9. August 2002, 07:48 | #1 |
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Erich Kästner
Geboren am 23. Februar 1899 in Dresden
Besucht von 1906 bis 1913 die Volksschule und bis 1917 das "Freiherrlich von Fletscher'sche Lehrerseminar" in Dresden 1917/18 - Militärdienst 1919 - Abitur am Dresdner König Georg-Gymnasium Studiert Germanistik, Geschichte, Philosophie und Theaterwissenschaften in Leipzig, Rostock und Berlin, promovierte 1925 Arbeitet während des Studiums als Redakteur für Zeitungen und Zeitschriften 1927 - geht als freier Schriftsteller nach Berlin 1928 und 1929 - seine ersten Bücher erscheinen: der Gedichtband "Herz auf Taille" und das Kinderbuch "Emil und die Detektive". Durch diese beiden Bücher wird er weltberühmt. 1931 - wird in den PEN-Club gewählt nimmt Stellung gegen den beginnenden Nationalsozialismus 1933 - seine Bücher werden verboten und öffentlich verbrannt. 1942 - erhält Schreibverbot, kommt zwei Mal für kurze Zeit ins Gefängnis, bleibt aber in Deutschland 1945 - 48 - Leiter des Feuilletons der Münchner "Neuen Zeitung". Begründet das Kabaretts "Die Schaubude" mit Engagiert sich unermüdlich für politischen Themen Schreibt Gedichte und Prosa für Erwachsene und Kinder. Seine Kinderbücher werden neu verfilmt und in unzählige Sprachen übersetzt Erhält zahlreiche literarische Auszeichnungen 29. Juli 1974 - stirbt nach schwerer Krankheit in München |
9. August 2002, 07:49 | #2 |
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Erich Kästner
Die Entwicklung der Menschheit Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreißigsten Etage. Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen. Sie hören weit. Sie sehen fern. Sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung. Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehn die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben. Was ihre Verdauung übrigläßt, das verarbeiten sie zu Watte. Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest. Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest, dass Cäsar Plattfüße hatte. So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen. |
9. August 2002, 07:59 | #3 |
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jo....
...das Gedicht hat nichts, aber auch garnichts von seiner Aktualität verloren. Ich mocht Kästner als Junge sehr. Über "Das doppelte Lottchen" war ich sehr erschrocken, als ich im Film die Szene gesehen habe wie der Vater das Bett mit der Säge zerteilt. |
9. August 2002, 08:05 | #4 |
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Ich mochte ihn auch sehr gerne, habe vor allen Dingen das Buch "Emil und die Detektive" mehrmals verschlungen.
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9. August 2002, 08:07 | #5 | |
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Hier noch ein Gedicht von ihm, das zeigt, dass sich die Probleme im Grunde nicht geändert haben.
Zitat:
Die belgische Stadt Ypern liegt etwa 50 Kilometer südwestlich von Brügge in der westflandrischen Ebene. Sie zählt heute 35 000 Einwohner und ist Bezirksverwaltungssitz. Im 1. Weltkrieg wurde diese schöne Stadt vier Jahre lang von den deutschen Truppen beschossen und deshalb stark zerstört. Ihr Wiederaufbau dauerte mehr als 40 Jahre. Von 1914 bis 1918 fielen im Ypern Bogen etwa eine halbe Million Soldaten. Sie sind auf ca. 170 Friedhöfen, verstreut im Umland der Stadt, beerdigt. |
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9. August 2002, 08:32 | #6 |
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Auch die Gefühle haben sich im Lauf der Zeit nicht verändert, Kästner spricht wohl jedem aus der Seele
Erich Kästner Traurigkeit die jeder kennt Man weiß von vornherein, wie es verläuft. Vor morgen früh wird man bestimmt nicht munter. Und wenn man sich auch noch so sehr besäuft: die Bitterkeit, die spült man nicht hinunter. Die Trauer kommt und geht ganz ohne Grund. Und angefüllt ist man mit nichts als Leere. Man ist nicht krank. Und ist auch nicht gesund. Es ist, als ob die Seele unwohl wäre. Man will allein sein. Und auch wieder nicht. Man hebt die Hand und möchte sich verprügeln. Vorm Spiegel denkt man: "Das ist dein Gesicht?" Ach, solche Falten kann kein Schneider bügeln. Vielleicht hat man sich das Gemüt verrenkt? Die Sterne ähneln plötzlich Sommersprossen. Man ist nicht krank. Man fühlt sich nur gekränkt. Und hält, was es auch sei, für ausgeschlossen. Man möchte fort und findet kein Versteck. Es wäre denn, man ließe sich begraben. Wohin man blickt, entsteht ein dunkler Fleck. Man möchte tot sein. Oder Gründe haben. Man weiß, die Trauer ist sehr bald behoben. Sie schwand noch jedes Mal, so oft sie kam. Mal ist man unten, und mal ist man oben. Die Seelen werden immer wieder zahm. Der Eine nickt und sagt: "So ist das Leben." Der andre schüttelt seinen Kopf und weint. Wer traurig ist, sei's ohne Widerstreben! Soll das ein Trost sein? So war's nicht gemeint. |
9. August 2002, 08:40 | #7 |
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Es gab aber auch *Das fliegende Klassenzimmer**
eines meiner Lieblingsfilme |
9. August 2002, 09:05 | #8 |
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und die "drei männer im schnee" war auch sehr schön
Preise und Auszeichnungen: Bundesfilmpreis für "Das doppelte Lottchen" (1950); Literaturpreis der Stadt München (1956); Georg - Büchner - Preis (1957); Hans - Christian - Andersen - Medaille des Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch (1960); Erster Preis ("Goldener Igel") im internationalen Humoristenwettbewerb der bulgarischen Jugendzeitung "Narodna Mladesch", Sofia (1966); Literaturpreis der Deutschen Freimaurer, Überreichung des Lessing - Rings (1968); Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München (1970); Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München (1974). |
10. August 2002, 03:58 | #9 | |
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Zitat:
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10. August 2002, 04:05 | #10 |
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Erich Kästner gehört zu den Autoren, dessen Sätze z.T. bereits zum Allgemeingut geworden sind, ohne dass wir es wissen. Man denke nur an den Spruch:
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Kennt Ihr auch ein paar geläufige Zitate von ihm? |
10. August 2002, 09:28 | #11 |
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Weniger bekannte Zitate
Wer ein Optimist ist, soll verzweifeln. Ich bin ein Melancholiker, mir kann nicht viel passieren. Seine Zukunft war, nach der familiären Seite, bis auf die fünfte Stelle nach dem Komma ausgerechnet. Man ist noch nicht gut und klug, bloß weil man arm ist. Die bequemste öffentliche Meinung ist noch immer die öffentliche Meinungslosigkeit. Wie man Freunde hat, die einen nicht mehr kennen wollen, hat man, zum Ausgleich, andere, die man selber nicht kennt. Der Zweck heiligt die Mittel. Auch die Schlafmittel. Es gibt Dinge, die mächtiger sind als Wünsche. Erinnerungen an schönere Zeiten sind kostbar wie alte goldene Münzen. Erinnerungen sind der einzige Besitz, den uns niemand stehlen kann und der, wenn wir sonst alles verloren haben, nicht mitverbrannt ist. Etwas Selbstverständliches vorzuschlagen, ist immer gefährlich. Es ist leicht, das Leben schwer zu nehmen. Und es ist schwer, das Leben leicht zu nehmen. Leere Versprechungen gewinnen nicht dadurch an Bedeutung, dass sie von wichtigen Behörden gemacht werden. Wer nichts mehr auf der Welt besitzt, weiß am ehesten, was er wirklich braucht. Wem nichts mehr den Blick verstellt, der blickt weiter als die anderen. Der Schmerz wächst nicht mit der Anzahl der Wunden. Er erreicht seine Grenzen früher. Wünsche sind nur gut, solange man sie noch vor sich hat. Denn die Vernunft, das weiß jeder, vereinfacht das Schwierige in einer Weise, die den Männern vom Fach nicht geheuer und somit ungeheuerlich erscheinen muss. Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch. Der Kopf ist nicht der einzige Körperteil. Spielregeln wandeln sich, indem man sie antastet. Eine Unterabteilung der Erfahrungen, die man macht, ohne etwas daraus zu lernen, sind die Wünsche, die in Erfüllung gehen. Sogar der Abglanz des Ruhms wärmt noch das Herz. Das Gedächtnis ist ein Netz, und allerlei Fische schlüpfen wieder durch die Massen. Man spricht viel zu selten vom Gedächtnis des Herzens. Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht und für das, was unterbleibt. Es gibt Menschen, die schon als Greise zur Welt kommen. Hinz kam zu Kunz um Rats gelaufen. "Was schenkt ein Vater seinem Sohn?" Kunz schlug ihm vor, ein Buch zu kaufen. "Ein Buch? Ach nein. Das hat er schon." Wer nur redet und nicht handelt, redet dumm und handelt schlecht. Erst wenn ihr die Welt verwandelt, seid ihr klug und habt ihr recht. Frau'n können lachen, denn sie dürfen weinen. Deutsch sein heißt, Dinge um ihrer selbst zu tun. Es gibt auf dieser Welt mehr Fragen als Antworten. Kinder buchstabieren noch mit dem Herzen. Es gibt chronische Aktualitäten. Alles verstehen heißt keineswegs: alles verzeihen! Resignation ist kein Gesichtspunkt. |
13. August 2002, 09:53 | #12 |
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Ich denke dieses Gedicht paßt hervorragend zu unserem derzeitigen Wetter.
Erich Kästner Rezitation bei Regenwetter Der Regen regnet sich nicht satt. Es regnet hoffnungslosen Zwirn. Wer jetzt 'ne dünne Schädeldecke hat, dem regnet's ins Gehirn. Im Rachen juckt's. Im Rücken zerrt's. Es blöken die Bakterienherden. Der Regen reicht allmählich bis ans Herz. Was soll bloß daraus werden? Der Regen bohrt sich durch die Haut und dieser Trübsinn, der uns beugt, wird, wie so manches, subkutan erzeugt. Wir sind porös gebaut. Seit Wochen rollen Wolkenfässer von Horizont zu Horizont. Der Neubau drüben mit der braunen Front wird von dem Regen täglich blässer. Nun ist er blond. Die Sonne wurde eingemottet. Es ist, als lebte sie nicht mehr. Ach, die Alleen, durch die man traurig trottet, sind kalt und leer. Man kriecht ins Bett. Das ist gescheiter, als daß man klein im Regen steht. Das geht auf keinen Fall so weiter, wenn das so weiter geht. |
13. August 2002, 10:02 | #13 |
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Hier noch ein paar Zitate von Erich Kästner
Ja,wenn die Welt vielleicht quadratisch wär! Und alle Dummen fielen ins Klosett! Dann gäb es keine Menschen mehr. Dann wär das Leben nett. Was auch immer geschieht : Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao,durch den man euch zieht, auch noch zu trinken! Du rennst im Kreis und suchst ein Loch? Du rennst umsonst! Begreif es doch! Besinn dich! Ein einz`ger Ausweg bleibt dir noch : Geh in dich! |