12. June 2006, 22:34 | #1 |
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Das Internet als Massenvernichtungswaffe - oder: die Welt retten in drei Schritten
Das Internet ist eine Waffe. Nicht nur das US-amerikanische Verteidigungsministerium sieht das so (dazu gleich mehr), auch ich bin davon überzeugt, daß die globale Vernetzung und die Möglichkeit zur zeitnahen Kommunikation jedem mit Zugang zum WWW unglaubliche Machtmittel zur Verfügung stellt. Freilich besteht auch die Möglichkeit, "Hoaxes", urbane Legenden, Lügen, Propaganda und Desinformation zu verbreiten; aber ich vermute, daß wir auf lange Sicht noch gar nicht abschätzen können, was für eine Revolution das Internet für die Menschheit eigentlich bedeutet: freie Meinungsbildung durch freien Zugang zu Information!
Pentagon-Dossier Information Operations Roadmap: "We Must Fight the Net" Machthaber ahnen plötzlich, was da auf sie zukommt. Wenn Information Macht verleiht, Information frei verfügbar ist und deswegen Macht leicht (und gleichmäßig) verteilbar, verlieren die Machthaber ihre Macht. Nicht nur die Regierungen totalitärer Staaten zensieren deswegen das Internet, verfolgen Blogger, sperren IPs oder überwachen unseren E-Mail-Verkehr. Auch das Pentagon unter US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld versteht das Internet mittlerweile als "feindliches Waffensystem" und macht sich Gedanken darüber, wie man diesem anarchischen Tummelplatz für Gedankengut aller Art beikommen kann. Zeugnis darüber liefert die Information Operations Roadmap, ein Dokument, das Rumsfeld 2003 unterzeichnet hat. Die New York Times berichtete Ende 2004 darüber, BBC Online widmete dem Schrieb 2005 etwas Aufmerksamkeit(und hier kann man ihn samt zahlreicher geschwärzter Passagen runterladen). Es geht dabei nicht nur um die Möglichkeit, von Hackern feindlicher Staaten angegriffen werden zu können oder darum, wie man in Kriegszeiten vermeidet, daß feindliche Spione an empfindliche Informationen gelangen. Es geht nicht nur um das globale Horchohr der NSA (National Security Agency), dem ECHELON-Projekt. Nein, das Pentagon macht sich auch eine Menge Gedanken darüber, wie man mithilfe von "Information Operations" den Krieg gegen das Instrument der freien und uneingeschränkten Meinungsbildung führen kann - mithilfe von "PSYOPS" (psychologischen Operationen), Falschmeldungen, berechnender Irreführung der eigenen Bevölkerung und durch Medienkontrolle. Aber der Spaß ist eigentlich, daß es in dem Dokument mehrmals heißt: "We Must Fight the Net". Man könnte das so interpretieren: das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika sagt den Blogs und Foren der Welt den Kampf an. Das ist natürlich sehr schade, denn so manche Nachricht würde dann komplett untergehen. Zum Beispiel, daß Kellogg Brown & Root (KBR), eine Halliburtun-Tochter, Anfang dieses Jahres einen 385-Millionnen-Dollar-Vertrag mit dem Department of Homeland Security geschlossen hat. Es geht darin um die Einrichtung von Strafanstalten für je 5000 Insassen, um gerüstet zu sein für "unerwartete Zuwanderungsströme, die Unterbringung von Opfern von Naturkatastrophen oder neue Programme, für die zusätzliche Hafträume benötigt werden" (Hervorhebung von mir). "Neue Programme"? Was ist damit gemeint? Neue Guantanamo-Bay-KZs, verteilt in ganz Amerika? Pure Spekulation, sicher, und vielleicht ist die Meldung auch nur Teil der psychologischen Kriegsführung. Und überhaupt - was geht uns das an? Die Rolle der BRD im Kampf gegen die Menschenrechte Erschreckend viel. Erstens unterhält die BRD diplomatische Beziehungen zu den USA. Diese sind, soweit wir wissen, im Großen und Ganzen freundschaftlich, aber wir können uns sicher sein, daß MAD, BSI und BND über diese und andere Vorkommnisse in Amerika gut unterrichtet sind, besser zumindest als die breite Öffentlichkeit; und wir können uns sicher sein, daß auch Kanzleramt und Regierungskreise über derartige Erkenntnisse aufgeklärt wurden. Die Frage, die sich dadurch stellt, ist: welche Position nimmt die BRD ein im Kampf gegen das Internet, schlimmer noch, in der Unterhöhlung der Meinungsfreiheit, demokratischer Prinzipien, unserer Gesellschaftsordnung und der Verfassung? Tendenziell, dürfen wir vermuten, keine allzu kritische - wie die gespielte Empörung über die CIA-Gefangenentransporte zeigt. Blättert man nebenbei ein wenig durch die Presselandschaft, fällt häufig auf, daß unsere Legislative eher zu Restriktion und Überwachung tendiert. Im Krieg gegen Kinderpornographie, Raubkopierer, Schwarzfahrer und Terroristen scheint jedes Mittel recht zu sein, bis hin zur totalen Durchleuchtung der Bevölkerung mit RFID-Chips, "fälschungssicheren" Pässen, Gendatenbanken, Einschränkung der Pressefreiheit und Kommunikationsüberwachung. Doch es gibt auch subtilere Varianten, wie die Diskussion um die Foren-Abmahnwellen beispielhaft zeigt: Einschüchterung, Panikmache, Zensur. Der allgemeine Trend des Rechtsstaats geht währenddessen, von den meisten unbemerkt (da von den Medien zumeist unkommentiert oder von seitenfüllenden Artikeln über kreiselnde Reformdebatten zu Kurzmeldungen gestutzt), von der Strafverfolgung zur Verbrechensprävention und nimmt in Kauf, daß dadurch logischerweise ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt werden. Der Deal lautet: Sicherheit gegen Freiheit. George Orwell: "Slavery is Freedom" Erinnert uns das pathetische Geschafel - die Bezeichnung von Angriffskriegen als Verteidigung von "Freedom" und "Democracy", von verzweifelten Selbstmorden als "Kriegsführung", von der Einschränkung der Bürgerrechte als "Patriotismus", nicht an George Orwell und seine Erklärung in "1984", wie die Bevölkerung mit Eupehmismen und Wortschöpfungen ("double-think", "newspeak", "crimestop") konditioniert wird, bis der Ausgang der DSDS-Staffel für uns vor lauter "Politikverdrossenheit" wichtiger erscheint als die unsere Menschenrechte betreffenden Entscheidungen unserer Staatsdiener? The Matrix has you Wenn es nicht mehr gelingt, jeden kritischen Beobachter, der in Blogs oder auf Internetforen Regierungsdokumente, Fernsehbilder, historische Fakten und Zeitungsmeldungen als objektiv überprüfbare Belege für höchst antidemokratische Prozesse inmitten unserer Staatssysteme anführt, als irren Außerirdischen-Verschwörungstheoretiker abzustempeln, dann freilich wird das Internet eine gefährliche Massenvernichtungswaffe, die sich gegen die Herren dieses Systems richtet. Da braucht nur ein neuzeitlicher Cyber-Messias mal alles unwiderlegbar auf den Punkt zu bringen und zufällig ein breites Publikum ansprechen und nochdazu eine Revolution in Aussicht stellen, schon müßten sie um ihre Macht bangen. Es ist nur logisch, daß sie zum imperativen Schluß kommen: "We Must Fight the Net." Summa Sumarum: während uns die "Mainstream-Medien" mit Propagandalügen und Desinformation, mit der akribischen Dokumentation von Scheingefechten und vom Geplänkel der Parteien und politischen Lager bei der "unabhängigen" Meinungsbildung unter die Arme greift oder mit Boulevardskandälchen das Hirn verflüssigt, um die Illusion von Demokratie und Wahlmöglichkeit aufrechtzuerhalten, verschwören sich höhere Kreise zu dem Zweck, unsere Freiheit, unsere Ideale und unsere Verfassung zu unterhöhlen. Sind die Illuminaten verantwortlich? Nein - wir! Natürlich sind diese Überlegungen sehr monokausal, und wir sollten nicht davon ausgehen, daß irgendwo ein paar bärtige Illuminaten zusammensitzen und in konspirativen Sitzungen über die Geschicke der Welt entscheiden. Das wäre zu einfach. Das heißt nicht, daß es die Bilderberg-Konferenzen oder die Rothschilds (von denen Verschwörungsfanaten so gern in einem Atemzug mit Hohlwelttheorien, UFO-Entführungen, Chemtrails und der "Mondlandungslüge" erzählen) nicht gibt. Oh doch! Und trotzdem: die Realität ist sehr viel komplizierter, und so bleibt zu vermuten, daß die gesamte Problematik systemisch ist - und wir alle unseren Teil dazu beitragen, daß das System so funktioniert, wie es gegenwärtig funktioniert. WIR sorgen dafür, daß Afrika ein reicher, doch zerrissener Kontinent ist, dessen korrupte Regierungschefs wir mit "Entwicklungshilfe" in mehrfacher Millionenhöhe schmieren, um seine Ressourcen zu sichern, ökonomische Infrastruktur zu schwächen und die Bevölkerung verarmen, verhungern und in angestachelten - VON UNS gerüsteten - Kriegen sich gegenseitig massakrieren zu lassen. WIR verhelfen dem organisierten Verbrechen zur Macht. UNSER unreflektiertes Streben nach Wohlstand, das mit äffischem "Nichtshörennichtssehennichtssagen" einhergeht, ist IHR Treibstoff. Drei Schritte: Bewußtsein, Angstfreiheit, Weltfrieden Sich darüber bewußt zu sein, ist ein wichtiger Schritt: es ist egal, ob wir die Demokraten oder die Republikaner, die CDU oder die SPD wählen. Wir spüren intuitiv, daß wir ausnahmslos angelogen werden, von der Bild, dem Spiegel, von Dash und Persil, von Merkel wie Schröder wie Fischer, von Clinton wie Bush. Wir haben die Wahl zwischen Krebs und Aids. In diesem Klima des Mißtrauens und der Angst gedeihen auch die Vorurteile, die Intrigen, das Unverständnis, die Arroganz und die Ignoranz und bestimmen bereits jetzt unsere alltäglichen Beziehungen zu Freunden, Bekannten und Fremden. Der zweite Schritt wäre, der unterschwelligen Angst keinen Platz mehr in unserem Herzen einzuräumen. Im dritten Schritt retten wir die Welt. |
13. June 2006, 10:00 | #2 |
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Ich muss ehrlich sagen, in der letzten Zeit keinen Beitrag gelesen zu haben, der derartig interessant geschrieben ist und der mich so nachdenklich gemacht hat, wie dieser.
Mir persönlich geht es so, dass ich diese Thematik erst sacken lassen muss, bevor ich darauf antworten kann. |
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internet, massenvernichtungswaffe, retten, schritten |
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