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13. July 2007, 00:04   #226
Jules
 
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13. Juli 1977: Änderung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen

"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." So steht es im Artikel 4 des Grundgesetzes. Dort heißt es aber auch: "Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Über den Inhalt dieses Gesetzes wird immer wieder gestritten. Vor allem um die Frage: Wie prüft man ein Gewissen? Die Antwort lautet zunächst: per Kommission. Ab 1956 hat jeder Kriegsdienstverweigerer seine Gewissensgründe vor einer vierköpfigen Jury vorzutragen.

"Ich stand mit jungen Jahren vor der Frage, ob ich im Verteidigungsfall auf meine Verwandten in der damaligen DDR hätte schießen müssen", erinnert sich Reinhold Robbe, der Mitte der 70er Jahre den Kriegsdienst verweigert hat und heute Wehrbeauftragter des Bundestages ist. "Die ganze Prüfungssituation war eine Farce." Denn das Gewissen könne nicht einer Kontrolle unterworfen werden. Seine Befragung sei lächerlich und absurd gewesen, sagt Robbe: "Auf die Frage eines Beisitzers, was ich denn machen würde, wenn die Russen einmarschierten, antwortete ich, dass ich versuche, mit den Leuten zu reden. Daraufhin die Frage eines anderen Beisitzers: Ob ich den Russisch könne."

Im Wahlkampf 1977 will die sozial-liberale Koalition diese Praxis beenden. Am 13. Juli 1977 beschließt der Bundestag die Änderung des Wehrpflichtgesetzes. "Wer künftig keinen Wehrdienst leisten will und wehrfähig ist, kann sich unter Berufung auf Artikel 4 des Grundgesetzes davon freistellen lassen", erklärt Verteidigungsminister Georg Leber (SPD). "Und der wird solange nicht geprüft werden, solange die Bundeswehr genug Soldaten hat." Ein einfaches Anschreiben an das zuständige Kreiswehrersatzamt soll genügen. Jeder soll frei wählen können zwischen 15 Monaten Uniform und 18 Monaten Pflegekittel. Doch kurz darauf kassiert das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Union das so genannte Postkarten-Gesetz wieder. Es dürfe keine Wahlfreiheit geben zwischen Wehr- und Zivildienst, argumentieren die Richter. So bleibt es zunächst beim Vorsprechen vor einer Prüfungskommission - bis 1984. Seitdem reicht eine schriftliche Begründung.

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14. July 2007, 18:50   #227
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14. Juli 1912: Woody Guthrie in Okemah geboren

"Woody durfte das Greystone Hospital in Morristown, New Jersey, nicht mehr verlassen, und ich nahm normalerweise den Bus vom Port-Authority-Terminal, fuhr anderthalb Stunden und ging dann zu Fuß den letzten Kilometer bergauf zum Krankenhaus, einem düsteren und bedrohlich aufragenden Granitgebäude, das wie eine mittelalterliche Festung aussah. Woody bat mich immer, Zigaretten mitzubringen, Raleigh war seine Marke. Meistens spielte ich ihm nachmittags seine eigenen Songs vor."

Als Bob Dylan, wie er in seinen Erinnerungen berichtet, Woody Guthrie 1961 im Krankenhaus besucht, ist der Folksänger bereits seit sechs Jahren dort, unheilbar erkrankt an Chorea Huntington, dem Nervenleiden, dem schon seine Mutter erlag. Er stirbt 1967. Ähnlich düster sieht Guthries Kindheit aus: Am 14. Juli 1912 wird er in Okemah/Oklahoma in wohlhabende Verhältnisse hinein geboren. Aber sein Vater verliert das Vermögen und wird bei einem Unfall schwer verletzt. Eine Schwester stirbt bei einem Brand. Woody wächst von seinen Geschwistern getrennt in wechselnden Pflegefamilien auf. Mit 15 Jahren trampt er allein in den Süden.

Tellerwäscher, Schildermacher und wandernder Sänger
Guthrie wird zum Tramp, schlägt sich als Wanderarbeiter durch. Mal ist er Erntehelfer, mal Tellerwäscher oder Schildermacher, später auch Radioredakteur. Er reist mit den Wanderarbeitern, die nach dem Dust Bowl, den verheerenden Sandstürmen der 30er Jahre, ihre Farmen im Mittleren Westen verloren haben und oft unter Brücken oder in selbstgezimmerten Hütten wohnen. Guthrie setzt seine Erfahrungen mit diesem Amerika in Lieder um. Er erzählt von den kleinen Leuten, aber er prangert ihr Elend auch an. Seine Songs trägt er in Kneipen vor, später auch in Konzertsälen, bei Gewerkschaftsversammlungen und Streiks. Auf seine Gitarre schreibt er zeitweise: "Diese Maschine tötet Faschisten."

Guthries Nachlass bringt später mehr als 3.000 Texte ans Licht. Aufgenommen hat er davon kaum 300. Als er 1940 in New York auftritt, lädt ihn der Liederforscher Alan Lomax in ein Tonstudio ein. Hier entstehen die ersten Aufnahmen von Guthries eindringlichem Gesang zu Gitarre und Mundharmonika, der später Bob Dylan nachhaltig beeinflussen wird. Guthrie legt keinen Wert auf die Rechte an seinen Liedern. Songs wie "I Ain't Got No Home In The World Anymore" werden vielfach nachgesungen - vor allem aber die inoffizielle Gegen-Hymne der USA: "This Land Is Your Land."

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16. July 2007, 09:40   #228
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15. Juli 1662: Charles II. konstituiert die Royal Society

Die Gentlemen mit Zeit und Geld treffen sich einmal pro Woche in London und gehen einer Mode des 17. Jahrhunderts nach: Sie diskutieren über die neusten Entdeckungen in der Mathematik, Astronomie, Philosophie oder der Musik. Wer es sich leisten kann, richtet ein eigenes Labor ein und veranstaltet "Event Partys" mit wissenschaftlichen Experimenten. Die zumeist adligen Herren um Marine-Admiral William Brouncker hätten sich wohl noch jahrelang zum rein privaten Pläsir bei Tee, Gebäck und Experimenten getroffen, wäre nicht eines Tages der schottische Diplomat Robert Moray zu ihnen gestoßen.

Moray, den Historiker als ebenso visionär wie pragmatisch begabt schildern, begeistert die illustre Runde für seine Idee einer Wissenschafts-Akademie. Vor allem gelingt es ihm, auch König Charles II. von den Vorteilen zu überzeugen, die eine solche Forschungseinrichtung mit sich brächte, etwa auf dem Gebiet der Militärtechnik. Der Herrscher über Großbritannien und Irland erkennt die Vorzüge einer solchen Denker-Runde. Am 15. Juli 1662 erhalten Lord Brouncker, der Architekt Sir Christopher Wren und elf weitere Gründungsmitglieder der Society das königlich verbriefte Recht, wissenschaftliche Erkenntnisse und Versuchsergebnisse zu veröffentlichen. Erster Präsident der Royal Society wird Lord Brouncker, Chef der königlichen Flotte.

Fortan versammelt die Royal Society die klügsten Köpfe des Landes, veröffentlicht deren Forschungsergebnisse in ihren "Philosophical Transactions" und revolutioniert damit die akademische Welt. Zuvor hatten Forscher sich nur auf Zeugen oder den guten Glauben ihrer Mitmenschen berufen können, wenn ein Anderer Anspruch auf ihr geistiges Eigentum erhob. Mit einer Veröffentlichung in den "Philosophical Transactions" kann nun erstmals das Urheberrecht auf eine wissenschaftliche Entdeckung geltend gemacht werden. Heute ist die einstige Gesellschaft adliger Wissenschafts-Dilettanten zu einem weltweit agierenden Netzwerk von 2.400 Spitzenwissenschaftlern herangewachsen. Sir Peter Torry, britischer Botschafter in Berlin, bringt die Bedeutung der Institution auf den Punkt: "Die Royal Society ist im Grunde genommen das Auswärtige Amt für Wissenschaft."

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16. July 2007, 09:42   #229
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16. Juli 1932: Verordnung über freiwilligen Arbeitsdienst

Gut gebaute Männer mit nacktem Oberkörper marschieren zur Arbeit - im Gleichschritt und mit geschultertem Spaten. Die so genannten Arbeitsmänner legen Moore trocken, bepflanzen Dünen, graben Kanäle und helfen beim Autobahn-Bau. So präsentiert die Nazi-Propaganda in den 1930er Jahren ihren Reichsarbeitsdienst (RAD). Tatsächlich bringt er wirtschaftlich nichts: "Der Arbeitsdienst war so uneffektiv, weil das, was eine Arbeitsdienst-Abteilung an einem Tag mit Spaten und Muskelkraft tat, man mit einem Bagger in wenigen Stunden hätte leisten können", sagt Historiker Kiran Patel von der Berliner Humboldt-Universität. Manchmal seien auch bloß Gräben gezogen und anschließend wieder zugeschüttet worden.

Der Vorläufer des RAD ist effektiver: Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) in der Weimarer Republik wird von Reichskanzler Heinrich Brüning 1931 per Gesetz eingeführt. Am 16. Juli 1932 wird dazu eine Verordnung erlassen. "Der Freiwillige Arbeitsdienst beruht auf der Entschließung freier Menschen, die mit Leib und Seele Arbeit suchen", sagt Andreas Grieser, der eigentliche Vater des Arbeitdienstes, in einer Rundfunk-Ansprache. Der FAD sei "ein Mittel zur Beseitigung wirtschaftlicher Not und seelischer Bedrängnis." Viele der sechs Millionen Arbeitslosen finden das eine gute Idee. Immerhin gehen rund 100.000 junge Männer zum Freiwilligen Arbeitsdienst - für 50 Pfennig Taschengeld am Tag, plus Verpflegung und Unterkunft. Zudem bleibt neben dem sechsstündigen Arbeitstag "genügend freie Zeit für die sozialpädagogische Erziehung und Ausbildung", sagt Grieser.

Träger des FAD sind kirchliche und weltanschauliche Institutionen, die eigene freiwillige Dienste schaffen. Eine zentrale Organisation gibt es nicht. Das ändert sich mit der Machtübernahme durch die NSDAP. In mehreren Gleichschaltungsstufen wird aus dem FAD der RAD, der formell am 26. Juni 1935 gegründet wird. Jeder junge Mann kann nun vor dem Kriegsdienst für ein halbes Jahr zwangsverpflichtet werden. Mit Kriegsbeginn wird auch die Arbeitsdienst-Pflicht für Frauen eingeführt. Doch nur einige 10.000 Frauen werden eingezogen. Im Zweiten Weltkrieg wird der RAD zur Hilfstruppe der Wehrmacht.

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17. July 2007, 10:26   #230
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17. Juli 1932: Geburtstag des Mobbing-Forschers Heinz Leymann

Jung oder alt, Chef, Sekretärin oder Schüler: Mobbing kann jeden treffen. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Tierreich und bezeichnet die aggressive Gegenoffensive eines Beutetiers gegen den Angreifer. Heute gehört schikanöses Verhalten beinahe schon zum ganz normalen Berufsalltag. Den volkswirtschaftlichen Schaden schätzen Experten inzwischen auf mehrere Milliarden Euro jährlich. Die Betroffenen, in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen, leiden unter psychischen und psychosomatischen Erkrankungen bis hin zu schweren Depressionen und Selbstmordgedanken. Vorsichtigen Schätzungen zufolge ist jeder fünfte Suizid auf Psychoterror am Arbeitsplatz zurückzuführen.

Den Grundstock zur Erforschung des Phänomens Mobbing legt der schwedische Arbeitswissenschaftler Heinz Leymann. Sein Buch "Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz" (1993) gilt bis heute als Standardwerk. Geboren wird Leymann am 17. Juli 1932 in Wolfenbüttel. 1955 übersiedelt er nach Schweden, wird Staatsbürger seines Gastlandes und verfasst 1978 seine Dissertation zum Thema Arbeitspsychologie. Fortan konzentriert Leymann seine wissenschaftlichen Forschungen auf die Grabenkriege und Guerilla-Taktiken im Arbeitsalltag. Seine grundlegende These: Ursache für Mobbing ist nicht das Opfer, sondern die Organisation, Gestaltung und Leitung der Arbeit.

Dank Leymanns systematischer Grundlagenforschung können Opfer von ständigen Beleidigungen, Verleumdungen, Intrigen oder gar körperlicher Gewalt heute mit Verständnis und Hilfe rechnen. Gewerkschaften, Selbsthilfeorganisation und Arbeitsrechtler stehen den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Mobbing-Pionier Leymann sieht sich in seinen letzten Jahren immer häufiger selbst als Zielscheibe kollegialer Anfeindungen. Kritikern seiner Analysen wirft er unsolide Forschung und Publizierung nicht bewiesener Behauptungen vor. Einem engen Mitarbeiter vertraut Leymann an, wie sehr er unter dem Mobbing seiner Konkurrenten leide. Mit nur 66 Jahren erliegt Heinz Leymann 1999 in Stockholm einem Krebsleiden.

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18. July 2007, 08:20   #231
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18. Juli 1877: Gründung des Deutschen Schachbundes

Schach ist ein königliches Spiel. Über eintausend Jahre alt, bleibt es zunächst den Herrschern, Adel und Klerus vorbehalten. Im 19. Jahrhundert wollen auch die Bürger mitspielen. In Deutschland gründen sich regionale Schachvereine. Aber das Spiel mit einheimischen Gegnern genügt den Spitzenspielern bald nicht mehr. Sie drängen auf größere, möglichst internationale Vernetzung. Am 18. Juli 1877 gründen der Philosoph Carl Göring, der Autor Rudolf von Gottschall sowie die Schachmeister Adolf Anderssen, Max Lange und Johannes Hermann Zukertort mit anderen in Leipzig den Deutschen Schachbund. Präsident wird Hermann Zwanzig. Für Andersen ist es der "Grundstein für die künftige deutsche Schacheinheit". Ziel ist zunächst, in regelmäßigem Turnus einen internationalen Schachkongress auszurichten. Deutscher Meister kann auch ein Pole oder Brite werden.

Die Konkurrenz aus dem Ausland aber ist den schwächeren deutschen Spielern ein Dorn im Auge. Durch ihre Dominanz wird das königliche Spiel auf den 64 Feldern von kleinkariertem Denken bestimmt. Die regionalen Clubs und Vereine drängen auf nationale Meisterschaften unter Ausschluss ausländischer Großmeister. Tatsächlich werden später nur noch Deutsche zu Turnieren zugelassen. Nach dem ersten Weltkrieg mischt sich unverhohlener Antisemitismus in die neidvolle Strategie, da viele Schachmeister Juden sind. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wird der Schachbund vom "Großdeutschen Schachbund" geschluckt, dem nur Arier angehören dürfen. "Juden können wir zu unserer Arbeit nicht brauchen", sagt Bundesleiter Otto Zander, "sie haben aus den Vereinen zu verschwinden".

1950 wird der Deutsche Schachbund (DSB) neu gegründet, der 1958 und 1970 in München und Siegen Schach-Olympiaden ausrichtet. Heute zählt er 97.000 Mitgliedern und rund 2.700 Vereine. Er ist Mitglied im Deutschen Sportbund und einer der größten Schachverbände der Welt.

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18. July 2007, 23:39   #232
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19. Juli 1992: Ermordung des Mafia-Richters Paolo Borsellino

Im Keller des Justizpalastes von Palermo gibt es Anfang der 80er Jahre eine Tür, die nur mit einem Zahlencode zu öffnen ist. Dahinter, von allen Kollegen hermetisch abgeschottet, verfolgen zwei Untersuchungsrichter die Geldflüsse der Mafia. Giovanni Falcone und Paolo Borsellino schaffen, was bis dahin unmöglich schien: Sie dringen bis zum inneren Führungszirkel der Organisation vor und bringen mehr als 400 Mafiosi auf die Anklagebank. Falcone und Borsellino kennen sich aus in der einstmals "Ehrenwerten Gesellschaft". Beide stammen aus Palermo, sind seit Kindertagen befreundet, sind aufgewachsen im Milieu derjenigen, die sie verfolgen.

Immer prominentere Namen tauchen in den Untersuchungsberichten von Falcone und Borsellino auf. Politiker wie Guilio Andreotti, Unternehmer wie Silvio Berlusconi und Mafiosi wie der "Boss der Bosse", Toto Riina - "Intoccabili" - Männer, die bislang als unantastbar galten. Im Frühjahr 1992 werden die beiden Ermittler jedoch brutal gestoppt.

Am 23. Mai 1992 fallen Giovanni Falcone, seine Frau und drei Leibwächter einem Anschlag zum Opfer. Nur knapp zwei Monate später, am Sonntag, dem 19. Juli, hält der gepanzerte Wagen von Paolo Borsellino in Palermo vor dem Haus der Via D'Amelio 21. Um 17.18 Uhr steigt der Richter aus und läutet an der Wohnung seiner Mutter. In diesem Moment zerreißt eine ferngezündete 50-Kilo-Bombe, versteckt in einem alten Fiat 600, die sonntägliche Ruhe. Als sich der Rauch verzieht, gleicht die auf 200 Meter aufgerissene Straße einem Kriegsschauplatz. Der 52-jährige Borsellino, seine fünf Bodyguards und eine Anwohnerin wurden förmlich zerfetzt.

Gegen immense Widerstände, auch aus den Reihen von Justiz und Politik, hatten die beiden Richter das System der Mafia zunehmend aus den Angeln gehoben. Über die Gefahren waren sie sich bewusst. "Wir sind Tote, die noch leben", erklärt Paolo Borsellino noch kurz vor seinem Tod in einem Fernseh-Interview. Was die beiden mutigen Ermittler herausgefunden haben, bleibt ein Geheimnis. Unmittelbar nach den Morden werden die Festplatten ihrer Computer im Justizpalast gelöscht. Toto Riina wird 1993 verhaftet und als Auftraggeber der Anschläge verurteilt. Den Medienmogul Berlusconi wählen die Italiener 1994 an die Macht. Seine ersten Amtshandlungen gleichen Geschenken an die Mafia: Das Zeugenschutzprogramm wird heruntergefahren, die Zusammenarbeit mit ausländischen Ermittlern erschwert, und Schwarzgeld kann wieder anonym, gegen eine geringe Steuer, nach Italien eingeführt werden.

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20. July 2007, 11:11   #233
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20. Juli 1967: Gründung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Als die "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung" am 20. Juli 1967 in Köln aus der Taufe gehoben wird, gibt es auch schon dicke Kinder. Denn eine der ersten Kampagnen der Bundesbehörde trägt das Motto: "Bewegung und Essen. Essen und Trimmen. Beides muss stimmen." Die BZgA soll in Fragen der Gesundheitserziehung und -aufklärung neue Wege gehen - weg vom eher medizinischen Bildungskonzept ihres Vorgängers, dem "Deutschen Gesundheitsmuseum - Zentralinstitut für Gesundheitserziehung", das es seit 1949 in Köln gab.

Schon in ihrem Gründungsjahr gelingt der Behörde eine kleine Sensation mit ihrem Aufklärungsfilm "Helga. Vom Werden des menschlichen Lebens." Wegen einer Geburtsszene fallen in den Kinos reihenweise Zuschauer in Ohnmacht, überwiegend Männer. Das Rote Kreuz schiebt Dienst, wenn der Film läuft. Er gewinnt die "Goldene Leinwand" und wird erfolgreich in die USA, nach Japan und auf die Fidschi-Inseln verkauft.
Herausforderung Aids

Auf ihre größte Herausforderung stößt die Bundeszentrale Mitte der 1980er Jahre. Als die ersten Aids-Fälle in Deutschland bekannt werden, braucht die Politik drei Jahre lang, um sich auf einen Präventions-Ansatz und seine Finanzierung festzulegen. Die neue Gesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU) setzt eine Kampagne für sicheren Sex mit Kondomen durch - gegen den Widerstand in der eigenen Partei und von den katholischen Bischöfen, die darin Propaganda für Unmoral sehen. Ein Fernsehspot mit Hella von Sinnen darf erst 1989 gezeigt werden. Den Ausruf der Supermarktkassiererin - "Tina, was kosten die Kondome?" - kennt bald jeder.

Es geht der BZgA darum, "dass Menschen sich gesünder ernähren, sich mehr bewegen", sagt ihre heutige Direktorin Elisabeth Pott: "Dass sie lernen, sich auch im Stress zu entspannen, dass sie also ihren Lebensstil überprüfen und eine gesunde Lebensweise entwickeln." Weil das insbesondere für Jugendliche ziemlich uncool klingt, verpackt die Bundeszentrale ihre Botschaft in Slogans, die heute ein wenig anders klingen als "Essen und Trimmen", nämlich: "Be Smart - Don' t Start", "Quit the Shit" oder einfach "Na Toll!" und "Gut drauf".

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22. July 2007, 21:27   #234
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21. Juli 1552: Tod des Vizekönigs Antonio de Mendoza

Mit einem Federstrich teilt Papst Alexander VI. 1494 die von Kolumbus entdeckte Neue Welt zwischen Spanien und Portugal auf. Als Gegenleistung sollen die Eroberer aus den Ureinwohnern folgsame Christen machen. So beginnt die Epoche der Conquistadoren, Männern vom Schlage eines Hernan Cortes. Geblendet von der Aussicht auf Ruhm und Reichtum setzt er ab 1519 grausam und menschenverachtend die Unterwerfung Mexikos in die Tat um. Seine Truppen bestehen aus Abenteurern, gebrandmarkten Dieben und Wegelagerern; ein Söldnerhaufen, bereit, jeden abzuschlachten, der sich ihm in den Weg stellt. Wie Vieh lässt Cortes die Indios den Missionaren Roms zu Massentaufen vor die Weihwasserkessel treiben.

Don Antonio de Mendoza ragt als eine der ganz wenigen positiven Gestalten aus diesem blutrünstigen Kapitel der Weltgeschichte heraus. Moderne Historiker wie die Altamerikanistin Claudine Hartau schildern den 1490 geborenen Grafen von Tendilla als integren, gerechten und klugen Diplomaten. 1535 ernennt ihn König Karl V. zum ersten Vizekönig von Neu-Spanien. Sein Auftrag lautet, den selbstherrlichen Hernan Cortes an die Kandare zu nehmen und das ausgeblutete Mexiko in eine geordnete Kolonie Spaniens zu verwandeln. Mendoza richtet eine den Gesetzen gehorchende Verwaltung sowie Bildungssysteme ein und integriert die indianische Bevölkerung in das neue Kolonialreich.

So gründet der spanische Vizekönig in Mexiko das Colegio de Santa Cruz. An der Eliteschule lernen die Söhne aus aztekischem Adel Spanisch und Latein ebenso wie Rhetorik, Logik und Philosophie. Mendozas Absicht ist, indianische Priester auszubilden, um so die Import-Institution Kirche in Lateinamerika zu verankern. Doch der Papst legt keinen Wert auf eine indigene Parallelkirche und lässt das Projekt von der spanischen Krone stoppen. Mit Rückendeckung durch Karl V. gelingt es Antonio de Mendoza aber, die schlimmsten Auswüchse der Sklaverei in Mexiko zu mildern und die königliche Macht in den neuen Kolonien zu stabilisieren.

1550 schickt Karl V. den inzwischen 60-jährigen Diplomaten als Vizekönig nach Peru, damit er dort wie zuvor in Mexiko für Ordnung sorgt. Dieses Amt kann Antonio de Mendoza nur noch kurz ausüben. Am 21. Juli 1552 stirbt der Stellvertreter des Königs in Lima.

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22. July 2007, 21:30   #235
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22. Juli 1882: Edward Hopper wird geboren

Edward Hopper ist ein Tag- und Nachtschwärmer. Am liebsten zieht er mit der Hochbahn in New York herum. Von hier aus kann er in die Wohnungen, Geschäfte und Hotelfenster blicken. Eines Abends späht Hopper von der Hochbahn aus für den Bruchteil einer Sekunde in ein hell erleuchtetes Büro: "die schnell vorüberhuschenden Bildfetzen hinterließen frische und lebendige Eindrücke in mir". Kurz darauf malt er "Nachts im Büro", auf dem die Menschen wie einsame Schlafwandler im Raum herumstehen.

Hopper wird am 22. Juli 1882 in Nyack im Bundsstaat New York geboren. Mit fünf Jahren beginnt er zu zeichnen, mit zehn signiert er seine Bilder. 1906 reist er zum ersten Mal nach Paris, um Malerei zu studieren. 1913 zieht er in sein New Yorker Atelier, das er bis zu seinem Tod 54 Jahre lang bewohnt. Erst als er Ende 40 ist, werden seine Bilder durch eine Ausstellung im Brooklyn Museum of Art von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Die nächtlichen Lichter der Großstadt will Hopper einfangen, das alltägliche Leben Amerikas mit seinen Durchgangsstationen, seinen Hotels, Nachtcafés, Wartehallen Schnellrestaurants und Tankstellen. Und immer wieder: die Einsamkeit des Menschen.

Ein wenig sehen viele Bilder wie grell im Scheinwerferlicht aufleuchtende Szenen aus Theaterstücken aus, die mitten auf der Straße, in einer Nachtbar oder im Hotelzimmer spielen. Und tatsächlich taucht Hoppers Ehefrau Jo, die der Künstler 1924 heiratet und zur Aufgabe ihrer Malerkarriere zwingt, in verschiedenen Rollen auf den Bildern auf: Mal spielt sie eine Sekretärin, mal eine Unbekannte in der Hotelhalle, mal eine Platzanweiserin im Kino, die erschöpft an der Wand unter einer Lampe lehnt.

Anders als auf der Theaterbühne aber sind die Menschen auf Hoppers Gemälden stumm. Selbst wenn sie in Bars sitzen wie die "Nachtschwärmer" auf seinem berühmtesten Gemälde, scheinen sie ganz in sich selbst versunken zu sein, als ob sie sich einfach nichts mehr zu sagen hätten. Edward Hopper stirbt 1967 in New York. Seine Frau Jo überlebt ihn nur um wenige Monate.

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23. July 2007, 09:54   #236
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23. Juli 1987: Rasenmäherlärmverordnung erlassen

Hobbygärtner sind Lärmterroristen. Bis zu 90 Dezibel erreichen ihre elektrischen oder mit Benzin betriebenen Rasenmäher. Dabei gilt schon ein andauernder Pegel von 65 Dezibel als gesundheitsschädlich und erhöht nachweislich das Risiko eines Herzinfarkts. Das ist auch den Lärmaposteln in Brüssel bewusst. Deshalb gilt heute die "Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes", kurz "Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung, 32. BlmSchV". Europaweit gestattet das Gebot den Einsatz von Rasenmähern, Pistenraupen, Straßenfräsen und Turmdrehkränen nur werktags zwischen sieben und 20 Uhr.

Für deutsche Hobbygärtner ist die aktuelle EU-Richtlinie ein Segen. Gibt sie den Besitzern ausgedehnter Grünflächen doch die Möglichkeit, eine Stunde länger als bisher mit dem Rasenmäher Krach zu machen. Zuvor galt 19 Uhr an Werktagen für Geräte bis zu einem bestimmten Lärmwert als absolute Schallgrenze. So war es in der deutschen Rasenmäherlärmverordnung vom 23. Juli 1987 festgehalten.

Ohnehin fragen sich Grillfans und Sonnenanbeter: Warum gibt es nicht längst schon den ultimativen Flüstermäher? Weil ein solcher Flüstermäher auf dem Mähermarkt keine Chancen hätte, sagt Brigitte Schulte-Fortkamp von der Deutschen Gesellschaft für Akustik, die auch einmal im Jahr den Tag gegen Lärm organisiert. "Es gibt viele Leute, die gerne Geräte, die stark sein sollen, auch laut hören." Ein Gerät, was wirklich etwas leisten soll, muss schließlich auch kräftig klingen.

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24. July 2007, 10:02   #237
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24. Juli 1972: Neues Tierschutzgesetz verkündet

Hermann Göring ist ein Tierfreund. Während die Nationalsozialisten die Internierung von Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma in Konzentrationslagern planen, zeigt sich der Reichsjagdminister sensibel für die Würde der geschundenen Kreatur. "Nicht nur um das Tier zu schützen ist Tierschutz notwendig", sagt Göring im August 1933. "Wir bekämpfen gleichzeitig unüberlegte Gleichgültigkeit gegenüber dem Tier und seinen Schmerzen, menschliche Rohheit und Grausamkeit." Drei Monate später verabschiedet die Regierung das erste Reichstierschutzgesetz. Unter anderem stellt es das koschere Schlachten der Juden unter Strafe.

In der Bundesrepublik bleibt das Reichstierschutzgesetz zunächst unberührt. Zwar dürfen Schweine ab 1952 nicht mehr per Hammerschlag, sondern müssen mit dem Bolzenschussgerät getötet werden. Aber es dauert bis zu schockierenden Bildern des Journalisten Horst Stern aus Versuchslaboren und Hühnerfarmen, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Tierrechte wirklich zu schärfen. Am 24. Juli 1972 wird das neue Tierschutzgesetz verkündet. Im Gegensatz zum Reichstierschutzgesetz setzt er nicht auf emotionale oder ideologische Propaganda denn auf eine ebenso ethische wie wissenschaftliche Betrachtung. "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen", lautet sein erster Paragraph. Auf medizinische Eingriffe, Tierversuche, Tierhaltung, Tötung und Transport von Tieren wird ebenso eingegangen wie auf den Handel mit ihnen und erstmals auch auf den Zusammenhang von Tierquälerei und Intensivtierhaltung. Ab sofort ist es verboten, Hunden und Katzen die Schwänze zu kupieren, Tiere auszusetzen oder zum Zweck des Verkaufs als Nahrungsmittel übermäßig zu mästen.

30 Jahre später wird der Schutz der Tiere in Artikel 20a als Grundrecht im Grundgesetz verankert: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere". Seitdem sind Hund, Katze und Maus fast Tiere wie du und ich.

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25. July 2007, 00:01   #238
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25. Juli 1992: Eröffnung der Olympische Spiele in Barcelona

Die Olympischen Spiele von Berlin 1936 sind den Nazis in den Schoß gefallen. Als Veranstalter auserkoren ist eigentlich Barcelona. Doch dann bricht der spanische Bürgerkrieg aus und ermöglicht dem braunen Regime in Berlin den größten Propaganda-Coup seiner Geschichte. 56 Jahre muss Barcelona warten, bis sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) erneut für die Hauptstadt Kataloniens entscheidet. Und wieder markieren die Spiele unter den fünf Ringen eine politische Zeitenwende.

Die Sowjetunion ist zusammengebrochen, Deutschland vereint und erstmals seit 20 Jahren wird Olympia von keinem Land boykottiert. Mit überschäumender Euphorie empfängt Barcelona das größte Athleten-Aufgebot, das je um olympisches Edelmetall gekämpft hat. Im Montjuic -Stadion erleben am 25. Juli 1992 allein 500 Sportler aus Deutschland Ost und West eine Eröffnungsfeier, von der am nächsten Tag die Welt schwärmt. "Wohl selten ist der Beginn des größten Sportfestes der Welt so großartig und aufregend zelebriert worden", jubelt die Süddeutsche Zeitung. Das Entzünden der olympischen Flamme vollbringt ein Bogenschütze mit einem brennenden Pfeil.

33 Mal werden deutsche Athleten in den kommenden Wochen ganz oben auf dem Siegerpodest stehen. Vor allem ostdeutsche Sportler sorgen dafür, dass sich Deutschland Platz drei im Medaillenspiegel erkämpft und so erfolgreich ist wie seit Jahrzehnten nicht. Trotz aller Unkenrufe geht das "gigantischtste Sportspektakel aller Zeitung", so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, friedlich zu Ende. Kein Terror der baskischen ETA-Separatisten stört das Freudenfest. Als einziger Verlierer von Barcelona kann Star-Komponist Andrew Lloyd Webber gelten, an dessen offizielle Olympia-Hymne sich niemand erinnert. Den Sound von Barcelona trägt Freddie Mercurys gleichnamige Rock-Hymne in die Welt, unvergessen gesungen von Opern-Diva Montserrat Caballe.

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25. July 2007, 23:24   #239
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26. Juli 1947: Spionagedienst CIA gegründet

Im Juni 1954 teilt der neue Präsident von Guatemala den Bauern einige Hektar Land zu, das dem US-Multi United Fruit gehört. Gleichzeitig kündigt er an, den Export von Bananen - dem einzigen Rohstoff des mittelamerikanischen Staates - zu besteuern. United Fruit wendet sich an US-Präsident Eisenhower. Der befiehlt seiner Central Intelligence Agency (CIA) einzugreifen. Mit alten Maschinen, die als Rebellenflugzeuge getarnt sind, lösen die Agenten einen Aufstand aus. Die Regierung wird gestürzt, die nachfolgende nimmt die Agrarreform und die Steuerpläne sofort zurück. Wegen einer Dessertfrucht hat die CIA eine Militärdiktatur installiert, die in den folgenden 40 Jahren Hunderttausende in Guatemala ermorden wird.

Der Sturz des Präsidenten von Guatemala gilt als bisher schlimmste Tat der CIA. Gegründet wird der Geheimdienst am 26. Juli 1947. Er soll Informationen über ausländische Regierungen, Vereinigungen und Personen beschaffen und weltpolitisch zu deuten helfen. In den fünfziger Jahren tut er dies mit nahezu uneingeschränkter Macht. Er unterstützt den pro-westlichen Schah im Iran und bildet fundamentalistische Kämpfer im Krieg Afghanistans gegen die Sowjetunion aus. Vordergründig geht es um den Kampf gegen Kommunismus und Islam. In Wahrheit geht es zumeist um Geld und Öl.

Im Vorfeld der Attentate vom 11. September 2001 schlägt die CIA konkrete Hinweise in den Wind. 2003 beginnt George Bush den Irak-Krieg: wieder mit Hilfe der CIA. Potenzielle Terroristen werden von Agenten gekidnappt und in Gefängnisse wie Guantanamo verschleppt. Von europäischen Flugplätzen aus starten und landen die Transportmaschinen. Trotz Missachtung rechtsstattlicher Grundsätze und schwindender Akzeptanz in der eigenen Bevölkerung, wird die Arbeit der CIA wohl weitergehen. "Die beiden ältesten Gewerbe der Welt sind Prostitution und Spionage", sagt ihr Chef Richard Helms. "Glaubt irgend jemand wirklich, das würde sich im 21. Jahrhundert ändern, nur weil dem amerikanischen Volk diese Vorstellung nicht gefällt?"

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27. July 2007, 10:34   #240
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27. Juli 398 v.C.: Sokrates stirbt durch Gift

Der Häftling ist 70 Jahre alt, von Beruf Steinmetz. Verurteilt wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend sitzt er vier Wochen im Staatsgefängnis von Athen ein. Er darf Besuch empfangen: Seine Frau Xanthippe kommt mit den Kindern; mit Freunden diskutiert er stundenlang. Sie fordern ihn auf zu fliehen. Aber der Häftling will sich in sein Schicksal fügen, sich dem Urteil der Athener Demokratie beugen, auch wenn er sich nicht schuldig bekennt. Als man ihm den Becher mit dem Gift des Schierlingspilzes bringt, trinkt er ihn. Den Freunden befielt er noch, dem Heilungsgott Äskulap einen Hahn zu opfern, den er noch schuldig ist. Dann wirkt das Nervengift: Das Konein in seinem Körper lähmt ihn von den Beinen an. Am Schluss lähmt es auch die Atmung. Der Verurteilte erstickt. Es ist der 27. Juli 398 v. Chr. Das Gefängnis, in dem Sokrates stirbt, ist heute ausgegraben. Es liegt gleich neben der Agora, dem antiken Markt und Mittelpunkt der Stadt. Sogar die Schierlingsbecher für die Hinrichtungen findet man.

Über den Tod des Sokrates schreibt sein Schüler Platon zwei Bücher. Der philosophierende Steinmetz dagegen hinterlässt keine einzige Zeile. Nur aus den Schriften des Platon lässt sich seine Philosophie erschließen. Eine Lehre, ein System ist sie nicht, eher eine Methode. Sokrates selbst, der Sohn einer Hebamme, nennt sie Hebammen-Kunst. Er spricht die Leute auf dem Markt, auf der Straße oder beim Saufgelage an. Er verwickelt sie mit Fragen ins Nachdenken über Dinge, die sie zu wissen glauben. Was ist Tugend? Was ist Tapferkeit? Was ist ein guter Staatsmann? Wer einige Zeit lang mit Sokrates spricht, muss selbst entdecken, was der der Mann auch von sich bekennt: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Philosophie im Schatten der Akropolis
Besonders die jungen Athener verehren Sokrates. Die Etablierten hassen ihn, schließlich stellt er zu viele von ihnen bloß. Seine Fragen wirken zersetzend. Lehrt er nicht, restlos an allem zu zweifeln, an den Grundlagen der Politik und schließlich auch an den Göttern? Athen hat nach einer Phase des Glanzes, in der man die Akropolis prachtvoll ausbaute, 30 Jahre Krieg mit Sparta geführt - und verloren. Mühsam erholt sich die Stadt vom Verlust der Vorherrschaft in Griechenland. Gerade erst ist man zur Demokratie zurückgekehrt. Athen kann Instabilität nicht brauchen. Deshalb wohl muss Sokrates sterben.

Sokrates trinkt den Becher, weil er den Tod nicht fürchtet, ein Leben ohne Philosophie für ihn aber sinnlos ist. Er hinterlässt nur seine Worte im Gedächtnis der Schüler. Aber daraus wächst Griechenlands große Philosophie. Platon gründet nach seinem Tod eine Akademie. Deren berühmtester Schüler wird Aristoteles.

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28. July 2007, 12:11   #241
Jules
 
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28. Juli 1907: Earl Silas Tupper geboren

1947 vermeldet die amerikanische Hausfrauenzeitschrift "House Beautiful" die ästhetische Sensation einer "perfekten Kühlschrankplastikschale". Mehr noch als die Funktion der neuen Schüssel fasziniert das Blatt die Schönheit des Objekts. "Wenn Sie noch nie Polyethylen angefasst haben, dann müssen wir Ihnen berichten, dass es sehr zerbrechlich und zart aussieht und dennoch kräftig ist", kann man an Amerikas Küchentischen lesen. "Es fühlt sich an wie Jade, aber zugleich erinnert es an Alabaster und Perlmutt". Die Schalen "besitzen ein ebenso gutes Aussehen wie eine Skulptur".

Erfunden hat die Frischhalte-Skulpturen Earl Silas Tupper. Er wird am 28. Juli 1907 als Sohn eines Farmers in New Hampshire geboren. Seinen Erfindungsgeist erbt er von seinem Vater, der sich mit eigens entwickelten Geräten die Farmarbeit erleichtert. Tupper studiert Chemie. Beim Chemiekonzern DuPont lernt er den Kunststoff Polyethylen kennen: unzerbrechlich, hitze- und kältebeständig und beliebig einfärbbar. Tupper beschließt, das Leben der amerikanischen Hausfrau angenehmer zu machen. 1946 gründet er eine Firma, die sich auf Plastikvorratsdosen mit Sicherheitsverschluss spezialisiert. Erstes Produkt ist die "Wunderschüssel", deren Deckel minimal kleiner als der eigentliche Behälter ist. Dadurch kann Luft von Außen schlechter eindringen. Im Behälter befindliche Luft wird durch einen Druck auf den Deckel beim Schließen einfach herausgedrückt. Die Folge: Lebensmittel bleiben länger frisch. In Zeiten, in denen längst nicht in jedem Haushalt ein Kühlschrank steht, ein gewaltiger Fortschritt.

Aber die "Wunderschüssel" verkauft sich nicht. Der Einzelhandel kann seinen Kundinnen nicht erklären, wie sie mit dem neuartigen System umgehen soll. Da entwickelt die alleinerziehende Mutter Brownie Wise das so genannte Heimvorführungs-System und ermutigt Hausfrauen dazu, ihre Verwandten und Bekannten nebst dem Vertreter zu einer Tupperparty in ihr Wohnzimmer einzuladen. Als Dankeschön winkt ein Geschenk. 1951 übernimmt Tupper die Idee und macht Wise zur Vizepräsidentin der Firma "Tupperware Home Parties". Von nun an boomt das Geschäft mit Schüsseln, Dosen, Gefrierbehältern und Knoblauchpressen, seit 1962 auch hierzulande. Inzwischen finden in Deutschland jährlich 1,5 Millionen Wohnzimmer-Verkaufsshows statt. Rund 60.000 Beraterinnen sind dabei im Einsatz - und 1.500 Berater.

Vom Boom seiner Produkte in Deutschland bekommt Tupper nichts mehr mit: 1958 verkauft der damals 51-Jährige sein Geschäft und wandert nach Costa Rica aus, wo er 1983 stirbt.

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29. July 2007, 11:12   #242
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29. Juli 1992: Erich Honecker wird an Deutschland ausgeliefert

Fast 20 Jahre lang - seit der Entmachtung Walter Ulbrichts 1971 - ist Erich Honecker der starke Mann der DDR, zuerst als Parteichef, dann ab 1976 auch als Vorsitzender des Staatsrats. Erst die eigene Bevölkerung setzt seiner Herrschaft ein Ende, indem sie in Massen auf die Straße geht oder sich in bundesdeutsche Botschaften flüchtet. Im Oktober 1989 muss Honecker unter diesem Druck zurücktreten. Einige Monate später wird er sogar aus der SED ausgeschlossen und verhaftet: Die DDR-Justiz wirft ihm Hochverrat vor, ein Delikt, für das er unter ganz anderen Umständen schon 1935 von des Nazis zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Aber Honecker entkommt auch dem jungen Rechtsstaat DDR: Der kranke 77-Jährige wird nach einem Tag aus der Haft entlassen und findet mit seiner Frau Margot Unterschlupf bei einem evangelischen Pastor, später dann in einem sowjetischen Militärhospital.

Über Moskau und Berlin nach Chile
Im März 1991 flieht Honecker per Flugzeug nach Moskau. Aber auch im einstigen Mutterland des Kommunismus findet er auf Dauer kein Asyl: Boris Jelzin, der neue starke Mann in Russland, will Honecker an Deutschland ausliefern. Der flieht mit seiner Frau in die chilenische Botschaft. Aber auch die beugt sich nach einigen Monaten dem Druck des Haftbefehls aus Deutschland, der nun auf Totschlag, versuchten Totschlag und Veruntreuung lautet. Am 29. Juli 1992 wird Erich Honecker ausgeliefert und bei der Landung in Berlin-Tegel sofort verhaftet.

Honecker, der weiterhin nichts an seinem politischen Weg bedauert, ist jedoch zu krank für einen Prozess. Er darf im Januar 1993, aus dem Haftkrankenhaus entlassen, nach Chile ausreisen. Die chilenische Regierung fühlt sich Honecker humanitär verpflichtet, weil seine Regierung während der Pinochet-Diktatur zahlreiche chilenische Flüchtlinge in der DDR aufnahm. Das Verfahren wird im April eingestellt. In Santiago de Chile stirbt Erich Honecker am 29. Mai 1994.

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30. July 2007, 09:03   #243
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30. Juli 1792: Die Marseillaise kommt nach Paris

Preußen und Österreich haben dem revolutionären Frankreich den Krieg erklärt. Die französische Rheinarmee an der Grenze ist in Alarm versetzt. Aber zum Losmarschieren fehlt ihr noch ein passendes revolutionäres Marschlied. Also dichtet und komponiert es kurzerhand ein Offizier: Claude-Joseph Rouget de Lisle schreibt Melodie und Text in der Nacht zum 26. April 1792: "Auf, Kinder des Vaterlands! Der Tag des Ruhmes ist da."

Der Marsch wird ein Erfolg, zunächst in Frankreichs Süden. Handelsreisende bringen das Lied dorthin. Erst am 30. Juli 1792 erreicht das Soldatenlied auch die Hauptstadt: An diesem Tag schmettert es eine Truppe von Freiwilligen aus Montpellier und Marseille, als sie in Paris einmarschiert. Die Bürger singen den Marsch bald begeistert mit und nennen ihn die "Marseillaise."

"Ergreifend und furchtbar"
Schon ein Jahr später hört Geheimrat von Goethe das Lied, als er die Belagerung von Mainz miterlebt. Die französische Kavallerie singt die Marseillaise, als sie heranzieht. "Es war ergreifend und furchtbar", notiert Goethe: "Dieses revolutionäre Te Deum hat etwas Trauriges, Ahnungsvolles."

Unter Napoleon wird die Marseillaise ein patriotisches Siegeslied. In der Restauration zeitweise verboten, steigt sie im 19. Jahrhundert schließlich zur Nationalhymne auf. Als Lied für Revolutionen wird sie international in etwa 300 Versionen kopiert, in Russland, Afrika, Südamerika und China. Die Popkultur geht wenig respektvoll mit der Hymne um: Die Beatles unterlegen die Melodie 1967 ihrem Song "All you need is love". Serge Gainsbourg löst 1979 einen kleinen Skandal mit seiner Reggae-Marseillaise aus. Sie bringt ihm Bombendrohungen ein, hält sich aber wochenlang auf Platz 1 der französischen Hitparade. Als die Hymne in einem Fußballstadion ausgepfiffen wird, ersinnt Präsident Jaques Chirac ein Gesetz zu ihrem Schutz: "Hymnenschändung" kann jetzt mit einer Geldstrafe von 7.500 Euro oder sechs Monaten Gefängnis bestraft werden.

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31. July 2007, 07:21   #244
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31. Juli 1537: Spanier entdecken die Kartoffel

Im Jahr 1537 bahnt sich eine spanische Expedition unter Führung des Admirals Gonzalo Jimirez de Queseda den Weg durch einen südamerikanischen Flusslauf. Vier Jahre vorher haben die Spanier das Inka-Reich unterworfen. Jetzt sind sie auf der Suche nach dem Eldorado. Aber der Hunger nach Gold weicht schon bald realem Magenknurren. In verlassenen Dörfern machen sich die Konquistadoren deshalb über die Vorräte der geflohenen Bevölkerung her. "In allen Häusern der Indios lagerten Trüffeln" erinnert sich ein Exeditionsteilnehmer. "Diese Trüffeln haben mehlige Wurzeln von der Größe eines Eis, die von gutem Geschmack sind. Ein für die Indianer sehr angenehmes Gut und ein köstliches Gericht sogar für die Spanier." Das ist am 31. Juli 1537. Die Spanier haben das wahre Gold der Erde in Händen: die Kartoffel.

Zu dieser Zeit existieren in Südamerika rund 200 verschiedene Kartoffelsorten, die alle von der Ur-Kartoffel aus den Hochebenen der Anden abstammen. Unter dem Schutz der Kartoffel-Göttin Axomama ernähren sie, durch Trocknen jahrelang haltbar und bei Bedarf mit Wasser wieder essbar gemacht, die Inka bis zu ihrer Ausrottung durch die Eroberer redlich.

1565 macht sich eine Kartoffelkiste auf den Weg zum spanischen König, der sie dem Papst verehrt. Von nun an startet die nahrhafte Knolle ihren Siegeszug in Europa und revolutioniert die Essgewohnheiten. Nur in Deutschland hat sie es gegen das Grundnahrungsmittel Getreide schwer: Was der Bauer nicht kennt, dass baut er dort nicht an. Die Kartoffel gilt als giftig und, da sie sich aus sich selbst heraus vermehrt, als Teufelswerk. Nur als Zierpflanze schafft sie es in die hochherrschaftlichen Gärten.

Das ändert sich erst im 18. Jahrhundert, als Friedrich der Große Nahrung in Mengen für seine Soldaten benötigt. Zur Zeit der Industrialisierung gibt die Knolle den Arbeitern Kraft. Und indirekt löst sie eine der größten Auswanderungswellen der jüngeren Geschichte aus. Wegen eines Kartoffelschädlings kommt es zwischen 1845 und 1849 zu Missernten und Hungersnöten in Irland. Danach wandern über eine Million Iren nach Kanada, Australien und in die USA aus.

Und sie schreibt, zumindest indirekt, im 19. Jahrhundert noch einmal Weltgeschichte: Weil in Irland die gesamte Nahrungsmittelproduktion auf sie ausgerichtet ist, führen mehrere durch einen Kartoffelschädling ausgelöste Missernten zwischen 1845 und 1849 zu einer großen Hungersnot. danach wandern über eine Million Iren nach Kanada, Australien und in die USA aus.

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1. August 2007, 07:26   #245
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01. August 1882: Das 1. Internationale Polarjahr wird eröffnet

1874 kehrt aus dem ewigen Eis eine Expedition nach Europa zurück, die schon als endgültig verschollen galt: Das österreichische Schiff "Admiral Tegetthoff" ist seit zwei Jahren im Packeis festgefroren. Unter furchtbaren Strapazen gelingt der Mannschaft zu Fuß und mit Rettungsbooten der Rückweg nach Sibirien.

Während die Rückkehrer in Europa als Helden gefeiert werden, hält der Kapitän der Expedition diese Art der Polarforschung für gescheitert. "Die arktische Forschung ist zu einem sinnlosen Opferspiel verkommen", sagt Carl Weyprecht: "Sie erschöpft sich in der rücksichtslosen Jagd nach neuen Breitenrekorden. Das dient wohl kaum der Forschung. Ich sage: Forschungswarten statt Forschungsfahrten!"

Bis heute vier Polarjahre
Nach Weyprechts Ansicht soll man die vergebliche Suche nach einer eisfreien Passage über den Nordpol aufgeben und stattdessen Forschungsstationen rund um den Pol errichten. Diese Idee propagiert zur gleichen Zeit auch der Wissenschaftler Georg von Neumayer. Beide stoßen den Plan zu einem internationalen Arktis-Projekt an. Weyprecht stirbt 1881. Aber ein Jahr später, am 1. August 1882, wird das "1. internationale Polarjahr" eröffnet.

700 Forscher aus elf Nationen beteiligen sich an der Erforschung von Arktis und Antarktis - ein Novum in der Wissenschaftsgeschichte. Es geht um den Erdmagnetismus und um bessere Wetterbeobachtung. Die Polarjahre werden zu einer festen Einrichtung, die in längeren Abständen für Schübe in der Forschung sorgen soll. 1957, im dritten Polarjahr, wird das internationale Antarktis-Abkommen entwickelt. Im März 2007 beteiligen sich 60 Staaten am 4. Internationalen Polarjahr. Schwerpunktthema jetzt ist der Klimawandel und das Abschmelzen der Polkappen.

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2. August 2007, 08:17   #246
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02. August 1997: Kinderbuchautor James Krüss gestorben

Eigentlich will James Krüss "so 'ne Art Hölderlin" werden. Nach dem Krieg erhält er in München hierzu eine Chance. Jeden Samstag darf er in der "Süddeutschen Zeitung" ein Gedicht abdrucken. Die Auftragsarbeit macht den jungen Schriftsteller mit einem Schlag bekannt. "Das lief so schnell, dass Erich Kästner, mit dem ich befreundet war, sich an den Kopf fasste und sagte: So schnell ist das bei mir nicht gelaufen", wird er sich später erinnern. Allerdings wird Krüss dann doch kein zweiter Hölderlin, sondern einer der bekanntesten Kinderbuchautoren seiner Generation.

Krüss wird 1926 als Sohn eines Elektrikers auf Helgoland geboren. Die raue Insel mit ihren wortkargen Menschen prägt ihn stark. Nach der Evakuierung Helgolands 1941 geht Krüss nach Arnstadt in Thüringen, nach dem Krieg lässt er sich in Cuxhaven nieder. 1948 gründet er für die im Exil lebende Bevölkerung seiner inzwischen in Trümmern liegenden Heimatinsel die Zeitschrift "Helgoland". 1956 veröffentlicht er mit "Der Leuchtturm auf den Hummerklippen" sein Erzähldebüt für Kinder und Jugendliche. Das Buch wird so erfolgreich, dass er ihm noch in den achtziger Jahren die Fortsetzungen "Freunde von den Hummerklippen (1983), "Weihnachten auf den Hummerklippen" (1984) und "Abschied von den Hummerklippen" (1985) folgen lässt. Aus seinem Kinderbuch "Mein Großvater und ich" darf Krüss 1960 in der Tagesschau lesen. Spätestens danach kennt ihn in Deutschland nicht nur jedes Kind.

Dem Fernsehpublikum wird Krüss mit der Verfilmung seines Kinderbuchs "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" (1962) bekannt. Die kapitalismuskritische Geschichte vom zwölfjährigen Waisenjungen, der einem diabolischen Baron sein Lächeln - und damit seine Seele - überlässt, läuft 1979 als 13-teilige Vorweihnachtsserie mit Thomas Ohrner und Horst Frank in den Hauptrollen. James Krüss stirbt am 2. August 1997 in seiner Wahlheimat Gran Canaria, wohin er 32 Jahre zuvor übergesiedelt war. Seine mehrfach ausgezeichneten Gedichte, Erzählungen und Romane werden in 30 Sprachen übersetzt.

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3. August 2007, 07:39   #247
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03. August 1977: Tod von Erzbischof Makarios III.

Zypern nennt sich stolz "die Insel, auf der die Götter Urlaub machen". Das EU-Mitglied Zypern ist aber auch die Insel, auf der UNO-Blauhelme seit 40 Jahren für Frieden zwischen Nord und Süd sorgen müssen. Mitverantwortlich für den Stacheldrahtzaun, der die griechischen Zyprer im größeren Südteil von den türkischstämmigen Inselbewohnern im Norden trennt, ist Myriarthes Michael Christodoulos Mouskos. Unter dem Namen Makarios III. bestimmte der 1913 geborene Priester vier Jahrzehnte lang maßgeblich die Geschichte der heutigen Republik im östlichen Mittelmeer - als Erzbischof, als Ethnarch (Volksgruppenführer) und schließlich als Staatspräsident.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs kämpft der 1950 zum Erzbischof erhobene Makarios als Erneuerer der "Enosis"-Bewegung für den Anschluss der britischen Kronkolonie Zypern an das griechische Mutterland. 1960 ist das große Ziel zum Teil erreicht. Großbritannien entlässt Zypern in die Unabhängigkeit und der zum Staatspräsidenten gewählte Erzbischof ruft die Republik aus. Doch Makarios hat nicht nur die Briten gegen sich. Die türkischen Zyprer sind strikt gegen einen Anschluss an Griechenland und träumen von Autonomie. Unter der Führung von Makarios-Gegenspieler Fasil Kutschük streben sie fortan die Teilung der Insel an.

Zur ersten blutigen Kraftprobe zwischen griechischen und türkischen Zyprern kommt es 1964, als Türkenführer Kutschück eine von Makarios verlangte Verfassungsreform ablehnt. Mit Waffengewalt sorgen griechische Zyprer für einen Exodus der türkischen Nachbarn in den Norden. Schließlich geraten sogar die Mutterländer Griechenland und Türkei an den Rand eines Krieges. Im letzten Moment verhindern UN-Truppen einen Bürgerkrieg auf Zypern, doch seither ist die Insel geteilt, sind Griechen und Türken auf Zypern durch Stacheldraht getrennt.

Obwohl Erzbischof Makarios immer wieder beteuert, eine Teilung Zyperns nicht hinnehmen zu wollen, verschärft der geborene Machtpolitiker die Lage durch diplomatische Winkelzüge. Dies führt 1974, während sich in Athen eine Militärjunta an die Macht geputscht hat, zur letzten großen Zypern-Krise unter der Herrschaft des orthodoxen Kirchenfürsten. Ganz Europa ist im Juli 1974 besorgt, als die beiden Nato-Mitglieder Griechenland und Türkei zur Invasion Zyperns ansetzen. Schließlich gelingt es den türkischen Streitkräften, gut ein Drittel des Landes zu erobern und im Norden den Türkisch Föderierten Staat Zypern auszurufen. Drei Jahre später startet Makarios mit dem Erzfeind eine neue Verhandlungsrunde zur Lösung der Zypernfrage. Doch ihm bleibt keine Zeit mehr. Am 3. August 1977 erliegt Erzbischof Makarios III. in Nikosia einem Herzinfarkt.

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4. August 2007, 10:47   #248
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04. August 1877: Otto-Viertakt-Motor wird patentiert

Wie wird aus dem Außendienstmitarbeiter eines Kolonialwarenhändlers ein Technikgenie? Wie gerät jemand, der mit Kaffee und Gewürzen, Gewichten und Preisen zu tun hat, in die Welt der Kolben, Zylinder und Öle? Die Biografen von Nicolaus August Otto wissen darauf keine rechte Antwort. Fest steht nur, dass Otto 1860 während einer Reise im Auftrag des Kölner Kaufmanns Carl Mertens auf die französischen Erfindung eines Gasmotors aufmerksam wird. "Die etwas störrischen Pferde und die langsame Geschwindigkeit der Pferdekutschen brachten ihn auf die Idee, sich gegebenenfalls mit anderen Dingen zu befassen", meint Dietmar Voß, Unternehmenshistoriker der Deutz AG in Köln. So oder so erfindet Otto in der Folge einen Motor, der die Mobilität der Menschheit nach seinem Tod auf ganz neue Füße - beziehungsweise Räder - stellt.

Otto wird im Juni 1832 als jüngstes von sechs Kindern im Taunusstädtchen Holzhausen an der Haide geboren. Nach der legendären Begegnung mit dem Gasmotor von Étienne Lenoir wendet er sich der Entwicklung eines eigenen Antriebs zu. Um den Motor unabhängig von Gasleitungen zu machen, setzt er dabei auf flüssigen Kraftstoff. Gemeinsam mit dem wohlhabenden Ingenieur Eugen Langen gründet er 1864 die N.A. Otto & Cie, Vorläufer der späteren Deutz AG. Die "Atmosphärische Gaskraftmaschine" ihres Unternehmens erhält drei Jahre später auf der Pariser Weltausstellung eine Goldmedaille.

Revolutionär allerdings ist erst Ottos später entwickeltes Viertaktprinzip, bei dem ein Kolben den Kraftstoff zunächst ansaugt und verdichtet, bevor er im Motor verbrannt wird und die Schadstoffe in einem vierten Schritt ausgestoßen werden: Am 4. August 1877 lässt sich Otto dieses Verfahren patentieren. Der Otto-Motor ist so klein, dass er die Nutzung von Maschinen erstmals auch für mittelständische Betriebe möglich macht. Das erste Exemplar eines Viertakt-Verbrennungsmotors geht an eine Kölner Brauerei. Als die Firma expandiert, wird Gottlieb Daimler technischer Direktor, Wilhelm Maybach Chef der Motorenkonstruktion.

An seinem Produkt hat Otto nicht viel Freude. Schon kurz nach der Patentierung versucht ihm die Konkurrenz in 52 Prozessen die Urheberschaft streitig zu machen. Das bremst zwar nicht den Erfolg der Deutz AG, lähmt aber Otto selbst. Er reibt sich in Gerichtsprozessen auf. Mit nur 58 Jahren stirbt Nicolaus August Otto 1891 in Köln. Ein Auto hat er nie gesehen.

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5. August 2007, 09:31   #249
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05. August 2002: Dan Kelly stirbt

1976 reist die Kelly Family mit ihrem Wohnbus durch Italien. Bisher hat sich die Sängerfamilie unter Leitung ihres Oberhaupts Daniel "Dan" Jerome Kelly mit Auftritten bei Volksfesten und Geburtstagsfeiern über Wasser gehalten. Dann bringt ein Verbrechen den Karriereschub. Wenn man der Legende glauben darf, stehlen Diebe den Kellys bei Rom ihre gesamte Habe. Nur Pässe und Musikinstrumente bleiben übrig. Kurzerhand beschließt Dan Kelly, die Kinder als Straßenmusiker durch die Lande zu schicken. Ihr Weg führt nach Deutschland, wo die zwölfköpfige Kelly Family ihren ersten Plattenvertrag erhält. Das Repertoire von Volksliedern wird durch eigene Songs ersetzt. Der Rest ist Musikgeschichte.

In den ersten Jahren des Kelly-Booms ist der irischstämmige Dan Kelly die treibende Kraft. 1930 wird er in Michigan, USA, geboren. Anfang der sechziger Jahre beschließt er auszusteigen. "Als Kennedy erschossen wurde", erinnert sich Paddy Kelly, "hat er sich gesagt: Wenn der Präsident nicht sicher ist, dann sind es auch meine Kinder nicht". Ohne Frau, aber mit den ersten vier Kindern zieht Kelly nach Spanien. Auf der Überfahrt lernt er seine zweite Frau Barbara kennen, die ihm acht weitere Kinder schenkt. 1973 gibt Kelly seinen Job als Antiquitätenhändler auf, um mit seinen inzwischen fünf Kindern zu singen. Barbara stirbt 1982, Dan wird zum bekanntesten alleinerziehenden Vater Europas. Für die Kinder ist er "Mapa": Mutter und Vater in einer Person. Da er dem Schulsystem misstraut, unterrichtet er die Kinder zusätzlich selbst. Und er wacht mit Argusaugen über den Aufstieg seiner "Family".

In der Presse gilt Dan Kelly als Tyrann. Mit eisernem Willen habe er die Truppe zum Erfolg getrieben und das Honorar aus Plattenverkäufen und Tourneeauftritten bis auf ein kleines Taschengeld für die Bandmitglieder selbst eingestrichen. Auch seine Erziehungsmethoden werden angefeindet - selbst da noch, als die Mitglieder der Kelly Family betonen, dass "fast alle vier, fünf Sprachen" können. Dan Kelly stirbt nach mehreren Schlaganfällen und Hirnblutungen am 5. August 2002 im Alter von 71 Jahren. Zum Gedenkgottesdienst in der Kirche Sankt Maria Himmelfahrt am Kölner Dom kommen rund 2.000 Gäste.

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6. August 2007, 07:51   #250
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06. August 1922: Billigflug-Pionier Freddie Laker geboren

1977, am Londoner Flughafen Gatwick. Vor den Ticketschaltern kommt es zu Tumulten. Grund ist die Idee eines Mannes, der sich anschickt, die zivile Luftfahrt zu revolutionieren. Nach jahrelangen Verhandlungen ist es ihm gelungen, der internationalen Luftfahrtvereinigung IATA eine Lizenz für die Strecke nach New York abzuringen. Jetzt bietet er Tickets zum Bruchteil des bisherigen Preises an. "In Nordamerika und Europa leben 500 Millionen Menschen", lautet seine Devise. "Aber nur zehn Millionen davon fliegen. Und das nur, weil es keine Flüge gibt, die man auch mit einem Durchschnittseinkommen bezahlen kann."

Der Mann, den die Zeitungen fortan als "Robin Hood der Lüfte" feiern, heißt Freddie Laker. Geboren wird er am 6. August 1922 in Canterbury. Mit 16 Jahren verfolgt er den Erfolg der großen Fluggesellschaften als Reinigungskraft noch aus der Froschperspektive. Nach dem Krieg kauft er Maschinen aus alten Armeebeständen und vermietet diese der US Army für die Luftbrücke nach Berlin 1948 zurück. Der Coup bringt ihm genug Geld ein, um seinen Traum einer demokratisierten, da billigeren Luftfahrt mit seiner 1966 gegründeten Laker Airways zu verwirklichen. In Lakers Maschinen gibt es weder kostenlose Zeitungen noch kostenloses Essen oder Beinfreiheit. Dafür ist ein Flug mit seinen "Skytrains" genannten "Zügen der Lüfte" mit 115 Euro unschlagbar billig. Andere Fluglinien verlangen dreimal mehr. Für dieses Verdienst schlägt die Queen den Billigflug-Pionier 1978 sogar zum Ritter.

Heute wird allein in Deutschland mehr als ein Viertel aller Flüge von Billig-Airlines abgewickelt. Lakers Unternehmen muss 1982 trotzdem bankrott anmelden. Insider munkeln über Preisabsprachen der etablierten Linien. Mit seiner vierten Frau zieht sich Laker auf die Bahamas zurück. Hier stirbt er 2006.

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