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30. December 2007, 07:55   #1
Boomer
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Kürzung der Pendlerpauschale verfassungsgemäß?

Bekanntlich können seit Januar 2007 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur noch dann geltend gemacht werden, wenn die Entfernung mehr als 21 Kilometer einfache Strecke beträgt und dann auch nur ab dem 21. Kilometer.

Ein Schlag ins Gesicht all der Arbeitnehmer, die der Aufforderung der Bundesregierungen nach mehr Flexibilität und Mobilität bei der Arbeitsplatzsuche gefolgt sind und nicht mehr auf Biegen und Brechen den "Job vor der Haustüre" suchen. Entfernungen von 40, 50 und mehr Kilometer zum Arbeitsplatz sind heute nicht mehr die Ausnahme, sondern fast schon die Regel.

Gemäß Art 3 Abs. 1 unseres Grundgesetzes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Heimlich, still und leise, von der Bevölkerung unbemerkt, hat sich Abs. 1a, geschrieben mit weißer Schrift auf weißem Grund, ins GG eingeschlichen: Abs. 1 gilt nicht für das Steuergesetz. So muß es gewesen sein, denn wie kann es sein, daß Arbeitnehmer, die mit Bus und Bahn zu ihrem 18 Kilometer entfernten Arbeitsplatz "vor der Haustüre" fahren, die Kosten für ihre Monatskarten weiterhin in gewohnter Manier -also voll- steuerlich geltend machen können, derweil es andere nicht mehr können.

Andere, die der Aufforderung der Bundesregierungen nach mehr Flexibilität und Mobilität gefolgt sind und einen Arbeitsplatz gesucht und gefunden haben, der 30,40, 50 oder mehr Kilometer von ihrem Wohnort entfernt liegt. Andere, die lieber nicht unerhebliche Zeit mit dem Auto unterwegs zu ihrem Arbeitsplatz sind statt auf der Strasse zu sitzen. Andere, die um einer Sperrung/Kürzung des Arbeitslosengeldes I + II zu entgehen, bis zu 2,5 Stunden täglich (das ist aus Sicht des Arbeitsministeriums, vertreten durch die Arbeitsagenturen, zumutbar) unterwegs sind, nur um arbeiten zu dürfen.

"Na ja", sagen sich da die Volksvertreter, "wir haben das Volk schon so oft beschissen, da kommt es auf einen Beschiss mehr oder weniger auch nicht mehr an."; wenden sich vom Thema ab und gehen wieder ihres Weges.

Auf selbigem stolpern sie aber über Art 6 Abs. 1 GG, der besagt, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.

Ist schon o.k., ich verstehe, wenn der eine oder andere nun denkt "Was schreibt der Franko denn da für einen Scheiss? Was hat denn Ehe und Familie mit der Kürzung der Pendlerpauschale zu tun?"

Ich weiß aber schon noch, was ich schreibe. Und ich weiß, daß es in Deutschland knapp 3,5 Millionen Kinder über 18 Jahre gibt, die noch bei den Eltern leben, die Anspruch auf Kindergeld haben. Nach Kürzung der Pendlerpauschale nicht mehr, denn nach Art 6 Abs. 1 GG scheint der besondere Schutz von Ehe und Familie darin zu bestehen, diesen Familien möglichst wenig Geld in der Haushaltskasse zu lassen.

Begründung? Kein Problem.

2006: ein 18-jähriger Azubi verdient brutto 11.000€ jährlich. Um auf diesen Verdienst zu kommen, fährt er zu einer Ausbildungssstätte, die 18 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernt liegt. Dies beschert ihm eine steuerliche Entlastung von 1.188€, hinzu kommt noch der Abzug der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 2.365€. Sein zu versteuerndes Einkommen liegt also bei 7.447€.

2007: ein 18-jähriger Azubi verdient brutto 11.000€ jährlich. Um auf diesen Verdienst zu kommen, fährt er zu einer Ausbildungssstätte, die 18 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernt liegt. Dies beschert ihm nunmehr keine steuerliche Entlastung mehr. Unterstellt, daß der Azubi im Jahr 2007 (und folgenden) keine Anschaffungen tätigt, die steuerlich absetzbar sind und ihn über die Grenze von 920€ heben, die das Finanzamt ohnehin unterstellt, so wird er auch nur 920€ steuerlich geltend machen können. Hinzu kommt noch -unverändert- der Abzug der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 2.365€. Sein zu versteuerndes Einkommen liegt nunmehr bei 7.715€.

"Na ja", werden jetzt einige denken, "knapp 300€ mehr zu versteuerndes Einkommen p. a. sind ja nicht die Welt, also was solls?"

Weit gefehlt, denn die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld hat nur das Kind, welches nicht mehr als 7.680€ zu versteuerndes Einkommen p. a. erzielt.

Dummerweise hat der o. g. Azubi aufgrund der Kürzung der Pendlerpauschale aber nunmehr statt 7.447 (2006) plötzlich 7.715€ (2007) zu versteuerndes Einkommen. Er gehört damit nicht mehr zum Kreis derer, die Kindergeld beziehen dürfen, was mal eben schlappe 1.848€ p. a. weniger in der Familienhaushaltskasse bedeutet.

Zwar wird der Kreis derer, die es nun trifft, kleiner, aber wenn die Eltern des o. g. Azubis bis 2006 noch eine Kinderzulage zur Eigenheimförderung in Höhe von 800€ p. a. erhielten, so tun sie dies nicht mehr. Denn diese Förderung ist an das Kindergeld gekoppelt. Und daraus ergibt sich in diesem Beispiel eine einfache Formel: kein Kindergeld = keine Kinderzulage zur Eigenheimförderung.

Die Riesterrente ist eine feine Sache. Sie wird staatlich gefördert, besonders dann, wenn es Kinder in der Familie gibt. Aber nur dann, wenn dieses Kind auch zu dem Kreis derer gehört, die zum Empfang von Kindergeld berechtigt ist. Im Beispielfall ist dies nicht gegeben und so fehlen der unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung nach Art 6 Abs. 1 GG stehenden Familie weitere 138€ (2007) bzw. 185€ (2008) p. a. in der Familienkasse.

Bisher war die Rede von feststehenden Beträgen. Weitere Einschnitte aufgrund des wegfallenden Kindergeldes können erfolgen, sind aber nicht konkret zu beziffern, da diese Einschnitte von der -unbekannten- Höhe des Familiengesamteinkommens abhängig sind:
  • der Solidaritätsbeitrag erhöht sich
    die Kirchensteuer erhöht sich
    Arbeitslosengeld und Krankengeld verringern sich
    außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer verringern sich
    Ortszuschlag oder Familienzulage im öffentlichen Dienst fällt weg
    die Steuerklasse Alleinerziehender kann sich ändern, selbstverständlich zu ungunsten des Steuerpflichtigen
Das waren meine Überlegungen bzw. Recherchen hinsichtlich der Kürzung der Pendlerpauschale. Ich meine, daß sie nicht verfassungskonform ist.

Und was meint ihr?
 
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