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25. September 2006, 11:56   #1
Ben-99
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Altkanzler Helmut Schmidt bei Beckmann.

... er hört nicht mehr gut, und zum Gehen braucht er einen Stock. Der Mann ist 87, aber im Kopf noch immer fit wie ein Turnschuh. Grund genug, ihm zuzuhören, was er in dem heute abend ausgestrahlten Gespräch (ARD, 22.45 Uhr) unter anderem zu aktuellen innen- und außenpolitischen Themen zu sagen hat.

Im "Hamburger Abendblatt" kann man schon mal vorab einige Zitate aus dem aufgezeichneten Interview lesen:

Zitat:
Altbundeskanzler Helmut Schmidt (87) hat den mangelnden Mut der Großen Koalition in Berlin bei heiklen Themen beklagt. In der Aufzeichnung der ARD-Talkshow "Beckmann", die heute Abend ausgestrahlt wird, blickte er vergleichend zurück auf seine enge Zusammenarbeit mit dem CDU-Politiker Rainer Barzel, mit dem er die Große Koalition von 1966 bis 1969 zusammengehalten habe. "Wir haben den Laden zusammengehalten, man konnte sich auf den anderen verlassen." Beiden sei bewusst gewesen: "Um Gottes willen, diese Koalition darf nicht scheitern."

Dieses Bewusstsein sei bei der heutigen Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) nicht zu erkennen. "Die (Koalition) traut sich auch nix zu", sagte Schmidt.

(...)

"Wir leiden mehr an der Angst vor der Zukunft, statt uns was zuzutrauen", sagte er. "Wir neigen dazu - als Ergebnis der beiden Weltkriege, als Ergebnis der Nazizeit, all dieser Scheiße - Angst zu haben vor der Zukunft."

Bei der Vorstellung seines neuesten Buchs "Nachbar China", das er gestern auch im "ZEIT-Forum Literatur" präsentierte, schilderte Schmidt seine Begegnungen mit dem früheren chinesischen Staatschef Mao Tse-tung und dessen Nachfolger Deng Xiaoping. Der Wirtschaftsriese China werde sicherlich keine militärische Weltmacht. "Das erscheint mir sehr unwahrscheinlich." Zwar habe China eine große Armee. "Der Zweck der Soldaten ist aber mindestens zur Hälfte innenpolitisch."

(...)

Angesichts der Kritik an Menschenrechtsverletzungen, Umweltverstößen und mangelnder Demokratie in China wehrte sich Helmut Schmidt dagegen, das Land mit einer 4000 Jahre alten Kultur nach westlichen Maßstäben zu beurteilen. "Ich finde es nicht sonderlich erfolgversprechend, wenn sich die Bundeskanzlerin in Peking hinstellt und die Einhaltung von Menschenrechten einfordert. Da denkt der Chinese gleich an Auschwitz", sagte Schmidt und betonte: "Die Besserwisserei des Westens ist von Übel."

Helmut Schmidt: "Deutsche haben zu viel Angst"
Gruß Ben
 
25. September 2006, 12:49   #2
Sacki
Dummschwätzer
 
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Als Schmidt Kanzler war, erblickte ich das Licht der Welt, kenne diesen Mann eigentlich nur aus Berichten, Interwievs und politischen Rückblicken im Fernsehen. Was dieser Mann als Innensenator während der Flutkatastrophe in HH für Format bewiesen hat, habe ich nicht nur durch das dokumentarische Fernsehspiel kennengelernt, sondern nauch aus vielen Filmberichten.

Seit ich das erste mal bewußt Schmidt in einem Interwiev gesehen habe, empfand ich ihn als ungeheuer souverän, abgeklärt, weltmännisch und sehe in ihm den Inbegriff eines Politikers, so wie man ihn sich als Bürger wünscht.
Natürlich werde ich heute die Sendung aufzeichnen, auch wenn ich dabei diesen unsäglichen Beckmann notgedrungen ertragen muß.
Ps: Nebnebei werde ich mal mitzählen, wieviele Zigaretten er dem Beckmann vorquarzt.
 
25. September 2006, 14:10   #3
Ben-99
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... beim letzten Mal hatte er während des Gesprächs eine ganze Schachtel Menthol-Zigaretten verbraucht, so daß ihm Beckmann, der zum Glück auch Raucher ist, mit seinen Glimmstengeln aushalf ;-)

Gruß Ben
 
26. September 2006, 01:55   #4
Ben-99
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... wow! Das war eine grandiose Sendung mit einem im Interview noch nie so starken Helmut Schmidt und einem diesmal sogar auch gar nicht mal so schlechten Reinhold Beckmann. Denn es wurde weiß Gott nicht nur über Belangloses geschwafelt. Vielmehr hat man locker und gelassen noch mal all die Punkte Revue passieren lassen, woran Deutschland heute krankt. Und ich bin wohl nicht der Einzige, der dabei nicht nur Erstaunen, sondern vor allem Wut empfand.

Der Rücktritt von Willy Brandt: Völlig überflüssig nach Schmidts Meinung. Und er hat ihn damals sogar angeschrieen, damit er den Blödsinn nicht macht. Denn daß Spione eingeschleust und später entdeckt wurden, kam weltweit schon oft vor, aber nie ist deshalb ein belauschter Staatschef zurückgetreten. Durch Helmut Schmidt wurde jetzt klar: Willy Brandt wollte es so, weil er schon monatelang vorher ein kranker Mann war – auf tragische Weise in sich eingeschlossen und unfähig zu handeln, weil ihn während seiner Depressions-Schübe niemand erreichen konnte. Fatal für einen Mann, dem die Verantwortung für einen ganzen Staat obliegt. Und obwohl sich Helmut Schmidt nie nach dem Job gedrängt hat, war er dann doch zur Stelle, weil es außer ihm ganz einfach keine Alternative gab. Denn Herbert Wehner, den er überraschend als überaus verläßlich beschrieb, konnte man nicht ein zweites Mal als Kanzlerkandidaten präsentieren.

Danach hat Helmut Schmidt 8 Jahre lang einen, zumindest aus heutiger Sicht betrachtet, verdammt guten Job gemacht. Bis sein angeblicher "Partner" namens Hans-Dietrich Genscher, in Wirklichkeit einer der übelsten Heuchler und Intriganten, die jemals im deutschen Parlament saßen und der sich später sogar als ewiger Außenminister feiern lassen durfte, den einzigen wirklich guten Bundeskanzler stürzen durfte, den unser Land je hatte.

Das politische Kind dieses Herrn Genschers, der auch heute noch in Interviews gern den lockeren ehemaligen Star-Minister des Kohl-Kabinetts im gelben Pullover spielt, heißt Guido Westerwelle und versucht auch jetzt wieder, sich mit der ewigen Nutten-Partei FDP an die Macht zu schleimen.

Helmut Schmidt kümmert es nicht mehr. Er ist sich bewußt, daß der Herrgott ihm nur noch kurze Zeit gewährt. Dabei glaubt er gar nicht mal an Gott, sondern fürchtet sich nur noch davor, daß ihn seine gleichaltrige Frau Loki vor ihn verlassen könnte und ihm dann seine wichtigste Schach-Partnerin fehlen würde.

Großartig auch der Schluß des Interviews, als einer der besten Politiker des 20. Jahrhunderts erklärt, warum er keinen Bock hat, so wie alle anderen eitlen Männer der großen Politik, seine Memoiren zu schreiben. Ein Altkanzler zum knuddeln. Nur wählen können wir ihn heute leider nicht mehr. Aber so lange er noch lebt und solche wunderbaren Interviews geben kann, sollte sich das dumme deutsche Wahlvolk auch immer daran erinnern, wie es dazu kam, daß nach ihm 16 Jahre lang ein korrupter CDU-Kanzler für unser Land verantwortlich war, der am Ende als krimineller Strolch, dem man die Beuge-Haft großzügig erließ, jämmerlich im Parteispenden-Skandal unterging und aus dessen schäbigen Resten sich später seine Zieh-Tochter Angela Merkel ihren für sie viel zu großen Kanzler-Rock nähte.

Und die ebenso triebhafte wie machtgeile Königsmörder-Partei FDP mit ihren ewigen lächerlichen 5 oder mehr Prozentpunkten, mit denen sie in die Parlamente einziehen darf und die damals verhindert hat, daß Helmut Schmidt weiter unser Land in der Welt vertritt, kann sich auch jetzt wieder auf die Macht in Berlin freuen, weil der Deutsche halt nun mal vergeßlich ist.

Viele, auch ich, hatten damals geglaubt, Helmut Schmidt sei arrogant. Das Ende des TV-Interviews verlief übrigens so:

Zitat:
Was sind denn Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich habe keine großen Pläne. Mit 88 macht man keine Pläne mehr.

Das heißt, daß die Lebensentwürfe, die Ideen jetzt kurzfristiger angedacht sind?

Das war mein vorletztes Buch. Ich hoffe noch, ein letztes fertigzukriegen. Ich bin aber nicht ganz sicher. Das ist der einzige Plan, den ich noch habe.

Was wäre das Thema des letzten Buches?

Also, über ungelegte Eier sollte man nicht gackern.

Sie als rastloser Schreiber, haben nie eine Autobiographie geschrieben. Kommt da noch was?

Ne.

Warum nicht?

Autobiographien sind eine Verleitung, sich selber schöner zu malen, als man ist. Und dieser Verleitung unterliegen fast alle, die eine Autobiographie schreiben. Da gibt es eine Reihe von Beispielen. Das soll man nicht tun. Es sei denn, man ist Bismarck oder man ist Churchill. Dann kann man sich das leisten.
Ach, ja, und geraucht hat er auch wieder fürchterlich viel und damit bewiesen, daß auch er nicht fehlerlos ist. Er läßt in letzter Zeit auch seine berühmten rhetorischen Pausen beim Reden weg, die die Dramatik steigern sollen, als hätte er es auf einer New Yorker Actors-School gelernt. Ich glaube, daß sich Helmut Schmidt in den wenigen Jahren, die ihm noch bleiben, einfach nur noch so zeigen will, wie er wirklich ist und wohl auch immer schon war.

Gruß Ben
 
26. September 2006, 05:55   #5
Sacki
Dummschwätzer
 
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Eine unglaublich beeindruckende Persönlichkeit dieser Helmut Schmidt.
Für mich als spätgeborenen war dieses Gespräch informativer als 10 Stunden Geschichtsunterricht.

Man kann nur hoffen, daß es nicht das letzte Interwiev war, in dem man diesem geistig so erfrischenden Helmut Schmidt genießen durfte.
 
26. September 2006, 14:25   #6
Maggi
 
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Aber seine Meinung zu der Menschenrechtssituation in China halte ich für falsch. Die Menschenrechte ist nicht das Christentum, die angebliche Freiheit oder Demokratie, drei der Dinge, die zu den "Exportschlagern" des Westens gehörten und immer noch gehören. Das hat nichts mit Besserwisserei zu tun, es hat nichts mit einem Eingriff in die Freiheit der chinesischen Regierung oder Ähnlichem zu tun, Menschenrechtsverletzungen sind simplerweise falsch.

Es ist schlimm genug, dass - mit ein paar Ausnahmen höchstens - nur im Westen die Menschenrechte weitgehend Wert besitzen. Hier kann man sagen, dass man nicht gleich zusammengeschlagen wird, wenn man Aktionen einiger Behörden in Frage stellt. Es ist keine Erfindung, um andere Länder zu knechten und zu unterdrücken, die Menschenrechte sollten überall Bestand haben. Denn sie stärken die Einwohner jeden Staates und somit den - legitimierten - Machthaber gleich mit.

Ciao,
Maggi
 
4. July 2007, 23:02   #7
Bandwurm
Erde, Wind & Feuer
 
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Aktuelle Sendung: http://www.skats.de/tv-und-kino/2290...22-45-ard.html
 
5. July 2007, 00:16   #8
Ben-99
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... und wird heute nacht um 2.45 Uhr auf ARD wiederholt.

Gruß Ben
 
5. July 2007, 19:56   #9
Sacki
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Schmidt im Interview mit Beckmann war schon beeindruckend. Aber der Film von Sandra Maischberger gestern hat mir diesen Mann noch sehr viel mehr sympathischer gemacht.
 
7. July 2007, 11:09   #10
Ogino
 
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Der Mann ist ein Phänomen und ein Beispiel dafür, dass Kettenraucher auch im hohem Alter geistig noch fit sein können
 
25. July 2007, 11:01   #11
Ben-99
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... schön, daß er das noch erleben kann:

Zitat:
Für über die Hälfte der Deutschen ist Altkanzler Helmut Schmidt der beste Bundeskanzler der Republik. Während die Ära Schröder mit Hartz IV in Verbindung gebracht wird, war Schmidts Ära frei von sozialen Einschnitten.

Ein Vierteljahrhundert nach seinem Sturz wird Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) von den Deutschen weit mehr geschätzt als sein Nachfolger Helmut Kohl (CDU) - und erst recht als Gerhard Schröder (SPD). Auf die Frage, welcher der drei noch lebenden ehemaligen Regierungschefs der beste war, nannten in einer Umfrage des Hamburger Magazins stern über die Hälfte (52 Prozent) Schmidt, ein Viertel (25 Prozent) Kohl und nur jeder Siebte (14 Prozent) Schröder.

stern-Umfrage: Altkanzler Schmidt war der Beste
Gruß Ben
 
29. July 2007, 12:52   #12
IQ 138
 
Beiträge: n/a
Zitat:
Zitat von Ben-99 Beitrag anzeigen
... schön, daß er das noch erleben kann:


Gruß Ben
Wenn man seinen Konsum an Nikotin berücksichtigt: ja, da kann er sich wirklich freuen.
 
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