Skats

Datenschutzerklärung Letzten 7 Tage (Beiträge) Stichworte Fussball Tippspiel Sakniff Impressum
Zurück   Skats > Interessant & Kontrovers > Das Leben
Registrieren Hilfe Benutzerliste Kalender Alle Foren als gelesen markieren


 
 
16. March 2008, 13:10   #76
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
16. März 1928: Karlheinz Böhm wird geboren

Eine Schmonzette macht ihn bekannt: Als Kaiser Franz-Josef spielt Karlheinz Böhm ab 1955 mit Romy Schneider in der "Sissi"-Trilogie. Rosa Soße über braune Vergangenheit - so ordnet der Schauspieler rückblickend diese Filme in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein: "Ich bin damals ein Teil dieses Tanzes um das goldene Kalb gewesen, dieses Wirtschaftswunders, wie es Erhard bezeichnet hat." Böhms Jugend passt zum Märchen von Sissi und Franz, auch bei ihm scheint alles bestens geordnet. Vater Karl Böhm ist ein weltberühmter Dirigent, Mutter Thea Linhard ist eine gefragte Sopranistin. Am 16. März 1928 in Darmstadt geboren, wächst Karlheinz als Einzelkind in Hamburg und Dresden auf. Sein Vater ist streng. "Brille ab, schmusen" heißt das Kommando, wenn der Dirigent sich kurz Zeit für seinen Sohn nimmt. Die Kriegsjahre verbringt Karlheinz in einem Internat in der Schweiz. 1946 macht er Abitur bei den Eltern in Graz.

Als sein Klavierspiel nicht für eine Pianistenlaufbahn reicht, lernt Böhm Regie und Schauspielerei am Wiener Burgtheater. Nach dem Erfolg mit "Sissi" lebt er unbekümmert: schöne Frauen, schöne Reisen, schöne Rollen - als Graf, Baron, Kaiser, Prinz. Bis ihm selbst vom vielen Zucker übel wird. 1960 spielt er einen perversen Frauenmörder in Michael Powells Film-Drama "Peeping Tom". Doch so will ihn niemand sehen: "Das war ein totaler Flop", erinnert sich Böhm. Er spielt einige Jahre auf der Bühne und kehrt erst Anfang der 70er Jahre zurück zum Film. In der Arbeit mit Regisseur Rainer Werner Fassbinder wird Böhm politisiert: "Ich wollte etwas verändern." Das Jahr 1981 wird für ihn zum Wendepunkt. Beide Eltern sterben kurz hintereinander, auch seine dritte Ehe scheitert. Im Mai tritt er in der ZDF-Sendung "Wetten, dass ..." auf und wettet, dass noch nicht einmal jeder dritte Fernsehzuschauer eine Mark für Hungernde in der Sahelzone spenden würde. Böhm gewinnt, dennoch kommen rund 1,2 Millionen Mark zusammen. Daraufhin wird der Schauspieler zum Entwicklungshelfer: Er gründet mit dem Geld die Stiftung "Menschen für Menschen" und baut in Äthiopien Entwicklungsprojekte auf.

Die Stiftung baut vorwiegend mit einheimischen Arbeitskräften Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Brunnen. Böhm vergibt Kleinkredite an Frauen, setzt sich gegen die Beschneidung von Mädchen ein und kümmert sich um die Folgen von Aids. Dabei bleibt er betont unpolitisch und arrangiert sich mit jeder Regierung - obwohl in Äthiopien Menschenrechte wenig gelten und das Land hochgerüstet ist. In einem Werbefilm seiner Stiftung schreitet Böhm 2006 mit ausgebreiteten Armen und strahlendem Lächeln an jubelnden Äthiopiern vorbei: "Mr. Karl ist coming!" Drei Jahr zuvor ist Böhm als erster Ausländer zum Ehrenstaatsbürger Äthiopiens ernannt worden.

Klick
 
17. March 2008, 08:43   #77
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
17. März 1948: Die Hells Angels werden gegründet

Ein Totenkopf im Profil, mit geflügelter Pilotenkappe - das Symbol der Hells Angels erinnert an die Entstehung des Motorradclubs: Am 17. März 1948 schließen sich im kalifornischen San Bernardino amerikanische Veteranen des Zweiten Weltkriegs zu einer Gang zusammen. Ihnen ist der bürgerliche Alltag zu langweilig, sie wollen Partys feiern und Harley-Davidson fahren. Der ehemalige Kampfflieger Arvid Olsen verleiht dem Männerbund den Namen seines Geschwaders: The Hells Angels.

1957 beginnt Ralph "Sonny" Barger vom kalifornischen Oakland aus, die Rockerbande zum internationalen Imperium auszubauen. Auseinandersetzungen mit der Polizei und Schlägereien mit feindlichen Gangs verstärken das Image als Gesetzlose. Die Angels geben sich eigene Regeln, die eisern einzuhalten sind. So sind gilt etwa: Die Frauen anderer Mitglieder sind tabu, bei Fahrten in Kalifornien darf mit Schusswaffen nur zwischen 6.00 und 16.00 Uhr gefeuert werden, für das unentschuldigte Fernbleiben bei einem Treffen wird eine Geldstrafe erhoben. Als Hells Angels 1969 bei einem Rolling-Stones-Konzert als Ordner eingesetzt werden, ersticht einer der Rocker einen schwarzen Fan. In seiner Biographie schreibt Barger, er habe dafür gesorgt, dass die Stones das Konzert dennoch zu Ende spielten - indem er Keith Richards gedroht habe, ihn zu erschießen: "Ich stand neben ihm, drückte ihm den Lauf meiner Pistole zwischen die Rippen und zischte, er soll seine Gitarre spielen."

Inzwischen sind die Hells Angels eine weltweite Vereinigung, die sich zwischen Freiheitsliebe, eigenem Ehrenkodex und organisierter Kriminalität bewegt. Immer wieder stehen Gruppenmitglieder wegen Erpressung, Zuhälterei, Körperverletzung, unerlaubten Waffenbesitz, Drogenhandel und Vergewaltigung vor Gericht. Seit den 90er Jahren herrscht Krieg zwischen den Hells Angels und den Bandidos, einem Motorradclub, der 1966 in Texas gegründet worden ist. In Skandinavien hat es Tote und Verletzte gegeben, als die beiden Gruppen sich gegenseitig mit Maschinenpistolen und einer Panzerfaust angegriffen haben. Auch NRW ist von der Auseinandersetzung betroffen: Im Frühjahr 2008 will das Landgericht Münster im Mordprozess gegen zwei Bandidos-Mitglieder urteilen. Sie sollen in Ibbenbüren ein Mitglied der Hells Angels erschossen haben. Für solche Fälle haben die Hells Angels vorgesorgt: Um Geld für Anwälte und Prozesse zu haben, zahlt jedes Mitglied in einen dafür eingerichteten Fond ein.

Klick
 
18. March 2008, 10:10   #78
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
18. März 1858: Geburt des Motoren-Erfinders Rudolf Diesel

Im Physikunterricht begegnet der zwölfjährige Rudolf Diesel erstmals jenem Phänomen, das einmal sein ganzes Leben bestimmen wird. Am Beispiel eines pneumatischen Feuerzeugs lernt der hochbegabte Schüler des Augsburger Holbein-Gymnasiums das Prinzip der Selbstentzündung durch Kompression kennen: In einem Kolben zusammengepresste Luft erhitzt sich so stark, dass sie den Zunder am Kolbenboden aufglühen lässt. Als Rudolf Diesel während seines Ingenieurstudiums an der Technischen Hochschule München erfährt, dass Dampfmaschinen nur wenige Prozent der zugeführten Energie in Arbeit umwandeln können, erinnert er sich an das Experiment aus der Schulzeit. Empört über die Energieverschwendung der Dampfmaschine beschließt Diesel, "diesen Missstand aus der Welt zu schaffen", wie er in seinem Kollegheft notiert.

Rudolf Diesel, geboren am 18. März 1858 in Paris, beendet das Studium mit dem besten Examen seit Bestehen der Münchner Hochschule. Sein ehemaliger Professor, der Kältemaschinen-Pionier Carl Linde, engagiert den 24-Jährigen und macht ihn zum Direktor seiner neuen Eisfabrik in der französischen Hauptstadt. Diesel hat Erfolg und verdient viel Geld, das er aber nahezu vollständig in die Erforschung eines neuartigen Motors investiert. Eines Verbrennungsmotors, der Luft ansaugt und durch Verdichtung so stark erhitzt, dass sich der anschließend eingespritzte Treibstoff selbst entzündet. 1892 erhält Diesel für sein "neuartiges Verfahren für Verbrennungsmaschinen" das Reichspatent mit der Nummer 67207. Drei Jahre später kann der stolze Erfinder seiner Mutter schreiben: "Ich bin in diesem ersten und vornehmsten Fach der Technik, dem Motorbau, der erste auf unserem kleinen Erdbällchen, der Führer der ganzen Truppe, diesseits und jenseits des Ozeans." Unermüdlich reist Diesel nun um die Welt, um seinen leistungsstarken, verbrauchsarmen und langlebigen Motors zu vermarkten. Mit Erfolg: Anfang des 20. Jahrhunderts werden große Dieselmotoren weltweit in Schiffen verwendet. Erst einige Jahre später werden die ersten Diesel-Aggregate für Lokomotiven und Lkw entwickelt.

Doch die technische Sensation, die ihn reich und berühmt macht, bringt dem genialen Erfinder kein Glück. Eine nicht enden wollende Serie von Fehlspekulationen und Patentprozessen treibt Diesel an den Rand des Ruins und seiner psychischen Gesundheit. Am 29. September 1913 reist er an Bord des Fährschiffs "Dresden" nach England, um dort eine Motorenfabrik einzuweihen. Als Mitreisende am nächsten Morgen nach ihm suchen, ist Rudolf Diesel spurlos verschwunden. Zwei Wochen danach zieht die Besatzung eines Lotsenbootes einen Toten aus dem Meer. Aus dessen Taschen werden Gegenstände geborgen, die Diesels Verwandte später als Eigentum des Erfinders identifizieren. Die Leiche selbst wird - nach damaligem Seerecht üblich - wieder über Bord geworfen. Die Umstände von Diesels Verschwinden werden niemals aufgeklärt.

Klick
 
19. March 2008, 08:19   #79
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
19. März 1813: David Livingstone in Blantyre geboren

David ist der Sohn einer armen Arbeiter- und Krämerfamilie in Schottland. Am 19. März 1813 in Blantyre geboren, muss er schon als Kind zwölf Stunden täglich in einer Baumwoll-Spinnerei arbeiten. Aber David ist ehrgeizig. Er besucht eine Feierabendschule und schafft den Sprung an die Universität Glasgow. David Livingstone wird Arzt und Theologe. Eine ideale Kombination für die Mission. 1840 schickt ihn seine Kirche nach Afrika. Zusammen mit seiner Frau Mary Moffat reist Livingstone ins heutige Botswana.

Livingstone gründet mehrere Missionsstationen in einer für Europa bis dahin völlig unbekannten Region. Aber seine Ideen von Ehrgeiz, Sparsamkeit und Privateigentum befremden die Einheimischen. Livingstones "Zivilisierungskonzept" hat wenig Erfolg. So wird der Missionar mehr und mehr zum Forscher. Er schickt Mary mit den inzwischen geborenen Kindern zurück in die Heimat und begibt sich mit nur wenigen einheimischen Begleitern auf Entdeckungsreise.

Livingstones abenteuerliche Reiseberichte machen ihn in England zum Star. Die Royal Geografic Society finanziert seine Expeditionen, die Livingstone zu Fuß, im Ochsenkarren oder per Einbaum durch rund ein Drittel des Kontinents führen. 1855 erreicht er als erster Europäer die großen Wasserfälle des Sambesi an der heutigen Grenze zwischen Simbabwe und Sambia. Zu Ehren seiner Königin nennt er sie Viktoria-Fälle. Livingstones Frau Mary stirbt bei einem Besuch 1858 an Fieber.

Nach 1866 gilt Livingstone vier Jahre lang als verschollen. Mehrere Suchexpeditionen scheitern. Schließlich bricht der britisch-amerikanische Sensationsreporter Henry Morton Stanley, bewaffnet mit einem Maschinengewehr und begleitet von 140 Trägern, auf. Stanley findet Livingstone in Ujiji am Tanganjika-See. Mediengerecht schildert er die Begegnung mit der britisch-kühlen Einleitungsfrage: "Dr. Livingstone, wie ich vermute?" Die Livingstone-Suche begründet Stanleys Ruhm als Afrika-Pionier. In den folgenden Jahrzehnten tritt Stanley als Expeditionsleiter in den Dienst wechselnder Kolonialmächte und "erobert" den "schwarzen Kontinent" mit brutalen Methoden.

Livingstones Stil ist das nicht. Er trennt sich bald wieder von Stanley, besessen von dem Traum, die Quellen des Nils zu finden. Er verirrt sich im Busch und stirbt am 1. Mai 1873 in Chitambo im heutigen Sambia an den Folgen von Malaria und Ruhr. Zwei seiner Begleiter tragen die mumifizierte Leiche 1.500 Kilometer weit zur Ostküste und übergeben sie den Briten. David Livingstone wird in Westminster Abbey beigesetzt.

Klick
 
20. March 2008, 09:39   #80
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
20. März 2003: Der dritte Golfkrieg beginnt

Bagdad, 20. März 2003: Anderthalb Stunden nach Ablauf des Ultimatums an die irakische Führung, das Land zu verlassen, greifen die US-Streikräfte mit Marschflugkörpern und Tarnkappen-Bombern an. In den frühen Morgenstunden wird die irakische Hauptstadt von 40 Explosionen erschüttert. Ziel ist ein Bunker, in dem angeblich Staatschef Saddam Hussein übernachtet. Ein "Enthauptungsschlag" soll diesen Krieg schnell entscheiden. Doch die CIA-Informationen sind falsch. Für die Iraker ist es der dritte Krieg: In den 1980er hat sie Saddam gegen den Iran ins Feld geschickt - mit Unterstützung des Westens. Acht Jahre später endete dieser Krieg im Patt. Dann überfiel Saddam 1990 Kuwait. Monate später trieb die "Operation Wüstensturm" der USA und ihrer Verbündeten die irakischen Truppen zurück. Auch beim dritten Golfkrieg 2003, der "Operation irakische Freiheit", haben die Iraker zunächst keine Chance gegen die überlegene Militärtechnik der Amerikaner.

Am 9. April 2003 fällt Bagdad. Drei Wochen später verkündet US-Präsident George W. Bush auf dem Deck eines Flugzeugträgers: "Die Kampfhandlungen im Irak sind nahezu beendet." Die Suche nach versteckten Chemie- und Biowaffen habe begonnen. Deren angebliche Existenz diente den Amerikanern als Rechfertigung des Krieges. Doch Massenvernichtungswaffen werden nicht gefunden. Auch die behaupteten Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida werden nicht belegt. Gefunden wird nur Saddam: Nach zehn Monaten Flucht ziehen ihn US-Soldaten Mitte Dezember 2003 in der Nähe von Tikrit aus einem Erdloch. Drei Jahre später wird er von einem irakischen Gericht verurteilt und gehenkt. Was die Lage im Land aber nicht beruhigt.

Die Amerikaner hatten angegriffen, ohne ein schlüssiges Nachkriegskonzept zu haben. Nach der Domino-Theorie einiger neo-konservativer Vordenker in den USA braucht man die Dinge im Nahen Osten nur in Unordnung zu bringen, dann fallen die Steine schon in die richtige Richtung. Doch die simple Idee funktioniert nicht. Die Lage im Irak entwickelt sich immer mehr zu einem Bürgerkrieg unter amerikanischer Besatzung. Plünderer werden nicht daran gehindert, als sie Ministerien, Krankenhäuser, Schulen und das Nationalmuseum leer räumen. Die irakische Armee wird aufgelöst und Sicherheitsaufgaben auf private Wachdienste übertragen. Der Alltag wird von islamistischen Selbstmord-Attentaten erschüttert. Folterungen von Gefangenen im amerikanischen Militärgefängnis Abu Ghraib sorgen für internationale Proteste. Die Bilanz fünf Jahre nach Kriegsbeginn: Fast 4.000 US-Soldaten sind bisher ums Leben gekommen und etwa 300 Angehörige der Alliierten. Auf irakischer Seite schätzt man bis zu 650.000 Tote, die meisten Zivilisten.

Klick
 
22. March 2008, 12:53   #81
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
21. März 1963: US-Gefängnis Alcatraz wird geschlossen

Darwin Coon hockt in seiner alten Gefängniszelle und hat Spaß. "Jetzt werden wir wie Prominente hofiert", grinst der Ex-Häftling Nr. 1422. Vier Jahre seiner Strafe hat der frühere Bankräuber in Alcatraz, dem einst am besten gesicherten Zuchthaus der USA abgesessen. Nun, mit weit über 70 Jahren, ist Coon als Gast nach Alcatraz zurückgekehrt. Mit Vergnügen erfüllt er die Autogrammwünsche von Touristen, die beim Besuch auf der berühmt-berüchtigten Gefängnisinsel etwas Knast-Grusel erleben wollen. Fast 30 Jahre lang saßen hier die gefährlichsten Verbrecher Amerikas hinter Gittern, darunter so legendäre Gangster wie Al Capone, George "Machine Gun" Kelly oder Robert Stroud, der "Vogelmann von Alcatraz".

1934 wird das von Sträflingen "The Rock" getaufte Hochsicherheitsgefängnis auf der kleinen Felseninsel in der Bucht von San Francisco eröffnet. Nur zwei Kilometer vom Festland entfernt, aber umschlossen von starken, unberechenbaren Strömungen, gilt eine Flucht von Alcatraz als unmöglich. Auf der Insel selbst gilt das Prinzip Sicherheit durch massive Abschreckung. Auf drei Gefangene kommt ein Wärter, jeder Winkel ist durch Maschinengewehr-Posten gesichert und an der Decke des Speisesaals hängen Tanks mit Tränengas. Jeder Gefangene sitzt in einer Einzelzelle, drei mal 1,5 Meter groß. Er hat Anspruch auf Essen, Kleidung und medizinische Versorgung. Alles andere, auch Arbeit, muss durch gute Führung verdient werden. Wer gegen die Regeln verstößt, wandert ins "Loch": 18 Tage lang kein Licht, kein Bett, keine Heizung, keine Toilette. 1.545 Bandenbosse, Totschläger und Vergewaltiger haben in 29 Jahren Bekanntschaft mit der Hölle von Alcatraz gemacht. 14 Fluchtversuche werden in jener Zeit registriert - offiziell alle ohne Erfolg.

Anfang der 60er Jahre geraten die unmenschlichen Lebensbedingungen in dem heruntergekommenen Zuchthaus in die Kritik. Die Betriebskosten steigen ebenso an wie die Zahl der Fluchtversuche. Leitungsrohre, Mauern und Eisenstäbe sind durch das Salzwasser derart korodiert, dass Häftlinge sich mit Löffeln aus ihren Zellen herausgraben können. Am 21. März 1963 lässt Justizminister Robert Kennedy das am schärfsten bewachte Gefängnis der Welt schließen. Restauriert wird es 1972 als Museum wiedereröffnet. Mit rund einer Million Besucher im Jahr gehört "The Rock" seither zu den beliebtesten Touristenzielen in Kalifornien. Der Mythos von der angeblich unmöglichen "Flucht von Alcatraz" gerät 2005 allerdings ins Wanken. Johnny Wilson, ganze neun Jahre alt, legt die zwei Kilometer bis zum Festland schwimmend in 75 Minuten zurück. 2006 wird er von Braxton Bilbrey noch unterboten. Der ist sieben Jahre alt.

Klick
 
22. March 2008, 12:56   #82
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
22. März 1968: Die Studentenrevolte in Paris beginnt

"Wenn sich Frankreich langweilt ..." lautet die Überschrift eines innenpolitischen Lageberichts, den die Zeitung "Le Monde" am 15. März 1968 veröffentlicht. Das Land lebe zwar mit aller Welt in Frieden, habe aber keinen Einfluss auf deren Lauf. Darum langweilten sich die Franzosen - ganz besonders die Jugend. Doch die Ruhe täuscht, unter den Pariser Studenten brodelt es schon länger: In der Philosophischen Fakultät, die von der überfüllten Universität Sorbonne in den Vorort Nanterre ausgelagert wurde, herrscht bereits seit April 1967 Unruhe. Die Wut der Studierenden entzündet sich am spießigen Uni-Reglement: Den Studenten ist der Zutritt zum Studentinnen-Wohnheim untersagt, sobald es dunkel wird. Es kommt immer wieder zu Protesten und Kundgebungen gegen autoritäre Strukturen. "Seid realistisch - verlangt das Unmögliche", lautet eine Parole.

Am 22. März 1968 besetzen in Nanterre einige hundert Studenten den Sitzungssaal der Professoren, nachdem mehrere Aktivisten bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg festgenommen wurden. Als Bildungsminister Alain Peyrefitte das Gebäude schließen lässt, marschieren die Verjagten zur Sorbonne. Einen Tag später rücken Polizisten aus, bewaffnet mit Schlagstöcken. Sie nehmen 600 Jugendliche fest - und fachen so die Revolte erst richtig an. Ganz vorne mit dabei ist der Soziologiestudent Daniel Cohn-Bendit, der mit Kommilitonen die linke "Bewegung 22. März" gegründet hat. Der damals 23-Jährige wurde als Sohn eines vor den Nazis geflüchteten Berliner Anwalts in Frankreich geboren. Der "rote Dany" bezeichnet sich zu dieser Zeit als "anarchistischer Marxist": "Der Staat unterstützt die Klassengegensätze, hat die Macht bei Radio und Fernsehen und verfügt über ein willfähriges Parlament. Wir werden uns auf der Straße erklären, wir werden die Politik der direkten Demokratie praktizieren."

Die Lage spitzt sich zu: Sit-ins gegen den Vietnamkrieg entwickeln sich zu immer brutaleren Straßenschlachten. Am 13. Mai schlagen sich die Arbeiter auf die Seite der Studenten und rufen zum Generalstreik auf. Bald wird das Benzin knapp, in den Straßen stapelt sich der Müll. Staatspräsident Charles de Gaulle weiß sich nur noch mit Neuwahlen zu helfen: "In der derzeitigen Lage werde ich nicht zurücktreten. Hiermit verkünde ich die Auflösung der Nationalversammlung." Schließlich schlägt die Stimmung um. Im Juni gewinnt die Rechte die Wahlen. Dennoch hat der Protest Spuren hinterlassen, glaubt Cohn-Bendit, der heute für die Grünen im Europaparlament sitzt: "Es hat zutiefst die Menschen beeinflusst. Es ist eine andere Gesellschaft entstanden, eine andere Art zu leben, eine andere Art, die Politik wahrzunehmen, geprägt von der Revolte. Es waren ja nicht nur die sechs Wochen, sondern die ganze Zeit danach kam es zum Reformprozess dieser Gesellschaft."

Klick
 
23. March 2008, 11:07   #83
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
23. März 1968: Der Flugdatenschreiber wird weltweit Pflicht

Im Mai 1953 startet das erste Passagierdüsenflugzeug der Welt, von Kalkutta Richtung Singapur. Die 35 Meter lange, silber lackierte Maschine namens "Comet" gilt als Concorde ihrer Zeit. 14 Minuten nach dem Start gerät sie direkt in ein Gewitter. Der Funkkontakt mit dem Cockpit bricht ab, das Flugzeug verschwindet vom Radarschirm. Später findet man die Trümmer und die Leichenteile der 43 Insassen Kilometer weit verstreut. Es gibt keinen Augenzeugen und keinen Hinweis, der den Absturz erklärbar macht.

Weltweit suchen Flugzeugtechniker nach der Ursache für die Katastrophe, die die Zukunft der zivilen Luftfahrt in Frage stellt - auch im australischen Forschungszentrum für Luftfahrt in Melbourne. Dort sitzt David Warren. Doch im Unterschied zu seinen Kollegen schaut der 27-jährige Spezialist für Treibstoffe nicht in die Vergangenheit. "Ich überlegte: Warum statten wir Flugzeuge nicht mit Aufnahmegeräten aus, die sich automatisch beim Start ein- und nach der Landung ausschalten", wird er sich später erinnern. "Alles, was an Bord während des Fluges passiert, wird mitgeschnitten. Und wenn die Maschine abstürzt, könnte man diese Tonband-Spulen aus dem Wrack bergen." Warren schwebt vor, den Rekorder in einer isolierten, feuerfesten Metallkiste zu installieren, die hohe Temperaturen und den Aufprall bei einem Crash unbeschadet überstehen kann.

Warrens Vorgesetzte aber wollen von der Idee nichts wissen. Also macht sich der ausgebildete Funker und Elektroniker daran, den von ihm "fliegendes Gedächtnis" genannten Flugdatenschreiber in seiner heimischen Garage zu bauen: aus Teilen, die er schon als Kind für ein Radio verwendet hat. Aber auch der fertige Prototyp wird abgelehnt. Erst als der Leiter der britischen Luftfahrtbehörde das australische Forschungszentrum besucht, nimmt er Warren sofort mit nach London. Hier feiert man das Gerät als phantastische Idee. Die Presse spricht von einer "Black Box": einem Zauberkasten, der nach dem Absturz die Ursache sichtbar mache. 1961 wird die "Black Box" zunächst ausgerechnet in Australien Pflicht, 1968 ist sie es auf der ganzen Welt.

Kick
 
24. March 2008, 13:52   #84
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
24. März 1933: Hellseher Erik Jan Hanussen ermordet

1988 steht Klaus Maria Brandauer in seiner Rolle als Trickbetrüger und Hellseher Erik Jan Hanussen vor Gericht. "Darf ich Sie fragen, wie meine Zukunft aussieht?", will der Staatsanwalt wissen. Und Brandauer antwortet: "Sie werden den Prozess verlieren." Tatsächlich muss sich der echte Hanussen - der "Gott der Gaukler", wie er sich selber nennt -wegen Hochstapelei und "Hypnoseschwindels" immer wieder vor Gericht verantworten. Er übersteht alle Prozesse unbeschadet und geht mit seinem Programm auf Tournee, selbst in den Orient und in die USA.

Hanussen wird 1889 als Hermann Steinschneider im Wiener Armenviertel Ottakring geboren. Seine Eltern arbeiten als "Schmierendarsteller" in verschiedenen Varietés und Theatern. Er selbst begeistert das Publikum bereits als Kind mit Feuerschlucken und Entfesselungskünsten. Mit 21 Jahren ist Hanussen in Wien als Journalist tätig, beschäftigt sich aber nebenbei mit Okkultismus. Im ersten Weltkrieg macht er mit Charisma, Hypnose und Hellsehen endgültig Furore. Volle Häuser, Radio-Sendungen, Live-Übertragungen seiner Seancen, die Eröffnung des "Palasts des Okkultismus", teure Autos, eine eigene Jacht und unzählige Liebschaften sind die Folge. In seiner okkulten "Hannusen"-Zeitung preist er sein eigenes Talent - und feiert nicht zuletzt den Aufstieg des Nationalsozialismus.

Sein eigenes Schicksal unter Hitler indes sieht Hanussen nicht voraus. Denn seine Neider haben ihn längst im Visier. Aber auch die linke Presse macht gegen den dubiosen Hellseher Front und legt seine jüdische Vergangenheit offen. Als Hanussen auch noch den Reichstagsbrand "vorhersagt", wird er von einem Kommando der SA verhaftet. Am 24. März 1933 wird "der Jude Steinschneider" von SA-Oberst Rudolf Steine "auf der Chaussee zwischen Baruth und Zossen" in Berlin erschossen.

Klick
 
8. April 2008, 21:35   #85
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
25. März 1983: "Das Gespenst" hat Premiere

Jesus Christus kann nicht zärtlich sein. Im Film "Das Gespenst" ist er in einem bayerischen Kloster vom geschnitzten Kreuz gestiegen, um einer jungen Oberin ein Mann aus Fleisch und Blut zu sein. Die Nonne kann sich vorstellen, das Jesus die Brüste von Frauen küsst und sie im Gegenzug seinen Kopf berühren. "Du scherzt", sagt Jesus, "Du vergisst meine Dornenkrone. Ich könnte sie nicht abnehmen. Ich habe mich zu sehr an sie gewöhnt." "Ach ja, deine Dornenkrone", antwortet die Nonne. "Die brauchst du. Ohne die bist du niemand."

Am 25. März 1983 hat "Das Gespenst" in einem kleinen Kino am Alpenrand Premiere. Autor, Hauptdarsteller, Produzent und Regisseur ist Herbert Achternbusch. Die Studentin Elisabeth Tworek, heute Leiterin des Münchner Literaturarchives, ist unter den Besuchern. "Große Begeisterung" habe damals im Publikum geherrscht, wird sie später sagen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Leute beleidigt herausgegangen sind." Ganz anders ist die Einschätzung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK). Ihrer Ansicht nach erzeugen die "Attacken auf die Gegenwart der Kirche ein nur noch pessimistisches und nihilistisches Grundmuster der Welt, das keine rationale Verarbeitungsmöglichkeit für den Besucher zulässt". So steht es in der Begründung der FSK, den Film nicht freizugeben. "Das Gespenst", so heißt es weiter, "kann dem religiösen Empfinden eines nach Millionen zählenden katholischen Teils der Bevölkerung in öffentlicher Vorführung nicht zugemutet werden".

Der Skandal ist da. Ein Sturm der Entrüstung bricht los. Auch als sich die FSK gezwungen sieht, ihre Entscheidung zu revidieren, protestieren Hunderte von Katholiken vor den Programmkinos. Einige gehen hinein und verrichten im Saal ihre Notdurft. Andere versammeln sich auf Münchens Marienplatz zum Buß- und Sühnegebet. Achternbuschs einsamer, melancholischer, aber auch hilfloser Christus wird zum Politikum. Als der neue Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) dem Film die Auszahlung jener Förderung, die ihm unter der SPD-Regierung Helmut Schmidts schon zugesagt worden war, im Nachhinein verweigert, wird "Das Gespenst" zum Zankapfel über die Freiheit der Kunst. Kein Tag vergeht, in dem Achternbusch nicht in der Zeitung steht. Heute lebt Herbert Achternbusch in München. Über ein Dutzend Filme hat er seit 1983 noch gedreht, darunter "Heilt Hitler" (1986) und "Das Klatschen der einen Hand" (2002). So erfolgreich - und umstritten - wie "Das Gespenst" ist keiner mehr geworden.

Klick
 
8. April 2008, 21:37   #86
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
26. März 2003: Sieben Länder unterzeichnen Nato-Beitrittsverträge

"Ein Toast auf die sieben neuen Alliierten", ruft US-Außenminister Colin Powell mit einem Weißweinglas in der Hand. "Friede für euch!" Eines Tages, das habe er immer gesagt, werde die Nato ganz neue Mitgliedsausweise vergeben. Die Leute hätten gelacht - und nun: "Es ist soweit!" Am 29. März 2004 hinterlegen sieben neue Nato-Staaten ihre Beitrittsurkunden in Washington, wo der Nordatlantikvertrag aufbewahrt wird. Damit sind Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien auch formal in das Militärbündnis aufgenommen. Begrüßt werden sie bei einer feierlichen Zeremonie im Rosengarten des Weißen Hauses von US-Präsident George W. Bush. In Brüssel, dem Nato-Hauptquartier, wird der Beitritt erst ein paar Tage später bei einem informellen Treffen der Außenminister mit einer Flaggenhissung begangen.

Bei der Nato-Gründung 1949 erklärt US-Präsident Harry Truman: "Dieser Vertrag ist ein simples Dokument." Aus dem einfachen Abkommen wird jedoch rasch ein Machtinstrument: Das Bündnis sichert den Amerikanern die Unterstützung der Westeuropäer gegen die mächtiger werdende Sowjetunion. Zugleich schützt es die Westeuropäer vor den Machthabern im Kreml. Als sich Anfang der 90er Jahre der Ostblock auflöst, nutzt die Nato die Chance und dehnt ihr Einflussgebiet aus. Mit Polen, Tschechien und Ungarn werden 1999 erstmals drei Mitgliedsstaaten des ehemaligen Warschauer Paktes aufgenommen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA gibt es auch ein neues Feindbild: "Das große Sicherheitsproblem unserer Zeit ist der internationale Terrorismus", sagt Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Und: "Es gibt keinen Ersatz für das nordatlantische Bündnis!"

Im "Krieg gegen den Terrorismus" sucht vor allem das Weiße Haus nach weiteren Verbündeten. Bush plädiert für eine "robuste" nächste Osterweiterung. Mit den baltischen Staaten gehören nun erstmals drei ehemalige Sowjetrepubliken zu den Wunschpartnern. Zu diesen zählen auch die früheren Warschauer-Pakt-Mitglieder Bulgarien, Rumänien und die Slowakei sowie Slowenien als erster Nachfolgestaat des zerfallenen Jugoslawien. Alle diese Staaten haben seit Jahren der Nato ihre Loyalität bewiesen und Soldaten für Nato-Missionen auf dem Balkan und in Afghanistan zur Verfügung gestellt. Sie alle unterzeichnen am 26. März 2003 ihre Beitrittsverträge und gehören zur so genannten Koalition der Willigen. Zu jenen Staaten, die - anders als Nato-Partner Deutschland - bereit sind, mit den USA in den Irakkrieg zu ziehen. Dieser hatte sechs Tage zuvor mit einem amerikanischen Bombenangriff auf Bagdad begonnen.

Klick
 
8. April 2008, 21:42   #87
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
27. März 1998: Die Potenzpille Viagra kommt auf den Markt

Erstaunlich, aber wahr: Selbst Schnittblumen stehen länger, wenn Sildenafil im Wasser ist. Sildenafil heißt ganz neutral jener Arzneiwirkstoff, der unter dem Markennamen "Viagra" Sex-Geschichte geschrieben hat. Viagra, so dachte sich der US-Pharmariese Pfizer, steht für "vigor" (lat. für Stärke) und für "Niagara" - bildlich gesehen. Schon Monate vor ihrer Markteinführung am 27. März 1998 löst die blaue, diamantförmige Tablette weltweit erregte Debatten aus. "Revolution des Sexlebens" oder "Erotikkiller"? Männer, die unter Erektiler Dysfunktion, also Erektionsschwäche leiden, lässt diese Frage kalt. Denn Viagra ist das erste Potenzmittel der Welt, das hält, was es ihnen verspricht: Hilfe für das schwache Gemächt.

Entdeckt wird die segensreiche Wirkung des Wirkstoffs Sildenafil 1993. In England erproben Wissenschaftler des Pfizer-Forschungszentrums ein neues Medikament, das Durchblutungsstörungen im Herz beheben soll. Doch die männlichen Testpersonen schwärmen nach Einnahme des Mittels vor allem von besonders guten Erektionen. Ein überraschender Nebeneffekt, der sich für Pfizer zum pharmazeutischen Mega-Glücksfall entwickelt. In kürzester Zeit rollt die Viagra-Welle um die ganze Erde und gibt potenzschwachen Männern die Hoffnung auf ein befriedigendes Sexualleben zurück. Allerdings, so dämpft Pfizer zu hohe Erwartungen, sei Viagra "keinesfalls geeignet, aus einem beschwerdefreien Familienvater oder Single einen erotischen Supermacho zu machen". Das "blaue Wunder" ist kein Aphrodisiakum. Viagra wirkt, weil es den Blutzufluss im Penis unterstützt. Es ersetzt also, wie Urologen ihren Patienten immer wieder erklären müssen, nicht die sexuelle Stimulation.

Obwohl deutsche Krankenversicherungen eine Kostenübernahme des verschreibungspflichtigen Medikaments in der Regel ablehnen, sind Viagra und die inzwischen erhältlichen Konkurrenzprodukte Levitra (Bayer) und Cialis (Lilly) aber weit mehr als nur Lifestyle-Drogen. Viele der rund sechs Millionen Männer, denen hierzulande die Angst vor Impotenz die Lebensfreude trübt, leiden unter mangelndem Selbstwertgefühl; Depressionen sind die häufige Folge. Auch Potenzprobleme in Folge von Prostataerkrankungen, Bluthochdruck oder Arterienverkalkung sind dank Viagra und Co. zuverlässig behandelbar. Allerdings, so warnen Mediziner, ist nicht jeder Mann, der hin und wieder unter Erektionsstörungen leidet, als behandlungsbedürftig einzustufen. So war es wohl auch einem Rentner in Dinslaken ergangen. Mit vorgehaltener Pistole stürmte der rezeptlose Senior in eine Apotheke. Zur Überraschung der Angestellten verlangte er aber nicht die Tageseinnahmen, sondern eine Großpackung Viagra.

Klick
 
8. April 2008, 21:44   #88
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
28. März 1983: EG-Importverbot für Jungrobbenfelle erlassen

Paul McCartney ist entsetzt. Zur Jagdsaison für Robben ist er eigens nach Kanada gekommen, um ein Zeichen zu setzen. "Wir sind hier draußen, um die kanadische Bevölkerung, Premierminister Harper und seine Regierung aufzufordern, über das Ende der Robbenjagd nachzudenken", spricht er in die Mikrofone der Reporter. Vor allem die Art und Weise, wie die Robben getötet werden, erzürnt den Musiker McCartney und die anderen Tierschützer. Aber das Geschäft mit Fell und Fett der Tiere, deren Penisse in Asien als Aphrodisiakum verkauft werden, ist einfach zu lukrativ. Trotz des Protestes ziehen auch diesmal 12.000 Jäger los, um die Robben mit ihren dornenbestückten Knüppeln, den "Hakapiks", zu erschlagen.

Seit 1976 macht Greenpeace auf das Schicksal der Robben aufmerksam. Angeprangert wird vor allem das Töten der "Heuler" genannten Jungtiere, denen das noch weiße Fell in den ersten zwei Wochen abgezogen wird. Die emotionsgeladenen Bilder tot geknüppelter Robbenbabys, die ihren Mördern mit großen Augen entgegen sehen, zeigen in den achtziger Jahren schließlich Wirkung. Ein beispielloser Proteststurm bricht los, dem sich letztlich auch die Politik nicht entziehen kann. Am 28. März 1983 beschließt der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft (EG), die Einfuhr von Jungrobbenfellen zu verbieten.

Als Folge des EG-Verbots beschließt die kanadische Regierung 1996 ebenfalls einen Schutz für Heuler. Das Töten indes geht weiter. Bis heute werden in Kanada rund 300.000 Sattelrobben zur Jagd freigegeben. Inzwischen hat die Zahl getöteter Robben wegen neuer Absatzmärkte in Asien und Osteuropa das Niveau vor dem Importverbot wieder erreicht.

Klick
 
8. April 2008, 21:47   #89
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
29. März 2003: Carlo Urbani stirbt in Bangkok

Schlagartig hohes Fieber, trockener Husten, extreme Atemnot - am 24. Februar 2003 wird der chinesische Geschäftsmann Jonny Chen in das French Hospital der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi eingeliefert. Er ist gerade aus Hongkong eingetroffen und kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Der leitende Arzt Carlo Urbani erkennt, dass der Patient nicht unter einer normalen Lungenentzündung leidet. Der italienische Spezialist für Infektionskrankheiten reagiert umgehend und warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Tage später leiden auch Mitarbeiter des French Hospital unter den gleichen Symptomen. Urbani lässt die Klinik schließen. Seine Ehefrau beschwört den dreifachen Vater, sich einmal im Leben zu schonen. Aber das kommt für ihn nicht in Frage: "Wenn ich nicht in dieser Situation meine Arbeit tue, was soll ich dann hier? Auf einen Sektempfang gehen?" Seine Berufsauffassung lautet: "Nah bei den Opfern sein." Deshalb arbeitete er lange Zeit für "Ärzte ohne Grenzen" und war dabei, als die Hilfsorganisation 1999 den Friedensnobelpreis erhielt.

Urbani muss mit ansehen, wie seine Patienten sterben, ohne dass eines der gängigen Medikamente hilft. Auf einem Flug nach Bangkok entwickelt er selbst die ersten Symptome. 14 Tage kämpfen die Ärzte um sein Leben - vergeblich. Am 29. März 2003 stirbt der 46-Jährige. Seine Lunge, zersetzt von Viren und voller Flüssigkeit, transportiert keinen Sauerstoff mehr. Nach dem vierten Herzinfarkt stoppen die Ärzte die Reanimation. Das Virus hat sich in der Zwischenzeit mit Hochgeschwindigkeit über den Globus ausgebreitet. Binnen kurzer Zeit sind Menschen in 19 Ländern erkrankt. Bereits am 12. März 2003 hat die WHO daher erstmals in ihrer Geschichte eine weltweit geltende Warnung herausgegeben. SARS, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom, gilt nun als Bedrohung für jedermann.

Die WHO sucht nach Ursprung und Eigenschaften des Virus. Eine Spur führt in die südchinesische Provinz Guangdong. Von den Behörden verschwiegen hatte sich SARS dort bereits Ende 2002 ausgebreitet. Angesteckt hatte sich auch Medizinprofessor Lung, der während eines Aufenthalts in Hongkong erkrankte - und im gleichen Hotel wohnte wie Jonny Chen und eine Frau, die SARS später nach Toronto einschleppte. Der Ursprungsherd Guangdong, eine bäuerliche Provinz, in der Mensch und Tier sehr eng zusammen leben, nährt einen weiteren Verdacht. "Wir haben schon sehr früh geahnt, dass es um eine Zoonose geht, um eine Krankheit, deren Erreger im Tierreich sitzt und nur zufällig auf den Menschen als Fehlwirt gewechselt ist", erklärt der Hamburger Virologe Professor Christian Drosten. Offenbar verlief der Weg von Fledermäusen über eine Schleichkatzenart. Beide Tierarten werden in China gegessen. Dieser Wirtswechsel macht das Virus zu einem unbekannten Eindringling für das menschliche Immunsystem. Ein weltweites Netzwerk der besten Labore versucht daher, die Genstruktur des Virus zu enträtseln, um einen Impfstoff zu gewinnen. Bereits nach vier Wochen ist das Virus entschlüsselt. Rund sechs Monate nach dem Ausbruch gilt SARS als besiegt. In dieser Zeit sind rund 8.000 Menschen erkrankt und fast 800 davon gestorben.

Klick
 
8. April 2008, 21:50   #90
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
30. März 1973: "Der letzte Tango in Paris" in deutschen Kinos

Einen derartigen Wirbel hat in Deutschland zuletzt 1963 Ingmar Bergmans "Das Schweigen" verursacht. Schon Wochen vor der Premiere sitzen Kritiker und Zensoren in den Startlöchern, um über einen Film zu urteilen, den die italienische Justiz als "rüde, widerwärtige, naturalistische und sogar unnatürliche Darstellung der fleischlichen Vereinigung" verdammt. Für den sie Regisseur Bernardo Bertolucci vier Monate Gefängnis auf Bewährung und die Aberkennung der Bürgerrechte für fünf Jahre aufbrummt. Der auch in Spanien und Portugal komplett verboten und in Großbritannien stark beschnitten wird. Pariser Kinos warnen ihr Publikum an den Kassen immerhin vor "einer gewissen Anzahl heikler und delikater Szenen". Am 30. März 1973 geht "Der letzte Tango in Paris" auch in der Bundesrepublik an den Start - ungeschnitten, frei ab 18 und ausgezeichnet mit dem Prädikat "Besonders wertvoll".

Der "heißeste Film des Jahres" entpuppt sich als herausragendes, sperrig-kaltes Kammerspiel um zwei Menschen, deren einzige Kommunikationsebene seelenloser, von Lebensverachtung geprägter Sex ist. Paul, ein heruntergekommener, verzweifelter Amerikaner in Paris trifft die blutjunge Jeanne. Er hat Angst vor Einsamkeit und Alter, sie drückt sich vor dem Erwachsenwerden. In einer leerstehenden Wohnung fallen beide übereinander her und beginnen eine verhängnisvolle, anonym-brutale Sex-Affäre. "Was mache ich eigentlich mit dir in dieser Wohnung?" fragt Paul. "Liebe? Sagen wir lieber, wir machen einen Schnellfick auf einem schwankenden Floß." Doch am Ende entdeckt Paul seine Liebe für das Mädchen und öffnet sich. Jeanne erkennt hinter Pauls anziehend-mysteriöser Maske den ausgebrannten, alten Mann und befreit sich aus dessen Umklammerung. Mit einem tödlichen Schuss beendet sie die gefährliche Liebschaft.

Eigentlich will Bernardo Bertolucci das ungleiche Paar mit Jean-Louis Trintignant und Dominique Sanda besetzen. Mit beiden hatte er zuvor schon "Der große Irrtum" gedreht. Doch Sanda ist schwanger und Trintignant will vor der Kamera nicht die Hose herunterlassen. So wählt er aus 100 Bewerberinnen die 20-jährige, unerfahrene Maria Schneider aus. Als Paul kann er Marlon Brando gewinnen, der seinen Karrieregipfel allerdings schon hinter sich zu haben scheint. Mit "Der letzte Tango von Paris" und dem zuvor abgedrehten Mafia-Epos "Der Pate" gelingt dem "angry young man" der 50er ein grandioses Comeback als "dirty old man" der 70er. Auf Bertolucci ist Brando allerdings jahrelang nicht gut zu sprechen. Allzu sehr hatte der Regisseur den Hollywood-Star dazu verführen können, im Film seine verborgene dunkle Seite zu entblößen. Die einzige Regieanweisung, die Brando vor Drehbeginn von Bertolucci erhalten hatte, lautete: "Spiel einfach nur dich selbst."

Klick
 
8. April 2008, 21:56   #91
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
31. März 1948: Todestag von Egon Erwin Kisch

Bevor sich die Vagabunden und Penner im Londoner Obdachlosenheim Whitechapel schlafen legen, holen sie ihre Habseligkeiten aus dem Schnappsack: Fundstücke aus dem Rinnstein. Der Reporter Egon Erwin Kisch ist unter ihnen und beobachtet alles, um es zu einer Reportage zu verdichten. "Einer bindet sein Bruchband zurecht", werden Zeitungsleser in Deutschland später lesen können, "einer wickelt seine Fußlappen ab, einer verdaut hörbar - alle Sinne werden gleichzeitig gefoltert".

Kisch wird 1885 als Sohn eines jüdischen Tuchhändlers in Prag geboren. Nach einem Volontariat beim "Prager Tagblatt" besucht er ab 1905 eine Journalistenschule in Berlin. Nach Anstellungen als Lokalreporter wird er 1913 berühmt, als er den Skandal um den russischen Spion Oberst Redl, der nach seiner Enttarnung Selbstmord begeht, publik macht. Selbst der Kaiser erfährt von dem Fall erst durch ihn aus der Zeitung. Im Ersten Weltkrieg liefert Kisch erschütternde Reportagen von den Schlachtfeldern. Noch während seiner Arbeit für das Wiener Kriegspressequartier wird er Mitglied in einem illegalen Arbeiter- und Soldatenrat und beteiligt sich am Wiener Januarstreik, um Friedensverhandlungen zu erzwingen. 1924 gibt er sich mit der Artikelsammlung "Der rasende Reporter" selbst seinen Beinamen. "Der Reporter hat keine Tendenz", beschreibt Kisch seine Arbeitsauffassung, die zahllose Journalisten beeinflusst. "Er hat unbefangen Zeuge zu sein und hat unbefangen Zeugenschaft zu geben". Dass man diesen Grundsatz auch mit Leidenschaft und Engagement verknüpfen kann, beweist der überzeugte Kommunist immer wieder.

Ihm könne eigentlich nichts passieren, behauptet Kisch einmal. "Ich bin ein Deutscher. Ich bin ein Tscheche. Ich bin ein Jud. Ich bin aus gutem Hause. Ich bin Kommunist. Ich bin Corpsbusch. Etwas davon hilft mir immer." Als er diese Sätze niederschreibt, ist er schon lange auf der Flucht. 1933 wollten ihn die Nationalsozialisten gleich nach dem Reichstagsbrand inhaftieren, später wird er nach Prag abgeschoben. Dorthin kehrt er nach rastlosen Aufenthalten in Paris, Madrid, den USA und Mexiko 1946 zurück. Er stirbt am 31. März 1948, einen Monat vor seinem 63. Geburtstag, an einem Herzschlag.

Klick
 
8. April 2008, 22:00   #92
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
01. April 1748: Beginn der Ausgrabungen in Pompeji

In seiner "Liebeskunst" schwärmt Ovid davon, dass sich am Mons Vesuvius besonders leicht schöne Frauen erobern ließen. Cicero nennt den von Villen reicher Römer gesäumten Berg am Golf von Neapel einen "wohlbekannten Wonnekessel". Und für Martial ist der Vulkan vor allem "grün vom Schatten der Reben". Der Vesuv gilt als lieblich und friedlich, als im Jahr 79 eine pinienförmige Wolke über dem Berg den Himmel verdunkelt. Begleitet von unterirdischen Detonationen wird der Pfropf des Förderschlotes weggesprengt. Ein explosives Gemisch aus Gas, Asche und anderen Materialien steigt 30 Kilometer hoch in die Luft. Den Bewohnern von Pompeji und Herculaneum ist das Ausmaß der sich anbahnenden Katastrophe offenbar nicht bewusst: In der Tasche eines der Flüchtenden finden Archäologen den Hausschlüssel für eine spätere Rückkehr.

Der Ausbruch des Vesuv begräbt das Alltagsleben unter einer bis zu 25 Meter dicken Schicht: ein gefundenes Fressen für Archäologen. Zunächst aber wird Pompeji vergessen, Gras wächst über die Unglücksstelle. Am 1. April 1748 aber graben sich zwei Dutzend schlecht bezahlte Arbeiter zu den verschütteten Opfern durch. Was sich den Archäologen offenbart, ist ein zu Stein gewordener Schnappschuss des Untergangs. Den Grabungsleiter Rocco Giachino Alcubierre indes interessiert das wenig. Er hat den Auftrag, möglichst viel Gold und Silber für den König zu bergen. Alcubierre lässt alle Fundstücke auf einen Karren laden und im Schlosshof von Neapel in einer Ecke aufeinander werfen. Ein Gutteil wird für zwei Brustbilder des Königspaares eingeschmolzen. "Dieser Mann", wird der berühmte Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann später schimpfen, "war durch seine Unerfahrenheit Schuld an vielem Schaden und an dem Verluste vieler schöner Sachen."

Wegen dieser Majestätsbeleidigung erhält Winckelmann in Neapel Hofverbot. Seine Berichte über Pompeji und Herculaneum jedoch lösen in den europäischen Gelehrtenkreisen Begeisterungsstürme aus. "Wohnt unter der Lava verborgen / Noch ein neues Geschlecht?" dichtet Friedrich Schiller. Heute kann jeder der Antwort auf diese Frage vor Ort nachspüren. Auch wenn nur wenige Straßenzüge öffentlich zugänglich und noch längst nicht alle Häuser ausgegraben sind, schieben sich jedes Jahr zwei Millionen Besucher an der Ausgrabungsstätte vorbei.

Klick
 
8. April 2008, 22:05   #93
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
02. April 1963: "Guuunaaaamd!" Erster Auftritt der Mainzelmännchen im ZDF

Wolf Gerlach ist kein guter Schüler. Oft sitzt er, über die Fragen des Lehrers rätselnd, ratlos in der Klasse. Dann wünscht sich der spätere Bühnenbildner, dass es kleine Männchen geben müsste, die unter der Schulbank sitzen und den Kindern die richtigen Antworten in die Ohren flüstern. "Und mit den Mainzelmännchen", wird Gerlach später sagen, "habe ich mir diesen Wunsch erfüllt".

Die Mainzelmännchen sind sechs meistens freundlich gesinnte, harmlos-anarchistische und asexuelle Zwerge mit Zipfelmützen und einer eigenwilligen Aussprache. Sie treten im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) auf, wo sie schon mal die Sonne zum Ballspiel missbrauchen und sich von einer Stimme aus dem Off ermahnen lassen müssen, ehrfürchtiger mit der Schöpfung umzugehen. Ihren Namen verdanken sie der spöttisch-liebevollen Bezeichnung für Mitarbeiter des Mainzer ZDF-Stammhauses. Am 2. April 1963 läuft die erste Geschichte über den Bildschirm. Schon bald entwickelt sich die Mainzelbande zu einer der beliebtesten Werbeunterbrechungen der Welt. Als die Merchandisingwelle rollt, bekommen ihre Mitglieder Namen, die sich am Alphabet orientieren: Anton, Bert, Conni, Det, Edi und Fritzchen.

Millionen Mainzelmännchen habe er in seinem Leben schon gemalt, erinnert sich Gerlach. Wie am Fließband liefern er und sein Team Ideen für die kurzen Spots. Mehr als 40.000 Mal sind die Mainzelmännchen seitdem über den Bildschirm gelaufen. Weil sie ausgesprochen höflich sind, nehmen sie im Haus nicht grußlos ihre Mützen ab. Ihr von Gerlach gekrächztes "Guuunaaaamd!" versüßt manchem Zuschauer noch heute den Tag - auch wenn die Mainzelmännchen inzwischen weitaus sportlich-frecher gestaltet daherkommen als Gerlachs Originalfiguren vor 45 Jahren.

Klick
 
8. April 2008, 22:08   #94
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
03. April 1948: USA unterzeichnen European Recovery Program

Zwei Drittel der Bundesbürger artikulieren zum Ende der Ära Bush ein eher gespanntes Verhältnis gegenüber den Vereinigten Staaten. Vorbei die Zeiten, als humanitäre Heldentaten aus Übersee wie Care-Paket, Marshall-Plan und Luftbrücke den USA dauerhaft Dankbarkeit und Freundschaft der Deutschen garantierten. In der Tat haben diese anscheinend nur wohlgemeinten Freundschaftsdienste über Jahrzehnte für ein stabiles pro-amerikanisch und stramm anti-kommunistisch ausgerichtetetes Politklima in Deutschland gesorgt. Eben dieser propagandistischen Zielvorstellung verdankt nicht zuletzt das teuerste der drei US-Hilfsprojekte, der Marshall-Plan, seine Entstehung.

Nach 1945 ächzt Europa unter den Folgen des Weltkriegs. In Deutschland sind viele Menschen nach zwei verheerenden Kälte- und Hungerwintern in den Ruinen ihres Landes der Verzweiflung nahe. Bestürzt nimmt George C. Marshall, ehemaliger Fünf-Sterne-General und nun US-Außenminister, die Zustände während einer Inspektionsreise zur Kenntnis. Hinter den miserablen Lebensbedingungen erkennt der gewiefte Stratege die politische Gefahr: dass Josef Stalin Nutzen aus dieser Lage ziehen könnte. "Der Patient Europa liegt im Sterben" warnt Marshall all die Zweifler in Washington, denen die erforderlichen Hilfsleistungen viel zu teuer sind. Finanzminister Henry Morgenthau etwa verfolgt den wesentlich kostengünstigeren Plan, Deutschland dauerhaft auf dem Niveau eines Agrarstaates zu halten. In einer viel beachteten Rede an der Universität Harvard im Juni 1947 verdeutlicht Außenminister Marshall seinen Landsleuten, dass es nur im eigenen Interesse liegen kann, Europa und vor allem dem Pufferstaat Deutschland humanitär wie wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen.

Mit drastischen Warnungen vor der drohenden roten Gefahr aus Moskau kämpft Marshall für seinen Plan - und erreicht die Kehrtwende in der amerikanischen Außenpolitik. Am 3. April 1948 unterzeichnen die Vereinigten Staaten das European Recovery Programm (ERP). Es sieht vor, innerhalb von vier Jahren Hilfeleistungen in Höhe von 14 Milliarden Dollar (heute 85 Milliarden Euro) nach Westeuropa fließen zu lassen. Nur 1,4 Milliarden Dollar davon werden Deutschland zugeteilt. Geschichte macht das ERP unter dem Namen seines Initiators George C. Marshall. Mit dem Slogan "Freie Bahn dem Marshallplan" verkündet die amerikanische Propaganda den Deutschen per Rundfunk, Zeitungen und Plakaten die frohe Botschaft. Und die kommt an - bis in die Gegenwart. Noch heute verdanken viele Existenzgründer ihre Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die aus dem ERP hervorging. Wie weit der Marshall-Plan allerdings tatsächlich für das deutsche Wirtschaftswunder verantwortlich war, wird unter Historikern inzwischen kontrovers diskutiert.

Klick
 
8. April 2008, 22:10   #95
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
04. April 1558: Die Kolonialisierung Sibiriens beginnt

In Sibirien lockt unendlicher Reichtum. Die Pelze des dort erlegten Zobel werden in ganz Europa mit Gold aufgewogen. Nach dem Verständnis Iwans des Schrecklichen hat die Gegend keinen Besitzer. Wer sie erobern will, muss seine Ansprüche bei ihm, dem ersten russischen Zaren anmelden. Die Kaufmannsfamilie Stroganoff nutzt diese Chance. Am 4. April 1558 schenkt Iwan den Stroganoffs die "unbewohnten Ufer und Nebenflüsse der Karma unterhalb von Perm": "Ich gestatte ihnen, befestigte Städte zu bauen und Kanonen zu gießen", heißt es in der Schenkungsurkunde. "Sie dürfen den Wald abholzen, das Land bestellen und in den Flüssen und Seen Fische fangen".

Ganz so unbewohnt, wie Iwan der Schreckliche angibt, ist Sibirien indes nicht. Aber im Auftrag Stroganoffs unterwerfen die Söldner-Truppen der Kosaken die hier siedelnden Mongolen ebenso wie die rund 40 bis 50 dort lebenden Völker, darunter die Khanten, Mansen und Nganasaren im hohen Norden. Letztere sind heute mit 800 Angehörigen eines der kleinsten Völker des eurasischen Kontinents. Bis ins 17. Jahrhundert sind die meisten Ureinwohner unterjocht und das Land ist russifiziert. Sprachen und Kulturen gehen im Kosakenansturm unter.

Neben Zobeln finden die Stroganoffs und ihre Nachfahren in den gefrorenen Böden Sibiriens Gold und Diamanten, später auch Öl. Heute beruht die neu gewonnene Weltmachtstellung Russlands nicht zuletzt auf den unter bedenklichen Umständen geförderten sibirischen Ressourcen. Ein Drittel des Gases, das in Deutschland verbraucht wird, liefert der staatliche russische Energieriese Gazprom aus den unendlichen Weiten Sibiriens.

Klick
 
8. April 2008, 22:12   #96
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
05. April 1908: Erstes deutsches Fußballländerspiel

Im Deutschland Wilhelms II. hat Fußball einen schweren Stand. 1900 ist der Deutsche Fußballbund (DFB) gegründet worden. Doch acht Jahre später ist der Mannschaftssport unter Landsleuten mit Moral immer noch als "Fußlümmelei" und "Engländerei" verpönt. Sportplätze sind Mangelware. Leidenschaftliche Kicker müssen auf Exerzierplätze und Viehwiesen ausweichen.

Trotzdem sind elf Freunde angetreten, um den deutschen Fußball in die Welt zu kicken. Ein Berichterstatter schreibt 1908 enthusiastisch: "Am 4. April sah eine freudige Schar unsere Fußballjünger durch die frühlingsfrischen Gauen des deutschen Vaterlandes eilen, um sich mit hochgesinnten Sportsbrüdern der Schweiz im friedlichen Basel ein Stelldichein zu geben." Am 5. April trifft die erste deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf dem Sportplatz "Landhof" in Basel auf die Schweiz. Die Spieler wurden von den Regionalverbänden bestimmt - elf Mann aus elf verschiedenen Vereinen. Die lenkende Hand eines Nationaltrainers gibt es ebenso wenig wie ein gemeinsames Training. Auf dem Platz verständigen sich die einander fremden Nationalspieler mit einem höflichen "Sie".

Um 15:00 Uhr ist Anstoß. Die Frauen unter den 4.000 Zuschauern werden mit einer Gratis-Tafel Schokolade zum Bolzplatz gelockt. Den Schiedsrichter aus England halten die Deutschen zunächst für einen Festredner, weil er eine Art Zylinder und einen Gehrock trägt. Bei Hagel, Sturm und Dauerregen erzielt Fritz Becker von Kickers Frankfurt schon in der fünften Spielminute das erste deutsche Länderspieltor. Doch die Schweizer, die einen Bundestrainer haben, sind deutlich besser eingespielt. Am Ende heißt es 5:3 für die Gastgeber. "In der Stürmerreihe vermisste ich bis zum letzten Teil des Spieles jegliche Kombination", kritisiert der Beobachter des DFB. Fast 75 Jahre später machen es die deutschen Fußballdamen besser. Bei ihrem ersten Fußballländerspiel schlagen sie die Schweizerinnen 1982 mit 5:1.

Klick
 
8. April 2008, 22:15   #97
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
06. April 1528: Todestag von Albrecht Dürer

"Ausgedörrt wie ein Bündel Stroh" wirkt der große Meister auf seinen Freund, den Humanisten Willibald Pirckheimer. Innerhalb weniger Wochen erliegt der erst 56-jährige Albrecht Dürer überraschend einer Krankheit, die Pirckheimer als "ein heiß Fieber mit einer großen Ohnmacht, Unlust und Hauptweh" beschreibt. Es ist wohl die Malaria, die den in ganz Europa bekannten und bewunderten Lockenkopf auf dem Gipfel seines Ruhms dahinrafft. Am 6. April 1528, kurz vor seinem 57. Geburtstag, stirbt Albrecht Dürer in seiner Geburtstadt Nürnberg. Die stolze Reichsmetropole ehrt ihn, den aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Handwerkersohn, mit einem Grab auf dem Johannisfriedhof. 34 Jahre zuvor hat der junge Dürer diese Ruhestätte der Nürnberger Patrizier in einem Bild verewigt. Es ist das älteste Landschafts-Aquarell Dürers, das bis heute erhalten ist.

Schon zu seinen Lebzeiten erkennen große Zeitgenossen wie Michelangelo, Raffael, Melanchton oder Luther die überragende Bedeutung Albrecht Dürers. Erasmus von Rotterdam rühmt gar, dem Nürnberger gelinge es, das gar nicht Malbare auf die Leinwand zu bannen. Bis heute zählen Motive wie "Der Feldhase", "Die betenden Hände" oder "Die vier Apokalyptischen Reiter" zu den größten Ikonen deutscher Kunst und sind in Werken der Gegenwartskunst noch ebenso präsent sind wie in Todesanzeigen oder politischen Karikaturen. Der "haarig, bartet Maler", wie sich Dürer wegen der Spötteleien über sein Äußeres selbstironisch nennt, gilt als Wiederentdecker der Antike, als der Reformator der Kunst in Deutschland. "Inwendig voll Figur" müsse ein Künstler sein, fordert Dürer. Doch obwohl von Malern und Majestäten für seine schier unerschöpfliche Fantasie bewundert wird, fühlt sich Dürer sein Leben lang als innerlich Unvollendeter: "Ach, wie oft siech ich große Kunst im Schlofe, dergleichen mir wachend nit fürkummt."

Deutschlands berühmtester Renaissance-Maler beweist nicht nur als Künstler, sondern auch als Geschäftsmann eine überragende Begabung. In eigenen Werkstätten lässt Dürer etwa seine berühmten Holzschnittserien über die Apokalypse oder das Marienleben in großen Auflagen fertigen und europaweit zu günstigen Preisen anbieten. Seine Frau Agnes, mit der er seit 1494 verheiratet ist, schickt er auf Messen, um dort Kupferstiche und Grafiken nach einer festen Preisliste zu verkaufen. Nicht nur in seiner künstlerischen Tätigkeit, auch in der Theorie reflektiert Dürer die Umwälzungen und Eruptionen seiner Ära. Seine versierten Abhandlungen zur Mathematik, zur Proportionslehre oder über den Bau von Befestigungsanlagen gelten jahrhundertelang als Standardwerke. Zu einer Zeit, als 50 Gulden den Jahresbedarf eines Menschen hinreichend decken, hinterlässt Albrecht Dürer seiner Witwe Agnes das ansehnliche Erbe von 6.848 Gulden.

Klick
 
8. April 2008, 22:18   #98
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
07. April 1903: Otto Stinnes wird geboren

Zechen, Stahlwerke, Handelskontore, Schifffahrtsgesellschaften - zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist Hugo Stinnes einer der mächtigsten Industriellen in Europa. 300.000 Arbeiter bezeichnen ihn respektvoll als ihren "Prinzipal". Im April 1924 stirbt er auf dem Höhepunkt seiner Macht an den Folgen eines Gallenleidens. Sein Tod trifft die Familie völlig unvorbereitet. Keines der sieben Kinder ist älter als 25 Jahre und als Nachfolger aufgebaut. Witwe Claire Stinnes-Wagenknecht bestimmt den Ältesten, Hugo junior, zum Firmenchef - obwohl ihr dritter Sohn Otto ihr näher steht. Dieser wurde am 7. April 1903 am Stinnes-Sitz in Mülheim an der Ruhr geboren. Nach dem Realgymnasium studierte er Chemie in München und Berlin. Ende 1924 besteht er das Examen als Diplom-Ingenieur. Noch im gleichen Jahr tritt er als Prokurist in die Firma ein.

Immer wieder geraten die beiden Brüder Hugo und Otto aneinander. Zu unterschiedlich sind ihre unternehmerischen Vorstellungen: Hugo wollte schnell expandieren, erzählt Mathias Stinnes, ein Ur-Enkel des "großen Hugo", der heute in Mecklenburg lebt. Otto hingegen habe das Ziel gehabt, langsam zu wachsen. "Darüber sind die beiden in einen ziemlich engen Konflikt gekommen." Anfang der 50er Jahre kommt es zum Bruch. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland drei Firmengruppen mit dem Namen Stinnes, die völlig unabhängig voneinander sind.

Dennoch werden sie in der Geschäftswelt als Einheit behandelt: Als Hugo, der Risikofreudigere, im Herbst 1963 wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerät, zieht er die Firmen seines Widersachers Otto mit in den Strudel. Im Oktober des selben Jahres muss dieser wegen Zahlungsschwierigkeiten einen Teil seiner Firmen aufgeben. Mit 62 Jahren fängt Otto noch einmal neu an. Wieder gehören zu seinen Beteiligungen Schiffslinien und Handelshäuser. Neu dazu kommt die Entsorgungsbranche. 1982 übernimmt Mathias Stinnes diese Familienfirma von seinem Großonkel Otto - ein Jahr bevor dieser am 6. Mai 1983 in Hamburg stirbt. Ihre frühere Bedeutung erreicht die Stinnes-Dynastie nicht mehr. Eine Gründung von der Größenordnung des Stromkonzerns RWE, an der Gründervater Hugo Stinnes 1898 beteiligt war, bleibt aus. Seine Nachfahren haben das Imperium nicht zusammenhalten können.

Klick
 
8. April 2008, 22:21   #99
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
08. April 1928: Lea Rabin wird geboren

Tel Aviv, November 1995: Verkleidet fährt Jassir Arafat heimlich durch die nächtliche Stadt. Er ist auf dem Weg zu Lea Rabin. Denn der PLO-Chef will der Witwe des israelischen Ministerpräsidenten, der wenige Tage zuvor ermordet wurde, persönlich kondolieren. Unter dem Motto "Ja zum Frieden, nein zur Gewalt" hat am 4. November eine Friedensdemonstration stattgefunden: Ein ultra-orthodoxer Jude tötete Jitzhak Rabin mit drei Schüssen in den Rücken. Mit der Tat soll die Osloer Friedensvereinbarung mit den Palästinensern sabotiert werden. Rabin hatte 1993 das Abkommen unterzeichnet und dafür zusammen mit seinem damaligen Außenminister Shimon Peres und Arafat den Friedensnobelpreis bekommen. Die Ermordung ihres Mannes ist für Lea Rabin ein Wendepunkt in ihrem Leben. Die ehemalige First Lady wird zur prominentesten Friedensbotschafterin Israels, zur Nachlassverwalterin ihres Mannes. Fortan reist sie zu Treffen mit Staatschefs um die Welt, um für die Aussöhnung zwischen Juden und Palästinensern zu werben. Eine Zeit lang wird sie als mögliche UN-Botschafterin ihres Landes gehandelt.

Geboren wird Lea Rabin am 8. April (nach anderen Quellen am 28. April) 1928 in Königsberg, als deutsche Jüdin mit dem Nachnamen Schlossberg. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flieht die Familie 1933 nach Palästina, wo ihr Vater in Tel Aviv ein Hotel pachtet. Mit 15 Jahren lernt Lea in einer Eisdiele Jitzhak Rabin kennen. Er ist 21 Jahre alt und kämpft im Untergrund für ein unabhängiges Israel. Sie schließt sich ihm an. Während des Unabhängigkeitskrieges 1948 heiraten die beiden. Lea studiert Pädagogik, doch als Lehrerin arbeitet sie nur kurze Zeit. Sie kümmert sich um ihre Tochter Dalia und ihren Sohn Jubal, die in den 50er Jahren auf die Welt kommen. Ihr Mann macht derweil militärisch und politisch Karriere im jungen Staat Israel. 1967 wird er als Generalstabschef der israelischen Armee ein Held des Sechs-Tage-Krieges. 1974 wird er zum ersten Mal israelischer Premier, stürzt aber drei Jahre später über ein illegales Dollarkonto von Lea. In den 80er Jahren geht Jitzhak Rabin als Verteidigungsminister brutal gegen die erste Intifada vor.

Anfang der 90er Jahre ändert Jitzhak Rabin seine Position und setzt sich für einen Frieden mit den Palästinensern ein. In Israel werden die Rabins dafür heftig kritisiert: "Jeden Freitag, wenn wir nach Hause kamen, standen sie da und haben geschrien, bis sie heiser waren", erinnert sich Lea Rabin. "'Verräter', haben sie geschrien und: 'Wir werden euch aufhängen wie Mussolini und seine Geliebte.'" Nach dem Mord beschuldigt sie israelische Politiker, gegen ihren Mann gehetzt zu haben. Als die rechte Likud-Partei unter Benjamin Netanjahu 1996 die Wahlen gewinnt und der Friedensprozess ins Stocken gerät, sieht sie das Lebenswerk ihres Mannes bedroht. Im Jahr darauf veröffentlicht Lea Rabin unter dem Titel "Ich gehe weiter auf seinem Weg" ihre Erinnerungen an das Leben mit ihm. Darin wehrt sie sich gegen die Deutung, Rabin habe sich vom 'Falken' zum Friedensstifter gewandelt. Er habe sich zwar zeitlebens für die Sicherheit Israels mit Hilfe einer starken Armee eingesetzt, für ihn sei aber immer jener Krieg der beste gewesen, "den man vermeiden kann". Lea Rabin stirbt am 12. November 2000 in Tel Aviv an Lungenkrebs.

Klick
 
9. April 2008, 07:48   #100
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
09. April 1933: Geburt des Schauspielers Jean-Paul Belmondo

Mit seinen Eltern hat der kleine Jean-Paul richtig Glück gehabt. An Schule wenig interessiert möchte der quirlige Junge am liebsten Boxer werden oder Clown oder - noch besser - Schauspieler. Tänzerin Madeleine und Bildhauer Paul Belmondo zeigen viel Verständnis für die Berufswünsche ihres Sohnes. Sie unterstützen ihn nach Kräften, wofür ihnen der spätere Berufsboxer, Komödiant und Filmstar dankbar ist. "Deshalb spreche ich immer vom Werdegang eines verwöhnten Kindes", gesteht Jean-Paul Belmondo 1996 in einem Interview. Die Box-Karriere des am 9. April 1933 in Neuilly-sur-Seine geborenen Jean-Paul Belmondo dauert zwar nur zwei Kämpfe - lang genug aber, um Knubbelnase und Knautschgesicht den letzten Schliff zu verpassen.

1954 schafft der sportliche Draufgänger den Sprung an das renommierte Pariser Schauspielkonservatorium und brilliert dort. Nach kleineren Leinwand-Rollen bietet ihm 1959 ein unbekannter, fast gleichaltriger Regisseur die erste Film-Hauptrolle an. "Ich amüsiere mich prächtig", erzählt der frisch verheiratete Belmondo seiner Frau von den Dreharbeiten, "aber der Film kommt nie in die Kinos." Da irrt der Jungstar. Jean-Luc Godards Film "A bout de souffle" (Außer Atem) wird nicht nur ein riesiger Publikumserfolg, sondern leitet als erster Film der "Nouvelle vague" eine Revolution des französischen Kinos ein. Um den charismatischen Hauptdarsteller mit den sinnlichen Lippen reißen sich von nun an die besten Regisseure.

In den folgenden 30 Jahren etabliert sich der wandlungsfähige Belmondo in über 80 Abenteuerstreifen, Thrillern und Komödien als Inbegriff des charmanten Schuftes, Draufgängers und Verführers. Dass die meisten seiner Action-Streifen allerdings von eher fragwürdiger Qualität sind, sieht der vom Publikum umjubelte "Bebel" gelassen. Er will seinen Fans bieten, was er selbst "das Produkt Belmondo" nennt. Dazu gehört, auch in gefährlichen Szenen immer nur den eigenen Hals zu riskieren. Mit der Erkenntnis, dass "ein Opa nicht mehr unter dem Helikopter hängt oder aus dem siebten Stock hüpft" beendet der höchstdotierte Star des französischen Kinos Mitte der 80er Jahre die Stuntman-Laufbahn und kehrt ans Theater zurück. 2001 erleidet Belmondo einen Schlaganfall, kann die physischen Folgen aber schnell überwinden. Kurz vor seinem 75. Geburtstag lässt sich Jean-Paul Belmondo wieder vor eine Filmkamera locken. "Wir wollten ihn schonen, damit er durchhält", berichtet Regisseur Francis Huster, "aber je länger wir drehten, umso mehr schien er aufzuleben. Als ob die Kamera ihn wie eine Batterie auflädt."

Klick
 
Antwort

  Skats > Interessant & Kontrovers > Das Leben

Themen-Optionen



Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 18:59 Uhr.


Powered by vBulletin, Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Online seit 23.1.2001 um 14:23 Uhr

Die hier aufgeführten Warenzeichen und Markennamen sind Eigentum des jeweiligen Herstellers.