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9. July 2002, 16:52   #1
tw_24
 
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Beiträge: 1.018
Dem NPD-Verbotsverfahren droht das Aus

Die Innenminister der Länder weigern sich, dem Bundesverfassungsgericht weitere Namen und Quellen zu nennen. Wenn das Gericht das nicht akzeptiert, so Experten, dann platzt der Prozess.

Von Annette Ramelsberger

München – Die Innenminister der Länder haben sich darauf verständigt, dem Bundesverfassungsgericht keine zusätzliche Namen von Quellen im NPD-Verbotsverfahren zu nennen. Sie fürchten sonst die Enttarnung ihrer V-Leute in der Partei und damit das Ende der Verfassungsschutzarbeit. Das Gericht hat den Antragstellern bis zum 31. Juli Zeit gegeben, ihre Quellen zu nennen. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, haben die Minister bei einem Kamingespräch bei der Innenministerkonferenz in Bremen diese Linie verabredet, die der Bund unterstützt. Sollte das Gericht die Weigerung nicht akzeptieren, rechnen Experten damit, dass der Prozess platzt.

Das Verfassungsgericht hatte bereits im Februar einen Bericht von Bundesrat und Bundesregierung erhalten, in dem sie die Arbeit der V-Leute Udo Holtmann und Wolfgang Frenz erklärten, die Spitzenleute der NPD und gleichzeitig Spitzel für den Verfassungsschutz waren. Diese Erklärung reichte Karlsruhe jedoch nicht. Anfang Mai forderten die Richter, dass die Behörden alle V-Leute in der NPD bekannt geben sollen – bis zurück ins Jahr 1996. Die Verfassungsschützer sollen auch Auskunft geben über Personen, die gar nicht mehr aktiv sind. So will das Gericht herausfinden, ob die NPD von Spitzeln fremdbestimmt ist. Das könnte großen Einfluss aus die Entscheidung haben.

Zwei Wochen vor der Innenministerkonferenz, an Pfingsten, sprachen Bundesinnenminister Otto Schily und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein in Becksteins Haus in Nürnberg die Vorgehensweise ab. Unter dem Eindruck von Warnungen der Verfassungsschützer, die nachhaltige Schäden für ihre Arbeit befürchten, wollen die Minister nun dem Verfassungsgericht lediglich ausführlich begründen, warum sie Quellen nicht preisgeben.

„Schon jetzt ist die Verunsicherung unter den V-Leuten erheblich“, sagt Volker Lingenthal, Sprecher von Innenminister Schily. „Bund und Länder vertreten die Ansicht, keine weiteren Namen von V-Leuten herauszugeben.“ Die V-Leute des Bundes seien aber alle bekannt, es liege an den Ländern, zu erklären, dass sie ihre Leute nicht preisgeben könnten.

Ein hoher Verfassungsschützer sagte der Süddeutschen Zeitung, eine Offenlegung der V-Leute in der NPD würde die Arbeit des Geheimdienstes insgesamt in Frage stellen. „Die Quellen sind schon jetzt in Aufruhr, jeder denkt, er könnte als nächster enttarnt werden, viele wollen die Zusammenarbeit mit uns beenden – auch aus ganz anderen Bereichen als der NPD“, sagt der Fachmann. „Wenn wir die Namen der Quellen und ihre Arbeitsweise in das Verfahren einbringen, können wir sie der NPD gleich auf dem Silberteller servieren. Uns fragen schon ausländische Dienste, ob wir nicht fähig sind, unsere Leute zu schützen.“

Diese Argumentation hat offenbar bei den Ministern verfangen. „Ohne Quellen können wir den Verfassungsschutz einstellen“, sagt Bayerns Innenminister Beckstein. „Es kommt nicht in Frage, dass wir der NPD die V-Leute nennen.“ Kleinere Bundesländer könnten noch nicht einmal die Zahl ihrer V-Leute nennen, weil sich dann sehr schnell die Schlinge um die Betroffenen zuziehe. Beckstein schlägt vor, das Gericht solle die Präsidenten der Verfassungsschutzämter befragen. Oder eine eigene Kammer solle die Quellen unter Geheimschutz befragen – ein Verfahren, das aber sehr umstritten ist.

Der Vorschlag Becksteins zeigt, wie verfahren die Lage für die Länder und den Bund ist. Seit der Panne Anfang des Jahres, bei der dem Verfassungsgericht nur zufällig bekannt wurde, dass Zeugen im NPD-Verfahren gleichzeitig Spitzel des Verfassungsschutzes sind, ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Antragstellern und dem Gericht empfindlich gestört. „Wir sind in einer unguten Lage“, gibt der Präsident eines Landes-Verfassungsschutzes zu. „Das Gericht fordert, und wir können nicht liefern. Möglicherweise wird der Prozess daran scheitern.“

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/index.php...atei=index.php

MfG
tw_24
 
9. July 2002, 20:13   #2
Mandy Sue
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Hi tw_24,
die Sache ist wirklich kompliziert. Unser demokratischer Rechtsstaat stolpert hierbei über sich selbst.

Man sollte genauestens abwägen, weshalb für einen Verbotsantrag einer radikalen Partei ein Ausnahmerecht geschaffen werden soll. Ist erst mal so eine Ausnahme getätigt, sind die Hemmungen und Hindernisse kleiner, es beim nächsten Mal wieder zu tun.

Die Frage ist: wie kommt man links- und rechtsradikalen Parteien, extremistischen Organisationen und Terroristen am besten bei ohne dass die Grundrechte des 'normalen' Bürgers unangemessen beeinträchtigt werden??? Wir habe jetzt schon Telefonü und sontige Kommunikationsüberwachung, teilweise automatisiert. Wieviel Kontrolle verträgt eine Demokratie ohne dass sie sich zu einem autokratischen Staat wandelt?

Es grüßt besorgt Eure Mandy Sue
 
10. July 2002, 00:06   #3
quentin
 
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Allgemein.
Ich halte ein Verbot für sinnvoll. Es werden zwar die Nazis in den Untergrund gedrängt, aber Öffentlichkeitsarbeit ist dann vorbei. Werbung, Bauernfängerei sind erheblich erschwert, sie sind stigmatisiert. Auch wenn die rechten Polizisten wegschauen wollen, wird das bekannt, obwohl mir das jetzige Verhalten unter den Augen der Staatsanwaltschaft mehr als seltsam erscheint. Hier besteht eine stille Übereinkunft, die unser Supersheriff geflissentlich übersieht.
2 000 hochbezahlte Beamte mit etlichen Juristen sind nicht in der Lage, einen Antrag zu stellen, der wasserdicht ist und der Superminister macht nichts, eine Fehlbesetzung. Personelle Konsequenzen gibt es nur bei denen, die Steuern bezahlen und nicht bei denen, die Steuern verbraten.
Die V- Leute? Ein Witz, wenn das stimmt, was ich aus der Presse weiß. Hat der Geheindienst die Neonazis erfunden, um einen Arbeitsnachweis zu haben?, oder sind sie einfach nur zu blöde, gerade aus zu laufen.
Die Schlapphüte sind ihr Geld auf keinen Fall wert.

mfg
 
10. July 2002, 10:20   #4
freund
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Verbote können Sinn machen, aber nur dort, wo mit dem Verbot etwas erreicht wird. Manchmal kann es günstiger sein, das Treiben legal zu halten. Im Untergrund, der einem Verbot z.B. einer Partei folgt, ist es wesentlich schwieriger für den Staat, Informationen zu erhalten. Wobei mir die NPD noch nicht mal als die wirkliche Gefahr erscheint, eher die rechten Splittergruppen, die sich offen zur Gewalt bekennen.

@ quentin:
Ich stimme dir zu, dass unser Staatsschutz bei den V-Leuten/Zeugen hier völlig versagt hat. Man könnte sich wirklich fragen, ob das Absicht war...
 
10. July 2002, 17:46   #5
tw_24
 
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Ich habe mich noch nicht kommentierend dazu geäußert, weil ich die NPD zwar nicht gerade mag, aber irgendwie würde sie mir fehlen.

Und eigentlich alles, was ihr vorgeworfen wird, haben in den letzten Wochen Vertreter der etablierten Parteien ebenfalls von sich gegeben. Norbert Blüm wähnte Israel im "Vernichtungskrieg", Gerhard Schröder wollte Jerusalem im Handstreich erobern, und Joseph Fischer, nun, der ließ Claudia Roth mit Volksverhetzungs-Vorwürfen von der Leine, die sich aber mächtig blamierte.

Die NPD scheint in weiten Teilen als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angeblicher Verfassungsschützer nicht nur gegründet worden zu sein, sondern auch noch zu funktionieren. Die V-Mann-Partei NPD (und die hat wirklich mehrmehrmehrheitlich Männer als Mitglied) gibt es, doch gerade die vergangenen Monate haben gezeigt, daß von ihr keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht - das besorgen, wie gesagt, andere.

Ein Parteienverbot ist in einer Demokratie eine unheimlich schwerwiegende Angelegenheit, außer der deutschen Demokratie kennt wohl auch gar keine andere vergleichbare Demokratie ein Parteienverbot. Die NPD heute zu verbieten, bedeutete vermutlich auch das Aus für Teile von SPD, CDU/CSU, FDP und "Bündnis 90/Die Grünen".

Also, ich mag die NPD nicht, aber für ein Verbot ist sie mir einfach nicht wichtig genug.

MfG
tw_24
 
10. July 2002, 19:59   #6
freund
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@ tw_24: ohne Flachs - da sind wir doch tatsächlich FAST der selben Meinung.

Ich denke, das sollten wir begiessen, was meinst Du? :ballons:
 
10. July 2002, 22:58   #7
quentin
 
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Die NPD der älteren Herren könnte man vernachlässigen und sich auf die Glatzen konzentrieren, aber es sind die Stichwortgeber und die Roth liegt mir noch schlimmer im Magen als Joschka, die ist so dämlich, das könnte man auf Krankenschein behandeln.
Gefährlich halte ich, wenn Dörfer oder Stadtteile von den Glatzen in Haft genommen werden. Es werden Kapazitäten aufgebaut, die durch Angstmachen herrschen und dadurch wieder Leute rekrutiert. Dieser ' Gesellschaft ' muss der Boden entzogen werden.
Also pro Verbot.

mfg
 
11. July 2002, 17:15   #8
tw_24
 
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Zitat:
Zitat von freund
@ tw_24: ohne Flachs - da sind wir doch tatsächlich FAST der selben Meinung.

Ich denke, das sollten wir begiessen, was meinst Du?
Heute ist Donnerstag, da ist Begießen sowieso angesagt ;-).

Allerdings sollte man die Sache auch nicht verharmlosen. Gerade wenn die NPD vom Verfassungsschutz gesteuert und nicht "nur" beobachtet wird oder wurde - komisch, daß die Schlapphüte nie ausländerfeindliche Straftaten verhindern konnten -, dann muß sie verboten werden - und mit ihr die Schlapphüte gleich mit, denn wenn sie diese Partei steuerten, dann sind sie, nun ja, wohl schlimmer als die, die gemeinhin als "Glatzen" bezeichnet werden. Ohne Vorbild, Führer, sind die ja nur klägliche Kleinkriminelle.

Zitat:
Zitat von quentin
Gefährlich halte ich, wenn Dörfer oder Stadtteile von den Glatzen in Haft genommen werden. Es werden Kapazitäten aufgebaut, die durch Angstmachen herrschen und dadurch wieder Leute rekrutiert. Dieser ' Gesellschaft ' muss der Boden entzogen werden.
Das ist wahr. Allerdings wird sich das mit einem NPD-Verbot wohl kaum ändern. Die gerade in manchen ostdeutschen Gegenden mehr gefühlte als reale ausländische Gefahr würde damit leider noch nicht verschwinden. Ob das eine Folge des verordneten Antifaschismus in der DDR ist oder eher an heutigen Verhältnissen liegt - heute 18jährige kann man ja kaum noch als DDR-"Opfer" bezeichnen-, weiß ich nicht, es wird wohl eine Mischung aus beidem sein. Und daran läßt sich durch ein NPD-Verbot nicht viel ändern. Es gibt mancherorts einfach eine "Grundstimmung", die bei allem allergisch reagiert, was "fremd" zu sein scheint bzw. auch ist.

Insofern wäre ein NPD-Verbot auch nichts weiter als ein Feigenblatt, mit dem sich die Ausrufer des "Aufstands der Anständigen" schmücken könnten, während sie die wahren Ursachen weiterhin ignorieren - zum Beispiel die mindestens doppelt so hohe Arbeitslosenquote in den neuen Ländern.

MfG
tw_24
 
11. July 2002, 17:33   #9
jupp11
 
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hmm....

...ob die NPD nun verboten wird, oder nicht, ist mir persönlich mehr oder weniger egal. Obwohl ich mich schon ärgere über die Wahlkampfkosten-Erstattung. Aber das ärgert mich auch bei den etablierten anderen Parteien.

Allerdings emfinde ich die gesamte Sache als Farce, die ein unfähiger Schily und ein paar Gesinnungsgenossen unter den Innenministern der Länder, verbockt haben.

Mich ärgert es einfach, dass ein hessischer Koch recht behalten soll.

Wenn mir das als Innenminister passiert wäre, würde ich meinen Hut nehmen, sofort nachdem ich einige Mitarbeiter-Köpfe habe rollen lassen. Sowohl im eigenen Hause, als auch bei den Diensten.
 
12. July 2002, 18:18   #10
tw_24
 
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Ich bin ja nun auch ein Dorfkind, das mittlerweile allerdings manche Vorteile des Großstadtlebens sehr zu schätzen weiß und mit anderen Problemen zu leben gelernt hat, aber manchmal verirre ich mich doch noch in jenes Dorf in Ostthüringen, nicht zuletzt wegen meiner Eltern. Rein äußerlich sieht es schon besser aus als das, was der nationale und der antifaschistische Sozialismus schafften. Doch im Detail wird es schwierig, nicht wieder nach irgendeiner starken Hand zu rufen.

Es gibt, beinahe noch ein Lichtblick, in dem Dörfchen nicht wenige Jugendliche, für die man auch die Schule sanierte, die sie dann auch an Vormittagen besuchen. Doch nach dem Mittag kommt bekanntlich der Nachmittag, und da willen er auch beschäftigt werden, der pubertierende Nachwuchs - die Gemeinde tat was sie konnte und spendierte einen "Jugendclub". Für qualifizierte Betreuer (Pädagogen, irgendwie diplomierte Jugendfreizeitbetreuer, keine Ahnung, ob es ein solches Berufsbild gibt) indes fehlt das Geld, und der "Jugendclub" hat zwar auch ein schmuckes Schild, auf dem eben jenes Wort zu lesen ist, doch das war es dann auch schon. Zwei, drei Räume, in einem immerhin eine Tischtennisplatte, sonst nur Sitzgelegenheiten vom Sperrmüll. Und "betreut" wird die Jugend nun von völlig fachfremden ABM-Kräften, die, wie gesagt, alles andere als qualifiziert sind. Motiviert sind sie zweifellos - aber das vergeht schnell.

Für irgendwie sinnvolle Beschäftigungen - meinetwegen Kochkurse, Bastelnachmittage oder was auch immer - gibt es von der Gemeinde kein Geld, und aus eigener Tasche können ABM-ler derartige Aktivitäten auch kaum - und ernsthaft verlangen kann man das von ihnen ja auch nicht. Und so beschränkt sich die "Jugendclub-Arbeit" darauf, daß die jeweils anwesende ABM-Kraft einmal einfach nur da ist, und eventuell noch als eine Art Imbiß-Kraft fungiert, denn einer dieser neumodischen ;-) Sandwich-Maker gehört zur sagenhaften Ausstattung des "Jugendclubs". Für die Sandwiches bezahlen die Jugendlichen ein paar Cents - oder auch nicht, denn es wird angeschrieben. Getränke aus dem ca. 800 Meter entfernten Supermarkt gibt es auch, die Cola-Büchse kostet im "Jugendclub" ein paar Cents mehr, damit aus einer "Club-Kasse" mögliche Club-Veranstaltungen finanziert werden können, wobei allerdings höchsten mal ein Grillabend herauskommen dürfte. Doch für die "Club-Kasse" gibt es gemeindeseitig nicht einmal eine sichere Verwahrmöglichkeit, und ein Dutzend nikotinabhängige Jugendliche brauchen immer Automaten-Geld ...

Nach außen hat das Dörflein einen "Jugendclub", feiert sich damit möglicherweise sogar in Berichten an das Land, aber in der Realität ist da eigentlich nichts. Nichts jedenfalls, das Jugendliche fördern oder fordern würde. Immerhin, eine Art SkateBoard-Rampe bauten sich die Vernachlässigten quasi in Eigeninitiative, doch leider am falschen Ort (eine brachliegende Lagerhalle), sie wurde höchstamtlich wieder abgerissen, weil wohl selbst Grundstücke, für die sich einfach niemand interessiert (und interessieren wird), unter Naturschutz stehen.

In einer solchen Umgebung wächst nun zumindest die dörfliche Jugend heran - wirkliche Freizeitangebote gibt es nicht, in dem Alibi-"Jugendclub" versammelt sich denn auch nur noch ein Clique besonders bedauernswerter Nachwuchs-Verlierer, die vor nichts mehr Achtung hat, was dann auch die ABM-Leute entweder resignierend erdulden und ignorieren oder gleich kündigen. Noch vorhandene Sitzmöbel werden mit Feuerzeugen "bearbeitet", die "Club-Kasse" regelmäßig geklaut, und einmal großzügig gespendete Porzellanteller überlebten kaum drei Tage. Dieser Scherbenhaufen wurde von den ABM-lern weggefegt, den Scherbenhaufen, den diese Art der "Jugendbetreuung" - oder besser: -vernachlässigung - hinterläßt, müssen nicht nur die jugendlichen Betroffenen ausbaden, sondern - stürzen sich erst einmal Radikale auf sie - die jeweiligen menschlichen Feindbilder.

Auch wenn die offizielle Politik immer beteuert, "die Jugend" sei Deutschlands Zukunft, zumindest auf der lokalen Ebene scheint davon nicht viel anzukommen. Schule ist noch nicht alles, und wenn das einzige Freizeitangebot ein "Jugendclub" ist, der eigentlich nur Sitzplatz mit Dach ist, sonst aber nur noch die Kneipe lockt, dann ist das Ergebnis dieser Politik beinahe schon vorprogrammiert - un(ter)-qualifiziertes Futter für die Arbeitslosenstatistik, das eher rechten als linken Bauernfängern hinterherrennt, denn auf die unheimlich angenehme und einigende Opferrolle verstehen sich die rechten Propagandisten doch noch etwas besser als ihre linke Konkurrenz.

Ich weiß nun nicht, wie das in anderen, westdeutschen Dorfgemeinschaften aussieht, für den mitteldeutschen dörflichen Osten aber dürfte die Situation ähnlich sein. Zu den erlebten existentiellen Ängsten der Eltern kommt für die Jugendlichen die Erfahrung hinzu, daß eigentlich niemand sie haben will, weil sie einen Kostenfaktor darstellen - egal, ob das nun eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz ist oder halt das simple Freizeitangebot, das nur in hohlen Phrasen auf dem Papier existiert. Wenn das dann in zerstörerischer Wut auch auf Ausländer endet, ist das beinahe schon nachvollziehbar.

In (Groß-) Städten ist die Lage etwas besser. Neben kirchlichen Freizeitangeboten gibt es neben dem kläglichen Angebot der jeweiligen Stadt auch noch mehr oder weniger aktive Jugendorganisationen der verschiedenen Parteien, die mit vielfältigen Angeboten locken, dabei aber sicher auch nicht uneigennützig handeln müssen, doch es gibt sie einfach, die (sinnvollen) Beschäftigungsmöglichkeiten, die beim Rhetorikkurs beginnen, Gottes Gebote erklären oder mit Marx und Engels dessen Nichtexistenz nachweisen und mit gespendeten Digicams Filmemacher fördern.

Doch diese Jugendarbeit ist meist privater, interessengeleiteter Natur, was traurig ist, zugleich aber auch einen Lichtblick darstellt, denn sie macht deutlich, daß Jugendliche eben nicht Ballast oder gar gesellschaftlicher "Abfall" sind.

Was ist dem Staat die Jugend wert? Offiziell nicht viel, was sich dann eben in "national befreiten Zonen" äußert. Jugendliche werden als Last empfunden, als Kostenfaktor - und abgeschrieben. Da muß am Ende nicht einmal eine NPD oder andere extremistische Partei daherkommen, würde man ihnen ein paar Ausländer zum Frustabbau vorsetzen, sie würden die Gelegenheit wohl nutzen. Zum Teil ist Radikalismus nichts als die logische Folge der sozialen Marktwirtschaft, die gerade in Neufünfland manchmal alles andere als sozial ist.

MfG
tw_24, der sich mal wieder für die Ausführlichkeit seiner Ausführungen entschuldigen muß
 
13. July 2002, 07:32   #11
quentin
 
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tw, mach doch einfach mal eine Reise durch die alten Bundesländer, ein Unwort, fahr über die Dörfer, die auch nicht größer sind, wo es bedingt durch die bäuerliche Gesellschaft auch ' rechte ' gibt. Die Struktur ist gleich, wir haben nur erheblich weniger Spaßbäder als ihr, wir mussten dafür härter arbeiten, einer muss das verteilbare Geld erarbeiten. Aber es gibt im Bayrischen Wald und in den Dörfern im Ruhrgebiet genau so viele Arbeitslose wie in den neuen Bundesländern,
Was ich hier ganz selten sehe, ich wohne auch auf dem Land, sind unzufriedene Jugendliche, die Rollstuhlfahrer umtreten, Krüppeln einen mitgeben, so nennt man das ja. Was ich auch vermisse ist die Langeweile der Jugend und die daraus resultierenden Folgen. Knallköppe gibt es überall, bei euch nur gehäuft und hier wollen auch nicht alle einen Staatlichen Betreuer, der ihnen zeigt, wie man sich unterhalten kann, ohne Schwarze aus Jux totzuschlagen.
Bei uns bekommen die aber auch einen Prozess in der Regel innerhalb vertretbarer Zeit und nicht wie bei euch, 11 Jahre später, und dann mit zwinkerten Augen.
Ihr habt 4 Millionen Einwohner weniger als NRW aber doppelt so viele Straftaten am rechten Rand wie in ganz Deutschland.
Du solltest mal nachdenken, aus was für Elternhäuser die kommen.
Übrigens, in Sachsen - Anhalt gibt es mit Abstand die wenigsten Ausländer und gleichzeitig die größte Ausländerfeindlichkeit.
Seltsam.

mfg
 
15. July 2002, 15:53   #12
tw_24
 
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Zitat:
Zitat von quentin
Du solltest mal nachdenken, aus was für Elternhäuser die kommen.
Aus Elternhäusern, die die soziale Marktwirtschaft manchmal auch recht hart getroffen hat.

Zitat:
Zitat von quentin
Übrigens, in Sachsen - Anhalt gibt es mit Abstand die wenigsten Ausländer und gleichzeitig die größte Ausländerfeindlichkeit.
Ja, das ist wahr. Aber seltsam ist das nicht, sondern eher logisch. Die DDR hatte zu Ausländern ja auch ein recht spezielles Verhältnis, auch und besonders zu den Gastarbeitern. Die wurden nämlich auch in Wohnheimen untergebracht, Kontakte zur DDR-Bevölkerung waren eher spärlich. Dann waren da auch noch die Genossen der ruhmreichen sowjetischen Armee - doch auch da gab es, wenn überhaupt, ziemlich förmliche Kontakte. Ich habe damals mal an einer "gemischten" Klassenfahrt teilgenommen - also deutsche Schüler und sowjetische -, aber irgendwie blieben man doch immer unter sich. Und das lag nicht an mangelnden Sprachkenntnissen.

Also, der mitteldeutsche Osten hat nicht die Erfahrung der Gastarbeiter wie sie die BRD-Bevölkerung machen konnte. Mit der Wiedervereinigung kam das alles ganz plötzlich, noch dazu fehlt die positive Erfahrung des westdeutschen "Wirtschaftswunders". Vor dem Hintergrund werden Ausländer, Fremde, eher als Bedrohung wahrgenommen, gelegentlich auch "Besser-Wessis" ;-).

MfG
tw_24
 
15. July 2002, 16:34   #13
quentin
 
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aber das man andere Menschen nicht schlagen, ermorden darf, war doch auch in der DDR usus, oder nicht. Auch war Brandstiftung doch bestimmt ein Straftatbestand.
Denke ich mal so.

mfg
 
15. July 2002, 16:42   #14
tw_24
 
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Mord und Brandstiftung galten in der DDR allgemein als Straftaten. Im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 und der "Entnazifizierung" soll es allerdings auch politische Morde gegeben haben, aber das ist ein anderes Thema.

Wir waren bei der NPD, bei der angeblich jedes 7. Mitglied (!) in Verbindung mit den Schlapphüten steht. Bei dieser dichten staatlichen Kontrolle kann die Partei wahrlich keine Gefahr mehr sein, vielmehr sollten die Verfassungsschützer sich wirklich um die parteilich ungebundene Jugend kümmern ... Geld scheint bei den Schlapphüten jedenfalls kein Problem darzustellen.

MfG
tw_24
 
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