29. July 2002, 11:22 | #1 |
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Friedrich Schiller - Gedichte
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande: Ihn schlugen die Häscher in Bande, »Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!« Entgegnet ihm finster der Wüterich. »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« »Das sollst du am Kreuze bereuen.« »Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben: Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.« Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: »Drei Tage will ich dir schenken; Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist, Eh' du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.« Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben. Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; So bleib du dem König zum Pfande, Bis ich komme zu lösen die Bande.« Und schweigend umarmt ihn der treue Freund Und liefert sich aus dem Tyrannen; Der andere ziehet von dannen. Und ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle. Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel herab, Und donnernd sprengen die Wogen Dem Gewölbes krachenden Bogen. Und trostlos irrt er an Ufers Rand: Wie weit er auch spähet und blicket Und die Stimme, die rufende, schicket. Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere. Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: »O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne, und wenn sie niedergeht Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.« Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde ertrinnet. Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen. Und gewinnt das Ufer und eilet fort Und danket dem rettenden Gotte; Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule. »Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich, »Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!« Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: »Um des Freundes willen erbarmet euch!« Und drei mit gewaltigen Streichen Erlegt er, die andern entweichen. Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Kniee. »O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!« Und horch! da sprudelt es silberhell, Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er, zu lauschen; Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder. Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: »Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.« Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen; Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter: »Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.« »Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht, Ein Retter, willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!« Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor, Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet; An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor: »Mich, Henker«, ruft er, »erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!« Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide Und weinen vor Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Augen tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär'; Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen, Und blicket sie lange verwundert an. Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen; Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn - So nehmet auch mich zum Genossen an: Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der dritte!« |
29. July 2002, 16:40 | #2 |
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Poetisch, wahrlich! Nur nimm es mir bitte nicht übel, dass ich mir nicht alles durchgelesen habe.
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29. July 2002, 17:13 | #3 |
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nein, warum sollte ich es dir übel nehmen? ich mußte es nur damals in der schule lernen und irgendwie gefällts mir noch immer - mal schauen, wenn jupp wieder mehr zeit hat, vielleicht bringt es auf "kurzform" lesbar für die heutige zeit?
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29. July 2002, 22:34 | #4 |
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hehe,
... ich würde höchstens den Titel drüberschreiben , aber doch nicht Schiller verhunzen. Im Ernst, die Bürgschaft und noch ein paar andere mag ich sehr. Ich werd bei Gelegenheit mal ein paar raussuchen... @L.-D. zum Lesen !!! und besprechen. |
29. July 2002, 23:08 | #5 |
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Wenn ich das lese und an die Zeit zurückdenke,als ich es lernen mußte,dann geht mir immer noch "ein Messer im Sack auf".
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30. July 2002, 02:27 | #6 |
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Die Dilettanten, im Kreise vereint,
jupp in der Mitte, und schleimt und reimt unser lyrisch Jung,hehe Der Tyrann, angelehnt an griechische Mystik, aber deutlichen Bezug auf das napoleonische Zeitalter nehmend. ist aber nicht die Kernaussage, sondern nimmt deutlichen Bezug auf Freundschaft, die Schiller immer von Goethe eingefordert hat. Es gibt genau soviel Interpretationen wie Promotionen über das Thema, deswegen werden sie nicht besser, ist ja auch nicht der Zweck der Sache. mfg |
30. July 2002, 04:07 | #7 |
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Friedrich Schiller
1759 als Johann Christoph Friedrich Schiller in Marbach geboren 1772 Beginn des Studiums (Recht) in der "Militärischen Pflanzschule" des Herzogs Carl Eugen 1776 Wechsel zum Medizinstudium 1780 Qualifiquation als "Regimentsmedikus". Heimliches Schreiben von Gedichten und Arbeit am Drama Die Räuber 1782 Aufführung von Die Räuber in Mannheim. Wegen der unerlaubten Reise dorthin zwei Wochen Haft und Verbot jeglicher literarischer Tätigkeit. Danach Flucht auf das thüringische Gut Bauerbach, hier Entstehung von Luise Millerin (später Kabale und Liebe) und Arbeit an Don Carlos 1783 Aufgrund einer Stelle als Theaterdichter beim Theaterintendanten Dalberg Rückkehr nach Mannheim 1784 Nach Ablauf des Theatervertrages Verlassen von Mannheim. Durch finanzielle Schwierigkeiten Angewiesenheit auf Kredite und Vorschüsse. Beginn eines Wanderlebens (Leipzig, Dresden, Weimar, Jena) 1788 Professur für Geschichte in Jena (zuerst ohne festes Gehalt) 1790 Heirat von Charlotte von Lengefeld 1791 Erkrankung an einer lebensgefährlichen Lungenkrankheit, von 1795 an kaum beschwerdefrei. 1794 Beginn der Freundschaft mit Goethe, Zusammenarbeit, Wettstreit, Ergänzung. Entstehung der Wallenstein-Trilogie (1797-99), Maria Stuart (1799-1800), Die Jungfrau von Orleans (1800-01), Die Braut von Messina (1802-03), Wilhelm Tell (1802-04), Fragment Demetrius 1805 Tod Schillers |
30. July 2002, 17:57 | #8 | |
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Zitat:
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30. July 2002, 19:59 | #9 | |
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Also ich mag "Die Bürgschaft"...
Eigentlich weniger wegen des Dionys als der beiden Freunde wegen. Der Dyonys drängt sich nur dazwischen. Übrigens: Zitat:
Ich vermute, dass die Freundschaft zu dritt kein Leben lang gehalten hat, zumal nicht bekannt ist, ob die beiden Freunde den Tyrannen überhaupt in ihre Beziehung mit aufnehmen wollten. |
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4. August 2002, 05:46 | #10 |
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Friedrich von Schiller
Der Handschuh Vor seinem Löwengarten, Das Kampfspiel zu erwarten, Saß König Franz, Und um ihn die Großen der Krone, Und rings auf hohem Balkone Die Damen in schönem Kranz. Und wie er winkt mit dem Finger, Auftut sich der weite Zwinger, Und hinein mit bedächtigem Schritt Ein Löwe tritt Und sieht sich stumm Ringsum Mit langem Gähnen Und schüttelt die Mähnen Und streckt die Glieder Und legt sich nieder. Und der König winkt wieder, Da öffnet sich behend Ein zweites Tor, Daraus rennt Mit wildem Sprunge Ein Tiger hervor. Wie der den Löwen erschaut, Brüllt er laut, Schlägt mit dem Schweif Einen furchtbaren Reif Und recket die Zunge, Und im Kreise scheu Umgeht er den Leu, Grimmig schnurrend, Drauf streckt er sich murrend Zur Seite nieder. Und der König winkt wieder, Da speit das doppelt geöffnete Haus Zwei Leoparden auf einmal aus, Die stürzen mit mutiger Kampfbegier Auf das Tigertier; Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen, Und der Leu mit Gebrüll Richtet sich auf, da wirds still; Und herum im Kreis, Von Mordsucht heiß, Lagern sich die greulichen Katzen. Da fällt von des Altans Rand Ein Handschuh von schöner Hand Zwischen den Tiger und den Leun Mitten hinein. Und zu Ritter Delorges, spottenderweis, Wendet sich Fräulein Kunigund: "Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß, Wie Ihr mirs schwört zu jeder Stund, Ei, so hebt mir den Handschuh auf!" Und der Ritter, in schnellem Lauf, Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger Mit festem Schritte, Und aus der Ungeheuer Mitte Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger. Und mit Erstaunen und mit Grauen Sehns die Ritter und Edelfrauen, Und gelassen bringt er den Handschuh zurück. Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde, Aber mit zärtlichem Liebesblick - Er verheißt ihm sein nahes Glück - Empfängt ihn Fräulein Kunigunde. Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: "Den Dank, Dame, begehr ich nicht!" Und verläßt sie zur selben Stunde. |