wünsche ich Euch noch schöne Ostertage. Und daß ich heute mittag zufällig tatsächlich Gulasch gegessen habe, und zwar ohne groß darüber nachzudenken, mögen mir alle Fichtners und sonstigen Bewahrer irgendwelcher "unerklärlichen" Traditionen hoffentlich verzeihen ;-)

Gruß Ben

Fichtners Tellergericht: Oh du teuflische, sündige Fleischeslust