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27. August 2002, 13:50 | #1 |
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OPERATION "TIPS"
Bush will ein Land voller Spitzel Von Alexander Schwabe Nahezu ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September versucht US-Präsident George W. Bush das Land in eine Gesellschaft voller Spione zu verwandeln. Im August startet die Operation "TIPS", seine neueste Waffe im Kampf gegen den Terrorismus. Sollte sich das Pilotprojekt bewähren, wird die Spitzel-Quote in den Staaten bald höher sein, als sie in der DDR je war. Hamburg - William Harvey ist ein mutiger Mann. Rund drei Wochen nach den verheerenden Angriffen auf das World Trade Center stellt er sich in Manhattan nahe Ground Zero hin und hebt ein Schild in die Höhe, auf dem das World Trade Center abgebildet ist. Auf dem Poster ist neben den Türmen das Konterfei Osama Bin Ladens zu sehen. Harvey verteilt auch Flugblätter und sagt jedem, der es hören will: "Amerika muss dafür büßen, was es islamischen Ländern antut." Freilich wollte dies niemand hören. "Sperrt diesen fucking guy ein, bevor ich ihn erschieße", rief ein empörter Mann aus der Menge. Diese Forderung wurde schnell erfüllt. Harvey wurde festgenommen und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagt. Noch fünf Monate nach dem 11. September schmetterte ein Gericht Mitte Februar Harveys Antrag ab, die Klage fallen zu lassen. Der New Yorker Richter Neil Ross begründete die Ablehnung damit, dass Harvey in Kauf genommen habe, Ärger zu machen. Dabei hatte er nicht mehr getan als seine Meinung gesagt - ein fundamentales Verfassungsrecht. Das Imperium rüstet sich mit einem Bürgerheer Es war eingetreten, was der amerikanische Philosoph und Literaturwissenschaftler Richard Rorty gleich nach dem 11. September befürchtet hatte: Wenn ein Land Krieg führt, leiden die Bürgerrechte. Bereits eine Woche nach den Anschlägen beklagte der Stanford-Professor die Arroganz der US-Regierung und bescheinigte den Staaten, einem Imperium ähnlicher zu sein als einer Republik. Seither ist das Imperium dabei, neue Truppen zu rekrutieren, um gegen einen nahezu unsichtbaren Feind, den Terrorismus, ins Feld zu ziehen. In den USA soll sich ein gigantisches Bürgerheer Freiwilliger formieren, welches das ganze Land überziehen wird. Aufgerüttelt von den Auswirkungen der Angriffe des 11. September und getragen vom Gefühl, in der Schuld des Vaterlandes zu stehen, sind die Amerikaner von Florida bis Oregon, von New Mexico bis Maine aufgerufen, sich für das "USA Freedom Corps" registrieren zu lassen. Jeder Amerikaner soll zwei Jahre opfern US-Präsident George W. Bush versucht die patriotische Stimmung im Land zu nutzen. Ihm schwebt vor, dass alle Amerikaner etwa zwei Jahre ihres Lebens in den Dienst der Sicherheit des Vaterlandes stellen - in 4000 Einsatzstunden verteilt über ihre Lebenszeit. 560 Millionen Dollar will Bush allein für die Organisation der "Citizen Corps" ausgeben. Insgesamt lässt sich die Regierung die staatsicherheitliche Aufrüstung viel mehr kosten. Das von Bush konzipierte Ministerium für nationale Sicherheit soll 170.000 Mitarbeiter haben und zu einem der größten Regierungsapparate der USA ausgebaut werden. Diese Heimatschutzbehörde will der Präsident mit einem Jahresbudget von 37,4 Milliarden Dollar ausstatten. Wichtigtuer, Naseweise, Spanner und Schnüffler Das "Citizen Corps" soll aus fünf schlagkräftigen Divisionen bestehen: Das "CERT" (Community Emergency Response Team, Team für Notfälle in Gemeinden), das Medical Reserve Corps (Einsatzgruppe für medizinische Versorgung), die Initiative Neighborhood Watch (Nachbarschaftsüberwachung), den "VIPS" (Volunteers in Police Service, Freiwillige für den Polizeidienst) und das "TIPS" (Terrorism Information and Prevention System, das Terrorismusinformations- und Vorbeugesystem). Besonders "TIPS" hat den scharfen Protest von Verfassungsrechtlern und Bürgerrechtlern hervorgerufen. Einige befürchten, dass sich das Land in eine Gesellschaft von Aufdringlingen, Wichtigtuern, Schnüfflern und Naseweise verwandeln könnte. Rachel King, Rechtsberaterin der 1913 gegründeten American Civil Liberties Union (ACLU), der einflussreichen Bürgerrechtsorganisation, sagt: "Die Regierung will offenbar ein Programm einführen, das Gasinstallateure, Telefonvermittler und Elektriker in von ihr herangezogene peeping toms (Spanner) verwandelt." Verdächtige terroristische Aktivitäten Nach Angaben des Zentrums für Verfassungsrecht in New York soll auf 24 Amerikaner ein Informant kommen, der für das Justizministerium Augen und Ohren offen hält. Rund vier Prozent der amerikanischen Staatsbürger sollen zivile Spione werden, die "verdächtige terroristische Aktivitäten" an die Behörden melden. Tom Ridge, Sicherheitschef der Heimatlandbehörde, ist bereits in die Defensive geraten. Er beteuert: "Das letzte, was wir wollen, ist, dass Amerikaner Amerikaner ausspionieren." |
27. August 2002, 23:16 | #2 |
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Beiträge: 1.693
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hatten wir schon mal, als es wohl angedacht wurde. Eigentlich ein Unding in einer Gesellschaft, die öffentlich erklärt, sie sei die freieste.
Man muss sich fragen, wer hat etwas davon, das Land in ein Gefängnis zu verwandeln. Minderheiten, die befürchten müssen, Macht zu verlieren, wenn man sie erkennt. Mehrheiten brauchen das nämlich nicht. mfg |
28. August 2002, 06:44 | #3 | |||
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Beiträge: 1.018
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BILD-verdächtige RIESENÜBERSCHRIFTEN sind hier ab sofort verboten; grüne Fettschrift ebenfalls ;-).
Zitat:
Nebenbei scheint er auch wahlweise der US-Propaganda oder der seines greisen Helden bin Laden auf den Leim gegangen zu sein - die Schuld (oder auch nur indirekte Verantwortung) bin Ladens für die Anschläge des 11. Septembers 2001 war und ist bisher nämlich noch gar nicht gerichtsverwertbar bewiesen worden. Wenn es - rein spekulativ - zum Beispiel ein versuchter Militärputsch war, wie US-Regierungskreise am 11. September 2001 auch vermuteten, hätte der wackere Demonstrant sich eine andere Plakatgestaltung ausdenken müssen ... Und vor allem grenzt es an menschenverachtenden Zynismus, mit solchen Plakaten die Opfer selbst für ihr Schicksal verantwortlich zu machen - auch vor dem Hintergrund, daß die Attentäter keinerlei politische Botschaft hinterließen, sondern einfach nur sinn- und wahllos zerstörten und mordeten. Warum taten sie das? William Harvey meint, die Antwort zu kennen - woher eigentlich? Und wieso meint er, die Opfer der Anschläge des 11. Septembers 2001 seien quasi stellvertretend auch für ihn gestorben? Natürlich, auf einer abstrakten Ebene hat der Mann nicht Unrecht, doch das rechtfertigt keinen einzigen der am 11. September 2001 Ermordeten oder Verletzten. Individuelle Schuld konnte ihnen nicht nachgewiesen werden, warum also mußten sie sterben? Warum wurden sie verletzt? William Harvey ist argumentativ so simpel gestrickt wie die Mörder des 11. Septembers 2001, er versucht, den Anschlägen einen Sinn zu geben, wo es keinen Sinn und schon gar keine Rechtfertigung gibt. Für ihn sind die Mörder Märtyrer - aber er selbst ist offensichtlich zu feige oder zu inkonsequent, den Märtyrertod zu sterben, der kleine Feigling, der in der Tat hinter die Mauern einer Irrenanstalt gehört. William Harvey darf meinetwegen seine Meinung auch öffentlich äußern, wenn er aber Opfern und deren Angehörigen unterstellt, sie hätten bekommen, was sie verdienten, dann läßt er mindestens jedes Gespür für "guten Geschmack" vermissen - Kritik an TIPS kann auch anders begründet und eingeleitet werden - der Autor des zitierten Artikels, den ich irgendwo schon einmal gelesen habe, macht es sich viel zu einfach, wenn er mit dem Irren William Harvey anfängt. Denn dessen Schicksal ist auch rein sachlich in keinster Weise verbunden mit TIPS, sondern wird in dem Artikel einzig zu dem Zweck gebraucht, billigsten Anti-Amerikanismus zu schüren. Zitat:
Das Pilotprojekt mag sich bewähren, in der Praxis allerdings dürfte es sich nicht bewähren. Nicht unbedingt deshalb, weil die DDR mittlerweile Geschichte ist, sondern einfach daran, daß auch ein noch so gut organisiertes Spitzelsystem an den eigenen Unzulänglichkeiten - Informelle Mitarbeiter sind halt auch "nur" Menschen - beinahe zwangsläufig scheitern muß. Nachbarn werden Nachbarn verpfeifen, und Briefträger werden Angst vor exotischen Briefmarken haben - Verbrechen wird diese staatlich geschürte Paranoia aber nicht verhindern können, denn sie trifft nur den sprichwörtlichen "kleinen Mann". Wirklich kriminelle Organisationen werden sich gegen solche Ausspähungsversuche zu schützen wissen. Wenn es zum Beispiel um bestimmte ethnische Gruppen geht - Afrikaner, Araber, Deutsche ... - kann allein schon die Hautfarbe entscheidend sein, ob man als freiwilliger Spitzel dazugehören kann oder nicht. Sprachliche Barrieren kommen noch hinzu. Zitat:
MfG tw_24 |
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28. August 2002, 07:12 | #4 |
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diese Meldung gab es ja schon mal und es ist beileibe nicht anti - amerikanisch, wenn man was aufzeigt, was
a. mindestens angedacht wurde b. die Amerikaner für ihr derzeitiges Verhalten kritisiert. Was Bush betreibt, ist schon äußerst seltsam und die Kriegstreiberrei ist ein Spiel mit dem Feuer. Wer treibt das eigentlich an? mfg |
28. August 2002, 07:38 | #5 |
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Also, der Artikel stammt aus dem Angebot von Spiegel online (http://www.spiegel.de/politik/auslan...206079,00.html). Ob er nun anti-amerikanisch ist oder nicht, ist am Ende sicher eine Geschmacksfrage. Wenn aber versucht wird, die USA, immerhin eine mehr als hundertjährige Demokratie, die auch fanatische Kommunistenfresser wie McCarthy überlebt hat, mit der DDR gleichzusetzen, dann empfinde ich das als wenig angebracht.
Bei der Kritik an TIPS sind wir uns ja auch weitgehend einig, mir geht es einzig um die von Alexander Schwabe vorgebrachten Argumente, die in meinen Augen die falschen sind - auch wenn er am Ende durchaus die richtigen Schlüsse zieht. MfG tw_24 |