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8. January 2008, 00:22   #1
Ben-99
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Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
Das 'Hamburger Abendblatt' - warum ich es so gern lese.

... an manchen Tagen will man es einfach nicht glauben, daß die derzeit beste deutsche Regional-Zeitung tatsächlich im Springer-Verlag erscheint, dessen oberster Chef, Mathias Döpfner, gleichzeitig von zwei der mächtigsten deutschen Frauen dauergeknutscht und vereinnahmt wird: Die eine, Angela Merkel, ist von Beruf Bundeskanzlerin, und der anderen, Friede Springer, einst Kindermädchen, heute milliardenschwere Witwe des Verlegers, verdankt er seinen Job. Beide sind enge Freundinnen, konservativ, der CDU verbunden, und sind sich nicht zu schade, die "Bild-Zeitung", wohl das schäbigste, bigotteste und verlogenste Massenblatt des Kontinents, schamlos für ihre Interessen auszunutzen.

Das Spiel macht Döpfner mit. Und doch muß er sich einen Rest an Anstand und Moral bewahrt haben, wenn er den Redakteuren und Kommentatoren des "Hamburger Abendblatts" erlaubt, wovon andere sogenannte "Springer-Knechte" nur träumen können. Gleich zwei vorzügliche Kommentare in der heutigen Ausgabe belegen das. Der eine ist von Hellmuth Karasek und macht auf wunderbare Weise einen der ekligsten früheren TV-Moderatoren zur "Fliege":

Fliege in der Suppe

Und der andere, sicherlich viel wichtigere, ist von Michael Spreng, dem früheren Chef der "BamS", als diese noch mehr Auflage und vor allem Niveau hatte, und erklärt aus der Sicht eines Medien-Profis, wie es Hessens durchtriebener Ministerpräsident Roland Koch wieder einmal geschafft hat, durch ein willkommenes ausländerfeindliches Thema kurz vor der Wahl, der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen - "Agenda-Cutting" nennt man diese Strategie in PR-Profikreisen:

Spreng - "Kyrill" Koch und die Stunde der Zyniker

Beides sind äußerst lesenswerte Artikel. Und sie passen in ein Blatt, in dem schon morgen auch wieder ein USA-kritischer Bericht abgedruckt sein könnte - denn auch das gehört erstaunlicherweise zum "Abendblatt", was auch für hervorragende investigative Recherchen gilt, für die "HA"-Redakteure in den letzten Jahren zu Recht mit Preisen ausgezeichnet wurden, weil sie zum Beispiel mutig die Schattenseiten der deutschen Justiz aufgezeigt haben - egal, ob es dabei um eine hilflose alte Frau ging, deren staatliche "Betreuer" sich an ihrem Besitz bereichern wollten oder um den mächtigen "Osmani"-Clan, von dem sich auch hochrangige Politiker jahrelang vereinnahmen ließen. Daß den Rotlicht-Brüdern jetzt endlich der Prozeß gemacht werden konnte, ist eben auch ein Verdienst des "Hamburger Abendblatts".

Man wundert sich wirklich, daß so etwas im heutigen Springer-Verlag möglich ist und wie Mathias Döpfner den extremen Spagat schafft, sowohl dem schmierigen "Bild"-Boß Kai Diekmann als auch dem so ganz anderen "Abendblatt"-Chef Menso Heyl jeweils volle Souveränität zu gewährleisten. So schlecht kann daher Döpfner, immerhin einer der derzeit mächtigsten deutschen Medien-Tycoons, also nicht sein. Und dann muß er sich ja auch noch immer wieder gute Ausreden für seine nicht minder einflußreichen Zwangsfreundinnen Angela und Friede einfallen lassen ;-)

Gruß Ben
 
8. January 2008, 09:19   #2
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
Der Karasek-Artikel ist zwar nett zu lesen, aber wenn mann sich nicht mit der Biographie von Fliege auskennt, weiss man kaum, warum der Mann von Karasek derart niedergemacht wird >"Fliegenschiss"<.

Den anderen Artikel fand ich wesentlich informativer! Und - klar - es ist schon bemerkenswert, dass ein Springerblatt aus der Reihe der gleichgeschalteten ausscheren kann/darf/tut.

Dennoch ändert das nichts über meine Meinung über Döpfner und den Machtmißbrauch der mit den zum Springer-Konzern gehörenden Medien. Zwei Beispiele über die ich mit meinen Kindern diskutiert habe. Die waren nämlich der Meinung, dass die Welt eine vertrauenswürdige Zeitung sei:

1. Der Mindestlohn ist bewusste Volksverdummung
Hier wird auf übelste Art und Weise dargestellt, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro nicht reicht, damit EIN Verdiener eine 10-köpfige Familie ernähren kann.
- bei einem Verdienst von 2,5 Euro, wie in Berlin neulich bekannt geworden ginge das sicher eher..... -

2. Miese Dumpinglöhne auch in Kurt-Beck-Land
Hier wird auf eine Firma in Rheinland-Pfalz hingewiesen die ebenfalls miese Löhne zahlt, um zu vermitteln, dass der (von mir durchaus ungeliebte) SPD-Chef sein eigenes Land nicht in Ordnung hält. - wobei er das überhaupt nicht kann, denn Mindestlohn ist keine Ländersache -

Ich wollte meinen Kindern vermitteln, absolut keiner Meldung zu vertrauen, bevor man nicht die Beweggründe dahinter kennt.

Hier ist es doch wohl offensichtlich, dass Döpfner und das Springer-Imperium noch an dem 650 Millionen Euro-Fiasko mit der PIN-Group zu knabbern haben. Der Versuch Riesengewinne auf Kosten des Steuerzahlers zu machen, ging nach hinten los....

da tritt man schon ganz gern mal nach ... um die eigenen Unzulänglichkeiten und Fehleinschätzungen zu kaschieren.

einfach nur mies

tschao

jupp11
 
8. January 2008, 17:34   #3
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
... natürlich hast Du recht, wenn Du auf die unsägliche Springer-Kampagne gegen den Mindestlohn hinweist. Ich halte das sogar für rechtlich bedenklich, da man davon ausgehen kann, daß viele Leser noch immer nicht die wahren, rein geschäftlichen Hintergründe kennen, warum sich der Verlag so vehement dagegen eingesetzt hat. Das ist unlauter, und, wie Du ja schon erwähnt hast, darf Springer jetzt zur Strafe mehrere Hundert Millionen abschreiben, die man in die PIN-Group investiert hatte. Ein wirtschaftliches Fiasko, durch das auch der Ruf von Mathias Döpfner Schaden genommen hat. Peinlich für ihn, der schon einmal vor den Kartell-Richtern auf die Nase gefallen war, als er vergeblich versuchte, die publizistische Macht des Springer-Verlags auch auf das deutsche Fernsehen auszudehnen.

Aber zurück zum "Hamburger Abendblatt". Da findet sich heute ein Bericht mit folgender erstaunlicher Überschrift:

51-jähriger Deutscher verprügelt Iranerin

Das Ganze spielte sich übrigens im vornehmen Hamburger Stadtteil Harvestehude ab, also nur einen Steinwurf entfernt vom Haus des "Bild"-Chefs Kai Diekmann am Innocentiapark. Aber es ist natürlich klar, daß man bei "Bild-Online" vergeblich nach der Meldung sucht, weil sie so gar nicht zu der seit Wochen laufenden üblen Hetzkampagne gegen jugendliche "kriminelle Ausländer" paßt:

Alle Kriminellen sind Ausländer, fast überall

Immer wieder nett zu lesen sind auch die Dialoge des "Abendblatt"-Chefredakteurs mit aufgebrachten Lesern. Heute beschwert sich zum Beispiel eine Kiefernorthopädin bitterlich darüber, daß es eine Redakteurin gewagt hat, über ein medizinisches Thema auch mal humorvoll zu berichten ;-)

Zitat:
Sie erklären dem Leser, dass die Wirkung kieferorthopädischer Behandlungsmittel darin liege, dass unerwünschte Symptome wie Schnappatmung, Röcheln und Sabbern auftreten. Sie erklären weiterhin, dass kieferorthopädische Behandlungsmittel solche Ungetüme seien, dass das Ausmaß von Schmerzempfinden und Hässlichkeit nur noch zu steigern sei durch das Eintackern von Akne-Narben . . .

Was treibt eine Journalistin zu solch grotesken Schilderungen, was einen Chefredakteur, solch einen Artikel auf der Titelseite einer seriösen Tageszeitung zu platzieren?

Bitte (nicht) lächeln . . .
Gruß Ben
 
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