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10. June 2006, 00:00   #1
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
Drafi Deutscher.

... seit gestern ist er tot. Jeder kannte seinen Namen. Viele haben Witze über ihn gemacht. Und doch beschleicht mich das Gefühl, daß dieser Typ viel mehr drauf hatte, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Vor allem seine Nehmer-Qualitäten und seine "Stehaufmännchen"-Mentalitat über so viele Jahrzehnte hatten mir stets Respekt abgerungen.

Und dann war da auch noch der Drafi Deutscher, der besonders dann erfolgreich war, wenn er Songs unter Pseudonym für andere Sänger und Bands schrieb und keiner ahnte, daß all die Mega-Hits von ihm waren. Und, natürlich nach "Schlager"-Maßstäben bemessen, war jeder einzelne dieser Songs sehr viel origineller und eben auch besser als der ganze "Modern Talking"-Schrott, mit dem ein Dieter Bohlen wohl nur hierzulande zum Multimillionär werden konnte.

Vielleicht war Drafi Deutscher nicht so clever und abgebrüht. Vielleicht war er zu ehrlich und sagte zu oft Dinge, die man in diesem Busineß lieber nicht öffentlich äußern sollte. Aber gerade dadurch blieb er stets ein Original – und wird uns hoffentlich nicht nur wegen seines internationalen "Marmor, Stein, etc."-Hits, den ich übrigens schon als Jugendlicher ebenso grauenhaft wie außergewöhnlich fand, noch viele Jahre als ein Sänger und Komponist in Erinnerung bleiben, der, durchaus in positiver Weise, mal so ganz anders als die übrigen deutschen Schlager-Stars war.

Gruß Ben
 
10. June 2006, 00:36   #2
Loddarnewyork
 
Registriert seit: January 2001
Beiträge: 2.676
Ich mochte den Kerl irgendwie, auf seine Art war er ein Unikum und viele wissen gar nicht, für wen alles Drafi in den vergangenen Jahrzehnten Hits produziert hat. Mit seinem Gassenhauer "Marmor, Stein und Eisen bricht" bin ich groß geworden und selbst in den 90th waren seine Hits auf Partys und Festen noch beliebt und wurden mitgesungen.

Leider konnte er mit Geld nicht so recht umgehen. Das mußte ich am eigenen Leibe erfahren, als ich Mitte der 80er zweimal in seinem Häuschen in HH-Farmsen war. Damals noch in Diensten der Firma Bertelsmann - Drafi war Mitglied im Buchklub - versuchte ich, ihm die Lexikothek zu verkaufen. Er war nicht nur interessiert, sondern auch ein sehr angenehmer Gesprächspartner und ich habe mich in den fast 2 Stunden bei ihm sehr wohl gefühlt. Beim 2. Besuch, einige Tage später, hat er sich vielmals entschuldigt, daß er sich die Lexikothek für rd. 7000 DM derzeit nicht leisten könne und auch eine Ratenzahlung aufgrund diverser anstehender Gläubiger nicht in Betracht kam.

60 Jahre ist wahrlich kein Alter. Wenn ich daran denke, daß ich diese Zahl in 2,5 Jahren auch erreicht habe...
Aber Drafi Deutscher war ja kein Unkraut, was bekanntlich nicht vergeht. Also muß ich mir wohl doch keine Sorgen machen.
 
10. June 2006, 00:50   #3
Akareyon
 
Registriert seit: November 2001
Beiträge: 2.823
Mit Drafi Deutscher ist das bei mir jungem Hüpfer so ein Ding. Zwar nicht meine Generation, aber na klar ist "Marmor, Stein und Eisen bricht" bekannt, wer kann den Text nicht auswendig?

Er ist eine Legende. Boulevard-Meldungen über ihn habe ich nie mitbekommen, aber mein Dad wußte nur gute Dinge über Drafi Deutscher zu berichten und erklärte mir, als ich noch jung war und wir bei einem Bier oder drei auf einer Parkbank auf den Hügeln über Duderstadt saßen und er mir von seinen Stars erzählte (Roy Black, Alexandra, Heintje, Freddy Quinn, Beethoven und die Beatles), die Medien hätten ihn fertiggemacht.

Hab's gerade im Fernsehen gesehen. Einen von diesen Nachrufen, die aus fünfzehn Sekunden zusammengeschnittenem Archivmaterial und kurzbiographischer Grabesstimme aus dem Off bestehen.

Ich weiß nur: Drafi Deutscher hat uns ein Stück Kultur geschenkt. Was wären wir ohne "Marmor, Stein und Eisen bricht"?

Danke dafür.
 
10. June 2006, 01:57   #4
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
... im Gegensatz zu Loddar hatte ich Drafi Deutscher nie persönlich kennengelernt – wohl aber kannte ich seine 3. und letzte Kurzzeit-Ehefrau, Isabell Varell, recht gut. Und dazu sag' ich jetzt mal lieber nix. Oder vielleicht nur soviel, daß leider oft die besten Männer auf die schlimmsten Hühner hereinfallen. Und, nein, das soll jetzt auch nicht etwa wieder eine Überleitung zu Paul McCartney werden. Aber wenn man liest, daß ausgerechnet er sich nach dem tragischen Tod seiner geliebten Linda, ohne es zu ahnen, in ein ehemaliges Porno-Modell verguckt hat ...

Die Welt muß wohl viel schlechter sein, als wir es ahnen. Gilt auch für Nino de Angelo, für den Drafi in den 80er Jahren den deutschen Mega-Hit "Jenseits von Eden" schrieb. Als ich ihn kennenlernte, war er ein gutaussehender junger Mann in den 20ern, der gar nicht schnell genug die Millionen, die er durch Drafi verdient hatte, wieder ausgeben konnte. Dann hörte man lange Zeit nichts mehr von ihm. Später dann Meldungen über Pfändungen und eine Krebs-Erkrankung, und man sah auf den Fotos einen traurigen gereiften älteren Herrn mit grauen Haaren.

Drafi Deutscher hat während seiner jahrzehntelangen Karriere wohl vielen Menschen eine Art "Glücksball" zugeworfen, mit dem die meisten aber nichts anfangen konnten, weil er ihnen zu schnell wieder aus der Hand glitt. Kein Wunder, denn mit seinem eigenen Glücksball, dem ihm wohl mal eine nette Fee in den 60ern vom Himmel runter reichte, hat er auch immer nur gespielt, indem er ihn wie ein Basketball-Athlet lässig auf dem Boden auftippen ließ, dann wieder viel zu weit weg warf und irgendwann so sehr malträtierte, daß am Ende die Luft entwich.

Natürlich ist es nicht normal, sich schon mit 60 aus dem Staub zu machen. Aber Drafi Deutscher hat auch gesagt, daß er auf dieser Welt schon mehr erlebt hat, als drei 80jährige zusammen. Arrogant? Nein, gar nicht, sondern nur die Lebenseinstellung eines fast beneidenswerten Mannes, der einfach nur konsequent seinen Weg gegangen ist.

Gruß Ben
 
10. June 2006, 06:45   #5
Sacki
Dummschwätzer
 
Benutzerbild von Sacki
 
Registriert seit: February 2005
Beiträge: 3.365
Ich bin viel zu jung, um mitreden zu können.
Natürlich ist mir Drafi Deutscher ein Begriff und sein Marmor-Hit auch. Denn kenne ich sogar von Feten...

Interessant ist das, was mir gerade ein älterer Kollege erzählte, der in unmittelbarer Nähe von Drafi Deutscher wohnte, als der noch in Berlin Lichterfelde wohnte:
Drafi Deutscher war bekannt wie ein bunter Hund, als seinerzeit eine Strafanzeige gegen ihn erstattet wurde. Damals nannte man das Delikt noch "Erregung öffentlichen Ärgernisses"

Drafi Deutscher hatte seinerzeit den Fehler begangen, nackt über seinen Balkon zu laufen, was natürlich einigen prüden Nachbarn nicht entgangen war. Für die damaligen scheinheiligen Moralapostel natürlich ein gefundenes Fressen und für Klaokenblätter ala BILD und BZ natürlich der große Aufreißer.
Und so fanden sich natürlich auch schnell zwei Mädchen, denen Deutscher angeblich seinen kleinen Drafi angeboten haben soll...
Drafi Deutscher wurde dann oft mit dem Namen "Sitten-Drafi" verhöhnt.
Kurz gesagt: Danach soll es wohl mit seiner Karriere für ein paar Jahre vorbei gewesen sein und er verließ dann auch Berlin.

Aber wie gesagt: ich gebe das nur so wieder, wie es mir zugetragen wurde. Ob an der Story was dran ist, werden wohl nur die älteren von Euch noch wissen. (Ben, Loddar ?)
 
10. June 2006, 08:55   #6
little tyrolean
 
Benutzerbild von little tyrolean
 
Registriert seit: September 2002
Ort: auf der Alm
Beiträge: 977
Einige seiner Songs mag ich sehr, komischerweise ist "Marmor..." aber nicht dabei.

Zwei oder drei Titel, die er als "Jack Goldbird" herausgebracht hat,
waren in den späten 70-ern wenn schon nicht Radio- so doch respektable Disco-Hits.

Irgendwie hatte Drafi Deutscher immer den Finger am Puls der Zeit,
einer seiner schönsten Songs befindet sich auf der CD "Herz an Herz Gefühl" (1984).

Schade um einen Vollblutkünstler,
möge es ihm da, wo er jetzt ist, leicht werden...

p.s.
Unlängst hat man mir in Kassel eine starke Ähnlichkeit zu Drafi Deutscher "vorgeworfen" -
an sich nicht verwunderlich:
Schwarzer Hut, Dreitagebart, breites Gesicht, ebensolche Statur.
Nur:
Ich konnte ich nie singen,
was den Nutzen der Ähnlichkeit doch etwas reduziert...
 
10. June 2006, 11:30   #7
Loddarnewyork
 
Registriert seit: January 2001
Beiträge: 2.676
Zitat:
Zitat von little tyrolean
Nur:
Ich konnte ich nie singen,
was den Nutzen der Ähnlichkeit doch etwas reduziert...
Singen vielleicht nicht, aber als Nackedei über den Balkon hüpfen wirste doch wohl können, oder? Es sei denn, Du hast nicht mal einen Balkon...:blöd:

Die Geschichte stimmt, Sacki. Zumindest wurde es damals in den Medien so berichtet. An vorderster Stelle natürlich BILD. Die Buchstabengröße auf der Titelseite wird ein jeder sich vorstellen können.
 
Antwort

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