2. June 2003, 15:18 | #1 | |
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Darf man Gewalt anwenden?
Darüber habe ich vor einiger Zeit mit meinen Erzeugern diskutiert. Eigentlich ging es um die Wehrpflicht, und weil ich eigentlich nicht vorhatte, dort hinzugehen, habe ich mir einige Möglichkeiten ausgedacht, wie ich mich vorbeidrücken könnte. Mein Vater musste nicht hin, weil er Probleme mit dem Herz hatte - ich könnte mich vielleicht noch rechtzeitig einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich will, bin noch dabei, die Vorteile mit den Nachteilen abzuwägen .
Meine Mutter erklärte, dass es heute unter Umständen möglich sei, sich als Pazifist zu erklären; Früher ginge das zwar auch, allerdings musste man den Pazifistentest durchstehen, bei dem dem Getestet-Werdenden unter anderem solche Fangfragen gestellt wurden wie: Zitat:
Szenewechsel, wir sind wieder bei uns zu Hause. Vormittags, um ca. 10 Uhr gibt es auf Bayern2, einem Radiosender, das "Tagesgespräch". Dort werden Fachmänner und -frauen eingeladen, um mit Anrufern über bedeutende Themen und Probleme zu diskutieren. Und einmal wurde auch das Problem mit der Folter von Magnus G. diskutiert. Eigentlich waren alle der Meinung, die Folter wäre in diesem Fall rechtmäßig gewesen, da das Kind auf dem Spiel stand; damals wusste schließlich noch niemand, dass der Bankierssohn schon länst bei den Toten weilte :haeh: Ein Anrufer meinte indes, dass die Polizei anders hätte vorgehen müssen, und zog somit die Verständnislosigkeit und die Wut der Anderen auf sich. Der Reporter fragte ihn schließlich, was denn er gemacht hätte, hätte er die Chance als Vater gehabt, Magnus G. zu einem Geständnis zu zwingen, um es schön zu formulieren. Dann, meinte der Anrufer, hätte er sicher auch mit dem Gedanken gespielt. Und nun der Sinn des Threads: Wie würdet ihr das sehen? Eigentlich hat die Polizei als rechtlicher Arm des Staates die Pflicht, Staat und Bevölkerung vor (potentiellen) Gefahren zu schützen. Nur: Nicht mit allen Mitteln. Ist es der Polizei erlaubt, wenn das Leben eines, oder mehreren Mitbürgern auf dem Spiel steht, anderen Leuten Gewalt zuzufügen, weil jene etwas wissen könnten? Auf Wiedechsechn, Ma(')ggi |
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2. June 2003, 16:21 | #2 |
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Ja, gutes Thema - wird immer wieder gern genommen. Wir haben uns da mal auf dem Kaletas die Finger wunddiskutiert.
Folter als staatliches Rechtsmittel - Oh Gott NEIN ... war mein erster Gedanke dazu. Irgendwas habe ich philosophiert, von wegen, dann würde ich sofort auswandern, weil ich eine derartige Rechtsform niemals mittragen würde. Naja, und dann kam irgendjemand mit der ätzenden Frage: Na, und was ist denn, wenn es um Deinen entzückenden Sohn ginge, der da entführt wurde ? Tja, und dann wurde die gute sara mal ausnahmsweise ganz kleinlaut und hat ein paar Tage nachgedacht. Und das ehrliche Ergebnis dieses Nachdenkens war: Beträfe es meinen entzückenden Sohn, dann würde ich jedes Mittel befürworten, um herauszubekommen, wo er ist. Und noch ehrlicher gesprochen: Ausgehend vom schlimmsten Fall, dann wäre mir sämtlicher Rechtsstaat auch scheissegal und ich würde ohne Skrupel zu einer Marianne Bachmeier mutieren. Ob das gut ist - und wie es moralisch zu bewerten ist ... das ist eine andere Sache. Aber würde ich dann noch einen Funken Wert auf Moral legen ? Ich kann es mir nicht vorstellen. Und gucke ich dann mal über meinen kleinen Tellerrand hinaus, dann habe ich mehr Verständnis für die Anwendung von Foltermethoden, als ich es mir jemals laut eingestehen würde. Folter IST Missbrauch am Menschen - und manchmal vielleicht die einzigste Chance um schlimmeren Missbrauch abzuwenden. Nun geht es ja hier um sehr emotionale Themen: Kindesentführung, - missbrauch usw. Bedenklich finde ich allerdings, dass es immer Menschen geben wird, die mit der Macht, die ihnen das "Rechtsmittel Folter" verleiht nicht umzugehen wissen werden. Ich würde wahrscheinlich sogar auch zu diesen Menschen gehören, ich weiss es nicht. Durch den Pazifistentest wäre ich so oder so durchgefallen: Wenn ich liebe, dann bedingungslos. Also, Folter als Rechtsmittel: Ein klares JEIN . Scheiss Statement, ich weiss. Aber ich hab kein Besseres .... |
3. June 2003, 17:54 | #3 |
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Was ist ein wesentlicher Unterschied zwischen der ehemaligen DDR und der BRD ? Rechtssicherheit. Bei allen Schwachstellen unserer Gesellschaft all inclusive - du wurdest und wirst in der BRD nicht einfach von der Strasse weg, aus der Wohnung oder vom Arbeitsplatz abgeholt und verschwandest in irgendeinem Loch ohne Rechtsbeistand. Für mich ist das ein sehr wichtiger Punkt. Nicht, daß ich meine alles würde 100% gerecht zugehen, aber es ist nicht so wie im Mittelalter oder totalitären Staaten. Das ist der eigentliche Fortschritt der Neuzeit. Folter = Mittelalter, ganz finster. Und die Aufgabe solcher Prinzipien in persönlicher Not ist verständlich, darf aber nicht in der Realität zugelassen werden. Ob man/frau dann wirklich in den Gerichtssaal stürmt, um den Mörder des eigenen Kindes zu töten oder nur Phantasien ausgelebt werden, bleibt sowieso und zum Glück für die Allermeisten unter uns eine rein theoretische Frage.
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3. June 2003, 19:15 | #4 |
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Moral hin, Moral her ....
Wenn es um mein Leben, das meiner Freundin oder Familie geht, dann ist mir jedes Mittel recht, ja dann morde ich wenn es sein muss mit blossen Händen und wer sich Pazifist schimpft und meint, in einer solchen Situation anders handeln zu können, der belügt sich meiner Meinung nach selbst. Und mal noch ein paar Worte, um die Diskussion in Gang zu setzen: 1. Todesstrafe für Kinderschänder, Vergewaltiger und Terroristen 2. Erlaubnis zur Folterung bei Strafgefangenen, die Informationen zurückhalten, die zur Rettung von Opfern benötigt werden Na dann ... aaaauuuuuuf die Plätze, ferrrrtiiiig, LOOOOOOOOOOOOOS! Tira |
3. June 2003, 21:40 | #5 |
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Ich halte es mit Binozap.
Folter kann und darf kein Mittel des Staates sein. Selbst dann nicht, wenn Leben damit gerettet werden könnten. Denn genau eine solche Rechtfertigung öffnet jedem Missbrauch Tür und Tor. Jede Räuberbande im ehemaligen Jugoslawien hat so eine Argumentation für sich selbst gehabt. "Wir müssen hier mal präventiv ein paar Leute umbringen oder foltern, bevor die das tun" Und genau das darf ein Rechtsstaat nicht. Auch wenn dann hingenommen werden muss, dass der eine oder andere Sexual- oder anderweitig Gewaltverbrecher auf Staatskosten durchgefüttert wird. (Dazu mal nebenbei bemerkt: Die Zahl der Kindestötungen und der Sexualverbrechen ist seit vielen Jahren rückläufig, obwohl die Medienberichterstattung anderes glauben lässt.) Das gilt für den Staat als Gemeinwesen. NICHT aber für Selbstverteidigungssituationen eines Einzelnen. Diese Fangfrage Maggi, die Du oben zitiert hast, wurde schon in den 60er Jahren von deutschen Gerichten entsprechend gewertet und auch die Bejahung einer Gewaltanwendung in persönlicher Notwehrsituation hat meines Wissens in keinem Fall zu einer Nichtanerkennung der Wehrdienstverweigerung geführt. Entsprechendes gilt natürlich auch für Tiramisus Einsatz für seine Lieben. |
3. June 2003, 23:46 | #6 |
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Tiramisu, das meinst du nicht ernst, du Browokand
Die Amis machens doch vor: Todesstrafe für Jugendliche und Todesurteile in sehr zweifelhaften Verfahren, trotz neuer, überzeugender Entlastungsmomente keine Wiederaufnahme des Prozesses. Rechtsunsicherheit, je dunkler die Hautfarbe und desto leerer der Geldbeutel des Angeklagten. Allerdings sollte man Sexualstraftäter, zu denen Kinderschänder und Vergewaltiger zählen, nicht auf das unfähige Urteil eines beknackten Psychoklempners vorzeitig entlassen. Jeder halbwegs begabte Triebtäter lernt schnell, wie man den Psychos (=Dottores) die richtigen Antworten gibt. Die Heilkunde im Bereich Geisteserkrankungen steckt m.E. noch nicht mal in den Kinderschuhen. Allerdings ist es für mich auch unfassbar, dass man den 'Kalif von Köln', Metin Kaplan, aus dem Knast entlässt (wegen Anstiftung zum Mord) und ihn dann nicht abschiebt in die ach so böse Türkei. Mit dem fanatischen Unruhestifter Kaplan zeigt sichmal wieder, wie unsere Demokratie an ihre Grenzen stösst. Soll man einem wirklich übel gesinnten Menschen weiter sein verbrecherisches Tun ungestraft durchgehen lassen? Hier in Freiheit statt in der Türkei im Knast? Selbst abgelehnte, schwer straffällige Asylbewerber können/dürfen nicht abgeschoben werden, obwohl sie von Mord, über Drogen- und Menschenhandel sowie Waffenschieberei gefährliche Subjekte darstellen, gefährlich auch für unsere demokratische Rechts- und Gesellschaftsordnung. Ich denke, die Menschen, die skrupellos, brutal und gemeingefährlich agieren, dürfen sich nicht beschweren, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. Nur dann sind diese Typen plötzlich aktiv und pochen auf unsere Rechtsordnung, die sie selber nie anerkannt und stets mit Füssen getreten haben. Gewalt? Das eingentliche Thema dieses Threads? Ja nun, meine Familie würde ich immer aufs Äußerste verteidigen, ist doch klar. Vor ein paar Tagen haben deutlich größere Kinder meinen Sohnemann (6) grundlos drangsaliert, der kam heulend und ganz verstört an. Ich bin hin zu den Früchtchen und war nahe dran, dem Anführer eine zu scheuern, habe ihn aber nur mit dem Brustkorb etwas weggeschubst. Tolle Leistung, wenn ca. sechs 10 - 13-Jährige sich auf einen Sechsjährigen stürzen! Darf die Polizei Gewalt anwenden bei Gefahr im Verzug? Der Prozess gegen den Entführer und Mörder aus Frankfurt machte das populär. Die Polizei drohte solche Massnahmen nur an. In dem Fall war es, sich auf einer Grenze bewegend, sicher angebracht, musste man doch noch davon ausgehen, das Opfer würde noch leben. Komisch, dass die Täter immer dann wimmernd den Schutz des Gesetzes in Anspruch nehmen, dass sie vorher überhaupt nicht gejuckt hat?! @jupp: wenn es um deine eigenen Kinder ginge (siehe sara), würde deine Meinung sicher auch anders aussehen. |
4. June 2003, 00:18 | #7 |
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Wir sprechen uns dann mal wieder ...
Folgende Situation: Eure Frau/Freundin wird irgendwo gefangen gehalten und mutmasslich gefoltert/vergewaltigt. Ein Geiselnehmer konnte man bereits fassen aber der verrät nicht, so sich das Versteck befindet. Es ist stark davon auszugehen, dass Eure Frau/Freundin die nächsten Stunden nicht überleben wird. So und nun sagt mir nochmal, dass in so einem Fall keine Gewalt gegenüber einem Menschen zu vertreten ist, der selbst einem anderen Menschenleben keinen Wert zumisst? Wer mit anderer Menschen Leben so umgeht, hat sein Recht auf das eigene Leben und auch auf alle anderen Rechte verspielt - ja, das meine ich so! Tira |
4. June 2003, 07:21 | #8 |
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Niceguy, klar! Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer persönlichen Notwehrsituation in der man auch Unheil von seiner Familie abwenden will und wird und wie ich meine muss. Dabei würde ich genauso, wie jeder ander Familienvater handeln.
ABER - genau das ist der Grund, aus dem in einem Rechtsstaat die Selbstjustiz eben nicht üblich ist. So ein Gemeinwesen muss einfach ein einheitlich verbindliches Rechtssystem beschliessen, auf das man sich verlassen kann und in dem Rechtsmittel zur Verfügung stehen, die ein erstinstanzliches Urteil korrigieren können. Wenn die Bildzeitung wieder mal über irgendwelche Greueltaten eines Gewaltverbrechers berichtet, dann würden sich eine Menge Leute finden, die an einer Lynchparty für den vermeintlichen Täter teilnehmen würden, OHNE vorhergehendes, möglichst objektives Gerichtsverfahren. Wir brauchen doch nur an die Zustände in Afghanistan zu denken, wo statt Fussball am Samstagnachmittag in den Stadien Massenhinrichtungen stattfanden. Erst dann begreifen wir, wie anfällig die Art Mensch für Demagogen und Aufhetzer ist. Und dazu gehöre ich genauso wie Du (zu den Anfälligen). |
4. June 2003, 12:37 | #9 |
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Hatten wir das Thema nicht unlängst ?
Egal. Was Tira da als Beispiel bringt ist gar nicht so sehr abstrakt. Und ich vertrete nach wie vor die Meinung, dass in einem solchem Falle den Ermittlungsbehörden mehr Rechte gegeben werden sollten. Und in einem Fall, wo ein festgenommener Straftäter das Versteck eines entführten Kindes nicht preisgeben will und somit seinen sicheren und unfassbar grausamen Tod in Kazuf nimmt, sollte jedes Mittel recht sein, den Verbleib des Kindes zu "erfragen". Und wenn ich schreibe "jedes Mittel", dann meine ich das auch so; bis hin zur Folter. Ich rechtfertige das mit Notwehr, die unmittelbar erforderlich ist. Und die Mittel, die angewendet werden, sind nicht schlimmer als die Mittel des Täters. Punkt. Ich beschreibe das mal etwas deutlicher: Wenn ein Polizist sieht, wie ein Straftäter über seinem Opfer steht und gerade mit einer Axt ausholt, um zuzuschlagen, dann geht der Beamte in den Knast, wegen unterlassener Hilfeleistung, aus einer Garantenstellung heraus (Danke Trulli für den Fachausdruck) wenn er das nicht verhindert. Und wenn er den Täter mit einem gezielten Schuß tötet und damit den Schlag mit der Axt verhindert, geht er straffrei aus. Und das ist gut so. Warum sollte das in den fiktiven Entführungsfall nicht auch gut sein ? Hier wird ja nicht durch die Behörden getötet, sondern nur Gewalt angewendet, um ein Leben zu retten. So sehe ich das. Und nun kommt mir nicht damit, dies sei eine "rechte" Einstellung. |
4. June 2003, 12:54 | #10 |
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Naja, ich könnte mich in so einem Fall durchaus mit der Zwangsverabreichung eines Medikamentes anfreunden. Irgendso ein Wahrheitsserum. Kein Problem. Das erscheint mir jedenfalls die bessere Lösung, als jemanden zu foltern.
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4. June 2003, 13:09 | #11 | |
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Zitat:
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Mir geht es nicht darum, den Täter möglichst grausam zu mißhandeln, beileibe nicht. Aber es es muß jedes Mittel recht sein, ein unschuldiges Leben zu retten. Von mir aus mit Pillen, Einschüchterungen oder gezielter Verabreichung von Schmerzen. Was ist höherwertig ? Die körperliche Unversehrteit eines Verbrechers, die Erhaltung seines Wohlbefindens oder das Leben eines unschuldigen Kindes ? Da sind wir uns wohl alle einig, oder ? So sollen ja auch keine Geständnisse erpresst, oder grausam Rache genommen werden. Von mir aus kann so ein Haufen menschlicher Abfall danach auch freigesprochen werden, wenn er einen pfiffigen Anwalt hat. Aber es geht lediglich darum, ein Menschenleben zu retten. Mann muß sich das nur einmal bildlich vorstellen: Ein Entführter sitzt irgendwo in einem Versteck, ohne Chance da allein wegzukommen, dem Tode geweiht und der Schuldige sitzt grinsend bei der Vernehmung, raucht eine Zigarette nach der anderen und pocht auf seine Rechte.... Da kommt mir die Galle hoch. |
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4. June 2003, 13:15 | #12 |
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Es ist ja schließlich auch eine Definitionssache. Die Entführungssituation ist doch immer wieder passend. Frau entführt, Täter gefaßt, Frau noch irgendwo versteckt, Täter schweigt.
Jetzt stellt sich die Frage, hatte der Täter Mittäter? Ist die Frau schon tot? Ist es jetzt gerechtfertigt, eine Aussage auszupressen? etc. Als Angehöriger beantwortet man das natürlich mit Ja, logisch, ich würde auch nicht anders handeln. Aber kann die Polizei das wirklich machen? Muß die Polizei nicht trotzdem immer noch die Menschlichkeit bewahren, die sie zu schützen versucht? Was, wenn der vermeintliche Täter nur jemand ist, der durch einen dummen Zufall zur falschen Zeit am falschen Ort war? Unter Folter macht jeder ein Geständnis. Wo zieht man die Grenze, ab wann will man Folter erlauben? Per Fallbeschreibung ist das nicht möglich. Und anders wird es immer Grauzonen geben. Es wird immer jemanden geben, der die Grenzen weichklopft, der die Folter zum persönlichen Erfolg mißbrauchen wird. Oder noch ein anderer Aspekt, der ganz wichtig ist, für die Folternden. Wer einmal anfängt, wird den Respekt gegenüber einem Menschen verlieren, er wird andere nur als wertlose Tiere ansehen, um es drastisch auszudrücken. Die psychologischen Folgen für den Folternden werden grausam sein. Entweder er kommt mit seinen eigenen Taten, die er ja dann unter Zwang des Gesetzes durchführen müßte, nicht klar, oder er wird zu einem sadistischen Schwein. Wollen wir das? Es geht bei der Frage um Folter auch um Regeln und gesellschaftliche Standards. Wenn wir dem Staat die Folter erlauben, dann erkennen wir Gewalt als Methode zur Lösung von Konflikten und als rechtmäßig an. Mal ganz ehrlich, wollen wir uns wirklich so weit zurückbegeben. Ich denke nicht. Eigentlich sind wir doch stolz darauf, daß wir Gewalt verabscheuen und daß wir von der Gewalt weg wollen. Die Folter, in welchem Umfang auch immer, wäre doch der falsche Weg. Abgesehen davon: wenn wir die Folter einführen, dann wird sie irgendwann normal. Irgendwann wird sich die Frage stellen: Warum foltern wir nur Sexualverbrecher, warum nicht auch Mörder? Und das ganze wird weitergehen, bis wir beim normalen Dieb sind. Und spätestens beim Mörder sollte aber jedem klar sein, daß viele unschuldige gefoltert werden, weil nicht jeder unter Mordverdacht stehende schuldig ist. Aber durch die Anwendung der Folter wird er ja schon fast als schuldig betrachtet, was wiederum auch gegen die Verfassung verstoßen würde. Ich bin gegen Folter. Natürlich verstehe ich Menschen, die rasend werden, wenn ihren Angehörigen Schmerz zugefügt werden und ich schließe mich da nicht aus. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, daß der Staat Standards setzen muß, die unsere Gesellschaft in die richtige Richtung bewegen. Folter bewegt uns in die falsche Richtung. Und ja, die Diskussion hatten wir schon mal vor einiger Zeit. Edit: Auf Ogino bezogen: Die Rechte der Masse sind wichtiger als die Rechte des Einzelnen. Wenn einer geopfert werden muß, damit die Gesellschaft sich nicht falsch verhält, dann ist dieses Opfer akzeptabel. |
4. June 2003, 14:02 | #13 |
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Hm, rein vom logischen her gesehen, halte ich es eigentlich wie einige von euch. Wenn es um die Sicherheit von mehreren Menschen geht, dann kann man durchaus, meiner Meinung nach, ein (Betonung!) "Opfer bringen". Zu der Todesstrafe von Tiramisu, würde ich sie nicht für Vergewaltiger und Kinderschänder verhängen, aber gegen solche Leute wie der Massenheckenschütze vor einigen Monaten in den USA finde ich die Todesstrafe gerechtfertigt...
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12. June 2003, 21:16 | #14 | ||
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Zitat:
Weil mir gerade der Text eines Freundes wieder in die Finger gefallen ist, muss ich hier mal ein bissl Off-Topic gehen - aber eigentlich auch wieder gar nicht. Passt so schön ... Zitat:
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13. June 2003, 02:02 | #15 |
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Ich weiss nur eins ...
Wenn ich eine Waffe habe, es geht um das Leben meiner Freundin/Frau und es ist niemand da, der mich zurückhält, dann ist alles zu spät ... Da gibt es einen netten Film, keine Ahnung mehr, wie der hiess, aber ich denke es ging um die nette "kleine Familie" aus Italia, die immer zum Schwimmen im Hafenbecken einläd und zwar mit Betonschuhen! Anyway, auf alle Fälle soll da auch jemand zum Sprechen gebracht werden, was recht easy dadurch bewerkstelligt wird, dass man ihm zuerst die Knie und dann die Ellbogen mit einer grosskalibrigen Waffe verschiesst - nicht sehr fein, aber effektiv - sterben wird er nicht, aber sein Leben lang im Rollstuhl über seine Tat nachdenken können. Wem das dann nicht reicht, der schiesst ihm halt noch in die Reifen ... Tira |
18. June 2003, 13:01 | #16 |
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Warum soll der Staat nicht mit gleichen Mitteln handeln dürfern wie der Täter. Ein brutaler Verbrecher (Entführungsbeispiel) hat durch sein brutales Handeln jegliches Recht auf "unbrutales" Verhalten der Behörden verspielt. Würde man ihn nicht foltern, um die Gefangenen zu befreien, so würde sich der Staat wohl selbst schuldig machen, da er ja tatenlos einem weiteren Verbrechen (Geiseln verdursten, verhungern, etc.) tatenlos zuschaut. Wäre doch wohl auch irgend eine Form von unterlassener Hilfestellung.
Wieso das so ist weiss ich zwar nicht, aber die Mehrheit der Leute haben immer wieder das Bedürfniss den armen Verbrecher zu schützen (greift ihn nur nicht zu hart an oder, der arme Kinderschänder ist ja krank, etc.). Das das Opfer vor weiterem Schaden zu schützen ist - und eben mit allen nur möglichen Mittel - ist doch wohl wichtiger, als dem Verbrecher Rechte zuzugestehen, die er selbst nicht anerkennt. Ein schießender Massenmörder hat genauso sein Recht auf Gefangennahme verspielt - es gilt eben das Gesetz "Dead or Alive". Und die Todesstrafe ? Was spricht dagegen? Nur weil immer wieder Unschuldige hingerichtet werden. Das hat meiner Meinung nichts mit pro und contra Todesstrafe zu tun, sondern damit, unter welchen Bedingungen die Todesstrafe verhängt wird. Bei eindeutigen Beweisen oder Geständnissen spricht doch wohl nichts dagegen. Ob das dann human ist oder nicht, ist dann doch wohl egal; wer selbst inhuman ist hat eben auch keinen eigenen Anspruch, human behandelt zu werden. Ciao Michael |
18. June 2003, 13:24 | #17 | |
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Zitat:
Eindeutig falscher Ansatz. Führ Dir nochmal meine Beschreibungen vorher zu Mute. Deine alles egal Haltung ändert sich spätestens dann, wenn Du als Unschuldiger auf dem Stuhl sitzt. |
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18. June 2003, 13:29 | #18 |
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Einige schienen und scheinen bei der Folterdiskussion andauernd damit um die Ecke zu kommen, es ginge um eine Art "heilige Inquisition" und ziehen Vergleiche mit Mittelalter und Hexenverfolgung. Verdammte Hacke, es geht doch bei dieser Problematik nicht darum, einem Verdächtigen durch Schmerzzufügung ein Geständnis abzuringen, sondern einem Geständigen/Überführten dazu zu bringen, Informationen preiszugeben, die das Leben/Überleben/die Unversehrtheit Unschuldiger gewährleisten.
Geschissen auf Gewaltfreiheit, ich stimme Tira in fast allen Punkten zu. In einer anderen Diskussion habe ich bereits darauf hingewiesen, wie von jupp hier auch vorgeschlagen, Wahrheitsseren zu verwenden. Es gibt mittlerweile besseres als Scopolamin. Und wenn alles nichts hilft, steckt man den Kerl halt in eine Zwangsjacke und danach in einen Raum mit dem Vater/Freund/Angehörigen des beispielhaften Entführungsopfers, dem man an der Tür zufällig einen Teleskopschlagstock bei der Hand gegeben hat. Genauso hirnverbrannt finde ich die Diskussion über irgendwelche gesetzlichen Regelungen. Der Deutsche springt auf, zückt seine Feder und ein paar Blatt Papier, will einen Gesetzesentwurf, Bestimmungsregelungen und Präzedenzfälle zu Papier bringen, damit die Sache den Touch einer Legalität hat. DRAUF GESCHISSEN. Wir brauchen keinen Artikel um Grundgesetz und keinen Paragraphen in der StPO, in dem steht, daß unter bestimmten Umständen ein Ermittlungsbeamter ermächtigt ist, so einem Pisser seinen Elektroschocker an die Eier zu halten. Und wir brauchen auch keinen Duldungsparagraphen. Es reicht, wie oben beschrieben, wenn das Opfer bzw. der zweifellos im Sinne des Opfers handelnde nicht befürchten muß, daß sich der Täter (im Folgenden Arschloch genannt) und sein Winkeladvokat berufen kann auf irgendwelche Paragraphen, sich zum armen Opfer der sadistisch-faschistischen Exekutive macht. Und so den eigentlich moralisch im Recht seienden in Rechtfertigungsnot und vor Gericht bringt. Kommt mal weg von eurem bürokratischen Denken. |
18. June 2003, 13:33 | #19 |
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Ohne eindeutige gesetzliche Regelung wird es keine Limits geben können, weil es keine Verhaltensregeln gibt. Ohne Regeln wird jeder zum Folteropfer. Die Geschichte kannst Du Dir in jedem Staat anschauen, in dem regelmäßig gefoltert wird.
Emotionale Reaktionen sind verständlich, aber absolut nicht hilfreich. |
18. June 2003, 13:42 | #20 |
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Mit eindeutigen gesetzlichen Regelungen gibt es keine Gerechtigkeit für Opfer und Absolution, Streicheleinheiten für die Täter. Mit den Regeln der BRD bekommen die Angehörigen im Nachhinein noch einen Tritt in den Arsch. Die Geschichte kannst du dir in jedem Staat anschauen, der sich der Bürokratie verschrieben hat. Der Täter wird besser geschützt als die Interessen der Opfer. Ich wiederhole: es geht nicht um unschuldig Verdächtige, sondern um überführte und/oder geständige Täter.
Lass Schill sein wie er will. Aber daß er vor seinem Senatsbeitritt als Richter die Akten zweier überführter Täter übers Wochenende "vergessen" bzw. wegen Zeitmangel nicht bearbeitet hat (und diese daher drei Tage länger im Kittchen verbrachten als vorgeschrieben) und hinterher einen wegen Rechtsbeugung drübergekriegt hat, macht die Lachhaftigkeit der deutschen Judikative deutlich. |
18. June 2003, 17:50 | #21 |
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Nochmal für alle, die hier Folter als legitimes Mittel eines Rechtsstaates für möglich halten: Es geht nicht um Rache an Verbrechern, es geht nicht um Strafe, es geht um die Feststellung von Schuld oder Unschuld. Und dies kann doch wohl nicht, wie ehemals bei den Hexenprozessen, mit Daumenschrauben und Streckbank ablaufen. Da hätten in den 70ern recht viele der RAF Beteiligung Verdächtige mittels Folter zu einem Geständnis gebracht werden können. Zu Zeiten der RAF gab es eine Menge Verdächtige. Man war etwa mit Ulrike Meinhof auf der Schule gewesen oder wohnte um die Ecke, in einer ansonsten doch recht bürgerlichen Umgebung. Heute würde dies bedeuten: Wer mit einem Terroristen auf der gleichen Uni ist, vielleicht sogar noch in demselben Studentenwohnheim wohnt, ist verdächtig und darf gefoltert werden.
Was ist schon ein bißchen Schmerz durch Elektroschocker? Anstatt langer, kostenintensiver Vernehmungen von Beschuldigten, wird einfach ein wenig gefoltert und in 5 Minuten ist das Geständnis fix und fertig. 1976 dachte der damalige niedersächsische Ministerpräsident, Ernst Albrecht, öffentlich über eine Einführung der Folter nach. In seinem Buch "Der Staat - Idee und Wirklichkeit" sieht er im Verbot der Folter "kein absolutes Recht". Ein Jahr später, im Herbst 1977, wird sogar über die von F.J. Strauß angeregte Erschießung von RAF-Gefangenen öffentlich verhandelt. Die Forderung, das von einem aufgeklärten Absolutisten 1740 von Friedrich II. in Preußen eingeführte Verbot der Folter ("poena extraordinaria") jetzt aufzuweichen bzw. -heben, steht somit in der Tradition dieser Kräfte. Nochmal: Es geht um die Feststellung der Schuld, nicht um Strafe. Falls die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen wird und ein entsprechendes Urteil gefällt wurde, kann der Deliquent meinethalben sogar, auf direktem Wege in die ewigen Jagdgründe eingehen. |
18. June 2003, 18:09 | #22 | ||
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Zitat:
Es geht um die "peinliche Befragung" (="Folter") eines einzelnen (wenn auch nicht rechtskräftig verurteilten, doch überführten bzw. geständigen) Schuldigen zur Lebenserhaltung Unschuldiger. Denn eine solche Situation brachte diese Diskussion an die Öffentlichkeit. Auch ich lehne Folter zum Erzwingen eines Geständnisses ab, nur um das klarzustellen und falls es diesbezüglich irgendwelche Unklarheiten gibt. Darum geht es doch gar nicht. Ich quote mich einfach nochmal selbst, weil ich nicht weiss, wie ich das umformulieren soll: Zitat:
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19. June 2003, 16:49 | #23 | |
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Ja, ok brauchst Du nicht neu zu formulieren. Falls eine Schuld zweifelsfrei festgestellt wurde und der Kandidat immer noch nicht redet - MAD anrufen und Pillen kommen lassen...
Nein, die Thematik ist alles andere als spaßig. Es bleibt dennoch Folter, Aka. Zitat:
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19. June 2003, 17:19 | #24 |
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Ich schreibe jetzt aus der Erinnerung, moechte mich daher nicht auf genaueres fest legen.
Letztes Jahr sind bei uns 2 Maenner, die wegen Vergewaltigung und Mord verurteilt im Gefaengenis ihre Strafe aussassen, frei gelassen worden. Es hatte sich bei der Wiederaufnahme des Verfahrens heraus gestellt, dass beide unschuldig waren. Einer der Grundlagen unserer Rechtstaate ist doch, dass wir unschuldig sind bis das Gegenteil bewiesen ist und nicht wir haben die Beweispflicht. Zugegeben, wenn meinem Sohn etwas passieren wuerde, auch ich koennte mir vorstellen dann alles zu versuchen. Aber andererseits.. mein Sohn wird von etwas verdaechtigt und man greift zur Folter. Ich stelle mir vor, wir haetten dann so langsam wieder die Zustaende des Mittelalters.. wenn es nur lang genug weh tut, gibt man alles zu. |
19. June 2003, 18:16 | #25 |
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Das Argument, wenn meine Kinder, meine Frau, meine Familie bedroht würde, dann würde ich wer weiß was tun, ist unsachlich.
Klar, wenn man selber betroffen wäre, würde man es im Ausnahmezustand anders sehen. Aber wenn wir das für gut und richtig erachten, könnten wir gleich wieder zur Lynchjustiz zurück gehen. Härtere Strafen verhindern keine Verbrechen, sondern befriedigen die Rachegelüste der Gesellschaft. Folter, und sei es auch noch so ein Ausnahmezustand, darf niemals als erlaubtes Mittel in einem Rechtsstaat eingesetzt werden. |