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23. May 2005, 20:53   #1
Akareyon
 
Registriert seit: November 2001
Beiträge: 2.823
Schöne Wörter

Kennt Ihr das? Ihr lest einen Text - in der Zeitung, im Buch, in der Werbung - und Ihr findet ein Wort besonders schön oder interessant. Vielleicht, weil Ihr es nicht kennt und trotzdem versteht, was es bedeutet. Oder weil Ihr es schon seit Jahren nicht mehr gehört oder gelesen habt. Es kann auch sein, daß Ihr nachschlagt, was es bedeutet oder was dahinterstecken kann. Oder aber, weil Euch der Autor des Textes dadurch wahnsinnig sympathisch wird. Manchmal sticht es auch einfach durch die Art und Weise heraus, wie es in seinen Kontext eingebettet wurde. Oder weil es im inneren Ohr einfach einen schönen Klang oder eine interessante Melodie hat.

Ich las gerade Spiegel Online, und da fiel mir das Wort "designiert" auf.

Einfach, weil es eine ubiquitäre Vokabel während meiner Kindheit war, denn damals mußte ich mir die Publikationen der Zeugen Jehovas ins Hirn schrauben, und da war ständig vom designierten Nachfolger, bzw. designierten König Jesus Christus die Rede (der ja nach der Auslegung des Bibelbuchs "Offenbarung" durch die Zeugen Jehovas nach Harmagedon, dem nahen Weltgericht, zusammen mit den 144.000 in den Himmel gelangenden, singenden sowie Harfe und Trompete spielenden "Geistgesalbten" [bzw. designierten "Ältesten"] {auch dargestellt durch die "Braut", die den König Jesus heiraten würde}, in der himmlischen Stadt namens "Neues Jerusalem" über die neugestaltete, paradiesische Erde mit all den guten, vollkommenen Harmagedon-Überlebenden und Wiedererweckten [sie werden "ihre Brillen und Krücken fortwerfen" und der gesunden und Auferstehung ihrer früher verstorbenen Verwandten und Freunde beiwohnen können] für tausend Jahre als König eingesetzt würde, um nach einer nochmaligen Freilassung und endgültigen Besiegung und Vernichtung [im Feuersee] der Dämonenhorden und des Urdrachen Satan [der bis dahin nach einer ebenfalls ohnehin zum Sieg vorherbestimmten Schlacht des Feldherrn Jesus, seiner Gotteskrieger und seiner Himmelsarmeen gefesselt im Abgrund gefangen gehalten würde] den Thron an seinen Vater, Jehova Gott, den Schöpfer des gesamten Universums, abzutreten, damit die Sache mit dem Apfel endlich mal geklärt ist*).

Und jetzt - peng - ist da vom designierten Finanzminister die Rede. Ich finde, "designieren" klingt recht nett (erinnert mit seinem Suffix einfach an irgendetwas typisch eingedeutschtes wie in "kolportieren, tranchieren, blamieren, phantasieren, logarithmisieren, echauffieren, musizieren, skalpieren, urinieren oder kremieren), aber irgendwie transportiert es zumindest für mich (durch seinen Klang und die Erinnerung an dieses mir sonst recht selten oder zumindest unauffällig gewordene Wort) einen sehr edlen, royalen Gedanken, ein Bild. Obwohl es eigentlich nur bedeutet, zu "bezeichnen", zu "bestimmen" oder "für ein noch nicht besetztes Amt vorzusehen" (Wikipedia). Und wenn man will oder sich nur ab und zu ein bisschen für Semantik interesiert, wird man vielleicht auch einen Sinnzusammenhang zum darin enthaltenen, zumindest im Deutschen aber nicht wirklich viel damit zu tun habenden Wörtchen "Design" konstruieren mögen, denn im Englischen bedeutet "Design" ja eben sowohl "Entwurf" oder "Zeichnung" als auch "Bestimmung" oder "Zweck" (Muret-Sanders Enzyklopädisches Englisch-Deutsches und Deutsch-Englisches Wörterbuch Band I, Hand- und Schulausgabe von 1908)**. Paßt bloß nicht, weil "designieren" im Englischen "to designate" heißt (ebd., Band II). Schade eigentlich, sonst könnte man das mittlerweile mir fast zu den Ohren raushängende, da schlicht ubiquitär mißbrauchten Verb "designen" beim Kunjugieren einfach nach "designieren" behandeln. Hat halt nicht sollen sein.

Die Gedanken schossen mir so durch den Kopf, als ich das Wort sah. Ich meine, kennt Ihr auch sowas? Was kennt Ihr für "schöne Wörter"?



* ich weiß nicht, so einen hätt' ich nichtmal gern als Nachbarn - sowas kleinliches, ehrlich!

** war in meinem aktuellen Wörterbuch gar nicht mehr verzeichnet
 
24. May 2005, 09:57   #2
nightmoves
 
Benutzerbild von nightmoves
 
Registriert seit: May 2003
Beiträge: 185
mir fällt spontan "zeitnah" ein. Passt zwar nicht in den Bereich Poesie, da es eher im geschäftlichen Bereich verwandt wird. Schreibe ich "bitten um zeitnahe Erledigung" hört es sich freundlicher an als "um unverzügliche oder baldige Erledigung" .

Ach und da erinnere ich mich an einen Schulaufsatz, als ein Mitschüler vor der versammelten Klasse vom Pauker lächerlich gemacht wurde, weil er in einem Schulaufsatz "die Leute begannen zu paniken" schrieb anstatt "gerieten in Panik". Am nächsten Tag musste der Lehrer einen Rückzieher machen, da es dieses Wort tatsächlich gab. Irgentwie assoziere ich das paniken allerdings mit picknicken..

Überhaupt scheint mir das Gefühl für Wörter von persönlichen Assoziationen abhängig zu sein. Kennt Ihr das nicht auch von Vornamen?
 
24. May 2005, 10:40   #3
Sledge
Erdbeermund
 
Benutzerbild von Sledge
 
Registriert seit: February 2005
Ort: Münsterland
Beiträge: 318
Oh ja...
Es gibt einige Vornamen, bei denen bekomme ich immer das kalte Grausen. Es hat meistens nichts mit den Personen zu tun, aber es gibt Personen/Vornamen mit denen ich Ereignsse verbinde, nicht immer schöne oder positive.
Mir ist allerdings unabhängig davon aufgefallen, das andere Personen oft gleich einzuschätzen bzw. zu typisieren sind.
Komisch eigentlich.
Oder eigentlich auch nicht komisch, weil für mich die Vornamen dann doch "markiert" sind und ich wahrscheinlich unbewusst die Person mit der urspünglichen Person vergleiche und dann die eine oder andere Ähnlichkeit sehe...
 
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