Skats

Datenschutzerklärung Letzten 7 Tage (Beiträge) Stichworte Fussball Tippspiel Sakniff Impressum
Zurück   Skats > Interessant & Kontrovers > Das Leben
Registrieren Hilfe Benutzerliste Kalender


 
 
11. March 2007, 08:51   #101
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
11. Mörz 1912: Rekord-Nationalspieler Paul Janes wird geboren

Reichstrainer Sepp Herberger ist zufrieden. Bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 war seine Fußball-Mannschaft nach einem 0:2 gegen Norwegen bereits im Viertelfinale ruhmlos ausgeschieden. Jetzt, ein Jahr später, stehen seine Kicker gegen Dänemark auf dem Platz. In einem überlegen geführten Spiel fegt die Nationalmannschaft des Dritten Reichs den Gegner mit 8:0 vom Platz. In der Folge gewinnt die "Breslau-Elf" in unveränderter Formation zehn von elf Spielen; auch die Revanche gegen Norwegen. Einer der Stars der "Breslau-Elf": Paul Janes von Fortuna Düsseldorf.

"Ich bin für dich der Paul"
Janes wird am 11. März 1912 in Küppersteg geboren. Nach der Schule wird er zum Maurergesellen ausgebildet, aber sein Herz schlägt für das runde Leder. Mit Fortuna Düsseldorf wird Janes im Jahr 1931 Westdeutscher Meister, 1933 Deutscher Meister, drei Jahre später dann Vize-Meister und 1937 Vize-Pokalsieger. Zwischen 1932 und 1942 erzielt er in 71 Länderspielen sieben Tore. Damit ist er der unangefochtene Rekord-Nationalspieler des Deutschen Reichs - und das, ohne je Mitglied der NSDAP zu werden.

Fast 30 Jahre bleibt Janes zudem Rekord-Nationalspieler des DFB, so lange wie kein Spieler vor und nach ihm. Erst 1970 wird er von Uwe Seeler abgelöst. Trotz seiner Erfolge bleibt der wortkarge, dunkelhaarige Janes immer bescheiden, wie sich sein ehemaliger Mitspieler Matthes Mauritz erinnert. Bei Heimspielen durfte Mauritz Janes' Sporttasche tragen; beim ersten gemeinsamen Training siezt er den Star. "Wir hant he ne janz vüürnehme Pinkel unter uns", soll Janes gesagt haben, "der säät zu mich Herr Janes! Ich bin für dich der Paul".

Nach dem Krieg kickt Janes noch eine Weile für die Fortuna, später versucht er sich in Düsseldorf als Trainer - allerdings erfolglos. Danach verdient er sich seinen Lebensunterhalt in einer Sportlerklause in Leverkusen. 1987 stirbt Janes bei der Rückkehr von seinem freitäglichen Frühschoppen in einer Düsseldorfer Straßenbahn an Herzversagen. Im Paul-Janes-Stadion in Düsseldorf-Flingern trägt Fortuna Düsseldorf noch bis 2005 einen Teil ihrer Heimspiele aus.

Klick
 
12. March 2007, 08:40   #102
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
12. März 1832: Geburtstag von Charles Cunningham Boycott

Boykotte kennt die Geschichte, lange bevor die Bezeichnung dafür gefunden war. Im Mittelalter etwa verbannte die Hanse unbotmäßige Städte aus ihrem Handelsbund, was für die "Boykottierten" den sicheren ökonomischen Abstieg bedeutete. Während der amerikanischen Revolution unterstrichen die Kolonisten der Neuen Welt den Kampf um Unabhängigkeit, indem sie britische Waren nicht mehr ins Land ließen. Ihren heutigen Namen erhielt diese Form organisierter Verweigerung erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, durch einen höchst unbeliebten Zeitgenossen namens Charles Cunningham Boycott (Betonung auf der ersten Silbe).

Der am 12. März 1832 geborene ehemalige Captain der britischen Armee gerät 1880 zwischen die Fronten des in Irland tobenden "Land War" (Krieg um Land). Grund und Boden auf der grünen Insel gehören zu jener Zeit englischen, meist protestantischen Großgrundbesitzern. Bearbeitet wird das Land von nahezu rechtlosen, in der Regel katholischen Pächtern, die den Schikanen der reichen Landlords hilflos ausgeliefert sind. Als Gutsverwalter des Earl of Erne erarbeitet sich Charles Cunningham Boycott im County Mayo schnell den Ruf eines üblen Leuteschinders und heizt damit die gärenden sozialen Unruhen zusätzlich an. Bereits im ersten Amtsjahr drangsaliert Boycott seine unter Missernten leidenden Bauern dermaßen, dass sie sich weigern, den fälligen Pachtzins zu zahlen.

Im Jahr vor Boycotts Ankunft hatten sich die irischen Oppositionellen zur "National Land League" (Landliga) vereint, um mehr Rechte für die Pächter zu erkämpfen. Deren Führer, Charles Stewart Parnell, setzt nun im Fall Boycott auf eine neue Strategie. Alle Angestellten und Pächter des Verwalters kündigen, kein Händler verkauft ihm etwas und Post wird auch nicht mehr zugestellt. Um wenigstens die Kartoffelernte zu retten, lässt Boycott protestantische Arbeiter aus anderen Countys heranschaffen. Die müssen allerdings von einem so großen Polizeiaufgebot vor dem Zorn der Einheimischen geschützt werden, dass die Kosten des Einsatzes den Ernteertrag bald erheblich übertreffen. Charles Cunningham Boycott bleibt nichts anderes übrig, als das Land zu verlassen. In einem Brief an die Londoner "Times " beschwert er sich über die erlittene Schmach und sorgt so höchstpersönlich dafür, dass die Welt von seinem Fall erfährt - und sein Name in vielen Sprachen zum Inbegriff kollektiver Verweigerungshaltung wird.

Klick
 
13. March 2007, 08:55   #103
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
13. März 1917: Deutsches Ledermuseum in Offenbach gegründet

Ob Frösche, Schlangen oder Fische - aus vielen Tieren lässt sich Leder herstellen. So machen zum Beispiel die Inuit, die Ureinwohner in Alaska, aus Därmen von Seehunden Regencapes. Hierzulande ist das Gerberhandwerk allerdings vom Aussterben bedroht: Nur noch 50 Betriebe veredeln tierische Häute zu Leder. Die Blütezeit ist längst vorbei: Mitte der 1920er Jahre waren in Deutschland über 6.000 Mitarbeiter in fast 3.000 Lederfabriken beschäftigt. Viele davon hatten ihren Sitz in der deutschen Lederstadt Offenbach.

Da die Firmen damals ständig neue Modelle entwickeln wollen, sucht der Leiter der Werkkunstschule, Professor Hugo Eberhardt, weltweit nach Objekten, die dafür als Vorbilder in Frage kommen. Sein erstes Stück ist eine Tiroler Truhe aus dem 17. Jahrhundert, die mit Leder verziert ist. Die Sammlung wächst rasant an und so gründet Eberhardt am 13. März 1917 das Deutsche Ledermuseum. 1938 wird das Museum im "Städtischen Lagerhaus" untergebracht, einem 175 Jahre alten, klassizistischen Gebäude in Offenbachs Innenstadt. Seitdem sind mehr als 30.000 Objekte zusammengekommen. Heute kann man dort unter einem Dach gleich drei Museen auf einmal besuchen: Das Deutsche Schuhmuseum, das Ethnologische Museum und das Museum für angewandte Kunst.

International bekannt ist die Amerika-Abteilung des Ethnologischen Museums. Zu den Besuchern zählen Angehörige der einheimischen Bevölkerung Nordamerikas und Kanadas wie etwa Navajo, Hopi oder Blackfoot. Im Schuhmuseum stehen neben den rekonstruierten Schuhen von Ötzi, der Gletschermumie aus Österreich, auch die weißen Sportschuhe, die Joschka Fischer (Grüne) bei seiner Vereidigung zum hessischen Umweltminister getragen hat. Auch wenn Fischers Erinnerungsstücke noch nicht so alt sind, müssen sie genauso konserviert werden wie zum Beispiel die Pontifikalschuhe des Erzbischofs Arnold von Trier aus dem 12. Jahrhundert. Im dritten Ausstellungsbereich - dem Museum für angewandte Kunst - finden sich neben spätromanischen Buchfutteralen aus Leder auch Sättel, Gürtel und Kleidungsstücke aller Epochen. Neben der Aktentasche Napoleons sind auch zeitgenössische luxuriöse Ledertäschchen für die japanische Kronprinzessin und andere gekrönte Häupter zu sehen.

Klick
 
14. March 2007, 08:33   #104
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
14. März 1922: Die Geburtsstunde des Gummibären

1922 steht Hans Riegel in seinem kleinen Schuppen in einem Vorort von Bonn. Vor zwei Jahren hat sich der 29-jährige Bonbonmacher mit einem kleinen Familienunternehmen für "pharmazeutische Artikel" wie Veilchenpastillen, Salmiaktabletten und Lakritz selbstständig gemacht, einen Sack Zucker und einen Kupferkessel im Gepäck. Jetzt produziert er Süßwaren am gemauerten Herd. Aber die alte Palette an Produkten reicht Riegel nicht mehr aus. Heute will er etwas Neues, Süßes kreieren.

Tanzbär zum Essen
Wie die Süßigkeit schmecken soll, weiß Riegel noch nicht. Aber er hat konkrete Vorstellungen darüber, in welche Form er sie gießen will. Ein Bär soll es werden - angeregt von jenen bedauernswerten Geschöpfen auf Jahrmärkten, die mit einem Ring durch die Nase zum Vergnügen von Jahrmarktsbesuchern tanzen müssen. "Jetzt stell' ich einen Tanzbären zum Essen für die Kinder her", soll er gesagt haben. Das Ergebnis ist vier Zentimeter groß und mit Fellansatz versehen, etwas hager, eckig und beißfest. Fortan kocht Riegel morgens seine Tanzbären. Seine Frau packt daraus kleine Pakete, die der Bonbonmacher am Nachmittag in den Geschäften der Umgebung verkauft. Zwei Stück der Leckerei kosten einen Pfennig.

Anfangs ist Riegels Tanzbär alles andere als ein Verkaufshit. Die "pharmazeutischen Artikel" verkaufen sich besser und werden im zweiten Weltkrieg als Hunger- und Durststiller an die Front geschickt. Nach der Kapitulation Deutschlands übernehmen Riegels Söhne das Geschäft. Peter Riegel überarbeitet das Rezept des Vaters, verfeinert den Geschmack, schrumpft den Bären und macht ihn weicher. Danach brummt das Geschäft von Hans Riegel Bonn, kurz: Haribo, auch dank eines genialen Reklamespruchs und prominenter Werbeträger. Heute werden bei Haribo jeden Tag rund 100 Millionen Goldbären hergestellt.

Klick
 
15. March 2007, 10:36   #105
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
15. März 1907: Zarah Leander wird geboren

Schon ihr erster Auftritt im deutschen Kino fällt aus dem Rahmen. Im Melodram "Zu neuen Ufern" erscheint Zarah Leander 1937 als frivole, aber auch liebende Sängerin auf der Leinwand. Sie trägt ein tief ausgeschnittenes Kleid aus schwarzer Spitze. Das Verruchte, das so gar nicht zum nationalsozialistischen Frauenideal passt, hat Methode: Leander soll das Volk unterhalten, später auch vom Schrecken des Krieges ablenken. Fortan spielt die Diva ihre Rolle als exotisches Mischwesen aus männermordendem Vamp und treuer Geliebter in Filmen wie "Der Weg ins Freie" (1941) oder "Die große Liebe" (1942), in dem sie sich vom selbstsüchtigen Star zur Fliegergattin wandeln muss. "Davon geht die Welt nicht unter" ist einer ihrer Hits, während über Deutschland die Bomber der Alliierten kreisen.

Von der "Garbo der Operette" zur "Nazi-Diva"
Leander wird am 15. März 1907 als Sara Stina Hedberg im schwedischen Provinzstädtchen Karlstad geboren. Mit zwölf Jahren sieht sie mit Ibsens "Peer Gynt" ihr erstes Theaterstück - und beschließt nach eigener Aussage, Schauspielerin zu werden. Fünf Jahre später wird sie als "hübsch, aber total unbegabt" von der Schauspielschule abgelehnt. Auch beim Vorsingen in der Oper fällt sie durch. Mit eisernem Willen arbeitet Leander trotzdem weiter an ihrem Traum und beginnt 1929 mit einer Tournee in einer Revue durch Schweden. Nach ihrem Umzug nach Stockholm avanciert sie zur Revue-Primadonna und geht 1936 für ein musikalisches Lustspiel als gefeierter Star nach Wien.

Nachdem Marlene Dietrich sich hartnäckig weigert, nach Deutschland zurückzukehren, werden die Nationalsozialisten bei ihrer Suche nach einem Kinostar mit Hollywood-Format auf die "Garbo der Operette" aufmerksam. Konsequent wird Leander nun von der Propaganda zur vergötterten Primadonna des Dritten Reichs stilisiert. Wallende Gewänder verdecken ihre Problemzonen; Filmpartner wie Willy Birgel müssen auf Holzklötzen neben der hochgewachsenen Leander herstolpern.

1942 will die Ufa Leanders Gage nicht mehr in Devisen zahlen. Propagandaminister Joseph Goebbels drängt den Star zudem, endlich die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die Diva weigert sich - und verlässt 1943 das bereits brennende Berlin, um endgültig auf ihr Gut nach Schweden zurückzukehren. In ihrer Heimat aber schlägt der "Nazi-Diva" unverhohlener Hass entgegen.

Trotzdem schafft Leander in den fünfziger Jahren ein Comeback, singt alte Ufa-Schlager, hat Musical-Erfolge und gibt Konzerte. Den rechten Zeitpunkt für einen Abtritt von der Bühne findet sie allerdings nicht. Am Ende tritt sie auf Tuntenbällen und bei Kaffeefahrten auf. Nach dem Tod ihres dritten Mannes durch einen Hirnschlag an den Rollstuhl gefesselt, stirbt sie 1981 in Stockholm.

Klick
 
16. March 2007, 08:47   #106
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
16. März 2002: Oberstachelschwein Wolfgang Gruner stirbt

Am Anfang hat es das Berliner Kabarett "Die Stachelschweine" nicht leicht. Einmal verirrt sich Walther Giller mit seiner Frau Nadja in die ansonsten leeren, dunklen Räume. Giller hat sich bereits als Filmschauspieler einen Namen gemacht. Deshalb beschließt die Truppe, trotzdem zu spielen. "Und das werd' ich nie vergessen", erinnert sich Edith Hanke: "der Walther hat sich kaputt gelacht, und Nadja saß schön, also wie ein Bild neben ihm und hat, glaube ich, überhaupt nichts mitgekriegt. Und das war unser einsamster Abend."

Berliner Schnauze inklusive
Dass der einsamste Abend der "Stachelschweine" doch erfolgreich wird, ist vor allem ihrem eigentlichen Star Wolfgang Gruner zu verdanken. Gruner wird 1926 in Rathenow geboren. Bevor ihn die Wehrmacht einzieht, will er Steuerberater werden. Während seiner fünfjährigen Kriegsgefangenschaft in Russland entdeckt er dann seine Liebe zum Theater. Gruner nimmt Schauspielunterricht, 1951 steht er auf Empfehlung Harald Juhnkes erstmals als Kabarettist der "Fliegenpilze" auf der Bühne. Im selben Jahr stößt er zu den "Stachelschweinen" und drückt dem Ensemble seinen Stempel auf. Auf und hinter der Bühne hat Gruner das Sagen. Was er an politischen Themen bestimmt, ist Gesetz. Sein Grundsatz, dass das Kabarett die Demokratie erhalte, wird zum künstlerischen Motto. Die Autorität versüßt er seinen Mitspielern durch Leckereien und Suppenpausen während der Probezeiten. "Er war der Guru", sagt Mit-Kabarettistin Birgit Edenharter. "Er war das Stachelschwein."

Später wird Gruner im Fernsehen berühmt. In Wim Thoelkes Quizshow "Der Große Preis" im ZDF gibt er den Taxifahrer Fritze Flink. Der Name ist Programm: Denn Gruner verfügt nicht nur über die Berliner Schnauze, sondern gibt mit Gebrabbel ohne Punkt und Komma seinen oft hintersinnigen Texten einen besonderen Reiz. Trotz dieser TV-Erfolge bleibt Gruner den "Stachelschweinen" treu. Immer wieder steht er auf der Bühne, insgesamt über fünf Jahrzehnte, bis ihn ein Krebsleiden als Kabarettist melancholischer macht und schließlich zur Aufgabe zwingt. "Weißt du, Birgit", sagt er einmal zu Edenharter, "ich bin schon so lange hier, und ich würde gern noch ganz lange kommen. Ich komme immer so gerne jeden Abend." Da hat der bereits in sich zusammengefallenen Gruner noch ein bis zwei Kurzauftritte in der Woche. Er stirbt am 16. März 2002 in Berlin.

Klick
 
17. March 2007, 14:13   #107
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
17. März 1977: Abhörskandal in Stuttgart-Stammheim

Im Kampf gegen die "Rote Armee Fraktion" (RAF) sind dem Staat viele Mittel recht - auch ein illegaler Lauschangriff: Am 17. März 1977 teilen Baden-Württembergs Justizminister Traugott Bender (CDU) und Innenminister Karl Schiess (CDU) der Presse mit, dass in der JVA Stuttgart-Stammheim zwei Mal Gespräche zwischen angeklagten RAF-Mitgliedern und ihren Verteidigern abgehört worden seien. Die Minister berufen sich auf einen "übergesetzlichen Notstand". Anlass der Abhöraktionen sei der "dringende Verdacht" gewesen, dass die Inhaftierten Geiselnahmen und Gewaltakte aus dem Gefängnis steuern könnten. Ein glatter Bruch von Gesetz und Verfassung, durch den weitere Terroranschläge verhindert werden sollten: "Zu dieser Güterabwägung stehen wir und wir würden in ähnlicher Situation nicht anders handeln können, wenn wir unsere Pflicht nicht verletzen wollen", sagt Justizminister Bender.

Die erste Lauschaktion habe nach dem RAF-Überfall auf die Deutsche Botschaft in Stockholm Ende April 1975 stattgefunden: "In dieser kurzen Phase haben wir am 29.04. Hinweise auf einen Kinderspielplatz und eine möglicherweise dort geplante Geiselnahme erlangt", erklärt Innenminister Schiess. Die Anwälte von Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe stehen bei den Behörden im Verdacht, Briefe aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Das zweite Mal sei - nach der Festnahme von Rechtsanwalt Siegfried Haag - im Dezember 1976 "auf kurze Zeit befristet abgehört" worden, so Schiess. Die Minister verraten den Journalisten allerdings nicht, dass die Abhörgeräte schon Anfang März 1975 installiert worden sind, also rund sechs Wochen vor der Stockholmer Botschaftsbesetzung.

Kanzleramt, BND, Verfassungsschutz
Es stellt sich heraus, dass der Chef des Kanzleramtes, Staatssekretär Manfred Schüler, für den Einbau der Abhöranlage im Stammheimer Gefängnis die "technische Hilfe" des Bundesnachrichtendienstes genehmigt hat. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat dabei technische Unterstützung geleistet. Die Lauschoperationen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg haben allerdings keine Beweise für die angebliche Gefährdung Dritter erbracht. Dafür gefährdet das öffentliche Eingeständnis der Aktionen den schon fast zwei Jahre dauernden Prozess gegen die führenden Köpfe der RAF. Otto Schily verlangt als Verteidiger von Gudrun Ensslin kurz nach der Pressekonferenz die Einstellung des Stammheimer Verfahrens: Es hätten eine "Vielzahl von Verstößen gegen fundamentale Rechtsgrundsätze im Strafprozess stattgefunden".

Die Abhöraffäre in Stammheim sorgt für Aufregung in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Erst wenige Wochen zuvor hat die Öffentlichkeit erfahren, dass der Atomwissenschaftler Klaus Traube vom Verfassungsschutz vergeblich abgehört worden ist. Ihm sollten Verbindungen zu Terroristen nachgewiesen werden. Bundesinnenminister Werner Maihofer (FDP) war damals in die Lauschaktion eingeweiht. Durch den Fall Traube ist der Abhörskandal von Stammheim erst ans Licht gekommen. Zwar geraten die baden-württembergische Landesregierung und die sozial-liberale Bundesregierung unter Führung von Helmut Schmidt (SPD) unter Druck. Aber Konsequenzen bei Behörden und Politikern bleiben aus. Rund sechs Wochen später werden Baader, Ensslin und Raspe zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Klick
 
18. March 2007, 18:34   #108
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
18. März 1937: Radrennfahrer Rudi Altig wird geboren

Sein erstes Rennen fährt er auf einem geliehenen Rad und im Fußball-Trikot von Phönix Ludwigshafen. Eigentlich hatte der kleine Rudi ja davon geträumt, ein großer Fußballspieler zu werden. Doch angeregt durch seinen zwei Jahre älteren Bruder Willi versucht der am 18. März 1937 in Mannheim geborene Rudi Altig sein Glück im Fahrradsattel statt mit dem Ball. Der Start im relativ kostspieligen Radsport fällt beiden nicht leicht. Die Altig-Brüder wachsen in einer durch Kriegs- und Nachkriegszeit zerrütteten Familie auf, die Mutter kommt früh bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Sich durchbeißen zu müssen wird so zu einem bestimmenden Charakterzug von Rudi Altig - und zum Schlüssel des Erfolgs. Sein erstes Rennen 1952 beendet der Fünfzehnjährige gleich als Sieger.

Obwohl Rudi bereits 1953 den deutschen Junioren-Meistertitel auf der Straße erkämpft, machen die Altig-Brüder in den kommenden Jahren vor allem als Bahnfahrer von sich reden; Willi, der Taktiker und Rudi, der Draufgänger. Als Weltmeister in der Einzelverfolgung krönt Altig 1959 seine Amateurlaufbahn. Mit dem Wechsel ins Profilager beginnt eine Karriere, die trotz der Erfolge von Jan Ullrich oder Erik Zabel bis heute unerreicht ist: Zu insgesamt drei Verfolgungs-Weltmeisterschaften und der Straßen-WM 1966 kommen Siege in der Spanien- und der Flandern-Rundfahrt, bei Mailand - San Remo, vier Tour-de-France-Teilnahmen mit acht Etappensiegen und 19 Tagen im Gelben Trikot, sowie der Gewinn des Grünen Trikots 1962. "Sportler des Jahres" 1966, 23 Sechstage-Erfolge und vier Etappensiege beim Giro d'Italia runden die Statistik ab. In seiner Heimat sorgt Altig, die "deutsche Kampfmaschine", für einen Radsport-Boom ohnegleichen; in Frankreich kennt man ihn noch heute wegen seines draufgängerischen Fahrstils als "Sacré Rudi " (wörtlich "heiliger", ugs. "unglaublicher").

Der rasende Rudi ist allerdings alles andere als ein Kletterspezialist. Wegen seiner Probleme am Berg gerät Altig, der ihm Fahrerlager auch schon mal "die rollende Apotheke" genannt wird, unter Doping-Verdacht und wird 1969 sogar von der Tour de France ausgeschlossen. 1971 beendet Rudi Altig seine Laufbahn. In den folgenden Jahren engagiert er sich als Bundestrainer der Amateure und technischer Direktor eines Profiteams - beides ohne Erfolg. Seine Beliebtheit als deutsches Sportidol und Tour-Kommentator der ARD beeinträchtigt das aber keineswegs. Den wichtigsten Sieg seines Lebens erringt "Rudi national", der heute, vital wie eh und je, in Sinzig am Rhein lebt, vor 13 Jahren. Nach einem Arztbesuch lautet die Diagnose: Magenkrebs. Nur drei Monate nach einer schweren Operation taucht Altig schon wieder bei der Tour de France auf. Auf nachfühlende Fragen zu seiner Gesundheit antwortet er kurz und bündig: "Ich lebe. Ende."

Klick
 
19. March 2007, 18:10   #109
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
19. März 1952: DDR-Ministerrat erlässt Richtlinien für Haus- + Straßenvertrauensleute

In der DDR ist niemand allein. Bis in die Zelle der Familie hinein will der Staatsorganismus wissen, was seine Bürger tun. In jedem Wohnhaus muss ein Mitglied der Hausgemeinschaft deshalb ein Hausbuch führen, in dem nicht nur alle Bewohner akribisch verzeichnet sind: Wer länger als zwei, drei Wochen zu Besuch kommt, muss sich melden. Bei Gästen vom Klassenfeind aus Westdeutschland besteht bereits bei drei Tagen Meldepflicht.

Damit auch alles seine Ordnung hat, beschließt der Ministerrat der DDR am 19. März 1952 Richtlinien für Haus und Vertrauensleute. Sie werden vom Kollektiv gewählt und sollen der Gemeinschaft den rechten Weg weisen. Fortan organisieren die Vertrauensleute für Haus und Straße den Sozialismus im Kleinen - und sorgen dafür, dass das Hausbuch korrekt geführt wird. Gemeinsam gehen die Bewohner zur Wahl, schmücken ihre Straßen bei Messen und Festen. Viele haben im Keller eigens ein kleines Versammlungslokal eingerichtet, in dem gemeinsame Theaterbesuche, Kinder-Diskos oder Wettbewerbe "für die beste Ausschmückung im Straßenzug" vorbereitet werden.

"Unterstes Gremium der Nationalen Front"
Die Hausgemeinschaft wird zum Ort des Engagements, der Kultur und Volksnähe, wie es das westdeutsche Bundesministerium des Innern 1985 in seinem "DDR-Handbuch" formuliert: "Mit ihrer Hilfe soll auch im Freizeitbereich jener Prozess der Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen gefördert werden, den die Partei sonst vor allem im Arbeitsleben ständig zu imitieren sucht", heißt es dort. Hausgemeinschaften "sind die untersten Gremien der Nationalen Front, in denen staatliche und gesellschaftliche Aktivitäten unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zusammenfließen".

Aber die Haus- und Straßengemeinschaften sollen noch mehr. Vor allem dienen sie auch der Organisation des eigenen Lebensbereichs und der "Selbstverpflichtung" für seine Instandhaltung. Über den Zustand der einzelnen Häuser oder der Parkanalagen bestimmt buchstäblich die Macht der Straße. Wo Mittel fehlen, helfen bisweilen Eingaben an die Partei. Im Keller der Mietskasernen werden vor allem auch Briefe geschrieben: "an die Staatsmacht, dass das Dach gemacht wurde, das der Keller gemacht wurde, die Abflüsse, die Türen", erinnert sich ein DDR-Bürger zur Zeit der Wende. "Wir haben einiges erreicht, sodass das Haus, als es dann an den Westbesitzer übergeben wurde. in einem sehr guten Zustand war. Bloß wir alle hatten dann nichts mehr davon".

Klick
 
20. March 2007, 08:26   #110
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
20. März 1602: Die Vereinigte Ostindische Compagnie wird gegründet

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts sind die Niederlande neben Norditalien die am dichtesten besiedelte Region Europas, städtisch, wohlhabend, mit Handelskontakten vom Baltikum bis nach Portugal. Aber die Spanier, die früheren Herren der jetzt unabhängigen Niederlande, sperren ihre Häfen für die Calvinisten aus dem Norden. Um an die begehrten asiatischen Handelswaren zu kommen, müssen sich die Schiffe von der Nordsee nun selbst auf den Weg um Afrika machen.

Am 20. März 1602 schließen sich 17 führende Kaufleute zur "Verenigden oostindischen Compagnie" zusammen. Um ihre Handelsflotte zu finanzieren, geben sie als erste Gesellschaft der Welt Aktien aus, spekulative Optionsscheine auf den Erfolg ihrer Expeditionen. Der niederländische Staat stattet die Gesellschaft mit weitreichenden Privilegien aus: Zum Monopol auf die Asienfahrt gehört das Recht, dort Verträge zu schließen, Stützpunkte zu errichten, Beamte zu ernennen, Truppen zu kasernieren und Krieg zu führen. So baut die Compagnie in Indonesien ein eigenes Handelsreich auf. Weil es in Asien kaum Interesse an europäischen Produkten gibt, steigt sie in den innerasiatischen Handel ein, verkauft Sandelholz aus Timor in China und japanisches Kupfer an der Koromandelküste. Mit den eingetauschten Gewürzen und Textilien erzielt die Gesellschaft in Europa riesige Gewinne: Bis 1682 schüttet die Compagnie fast 1.500 Prozent ihres Startkapitals von 6,5 Millionen Gulden als Dividende aus. Der Reichtum aus Asien finanziert das goldene Zeitalter der Niederlande mit seinen Prachtbauten und der Kunst von Rembrandt und Vermeer.

Genozid und Pleite
In Asien ist der Handel kein friedliches Geschäft. Ständig kommt es zu Gefechten mit der europäischen Konkurrenz. Aber auch den einheimischen Markt sichern sich die Kaufleute mit Gewalt. Jan Coen gründet die Kolonie Batavia - heute Djakarta - und nennt sich Generalgouverneur von Niederländisch-Indien. Um sein Monopol auf den Muskat-Handel durchzusetzen, brennt er auf den Banda-Inseln die einheimischen Pflanzungen nieder, vertreibt und ermordet die Bevölkerung und siedelt in ihren Dörfern Sklaven an. Historiker sprechen heute von Völkermord. Auf den Schiffen der Niederländer fahren Abenteurer und daheim Verfolgte mit. Zeitweise beschäftigt die Comapagnie 10.000 Soldaten, die meist nicht mehr als neun Gulden im Monat verdienen. Von den Handelsreisenden, die für fünf Jahre in Asien bleiben, kehrt im Schnitt nur ein Drittel zurück. Die Meisten sterben durch Gewalt und Tropenkrankheiten oder lassen sich für immer in Asien nieder.

Im 18. Jahrhundert überflügeln Engländer und Franzosen die niederländische Gesellschaft. Deren Gouverneure investieren lieber in Asien und entziehen der Compagnie immer mehr Kapital. Um die Aktionäre bei Laune zu halten, zahlt das Traditionsunternehmen mehr aus, als es aufbringen kann. 1799 meldet die Compagnie Konkurs an. Der niederländische Staat übernimmt sie mit allen Niederlassungen - die Basis für ein Kolonialreich.

Klick
 
21. March 2007, 08:46   #111
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
21. März 1917: Gefangennahme der Zarenfamilie

Nicht alle, aber viele Übel im damaligen Russland hat Nikolaus II. selbst zu verantworten und zwar aus Unfähigkeit. In seiner Regierungszeit von 1894 bis 1917 ist der Zar im Grunde stets der falsche Mann am falschen Ort, urteilt Professor Dittmar Dahlmann. Der Bonner Osteuropa-Historiker beschreibt Nikolaus II. als unpolitischen Menschen, unfähig, die Folgen seines Handelns und die Veränderungen seiner Zeit zu verstehen. Selbst im Krisenjahr 1917 bleibt der letzte Romanow-Herrscher blind gegenüber den Realitäten. "Majestät", flüstert der englische Botschafter Nikolaus zu, "Ihr müsst unbedingt das Vertrauen der Volksmassen zurückgewinnen." Die Antwort des Autokraten: " Es ist nicht an mir, das Vertrauen meines Volkes zu verdienen, sondern an ihm, mein Vertrauen zu verdienen."

Zu Beginn des Schicksalsjahres 1917 ist Russland nur noch ein Kartenhaus kurz vor dem Einsturz: kriegsmüde Soldaten, hungernde Massen, die Wirtschaft am Boden, das Geld nichts mehr wert. Es riecht nach Umsturz. Und wie reagiert der Zar? "Die Situation ist nicht so tragisch. Alles wird sich regeln." Ignorant verspielt Nikolaus II. so auch seine allerletzte Chance, eventuell seine völlige Entmachtung, die Revolution und letztlich die Ermordung seiner ganzen Familie zu verhindern. Den Romanows, vor allem der deutschen Zarengattin Alexandra, die unter dem unseligen Einfluss des Wunderheilers Rasputin steht, schlägt nur noch Hass und Verachtung entgegen.Der Lauf der Revolution ist so nicht mehr zu stoppen.

Am 10. März 1917 (nach julianischem Kalender der 23. Februar) bricht in Petrograd der Generalstreik aus. Der Zar lässt die Menge beschießen und besiegelt damit endgültig sein Schicksal. Fünf Tage später tritt Nikolaus II. auf Anraten seiner Militärs zurück und verzichtet auch im Namen seines Sohnes auf die Krone. Um den Schutz des Zaren und seiner Frau gewährleisten zu können, wird die gesamte Familie am 21. März 1917 unter strengsten Hausarrest gestellt. Versuche der provisorischen, bürgerlich-liberalen Regierung, für die Romanows ein Exil-Land zu finden, schlagen fehl; die künftigen Herrscher, die Bolschewiki, wollen Rache. In der Nacht des 16. Juli 1918 reißt ein Exekutionskommando die Zarenfamilie aus dem Schlaf. Nikolaus, Alexandra, Sohn Alexej, die vier Töchter und vier Bedienstete werden in einem Raum zusammengetrieben. Was dann geschieht, ist in einem Protokoll ausführlich festgehalten. Der Kommando-Führer verliest das Todesurteil, dann setzt eine wilde Schießerei ein. Erst nach 20 Minuten ist das Massaker beendet.

Klick
 
22. March 2007, 10:22   #112
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
22. März 1832: Johann Wolfgang von Goethe stirbt in Weimar

Im Sommer 1831 kämpft sich ein 81-jähriger Greis durch den Wald zur Kuppe des Kickelhahn bei Ilmenau hinauf. Oben steht eine kleine Jagdhütte, in deren Holzwand ein kurzes Gedicht eingeritzt ist: "Über allen Gipfeln ist Ruh. / In allen Wipfeln / spürest Du / kaum einen Hauch. / Die Vöglein schweigen / im Walde. / Warte nur, balde / ruhest du auch." Johann Wolfgang von Goethe hat es hier vor über 50 Jahren hinterlassen. Schon damals (1780) ist der 31-Jährige ein berühmter Mann, Autor des Erfolgsromans "Die Leiden des jungen Werthers" und des turbulenten Bühnenstücks "Götz von Berlichingen". Bei seinem zweiten Besuch aber ist er geadelt, Geheimrat des Weimarer Fürsten und selbst europaweit geachteter Dichterfürst, ein Denkmal schon zu Lebzeiten. "Goethe überlas die wenigen Zeilen", berichtet sein Begleiter vom Kickelhahn: "Tränen flossen über seine Wangen. Ganz langsam zog er sein schneeweißes Taschentuch aus seinem dunkelbraunen Tuchrock, trocknete sich die Tränen und sprach in sanftem, wehmütigen Ton: Ja, warte nur balde ruhest du auch."

Altesliebe und Alterswerke
Der alte Meister ist seit 1816 Witwer. Sein Haus in Weimar wird zum Pilgerziel von Intellektuellen und Prominenten. Goethe gewährt meist sehr förmliche Audienzen, bei denen er die Besucher oft mit wenigen Worten oder auch nur Lauten abfertigt: Außer "Recht schön" oder "Ja, ja" soll er oft nur "Hm! Hm!" gesagt oder gar "wie ein angeschossener Bär" (Sulpiz Boisserée) gebrummt haben. Der Dichter übersteht 1923 eine Herzentzündung, reist danach wieder nach Marienbad zur Kur und verliebt sich in die 19-jährige Ulrike von Levetzow. Dass die junge Frau seinen Heiratsantrag ablehnt, lässt ihn die "Marienbader Elegie" schreiben.

"Mehr Licht"
Ansonsten rundet Goethe vor allem seine Hauptwerke ab: Er schreibt die letzten Teile der "Wilhelm Meister"-Romane und vollendet den zweiten Teil des "Faust". Ansonsten lässt er schreiben: Sein Assistent Eckermann notiert alles, was Goethe sagt, so dass dieser ständig sein geistiges Testament erweitern kann. Nach seinem 82. Geburtstag nimmt sich Goethe noch einmal den Faust vor, will den zweiten Teil wieder umarbeiten. Aber ein Herzinfarkt kommt der Vollendung zuvor. An seinem Sterbebett lauern die Zeugen auf die letzten Worte des Dichters. "Mehr Licht", soll er gesagt haben. War es die Bitte, die Vorhänge aufzuziehen oder ein tiefes philosophisches Wort? Andere meinen, Goethe habe nun einmal Hessisch gesprochen und sich über sein Kissen beklagen wollen: "Mer liescht..." nicht gut". Wieder andere denken, Goethe habe einfach nichts mehr sagen wollen, also: "Mehr nicht".

Klick
 
23. March 2007, 08:08   #113
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
23. März 1912: Wernher von Braun wird geboren

Schon früh zündelt er mit Feuerwerkskörpern und baut daraus Raketenautos. Zur Konfirmation schenkt ihm seine Mutter ein astronomisches Fernrohr. Er liest die Mondfahrt-Romane von Jules Verne und mit 13 Jahren sein erstes wissenschaftliches Buch über Raketenbau. Wernher von Braun, der am 23. März 1912 in der preußischen Provinz Posen geboren wird, ist musisch begabt. Er spielt vorzüglich Klavier und hat bei Paul Hindemith ein Stipendium in Aussicht. Doch für Wernher ist klar: Er will Weltraumraketen bauen. Noch bevor er sein Physik-Studium beginnt, bastelt er mit Raketenpionier Hermann Oberth auf dem Raketenflugplatz in Berlin-Reinickendorf an Flüssigkeitsraketen. Nach seiner Doktorarbeit von 1934 engagiert das Heereswaffenamt den 22-jährigen Ingenieur. Bereits im Jahr zuvor ist von Braun in die SS eingetreten.

In der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Ostseeinsel Usedom wird von Braun 1937 technischer Direktor. Er ist verantwortlich für den Bau des "Aggregats 4" (A4). Nachdem er 1943 Hitler persönlich über den neuesten Entwicklungsstand der Langstreckenrakete informiert hat, wird die A4-Rakete als "Vergeltungswaffe" (V2) massenhaft produziert. 3.000 V2-Raketen werden in den letzten Kriegsmonaten Richtung England abgefeuert. 8.000 Menschen sterben. Noch mehr Menschleben kostet allerdings die Produktion: In den unterirdischen Anlagen des KZ Dora-Mittelbau werden die V2-Raketen zusammengebaut. 12.000 Zwangsarbeiter krepieren dort unter den bestialischen Arbeitsbedingungen. Später verteidigt von Braun, bekennender Christ und Humanist, seine Arbeit für das NS-Regime: "Ein Ingenieur im Kriege ist Soldat. An dieser Auffassung hat sich bei mir nichts geändert."

Bei Kriegsende geht von Braun mit 120 seiner Mitarbeiter in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Gepäck: 100 V2-Raketen, dazu Bauteile und Konstruktionspläne - die Grundausstattung für das US-Raumfahrtprogramm. Als Gegenleistung für seine Dienste vernichten die Amerikaner belastende Akten und übersehen, dass von Braun nicht nur NSDAP-Mitglied sondern auch Obersturmbannführer der SS war. 1949 kann er seine Familie in die Staaten nachholen und später sogar amerikanischer Staatsbürger werden. Der Kalte Krieg ermöglicht ihm einer Karriere bis zum technischen Direktor der Weltraumbehörde NASA. Für die Amerikaner ist von Braun fortan "The Missile-Man", der Raketenmann. Seine Raketen basieren alle auf dem Konzept der V2, auch die mächtige Saturn-V-Rakete von über 100 Meter Länge, die 1969 die ersten Astronauten zum Mond trägt. Dann schwindet das Interesse an der bemannten Raumfahrt rapide. Resigniert zieht sich der Raketenpionier Wernher von Braun zurück. Er stirbt am 16. Juni 1977 im Alter von 65 Jahren in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia an Nierenkrebs.

Klick
 
26. March 2007, 11:19   #114
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
24. März 1897: Wilhelm Reich wird geboren

Wilhelm Reich ist seit über zehn Jahren tot, als ihn die 68er Bewegung für sich entdeckt und zum Guru der sexuellen Befreiung macht. Doch der österreichische Psychoanalytiker ist umstritten: Für manche ist er am Ende seines Lebens schlichtweg wahnsinnig geworden. Der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch verfasst 1973 eine Biografie mit dem Titel: "Das sexuelle Bollwerk - Sinn und Wahnsinn von Wilhelm Reich". Mulisch macht sich auf die Suche nach dem Bruch in Reichs Leben - und wird in dessen Kindheit fündig. Geboren wird Reich am 24. März 1897 im östereichischen Ostgalizien als wohlbehüteter Sohn jüdischer Gutsbesitzer in der k.u.k. Monarchie. Mit zwölf Jahren macht er eine Entdeckung, die für ihn zur Tragödie wird: Er überrascht seine Mutter beim Seitensprung mit dem Hauslehrer. Als Wilhelm seine Mutter verrät, bringt sie sich um. Daraufhin stellt sich sein Vater so lange in kaltes Wasser, bis er Tuberkulose bekommt und ebenfalls stirbt. Wilhelm bleibt mit seinen Schuldgefühlen allein zurück.

Mittellos geht Reich 1918 nach Wien und studiert Medizin. Bereits als 23-Jähriger wird er als Musterschüler von Sigmund Freud offiziell in dessen Kreis aufgenommen. 1922 schließt Reich sein Studium mit der Promotion ab. Er entwickelt aus Freuds Libido-Theorie seine Orgasmus-Theorie. Mit 27 Jahren wird Reich Direktor des Wiener Seminars für Psychoanalytische Therapie. Neben der Psychoanalyse interessiert er sich zunehmend für die sozialen Ursachen von psychischen Erkrankungen. Das Elend der Arbeitslosen politisiert ihn. Reich warnt vor dem Nationalsozialismus. 1933 erscheint seine Arbeit über die "Massenpsychologie des Faschismus", in der er belegt, dass auch die Arbeiterklasse für rechte Ideologie anfällig ist. Daraufhin wird er aus der KP ausgeschlossen. Gleichzeitig kommt es zum Bruch mit Freud, Reich wird aus dem Verband der Psychoanalytiker ausgeschlossen. Direkt nach der Machtübernahme durch die Nazis flieht er ins Exil. Erneut verliert Reich seine bisherige Existenz.

1939 landet Reich in den USA. Dort nimmt sein Forscherdrang neue und für viele seltsame Wege. Er will zum Beispiel die elektrische Natur des Orgasmus beweisen. Außerdem entdeckt er eine Energie, die er Orgon tauft. Zur Belustigung der ansässigen Bauern baut er eine Regenkanone, den "Cloud Buster", und beschießt damit die Wolken. 1940 entwickelt er den Orgon-Akkumulator - eine Holzkiste, in der angeblich Energie gebündelt wird. Damit will er Krebspatienten heilen. Das geht den amerikanischen Behörden zu weit. Seine Akkumulatoren werden zerschlagen, seine Schriften verbrannt. Er selbst landet wegen Missachtung des Gerichts im Gefängnis, wo er am 3. November 1957 stirbt.

Klick
 
26. March 2007, 11:21   #115
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
25. März 1957: Unterzeichnung der Römischen Verträge

Nie wieder Krieg in Europa! Kooperation statt Konfrontation. Dieser Grundgedanke wird nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur Initialzündung des europäischen Einigungsprozesses. Bereits 1946 ruft der britische Premierminister Winston Churchill in seiner berühmt gewordenen Züricher Rede zur Errichtung einer "Art von Vereinigten Staaten von Europa" auf. Frankreichs Außenminister Robert Schuman skizziert 1950 mit dem so genannten "Schuman-Plan" den ersten konkreten Schritt. Der von Jean Monnet erarbeitete Plan sieht vor, die für Rüstung und wirtschaftliche Entwicklung maßgeblichen nationalen Kohle- und Stahlindustrien in eine Gemeinschaft mit anderen Staaten zu integrieren. Die Idee findet in Deutschland, Italien und den Benelux -Staaten schnell Zustimmung, so dass schon im April 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), besser bekannt als Montanunion, gegründet wird.

Obwohl man sich einig ist, die Montanunion nur als erste Etappe hin zu einer europäischen Föderation anzusehen, verläuft der weitere Weg äußerst schleppend. Ein herber Rückschlag ist das Scheitern der Europäische Verteidigungsgemeinschaft 1954. Dann zieht sich Großbritannien aus allen Verhandlungen zurück. Als sich auch Frankreich in den Beratungen für einen Gemeinsamen Markt und eine Europäische Atomgemeinschaft quer legt, droht das gesamte Projekt zu scheitern. Erst die Suez-Krise und die Lösung der Saar-Frage durch Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik bringt die Verhandlungspartner wieder einander näher. Bei einem Treffen zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Regierungschef Guy Mollet kommt es schließlich zu einem Kompromiss, der den Weg zur Bildung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft frei macht.

Trotz strömenden Regens empfängt am 25. März 1957 eine riesige Menschenmenge auf dem Kapitol in Rom die Delegationen der sechs europäischen Gründerstaaten. Im Saal der Horatier und Curiatier des Konservatorenpalastes unterzeichnen um 18.00 Uhr die Vertreter Belgiens, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande die Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Für die Bundesrepublik setzen Konrad Adenauer und Staatssekretär Walter Hallstein ihre Namen unter das historische Vertragswerk, das nur einen kleinen Makel hat. Weil es noch kurz vor dem großen Ereignis Querelen um die endgültige Textformulierung gab, konnten die letzten Artikel erst am Morgen dieses Tages ausgearbeitet werden. So kommt es, dass den Staatsmännern nur die Seiten, die für die Unterschriften vorgesehen sind, in der Originalfassung vorliegen.

Klick
 
26. March 2007, 11:23   #116
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
26. März 1907: Baugenehmigung für Gartenstadt Marga

Seit über 100 Jahren ernährt die Braunkohle die Menschen der Lausitz. So lange schon wird im Sandboden und den Hochmooren bei Hoyerswerda und Cottbus nach dem fossilen Brennstoff gegraben. Wie im Ruhrgebiet und im Westlichen Braunkohlerevier ziehen die Arbeiter mit ihren Familien den Tagebauen hinterher. In der dünn besiedelten Lausitz aber, deren Revier nach der jung verstorbenen Tochter des Bergwerksdirektors "Marga" benannt ist, müssen sie erst einmal angelockt werden. Geschehen soll dies durch vorbildliche Wohnkomplexe: Hygienisch, sonnig und luftig soll die Architektur sich zeigen, und schon im Aufbau die Gemeinschaft aller symbolisieren. So entsteht Deutschlands erste Gartenstadt, Marga, genannt "die Perle". Am 26. März 1907 wird die Baugenehmigung erteilt.

Normannisches Fachwerk und süddeutsche Dächer
Der Dresdner Architekt Gregor Heinsius von Mayenburg erhält den Zuschlag, die rund 300 Wohnungen der Kolonie sowie deren Infrastruktur mit Gasthaus, Kaufhaus, Bäckerei und Schlachterei zu entwerfen. 1902 hat sich die Deutsche Gartenstadtbewegung gegründet. An ihre Ideen lehnt von Mayenburg sich an. Seine Phantasie ist enorm: Er kombiniert normannisches Fachwerk, englische Cottages und süddeutsche Dächer, spielt mit Fledermausgauben, Ecktürmchen und Erkern, variiert Schiefer, Holz und Putz. Die kreisförmigen Straßen begrünt er mit unterschiedlichen Baumarten. Den schneckenförmigen Umriss der Siedlung macht er durch einen Rahmen aus Bäumen sichtbar.

In der DDR wird die einstige Perle des Kapitalismus mit dem neuen Namen Brieske-Ort unter einem Schlier von Kohlestaub begraben. Die Fassaden verrotten, Fensterläden werden verheizt, Gärten vermüllen. Aber die einst stolze Gartenstadt überlebt auch den real existierenden Sozialismus - auch wenn sich nach der Wende zunächst kein Interessent finden will, um das Kleinod wieder zu polieren. Dann setzen sich Bewohner, Denkmalpfleger, Stadt und Geldgeber doch noch am runden Tisch zusammen. Einwohner werden für die Sanierungsmaßnahmen ein Jahr lang "zwangsevakuiert". Mitte 2000 erstrahlt das farbenfrohe Original wieder wie aus einem Guss.

Klick
 
28. March 2007, 04:36   #117
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
27. März 1977: Kollision zweier Jumbo-Jets auf Teneriffa

Man kennt das Ritual: Kaum hat der Urlaubsflieger sicher auf der Landebahn aufgesetzt, darf der Pilot den Applaus seiner Passagiere entgegennehmen. Denn, so die verbreitete Meinung, mit festem Boden unter den Rädern kann ja nichts mehr passieren. Das aber ist ein Trugschluss, warnen Experten. Flugzeugkollisionen am Boden nehmen bedrohlich zu. Erst im Februar 2007 entgingen zwei Maschinen in Düsseldorf nur mit knapper Not einem Kontakt auf der Startbahn. Auch die folgenschwerste Katastrophe der zivilen Luftfahrt ereignete sich nicht am Himmel, sondern auf einer Startbahn. 583 Menschen starben, als am 27. März 1977 am Flughafen Los Rodeos auf Teneriffa zwei Jumbo-Jets aufeinander prallten.

Seit Stunden wartet Kapitän Jacob van Santen, Chefpilot der niederländischen KLM, auf Teneriffa in seiner Boeing 747 auf den Weiterflug zum eigentlichen Ziel Gran Canaria. Der dortige Flughafen ist am Morgen nach einer Bombenexplosion geschlossen worden. Zusammen mit vier weiteren großen Maschinen, darunter auch eine Boeing 747 der amerikanischen PanAm, wird van Zanten deshalb nach Los Rodeos umgeleitet. Weil der wesentlich kleinere Airport kaum Platz bietet, parken die Jumbo-Jets auf der Rollbahn, parallel zur einzigen Start- und Landebahn. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als sich genau zur Zeit der Genehmigung zum Weiterflug dichter Nebel über den Flughafen legt. Die Fluglotsen im Tower verlieren den Sichtkontakt zum Vorfeld, ein Bodenradar gibt es nicht.

Van Zantens KLM -Jumbo rollt als erster die Startbahn hinauf. Am Ende soll er eine 180-Grad-Wende machen und starten, sobald die hinter ihm rollende Boeing der PanAm nach links auf einen Verbindungsweg ausgewichen ist. Von nun an geht, wie später ermittelt werden wird, alles schief. Weil sich der Funkverkehr überlagert, kommen Funksprüche nur bruchstückhaft durch, zudem geben die überforderten Fluglotsen unklare Kommandos. Die PanAm-Maschine findet den Verbindungsweg nicht und KLM-Kapitän van Zanten reißt der Geduldsfaden. Ohne klares Okay vom Tower startet er durch, während einige hundert Meter weiter der PanAm-Jumbo immer noch durch den dichten Nebel irrt. Sekunden später prallt die KLM-Maschine mit weit über 250 Stundenkilometern kurz vor dem Abheben gegen die amerikanische Boeing. Beide Flugzeuge explodieren. Während 61 der 396 Passagiere an Bord der PanAm das Inferno überleben, haben die 248 Urlauber in van Zantens Jumbo keine Chance, dem Feuerball zu entkommen.

Klick
 
28. March 2007, 04:38   #118
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
28. März 1797: Erstes Patent auf eine Waschmaschine

Im alten Ägypten ist Waschen Männersache. Um 3000 vor Christus stehen muskulöse Sklaven im Fluss, trampeln auf der Wäsche herum und schlagen sie unsanft gegen Steine. Bei den Römern, die fauligen Harn als Fleckenlöser nutzen, ist das nicht anders. Erst im Mittelalter emanzipiert sich die Männerwelt und legt die Schmutzwäsche in die Hände der Frauen. Zu einer Zeit, in der das Waschbrett noch keineswegs mit knackigen Männerbäuchen assoziiert wird, schrubben sich fortan die Damen der Schöpfung ihre Finger wund. Einweichen, rühren, kochen, spülen, schrubben, schleudern, und das mehrmals: Bis die Wäsche wieder anziehfertig ist, vergeht fast eine Woche.

Walzendes Wunderwerk der Technik
In Gedanken aber bleiben die Männer dem Waschen treu. Der US-Amerikaner Nathaniel Briggs aus dem Bundesstaat New Hampshire ist der kreativste von ihnen. Am 28. März 1797 lässt er sich eine Maschine patentieren, die den Schmutz walzend aus der Wäsche wringen soll. Auch wenn kein Bild des Wunderwerks die Zeit überdauert hat, so darf man doch vermuten, dass Waschen Knochenarbeit bleibt. Bei Briggs Wäschewringer nämlich muss die Wäsche mehrmals zwischen den gegeneinander laufenden Walzen durchgedrückt werden. Und selbstverständlich geht das nur über Muskelkraft.

Die Männer bleiben bei ihrem Wunsch, der Hausfrau das Dasein zu erleichtern, weiterhin erfinderisch. Zur Jahrhundertwende etwa entwickeln die auf Milchzentrifugen spezialisierten Unternehmer Carl Miele und Reinhard Zinkann ein Eichenholzfass mit Rührwerk, das nach dem variierten Prinzip des Butterfasses funktioniert. Von Hunden in Laufrädern betriebene Maschinen kommen auf den Markt. 1951 stellt der Ingenieur Peter Pfenningsberg mit seiner "Constructa" die erste vollautomatische Waschmaschine vor, deren Nachfahren heute in fast jedem Haushalt zu finden sind. Und tatsächlich soll es dank bequemster Technik heute auch wieder Männer geben, die ihre Wäsche selber waschen.

Klick
 
29. March 2007, 07:40   #119
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
29. März 1912: Hanna Reitsch wird geboren

"Sie tapfere Frau! Es gibt noch Treue und Mut auf der Welt", lobt Adolf Hitler die Pilotin Hanna Reitsch, als sie am 26. April 1945 im Führerbunker in Berlin auftaucht. Sie hat den letzten Chef der Luftwaffe, Generaloberst Robert Ritter von Greim, mit einem Fieseler Storch, einem Kurier- und Beobachtungsflugzeug, ins Hauptquartier gebracht. Die Nachtlandung zwischen den Trümmern vor dem Brandenburger Tor ist eine fliegerische Meisterleistung. Zwei Tage, bevor Hitler sich umbringt, gelingt es Reitsch, das eingekesselte Berlin wieder per Flugzeug zu verlassen. Über ihren Bunkerbesuch schreibt sie 1946 in amerikanischer Gefangenschaft in einem Brief, den sie über 30 Jahre später in ihrem Buch "Höhen und Tiefen" abdruckt. Darin beteuert sie, von der Judenvernichtung keine Ahnung gehabt zu haben: "Ich wusste todsicher, dass das deutsche Volk davon ebenso wenig gewusst haben konnte wie ich selbst."

Geboren wird Hanna Reitsch am 29. März 1912 im schlesischen Hirschberg nördlich des Riesengebirges als Tochter eines Augenarztes. Bereits als Vierjährige will sie fliegen. Ihre Mutter kann gerade noch verhindern, dass Hanna mit ausgebreiteten Armen vom Balkon springt. Nach dem Abitur will sie "fliegende Missionsärztin" werden. 1932 beginnt Reitsch in Berlin, Medizin zu studieren und macht verschiedene Flugscheine. Segelflugpionier Wolf Hirth wird ihr Lehrmeister. Reitsch bricht bald mehrere fliegerische Weltrekorde. Sie wird Testpilotin an der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, später bei der Flugerprobungsstelle der Luftwaffe. 1937 ernennt sie der spätere Generalflugluftzeugmeister Ernst Udet zur weltweit ersten Flugkapitänin. Ein Jahr später macht sie Schlagzeilen, als sie den Focke-Wulf-Hubschrauber FW-61 in der Berliner Deutschlandhalle präsentiert. Nach Kriegsbeginn erprobt Reitsch neue Militärflugzeuge. Sie testet auch eine Sonderkonstruktion der "Vergeltungswaffe" V1 - eine bemannte Gleitbombe. Für ihre Leistungen erhält Reitsch unter anderem das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse und - als erste und einzige Frau - das Eiserne Kreuz Erster Klasse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Reitsch von den Amerikanern 15 Monate inhaftiert. Ab 1954 ist sie wieder in der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt als Testpilotin tätig. Sie bringt die Segelfliegerei nach Indien und Ghana, wird deutsche Segelflugmeisterin und stellt bis zu ihrem Lebensende weitere Flugrekorde auf. Sie stirbt am 24. August 1979 im Alter von 67 Jahren an Herzversagen in Frankfurt am Main. Von ihrem Engagement für die Nazis hat sich Hanna Reitsch nie distanziert: "Ich lebte in der Forschung und hatte mit Politik nicht das Leiseste zu tun." Das Fliegen habe sie zum Leben gebraucht "wie Sauerstoff zum Atmen".

Klick
 
30. March 2007, 14:13   #120
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
30. März 1912: Karl May stirbt in Radebeul

Bis zu seinem vierten Lebensjahr sei er wegen Mangelernährung blind gewesen, erzählt Karl May. Vielleicht gehört aber auch das zu seiner Legende. Jedenfalls wächst Karl Friedrich, 1842 in Ernstthal (bei Chemnitz) geboren, in einer armen Weberfamilie auf. Neun seiner 13 Geschwister erreichen nicht ihr drittes Lebensjahr. Zu Hause regieren die Not und der jähzornige Vater, der seine Kinder mit einem Strick verprügelt. Aber er schickt den begabten Sohn 1860 auf ein Lehrerseminar, obwohl die Eltern sich das kaum leisten können. Karl May wird Hilfslehrer in der Glauchauer Armenschule.

Aber Mays Aufstieg in die bürgerliche Gesellschaft gelingt zunächst nicht. Wegen eines angeblichen Uhrendiebstahls mit Berufsverbot und sechs Wochen Gefängnis bestraft, flüchtet sich May in seine Rache an der Gesellschaft. Er gibt sich abwechselnd als Arzt oder reicher Plantagenbesitzer aus Martinique aus und schlägt sich mit dieser gut gespielten Hochstapelei eine Weile lang durch. Am Ende bringen ihm die Betrügereien jedoch acht Jahre Haft ein. Mays Leben scheint zerstört.

Literarische Hochstapelei
Nach seiner Entlassung jedoch begrenzt May seine Hochstapelei erfolgreich auf das Papier. Er findet eine Anstellung beim Verlag Münchmeyer und beginnt, eigene Reiseerzählungen zu veröffentlichen, erst in Zeitschriften als Fortsetzungsromane, später als eigene Bücher. In seinen Reiseerzählungen erfindet er sein Parallelleben, ausgerechnet für die Jahre, die er im Gefängnis verbrachte. In genau diesen Jahren reist nun Kara Ben Nemsi (Karl, Sohn der Deutschen) durch den Orient und Old Shatterhand, den seine Freunde Charly nennen, durch den Wilden Westen. Hier lernt er seinen später ermordeten und doch unsterblichen Indianerfreund Winnetou, den Häuptlingssohn vom Stamm der Mescalero-Apachen, kennen. In seinen Abenteuer-Geschichten schafft sich Karl May das Alter Ego eines strahlenden, edlen Helden. Seine wahren Eigenschaften verlegt der nur 1,66 m große May in einen Reisebegleiter, den sympathischen Angeber Hadschi Halef Omar. "Indem ich alle Fehler des Hadschi beschreibe, schildere ich meine eigenen", sagt May im Alter.

Zunächst jedoch schaffen er und seine Verleger eine erfolgreiche Legende. Er habe alle seine Geschichten wirklich erlebt, lässt May sein Publikum glauben. Eine bayerische Zeitung druckt unhinterfragt seine Aussage, er beherrsche 1.200 Sprachen und Dialekte. Seine Villa in Radebeul bei Dresden lässt May mit angeblichen Erinnerungstücken seiner Reisen ausstaffieren. Auf Fotos posiert er mit Old Shatterhands Gewehren, dem Henrystutzen und dem Bärentöter. Seine Erzählungen sind geografisch und historisch genau recherchiert. May verkauft bald jährlich über 700.000 Bücher.

Bekenntnisse im Alter
Erst 1899 bricht May mit seiner Frau Emma zu einer wirklichen Weltreise auf. Die Armut im Orient und das Elend der Indianer verschlagen ihm die bisher geführte Sprache. May erleidet einen Nervenzusammenbruch und beschließt, von nun an anders zu schreiben. Seine Alterswerke wenden sich einem mystischen Humanismus zu. May stirbt am 30. März 1912 in Radebeul an Herzversagen. Seine Phantasie lebt weiter in Generationen von Jugendlichen, in Filmen, Festspielen und Parodien.

Klick
 
31. March 2007, 09:35   #121
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
31. März 1732: Geburtstag des Komponisten Joseph Haydn

Kaum ein Komponist ist zu Lebzeiten so gefeiert, nach seinem Tod aber so schnell und gründlich missverstanden worden wie Joseph Haydn. Wie kein zweiter verkörpert er die Epoche der "Wiener Klassik" und wirkt für die Sinfonie und das Streichquartett stilbildend. Beide erhalten durch Haydn ihre klassische Form, an der sich alle Komponisten bis heute, bewusst oder unbewusst, orientieren. Seine direkten musikalischen Nachkommen allerdings interpretieren die scheinbare Einfachheit der musikalischen Sprache Haydns als überwundenes Entwicklungsstadium. So schreibt Robert Schumann 1841: "Er ist wie ein gewohnter Hausfreund, der immer gern empfangen wird; tieferes Interesse hat er für die Jetztzeit nicht mehr."

Untrennbar verbunden ist Joseph Haydns Name mit Eisenstadt, der Hauptstadt des österreichischen Burgenlandes. Drei Jahrzehnte wirkt der am 31. März 1732 in Rohrau geborene Sohn eines Wagenbauers als Kompositeur und Kapellmeister am Hof der Fürsten Esterhazy, der reichsten ungarischen Adelsfamilie in der k.u.k.-Monarchie. 1761, mit 29 Jahren, tritt Haydn seine Lebensstellung an. Seinen prächtigen Dienstsitz, das Jagdschloss Esterhaza, verlässt er in all den Jahren nur, um im Winter für zwei, drei Monate nach Wien zu reisen. Immer wieder nimmt Haydn dort ungläubig zur Kenntnis, wie sein Ruhm sich über Europa ausbreitet. In Wien entwickelt sich auch eine enge Freundschaft mit Wolfgang Amadeus Mozart, der den Älteren voller Hochachtung "Papa Haydn" zu nennen pflegt.

1790 stirbt Haydns Gönner, Fürst Nikolaus I.; dessen Nachfolger zahlt zwar weiter das Salär des Hofkapellmeisters, löst aber das Orchester auf. Diese Situation nutzt der Londoner Konzertveranstalter Johann Peter Salomon, um Haydn in die britische Hauptstadt zu locken. Auf die erste Reise folgt eine zweite und die mehrmonatigen London-Aufenthalte entwickeln sich zum Gipfel von Haydns sinfonischem Schaffen. Haydn selbst zählt die Londoner Zeit mit zur glücklichsten seines Lebens. 1797 wird der berühmteste Komponist seiner Zeit beauftragt, eine Hymne für Österreichs Kaiser Franz zu schreiben. Zum Text "Gott erhalte Franz den Kaiser" entsteht die Melodie, die später zur deutschen Nationalhymne wird. Kreativ bis zuletzt, stirbt Joseph Haydn nach langer Krankheit am 31. Mai 1809 in Wien. Napoleon, der die Stadt am Vorabend besetzt hat, lässt eine Ehrenwache vor dem Wohnhaus des von ihm hochgeschätzten Komponisten aufziehen.

Klick
 
1. April 2007, 17:12   #122
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
01. April 1893: Die einheitliche Uhrzeit (MEZ) wird in Deutschland eingeführt

Die Mitteleuropäische Zeit (MEZ, engl. Central European Time, CET) ist die für Mitteleuropa und damit unter anderem für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültige Zeitzone. Sie entspricht der mittleren Sonnenzeit des 15. Längengrads östlich von Greenwich. Ihre Differenz zur Weltzeit UTC beträgt +1 Stunde. Die Differenz der Mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ, engl. CEST) zur Weltzeit beträgt hingegen +2 Stunden; sie entspricht also der mittleren Sonnenzeit des 30. Längengrads.

Mit Inkrafttreten des „Reichsgesetzes betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung“ wurde am 1. April 1893 die Mitteleuropäische Zeit als Einheitszeit für ganz Deutschland festgelegt.

Die MEZ wird in Europa auch von einigen Ländern genutzt, die rein geographisch in einer anderen Zeitzone liegen, bis hin nach Spanien. In Nordwestspanien ergibt sich eine Abweichung zwischen Ortszeit und Zonenzeit von immerhin 1:30 Stunden, während der Sommerzeit 2:30 Stunden.

In Europa liegen die folgenden Städte auf dem 15. Meridian – das heißt hier entspricht die MEZ der Ortszeit:
Motala in Schweden
Gudhjem (auf Bornholm) in Dänemark
Görlitz (an der Neiße) in Deutschland
Gmünd im Waldviertel in Österreich
Catania auf Sizilien

Da die Längengrade von Norden nach Süden verlaufen, gilt die Mitteleuropäische Zeit auch in einigen afrikanischen Staaten, wie Angola, Benin, Kamerun, Libyen, Niger, Nigeria, dem Tschad, der Zentralafrikanischen Republik, der Republik Kongo und dem westlichen Teil der Dem. Rep. Kongo.

Die bei mancher Software und früher im Englischen verwendete Abkürzung MET (für Middle European Time) steht heute für Middle Eastern Time oder für die Mission Elapsed Time, welche die NASA für ihre Raummissionen verwendet.

In Deutschland wird die MEZ als gesetzlich festgelegte Zeit über einen DCF77-Sender über Funk verbreitet. So genannte Funkuhren empfangen dieses Zeitsignal und können es auswerten.

Klick
 
2. April 2007, 15:58   #123
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
02. April 1982: Argentinien besetzt die Falkland-Inseln

Argentinien steht am Rand des Chaos. Seit 1976 von einer Militärjunta regiert, leidet das Land unter dem Terror von Todesschwadronen und einer desolaten Wirtschaft; die Inflation beträgt 140 Prozent. Um die innenpolitischen Probleme zu überdecken, plant Junta-Chef Leopoldo Fortunato Galtieri, die Macht der Generäle durch einen großen patriotischen Sieg abzusichern. Sein Ziel: Die Rückeroberung der Islas Malvinas von den Briten, die den felsigen Archipel 600 Kilometer vor der Küste Patagoniens Falkland-Inseln nennen und seit 1833 besiedeln. Die Gelegenheit scheint günstig; gerade erst hat die Royal Navy ihre letzten Einheiten aus dem Südatlantik zurückgezogen. Galtieri setzt darauf, dass das Vereinigte Königreich sein Interesse an diesem Überbleibsel seiner kolonialen Vergangenheit verloren hat - ein fataler Trugschluss.

Im Morgengrauen des 2. April 1982 landen argentinische Marineinfanteristen an der Küste von Ostfalkland, nehmen ohne Probleme die Inselhauptstadt Port Stanley (Puerto Argentino) ein und hissen vor dem Haus des Gouverneurs die blau-weiße Flagge. Zum ersten Mal tauchen die Falkland-Inseln an diesem Tag in den Weltnachrichten auf; sogar die meisten Briten erfahren jetzt erst von der Existenz dieses einsamen Archipels an der Grenze zur Antarktis. Premierministerin Margaret Thatcher jedoch reagiert, als wären die Argentinier nicht 13.000 Kilometer von London entfernt gelandet, sondern auf den Inseln im Ärmelkanal: "Man kann über eine Invasion nicht verhandeln, auf gar keinen Fall! Nicht wenn deinem Volk die Freiheit genommen wurde!" Entgegen der Erwartung von General Galtieri rüstet sich Großbritannien mit aller Macht zum Gegenschlag und startet am 1. Mai die Rückeroberung der Falkland-Inseln.

Nach mehreren Bombardements aus der Luft zeigt Großbritanniens Aggressivität Wirkung: Die Junta in Buenos Aires signalisiert Verhandlungsbereitschaft. Thatcher jedoch lehnt alle internationalen Vermittlungsbemühungen ab. Die "Eiserne Lady" will nicht verhandeln, sie will triumphieren. Auf ihren Befehl wird der argentinische Kreuzer "General Belgrano" versenkt, was 323 Menschen das Leben kostet und den Krieg eskalieren lässt. Obwohl die Briten in den folgenden Wochen herbe Verluste an Schiffen und Flugzeugen erleiden, gelingt es ihnen am 14. Juni nach blutigen Gefechten, die Hauptstadt Port Stanley zurück zu erobern. Am 20. Juni 1982, nach 72 Tagen, wird der Krieg für beendet erklärt. Er hat rund 1.000 Soldaten das Leben gekostet. Mit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie entspannt sich das Verhältnis zwischen beiden Staaten deutlich. Die Frage, wem nun eigentlich die Falkland-Inseln gehören, bleibt allerdings bis heute ein Tabuthema zwischen London und Buenos Aires.

Klick
 
4. April 2007, 09:29   #124
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
03. April 1922: Josef Stalin wird Generalsekretär der KPR

Schon zu Lebzeiten wird er in russischen Liedern besungen und bedichtet: "Im Kreml gibt es einen Mann, / ihn kennt und liebt die ganze Welt. / Deine Freude, dein Glück, kommt von ihm. / Der große Stalin, so nennt man ihn." Kein Pathos ist zu groß, keine Lobhudelei zu peinlich. Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin, lässt sich als Held feiern. Er ist zum Alleinherrscher geworden, nachdem er in den 1920er Jahren seine politischen Rivalen ausgeschaltet und in den 1930er Jahren mit der "Großen Säuberung" tausende potentielle Gegner hat töten lassen.

Doch auch Stalin hat klein angefangen: Noch Anfang der 1920er Jahre ist er als Volkskommissar für Nationalitätenfragen außerhalb der Regierung Lenins noch weitgehend unbekannt. Erst auf dem elften Parteitag beginnt sich das zu ändern: Am 3. April 1922 wird beschlossen, das Amt des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Russlands (KPR) einzuführen. Die Partei wird bald darauf in KPdSU umbenannt. Erster Generalsekretär in der Parteigeschichte wird der damals 43-jährige Stalin, "der Stählerne". Niemand hat sich um das Amt gerissen. Es ist mit viel Organisationsarbeit und Papierkram verbunden - eine Aufgabe noch ganz ohne Einfluss.

"Stalin ist zu grob"
Jener elfte Parteitag ist der letzte für Lenin. Zwei Monate später erleidet er seinen ersten Schlaganfall. Währenddessen erarbeitet Stalin eine Verfassung, die die Moskauer Zentralgewalt begründet - und sein Amt zur Machtposition ausbaut. Als sich Lenins Gesundheitszustand verschlechtert und absehbar ist, dass er eine für den nächsten Parteitag geplante Rede nicht mehr halten kann, diktiert Lenin einen Brief an die Delegierten: "Stalin ist zu grob", heißt es in einem Nachtrag zu diesem Brief. "Dieser Fehler [ ...] kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden." Lenin schlägt deshalb vor, zu überlegen, "wie man Stalin ablösen" und jemand anderen an dessen Stelle setzen könnte. Jemand, der "toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer" und "weniger launenhaft" sei.

Doch Lenins politisches Testament bleibt folgenlos. Das Politbüro, zu dem auch Stalin gehört, beschließt, den Inhalt des Briefes geheim zu halten. So kann Stalin die Funktion des Generalsekretärs innerhalb weniger Jahre zur wichtigsten Machtposition des Landes ausbauen - und seinen Ruhm auf Verbrechen gründen.

Klick
 
4. April 2007, 09:30   #125
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
04. April 1932: Anthony Perkins wird geboren

An einer Stelle von Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Psycho" (1960) darf Anthony Perkins als Norman Bates etwas sagen, das auch für seine eigene Karriere gilt. "Mir kommt das Leben so vor, als wenn wir in unserer eigenen Falle gefangen sind", sagt der psychopathische Frauenmörder, der inmitten seiner ausgestopften Vögel an der Rezeption eines gespenstischen Motels sitzt. "Wir kratzen und schlagen, aber nur in die Luft! Wir kommen dadurch der Freiheit nicht einen Zentimeter näher." Diese Falle, der goldene Käfig, in dem man schlagen und kratzen darf - das ist für Perkins die Rolle des Norman Bates. Sie prägt sein Image, von dem er sich Zeit seines Lebens nicht mehr befreien kann.

Der jünglingshafte Mörder
Perkins wird am 4. April 1932 in New York geboren. Sein Vater ist der Schauspieler Osgood Perkins, der auf der Bühne ebenso wie beim Film zu Hause ist. Anthony steht mit 21 Jahren in George Cukors "Theaterfieber" an der Seite von Spencer Tracy, Teresa Wright und Jean Simmons vor der Kamera. Zu dieser Zeit darf er noch den verliebten Jüngling geben - und wird für seinen Part in "Lockende Versuchung" (1956) immerhin für einen Oscar nominiert. Perkins große Stunde aber schlägt mit seiner Entdeckung durch Alfred Hitchcock, für den er in "Psycho" seine Parade-Rolle spielt. Auch wenn er fortan in 40 Kinofilmen und zahlreichen TV-Produktionen zu sehen ist und durchaus in Klassikern wie "Lieben Sie Brahms" (1961), der Kafka-Verfilmung "Der Prozess" (1962) von Orson Welles oder dem Antikriegsdrama "Catch-22 - Der böse Trick" (1970) vor der Kamera steht: Für seine Fans bleibt er immer der verhaltensgestörte, jünglingshafte Mörder.

Noch einige Male schlüpft Perkins in eher mittelmäßigen Fortsetzungen von "Psycho" in die Rolle des Norman Bates, einmal führt er sogar Regie. Bei der Filmkritik wird er deshalb als "Psycho-Kaspar" und "Psychopath vom Dienst" abgestempelt. Perkins selbst sieht diese Festlegung völlig anders. "Er sagte mir immer, er fände das ganz toll, dass er die Chance gehabt hätte, den Norman Bates zu spielen", erinnert sich Regisseurin Petra Haffter. "Weil er auf diese Weise machen konnte, was kaum ein Schauspieler kann: Er konnte die Rolle perfektionieren". So perfekt spielt Perkins seine Rolle, dass ihn die Öffentlichkeit immer stärker mit ihr identifiziert. Sogar eine krankhafte Mutterbindung wird ihm angedichtet. Mit Bates allerdings hat er lediglich sein zurückgezogenes Privatleben gemein. Von der Bisexualität des Schauspielers, der mit dem Ballett-Tänzer Rudolf Nurejew und der Schauspielerin Victoria Principal liiert ist und später mit der Fotografin Berry Berenson eine Bilderbuchehe führt, aus der zwei Söhne hervorgehen, erfährt die Presse erst nach seinem Tod. Perkins stirbt 1992 in Los Angeles an Aids.

Klick
 
Antwort

  Skats > Interessant & Kontrovers > Das Leben

Stichworte
stichtage




Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 05:21 Uhr.


Powered by vBulletin, Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Online seit 23.1.2001 um 14:23 Uhr

Die hier aufgeführten Warenzeichen und Markennamen sind Eigentum des jeweiligen Herstellers.