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23. October 2005, 23:52   #1
Glühwürmchen
 
Registriert seit: October 2002
Beiträge: 4.319
Gesichtstransplantation

Letztens kam in den Nachrichten, dass die erste Gesichtstransplantation unter strenger Geheimhaltung durchgeführt wird.
Dabei zeigte man auch Menschen, die durch Verkehrsunfälle, Brandverletzungen etc ihr Gesicht "verloren" haben. Eine furchtbare psychische Belastung muss das sein.

Aber wie belastend ist es, in den Spiegel zu gucken und eine wildfremde Person zu sehen, die eigentlich verstorben ist. Denn nicht nur die Haut, sondern auch das gesamte Gewebe, das unser Gesicht formt, wird mit transplantiert.
Was mich ein wenig wundert, denn man ist doch auch in der Lage einem Totenschädel die Gesichtszüge wiederzugeben, die dem Opfer zumindest ähneln, um die Identität festzustellen.

Diese psychische Belastung ist wohl auch der Grund warum man Zweifel hat, ob dieser medizinische Fortschritt tatsächlich ein Segen ist. Bei lebenswichtigen Organen (Herz, Niere...) ist das kein Thema, aber man kann ohne Gesicht leben - wenn auch unvorstellbar.

Ich weiß nicht, wie die entsprechenden Menschen auf das Nachher vorbereitet werden. Ob sie mit Masken rumlaufen müssen um sich daran zu "gewöhnen" anders auszusehen.
Kann man das überhaupt? Man hat doch immer "sein" Gesicht in Erinnerung.

Und wenn man sich daran gewöhnen kann und der Körper kämpft mit Abstoßungsreaktion, sodass das "Gesicht" wieder entfernt werden muss...


Ich hoffe, niemand von Euch ist in dieser Situation und kennt auch niemanden, der eventuell vor diese Entscheidung gestellt wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich keiner von uns in die Lage vorher und nachher versetzen kann.
Aber was denkt Ihr darüber? Ist es ein Segen oder ethisch nicht vertretbar?
 
24. October 2005, 20:38   #2
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
... die Angst, daß man nach einer Komplett-Transplantation exakt so aussehen wird wie der verstorbene Spender, ist unbegründet, da die wesentlichen Merkmale eines Gesichts nicht von dem Hautgewebe geprägt sind, sondern von den individuellen Eigenschaften des Schädels (breites oder flaches Kinn, eng oder weitstehende Augen, hohe oder niedrige Stirn, Anordnung der Wangenknochen, Abstand zwischen Mund und Nase, was wiederum durch die Kieferknochen bestimmt wird, usw.). Es ist ja heute auch möglich, computertechnisch anhand der Daten eines Totenschädels das Gesicht des Verstorbenen zu rekonstruieren, was oft in der forensischen Forschung eingesetzt wird, wenn es um längst verweste Leichen von unbekannten Personen geht.

Und selbstverständlich ist es ein Segen, daß man Menschen, die kein Gesicht mehr haben, inzwischen durch verschiedene Möglichkeiten helfen kann. Und von solchen Opfern gibt es viel mehr als wir ahnen, weil sich die meisten nicht in die Öffentlichkeit trauen. Und selbstverständlich kann auch jedem von uns ein solches Schicksal ereilen - etwa durch schwerste Verbrennungen oder Verbrühungen im Haushalt, durch einen Verkehrsunfall, aber auch durch Haut- oder Knochenkrebs, der das Gesicht befallen hat.

Leider sind für die Forschung im Bereich der plastischen Chirurgie noch immer Tierversuche nötig. Aber ich denke, daß sie in diesem Fall vertretbar sind. Wer jemals Kinder nach schwersten Unfällen gesehen hat, die quasi kein Gesicht und somit auch nicht wirklich eine Zukunft haben, wird wohl alles unterstützen, was ihr Leid zumindest lindern könnte.

Es wäre umgekehrt ethisch nicht vertretbar, wenn man es verbieten würde, nur weil wieder mal die Kirche oder andere Bedenkenträger dadurch irgendwelche dummerhaften religiösen Gesetze verletzt sehen.

Gruß Ben
 
24. October 2005, 21:39   #3
Yosie
 
Benutzerbild von Yosie
 
Registriert seit: November 2002
Ort: between K and D
Beiträge: 279
Ich könnte mir vorstellen, wenn jemand schafft, einigermaßen damit zurecht zu kommen, kein Gesicht mehr zu haben, so wird er auch mit dem Gesicht eines "Toten" zurecht kommen.
Ethisch hätte ich keine Bedenken, warum soll man nicht die Möglichkeit der Wissenschaft nutzen, um ein furchtbares Schicksal zu verbessern.
 
24. October 2005, 21:52   #4
Glühwürmchen
 
Registriert seit: October 2002
Beiträge: 4.319
Im Grunde genommen sind die Liftings, Aufspritzungen... der eitlen Gesellschaft keine größere Entfremdung wie dieser Eingriff.
Natürlich weiß ich nicht wie das Ergebnis aussieht, aber ich kann mir auch vorstellen, dass man lieber ein etwas verformtes Gesicht hat, als gar keins.
 
24. October 2005, 22:15   #5
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
... es kann nun mal nicht jeder mit so einem vollippigen wunderschönen Mund wie zum Beispiel Heike Makatsch von der Natur großzügig beschenkt sein. Wer sich aber künstliche Schlauchboot-Lippen spritzen läßt oder sein Gesicht verunstaltet, indem er es für Modeschmuck ausstanzen läßt wie Akten mit einem Büro-Locher, der tut mir kein Bißchen leid, wenn er hinterher seine Entscheidung bitter bereut.

Hat aber alles nichts mit dem Schicksal der Menschen zu tun, bei denen an den Stellen, an denen früher mal Nase, Mund und Ohren waren, nur noch häßliche Löcher zu finden sind. Man sollte solche Horror-Bilder von Verunstalteten viel öfter zeigen, damit Menschen, die wegen jeder kleinen Falte gleich zum Schönheitschirurg rennen, überhaupt mal begreifen, wie dankbar sie sein müßten, mit einem "nur" durchschnittlichen normalen Gesicht herumlaufen zu dürfen.

Gruß Ben
 
19. November 2005, 00:29   #6
Amanda Grayson
 
Benutzerbild von Amanda Grayson
 
Registriert seit: November 2005
Beiträge: 162

Ich finde - also, das ist meine Meinung - Schönheitsoperationen unmoralisch. Kranke Menschen zittern vor Operationen, die immer mit einem Risiko verbunden worden sind, und andere Menschen lassen sich in völlig gesundes Fleisch schneiden, nur, weil ihnen ein Detail ihres GESUNDEN Körpers optisch nicht genehm ist.

Von kompletten Gesichtstransplantationen habe ich noch nichts gehört, ist ja interessant. Ich kann mir nicht denken, daß es für ein Unfallopfer schockierender ist, ein fremdes Gesicht im Spiegel zu sehen als überhaupt kein Gesicht. Wer hat denn Zweifel daran, ob dieser Fortschritt überhaupt ein Segen ist? Würde mich mal interessieren.

Ich denke auch, daß die eigene Knochenstruktur und auch die eigene Lebenseinstellung ein Gesicht am stärksten formen. Ich versuche gerade, mir vorzustellen, wenn man mir die Haut und das Unterhautfettgewebe von Paris Hilton *die finde ich extrem häßlich* verpassen würde, daß ich mir selbst sehr schnell wieder ähnlich sehen würde, denn das würde sich meinem Schädel anpassen, und meine Mimik würde sich nach meinen Gewohnheiten richten, also würde man nicht diesen leeren Gesichtsausdruck und dieses dümmliche Lächeln bei mir finden.

Ich meine, daß es ein Unterschied ist, einem Totenschädel seine Gesichtszüge in einer PC-Simulation wiederzugeben, oder mir ein neues Gesicht zusammenzuflicken, z. B. aus der Haut meines Allerwertesten. Da stelle ich mir eine Gesichtstransplantation wesentlich einfacher vor.
 
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