4. April 2006, 01:05 | #1 | ||
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Hölle Kongo – Warum haben wir so lange weggesehen?
... die dusselige Überschrift stammt natürlich nicht von mir, sondern ist in der aktuellen "Bild-Zeitung" zu lesen:
http://www.bild.t-online.de/BTO/news...lle-kongo.html Dabei ist die Frage eigentlich ganz leicht zu beantworten. Denn: "Wir" sehen ja auch weg, wenn zum Beispiel in Saudi-Arabien Dieben die Hände abgehackt und jeden Tag Menschen geköpft werden. Und warum schauen wir weg? Ganz einfach: Weil die Herrscher in Saudi-Arabien aufgrund der großzügigen Öl-Rabatte zu den Freunden der USA gehören. Deshalb wird auch nur ganz selten bei uns über dieses Land berichtet. Und was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Und mit dem Kongo ist das auch so eine Sache. Und schon kommen die "Bild"-Redakteure gefühlsmäßig ganz durcheinander. Denn einerseits wissen auch sie: Zitat:
Zitat:
Aber plötzlich soll uns das Problem "Afrika" interessieren. Im Prinzip gar nicht mal schlecht, weil dort seit Jahrzehnten noch das größte Grauen auf der Welt herrscht und blutrünstige Diktatoren regieren, gegen die ein Saddam Hussein wie ein harmloser Waisenknabe wirkt. Und das Abartige ist, daß die meisten afrikanischen Schlächter sogar von uns, der "westlichen Welt", unterstützt und somit an der Macht gehalten worden sind. Deshalb und weil wir uns immer noch wegen unserer Kolonial-Politik schämen, als wir die "Bimbo"-Sklaven nach Belieben ausgenutzt und/oder abgeschlachtet haben, mögen wir Deutschen, aber auch viele andere "zivilisierte" europäische Länder nicht so gern über "Afrika" reden. Doch zum Glück haben wir jetzt mit Angela Merkel eine Kanzlerin, die entschlossen ist, das Problem "Afrika" mutig anzupacken. Und so werden die 1.500 deutschen Soldaten im Kongo sicherlich all das wieder gutmachen, was dort unten von uns angerichtet worden ist. Auch das ist im Prinzip eine schöne Sache. Und wenn die blutigen Kämpfe irgendwann nach vielen Jahren mal zu Ende sind, werden wir Deutschen, selbstverständlich zusammen mit unseren amerikanischen Verbündeten, den neuen afrikanischen Freunden im Kongo Tips geben, wie sie ihre reichhaltigen Bodenschätze von nun an am besten vermarkten. Es ist immer wieder schön mitanzusehen, wie sich die USA die letzten Rohstoff-Ressourcen mit Hilfe ihrer verläßlichen deutschen Freunde krallen, damit nicht irgendwann so ein afrikanisches "Hottentotten"-Land darüber allein verfügen kann. Und was (angeblich) bisher im Nahen Osten wunderbar funktionierte, wird ja wohl auch in Afrika klappen. Zumindest in dieser Hinsicht scheinen sich Georgie-Boy und Angie auch diesmal wieder völlig einig zu sein ;-) Gruß Ben |
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8. April 2006, 18:56 | #2 |
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Ich sehe die Gefahr, dass man auch die Sache im Kongo unterschätzt.
Ist eben das Problem, wenn man es sich auf die Flaggen schreibt, Schurkenstaaten erst das Fürchten und dann die Demokratie zu lehren, nachdem man sie heldenhaft befreite: Aufoktroyierte Demokratie bringt eine Zeitlang gar nix, und den Beweis dafür findet man natürlich im Irak. Wenn einflussreiche inländische Gruppierungen mit allen Mitteln versuchen, den Prozess der "Befreiung" und der "Demokratisierung" zu stoppen, dann wird ihnen das mit großer Wahrscheinlichkeit auch gelingen. Dann ist es Sache der Besatzer Befreier, die von ihnen selbst verursachten Zustände wieder zu beseitigen und die Wogen zu glätten: Nachdem dem der Irak innenpolitisch zu einer übelriechenden Soße zerflossen ist und sich zu einem erheblichen Schandfleck auf dem Throne Bushs entwicklet hat, wäre es eigentlich intelligenter, den unter den Teppich gekehrten Schmutz zu beseitigen, bevor man erneut Staub wischen will; soll heißen, Dinge im Irak in Ordnung zu bringen, anstatt sie einer hilflosen und abhängigen Regierung zu überlassen. Ich weiß nicht, inwiefern die diplomatischen Möglichkeiten im Kongo schon ausgeschöpft sind. Glaube aber, dass wir noch ein wenig entfernt sind von einem Krieg im Kongo, der sicherlich nicht wünschenswert wäre; weder für deutsche oder irgendwelche Soldaten, noch natürlich für die heimische Zivilbevölkerung, die letztlich immer der Leidtragende ist. Aber, wie gesagt: Es gehört eben ein bisschen mehr dazu, als bis zum Wahltag Präsenz zu demonstrieren und sich danach heimlich wieder davon zu machen. Wenn es zu tiefgreifenden Einsätzen im Kongo kommen sollte, dann sollte man (d.h. die Regierung) sich auch im Klaren darüber sein, dass die Aktion länger dauern könnte - notfalls auch mehrere Jahre. Wenn schon, dann richtig. Ciao, Maggi |
9. April 2006, 12:32 | #3 |
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Na ja, die EU hat ja beschlossen, eine eigenständige Militärmission (ohne NATO-Beteiligung) unter deutscher Führung, um - wie es heißt - "einen reibungslosen Ablauf der ersten Präsidentschafts- und Parlamentswahl nach 45 Jahren zu gewährleisten" in den Kongo zu schicken.
Zur Zeit ist eine all-Parteien-Koalition an der Macht. Und wenn diese bei der Wahl zerbricht, und es Sieger und Verlierer gibt, dann gibts es auch sicherlich wieder Krieg. Zudem gibt es eine Art Garde des Präsidenten, die aber nicht Nationalarmee ist, und bei Machtverlust sicherlich ebenfalls ein Wörtchen mitreden wird. Ben, Deinen Hinweis auf die Interessenslage der USA, kannst Du den noch kurz erläutern? Diese haben ja in der Vergangenheit immer dafür gesorgt, dass NATO Missionen gerade nicht auf den Weg geschickt werden konnten-daher ja auch die Verschiebung der Wahlen im vergangenen Jahr. Unter Clinton wurden zwar großzügige Schürfrechte an Amerikanische Unternehmen vergeben, aber seit den Bürgerkriegen engagieren sich die Amerikaner eher nicht mehr im Kongo/Nachbarstaaten. Oder liegen Dir andere Infos vor? |
9. April 2006, 18:23 | #4 | |
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... bei der angeblichen "Friedensmission" geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes:
Zitat:
Das Thema "Kongo" gehört sowieso seit Jahrzehnten zu den unappetitlichsten Kapiteln in der Geschichte der brutalen Ausbeutung des schwarzen Kontinents durch europäische Staaten, aber natürlich auch durch die USA. Inzwischen wird auch kaum noch bezweifelt, daß die CIA, bzw. sogar der damalige US-Präsident Eisenhower höchstpersönlich den Auftrag zur Ermordung des ersten Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Patrice Lumumba, gab, der im Januar 1961 als Gefangener von belgischen Soldaten umgebracht wurde. Hier kann man noch einmal alle Einzelheiten nachlesen: http://www.wsws.org/de/2002/jan2002/lumu-j25.shtml Daß sich die USA, deren Hauptrivale beim Raub der kongolesischen Rohstoff-Schätze nach wie vor Frankreich ist, zur Zeit eher ruhig verhalten, dürfte wohl nur taktische Gründe haben. Man darf ja auch nicht vergessen, daß Bush momentan im Irak und Afghanistan genug um die Ohren hat und darüber hinaus auch noch einen Angriffskrieg mit atomaren Waffen gegen den Iran plant. Trotzdem wäre es töricht anzunehmen, daß die USA auch langfristig auf die verlockende wertvolle Rohstoff-Beute im riesigen Kongo und anderswo in Afrika verzichten würden. Gruß Ben |
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10. April 2006, 07:40 | #5 |
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zynisch gesagt, geht es doch um die Frage nach dem geringeren Übel.
Auf der einen Seite wird die derzeitige Regierung unter Kabila mit einer militärischen Mission gestützt, damit es nicht zu einem Krieg kommt. Sofern tatsächlich demokratische Wahlen (diesen Anspruch hat die EU eher nicht, sie entsendet auch keine Wahlbeobachter, soweit ich weiß) zu einem Ergebnis führen würden, das die derzeitigen Machverhältnisse ändert, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Krieg. Im Zusammenhang mit dem Kongo dürfen auch niemals die Nachbarländer vergessen werden, die -außer Sambia- seit 1996 direkt oder indirekt in einen Konflikt mit dem Kongo verwickelt waren. |
17. April 2006, 00:27 | #6 | |
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... über die von mir bereits erwähnte im Auftrag der USA von belgischen Soldaten durchgeführte bestialische Ermordung des ersten Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Patrice Lumumba, gibt es heute nacht eine Dokumentation auf 3Sat.
Wer also noch wach ist und zu den wenigen gehört, die sich überhaupt für Politik und somit auch für die nie gesühnten Verbrechen interessiert, die Europäer und Amerikaner in Afrika angerichtet haben und noch heute anrichten, sollte seinen Videorekorder noch schnell entsprechend programmieren. Gruß Ben Zitat:
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