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10. December 2007, 17:38   #376
Jules
 
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10. Dezember 1967: Otis Redding stirbt bei einem Flugzeugabsturz

Der Durchbruch gelingt Otis Redding 1967 beim Monterey Pop Festival in der Nähe von San Francisco, dem ersten großen Festival seiner Art in der Musikgeschichte. Auf Einladung des Stones-Managers Andrew Loog Oldham tritt er direkt nach Jimi Hendrix vor rund 70.000 rockgewöhnten Hippies auf. Gerade hat Hendrix seine Gitarre in Brand gesteckt, die Stimmung ist aufgeheizt; Redding wird mit seinem energiegeladenen Auftritt Teil der Legende vom "Summer of Love". Danach ist der schwarze Soul -Sänger in den USA auch unter den weißen Flower-Power -Kindern ein Star.

Geboren wird Redding 1941 in Dawson, Georgia. Durch seinen Vater, der sich neben seinem Job bei der US-Army als Kirchenprediger versucht, kommt er mit der Gospelmusik in Kontakt. Bereits 1958 wird er Schlagzeuger und Sänger in der Band von Little Richard. Bei dem kleinen, später legendär werdenden Soullabel Stax Records in Memphis hat er mit "These Arms of Mine" seinen ersten Rhythm-and-Blues-Hit. Danach wird er zum einflussreichsten Soulsänger der sechziger Jahre.

Berauscht vom Erfolg des Monterey Pop Festivals schreibt Redding mit "Dock of the Bay" seinen größten Erfolg. Kurz darauf startet er mit seinen Musikern im neuen Privatjet zu einem Konzert nach Ohio. Am 10. Dezember 1967 stürzt die Maschine in der Nähe von Madison in den Lake Monona. Nur der Trompeter kann sich retten. Redding ertrinkt mit vier Bandmitgliedern im eiskalten Wasser. Bei seiner Beerdigung, zu der 4.500 Fans pilgern, tragen Kollegen wie Joe Tex, Johnny Tayler oder Percy Sledge den Sarg. Mit "Dock of the Bay" wird Redding zum ersten Sänger, der posthum an die Spitze der Popcharts stürmt. 1969 veröffentlichen "The Doors" einen Titel, der vom Tod Reddings handelt und gleichzeitig den Einfluss des Sängers widerspiegelt: "Poor Otis dead and gone / left me here to sing his song".

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11. December 2007, 15:26   #377
Jules
 
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11. Dezember 1997: Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz verabschiedet

Der Klimawandel droht nicht - er ist schon längst in vollem Gang. Angesichts schmelzender Polkappen, steigender Meeresspiegel und einem bedrohlich klaffenden Loch in der Ozonschicht können die Industriestaaten Mitte der 90er Jahre die Zukunfts-Szenarien von Klimaexperten nicht länger als Panikmache abtun. Fest steht: Für die Zunahme der Erderwärmung ist vor allem der Mensch verantwortlich, durch den ungebremsten Ausstoß von Treibhaus-Gasen wie etwa Kohlendioxid. Fest steht ebenso: Aufzuhalten ist der Klimawandel längst nicht mehr; es kann höchstens noch das Schlimmste verhindert werden. Ende 1997 treffen sich deshalb Vertreter von 155 Ländern im japanischen Kyoto, um wirksame Maßnahmen gegen die bedrohliche Erderwärmung zu beschließen.

Im Mittelpunkt des von den Vereinten Nationen veranstalteten Klimagipfels steht die Frage, um wie viel Prozent jeder einzelne Staat seine Emissionen an Treibhausgasen künftig reduzieren muss. Weil die Erkenntnisse des UN-Weltklimarates offiziell immer noch nicht als gesichert gelten, pokern vor allem die größten Kohlendioxid-Produzenten wie die USA, Russland und Japan bis zum Äußersten um jedes Schlupfloch. Nach sehr zähen, Tag und Nacht währenden Verhandlungen gelingt es dem argentinischen Vorsitzenden Raul Estrada, das drohende Scheitern der Konferenz zu verhindern und eine Einigung durchzudrücken. Die Delegierten verabschieden ein 27 Artikel umfassendes Protokoll, das 38 Staaten und der Europäischen Union konkrete Emissionsziele vorschreibt und im Februar 2005 in Kraft tritt. Der fünfjährige Verpflichtungszeitraum, in dem eine Reduzierung der Treibhaus-Gase um durchschnittlich 5,2 Prozent - gemessen am Ausstoß im Jahr 1990 - erreicht werden soll, beginnt 2008.

Auf Vorschlag des weltgrößten Treibhausgas-Produzenten USA wird ein Instrument in das Protokoll aufgenommen, das Umwelt- und Wirtschaftspolitik miteinander verbinden soll: der Handel mit Emissions-Zertifikaten. Demnach erhalten Schadstoff ausstoßende Unternehmen vom Staat ein bestimmtes Emissions-Budget zugestanden. Wollen sie mehr Gase ausstoßen, müssen sie Emissions-Zertifikate hinzukaufen. Allerdings sind es ausgerechnet die Vereinigten Staaten, die sich 2001 unter George W. Bush kurzerhand wieder aus dem Protokoll verabschieden. Man sei in der Lage, die Wirtschaft wachsen zu lassen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen, verkündet der US-Präsident.

Wie es 2012 nach Ablauf des in Kyoto beschlossenen Verpflichtungszeitraums weitergehen soll, entscheidet im Dezember 2007 die Klimakonferenz auf Bali. Soll der Klimawandel wirkungsvoll eingeschränkt werden, müssen die Emissionen nach einer Empfehlung des Weltklimarates bis 2050 um 85 Prozent sinken.

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12. December 2007, 12:58   #378
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12. Dezember 1037: Ibn Sina in Hamadan gestorben

Als er im Jahr 980 geboren wird, zerfällt das islamische Weltreich allmählich in kleinere Fürstentümer. Abu Ali al-Hussain ibn Abd-Allah ibn Sina kommt als ältester Sohn eines Hofbeamten in der Nähe von Buchara zur Welt. Die Stadt im heutigen Usbekistan gehört damals zu Persien und ist ein wichtiger Handels- und Regierungssitz. Ibn Sina entwickelt sich zum Wunderkind: Seine Lehrer können ihm bald nichts mehr beibringen, also widmet er sich den Büchern. Mit 16 Jahren gilt er als ausgebildeter Jurist, Arzt, Philosoph und Theologe, mit 18 Jahren ist er nach eigenen Angaben "mit allen Wissenschaften am Ende", ein Universalgelehrter also.

Dabei führt Ibn Sina kein Leben im Elfenbeinturm. In seiner Heimatstadt greift er einmal in die Politik ein: Er wird Wesir, also Stadthalter des persischen Herrschers, provoziert eine Militärrevolte gegen sich und landet für einige Zeit in Festungshaft. Meist arbeitet er als Leibarzt für wechselnde Fürsten, mit denen er immer wieder in den Krieg ziehen muss. Zum Studieren und Schreiben kommt er oft nur nachts. Dabei ist er stets dem Leben zugewandt: Seine Müdigkeit bekämpft er gern mit Wein, Traurigkeit mit Hofdamen und Sklavinnen.

Ibn Sina möchte die Religion Mohammeds und die Vernunft des Aristoteles miteinander versöhnen. Für ihn hat der Mensch durch sein Selbstbewusstsein Anteil an einer überpersönlichen Vernunftseele der Welt, die selbst Ausfluss Gottes ist. Durch Erkenntnis kehrt der Mensch in seinen Ursprung zurück. Ibn Sina verarbeitet diesen Ansatz zur größten systematischen Wissenschaft seiner Zeit, die er in zwei Hauptwerken veröffentlicht: Der "Kanon der Medizin" beschreibt das Wissen über die Körper, sein "Buch der Genesung" bietet eine Zusammenfassung der Philosophie. Ibn Sina stirbt 1037 mit 57 Jahren auf einem Feldzug im persischen Hamadan. Später wird ihm hier ein großes Mausoleum errichtet.

Ibn Sinas Werke gelangen zunächst über jüdische, also hebräische Übersetzungen ins Abendland, wo sie ins Lateinische übersetzt werden. Unter dem Namen Avicenna inspiriert der Gelehrte im 12. Jahrhundert das mittelalterliche christliche Denken. Avicenna stößt die Wiederentdeckung des Aristoteles an und gilt bis in die Neuzeit hinein als einer der größten Mediziner. Mailänder Apotheker stiften Mitte des 15. Jahrhunderts ein Portrait Avicennas in einem Glasfenster des Mailänder Doms.

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13. December 2007, 09:29   #379
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13. Dezember 1902: Acht-Stunden-Rede im Reichstag

13. Dezember 1902, 16.30 Uhr: Im Reichstag in Berlin begibt sich der SPD-Abgeordnete Otto Friedrich Antrick ans Rednerpult: "Für mich ist das kein Spaß, für mich ist das eine Anstrengung, aber ich erfülle hier meine Pflicht", sagt der Zigarettenfabrikant. "Ich werde - solange meine physischen Kräfte ausreichen - diese Stelle nicht verlassen, Sie mögen machen, was Sie wollen." Antrick redet acht Stunden lang ununterbrochen am Stück. Dabei hat er weder inhaltlich Besonderes mitzuteilen, noch will er den politischen Gegner durch Argumente überzeugen. Ziel des Rede-Marathons ist es vielmehr, eine Abstimmung über die Erhöhung der Zolltarife zu verzögern.

Der Hintergrund: Die Sozialdemokraten haben zwar 27 Prozent der Stimmen bekommen, aber durch das Mehrheitswahlrecht nur 14 Prozent der Mandate. Sie fühlen sich über den Tisch gezogen und wollen mit parlamentarischen Tricks verhindern, dass die konservative Mehrheit Gesetze durchpeitscht. Eine damals gängige Taktik der SPD ist die so genannte Obstruktion, die Verhinderung von Entscheidungen. Der Abgeordnete Antrick hat mit seiner Dauer-Rede allerdings keinen Erfolg. Als er um 0.30 Uhr aufgibt, kommt es in der Nacht doch noch zur Abstimmung. Das Gesetz wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten verabschiedet.

Dauerquasseln als taktisches Mittel gibt es in einigen Ländern auch heute noch. Zum Beispiel im US-Senat. Das so genannte Filibustern hat dort lange Tradition. Zuletzt haben die Demokraten 2003 fast 40 Stunden lang die Ernennung von Bundesrichtern durch Präsident George W. Bush verhindert, die ihnen zu konservativ waren. Dabei müssen sich die Senatoren nicht zur Sache äußern. In der Debatte haben sie stattdessen Gulasch-Rezepte vorgelesen und Hobbygärtnern Tipps gegeben, wie man wilde Kaninchen fernhält. Die Redezeit ist dort bis heute nicht begrenzt. Im Deutschen Bundestag soll hingegen ein Abgeordneter laut Geschäftsordnung in der Regel nicht länger als 15 Minuten sprechen. Das Rederecht des Einzelnen ist mittlerweile jedoch in der Praxis zu einem Rederecht der Fraktionen geworden. Die Redezeit wird nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt: der so genannten Berliner Stunde. Sind für eine Debatte 60 Minuten Aussprache vorgesehen, so dürfen - entsprechend der Fraktionsgröße - CDU und SPD davon je 19 Minuten, die FDP acht sowie Grüne und Linke jeweils sieben Minuten reden.

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14. December 2007, 08:28   #380
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14. Dezember 1702: 47 Ronin rächen ihren Herren

Im Jahr 1701 reist der Provinzfürst Asano an den Hof des Schogun, des japanischen Herrschers. Hier trifft er auf einen Zeremonienmeister, der seine Gunst für ein hohes Bestechungsgeld anbietet. Asano ignoriert ihn und der Beamte rächt sich dafür mit öffentlichen Beleidigungen. Die reizen Asano so sehr zur Weißglut, dass er seinen Dolch zieht und den Beamten am Kopf verletzt. Auf Gewalt am Hof steht die Todesstrafe. Deshalb wird Asano hingerichtet, während der korrupte Zeremonienmeister ungestraft bleibt.

Asano hinterlässt 47 Krieger, die ihm dienten. Diese Samurai sind nun arbeitslos, werden zu sogenannten Ronin. Da im 18. Jahrhundert die große Zeit der japanischen Ritter schon lange vorbei ist, bedeutet das einen sozialen Abstieg. Vor allem aber muss der Tod des Herrn gerächt werden, um seine Ehre wieder herzustellen. Weil der Beamte am Hof aber nicht angetastet werden darf, ersinnen die Ronin einen Plan, um ihn in seinem Privathaus angreifen zu können.

Einige von ihnen schleichen sich als Handwerker in das Haus des Feindes und spionieren es aus. Einer treibt sich in Bordellen und betrunken auf den Gassen herum, um den Feind in Sicherheit zu wiegen. Aber in der Nacht des 14. Dezember 1702 schlagen die Ex-Samurai zu: Mit Bögen, Dolchen und Schwertern bewaffnet, machen sie die Wachen am Haus des Zeremonienmeisters nieder. Der versteckt sich in einem Kohlenschuppen. Die Ronin entdecken ihn und stellen ihm frei, sich selbst umzubringen. Das bringt er jedoch nicht über sich. Also schlagen die Angreifer ihm den Kopf ab und bringen ihn auf das Grab ihres Herren. Hier erwarten sie ruhig ihre Verhaftung.

Weil die Rache zwar verboten ist, aber doch als ehrenvoll gilt, werden die 47 Ronin auch zu einer ehrenvollen Todesstrafe verurteilt: Sie dürfen Seppuku üben, also sich ehrenvoll selbst umbringen, wozu auch das Harakiri gehört: Sie schlitzen sich selbst den Bauch auf. Nach ihrem Tod werden die Ronin schnell zu Helden in Theaterstücken und Büchern. Sie verkörpern Treue und Ehre gegenüber der korrupten Obrigkeit.

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15. December 2007, 13:40   #381
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15. Dezember 1832: Geburtstag des Ingenieurs Gustave Eiffel

1884 sind die Franzosen auf der Suche nach einem Wahrzeichen für ihre Weltausstellung. Ein Wunder der Technik soll es werden - und ein Denkmal zum 100. Jahrestag der Französischen Revolution. Da hat der Ingenieur Maurice Koechlin vom Planungsbüro Gustave Eiffels die Idee, seine Berechnungen für den hohen Metallpfeiler des Viadukts von Garabit für ein dreimal höheres Monument zu überarbeiten. Eiffel ist erst überzeugt, als sein Architekt Stephen Sauvestre ein paar dekorative Schnörkel und Bögen anfügt. Eiffel schickt den Entwurf, eine demokratische Gemeinschaftsarbeit von 72 Erfindern und Technikern, ans Weltausstellungskomitee. Der 300 Meter hohe Eiffelturm zur Weltausstellung 1889 wird ein Triumph der Ingenieurskunst.

Gustave Eiffel wird am 15. Dezember 1832 in Dijon geboren. Er studiert zunächst Chemie, um die Firma seines Onkels zu übernehmen. Als seine Mutter ihren Kohlehandel auf Stahlprodukte ausweitet, beginnt er sich für die statischen Eigenschaften des Materials zu interessieren. Schon mit 26 Jahren leitet Eiffel den Bau einer Brücke bei Bordeaux. Dabei setzt er bereits, damals ungewöhnlich, genormte Teile ein. 1866 macht er sich mit einem Ingenieurbüro selbstständig. Seine Brückenkonstruktionen in Peru und Italien bringen ihm den Beinamen "Eisenzauberer" ein.

Eiffel baut Viadukte, transportierbare Brücken für die französischen Kolonien in Asien und Afrika, das stählerne Innengerüst der Freiheitsstatue in New York und 1877 die Brücke bei Porto mit dem längsten freitragenden Stahlbogen der Welt: eine Revolution im Metallbau. Nebenbei hilft er mit seinem Windkanal-Labor der Luftfahrt auf die Sprünge - auch wenn der Pilot seines eigenen Entwurfs beim ersten Probeflug tödlich verunglückt. Sein Glanzstück aber wird der Turm zur Weltausstellung. Er verdankt den Namen Eiffels Gegnern, die abfällig vom "Turm des Herrn Eiffel" sprechen. Eiffel stirbt 1923 in Paris. Heute hat seine Firma Eiffel Construction Métallique 1.100 Angestellte und einen Jahresumsatz von 244 Millionen Euro. Von ihr stammt unter anderem die Glas-Stahl-Pyramide des Louvre.

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17. December 2007, 08:49   #382
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16. Dezember 1742: Gebhard Leberecht Fürst Blücher geboren

Der alte Haudegen ist bereits siebzig und seit einigen Jahren Pensionär, als Friedrich Wilhelm II. seinen Feldherrn noch einmal zurück zu den Waffen ruft. Im preußischen Offizierskorps, befindet Generalstabschef von Scharnhorst, ist das Raubein Blücher immer noch der einzige General, der vor Napoleon keine Angst hat. So wird der erstaunlich rüstige Heerführer 1813 zum preußischen Oberbefehlshaber in den Befreiungskriegen gegen Napoleon ernannt. Und Blücher brennt vor Ehrgeiz. Seit Jena und Auerstedt hat der von seinen Soldaten hoch verehrte Feldmarschall mit dem großen Kaiser der Franzosen noch eine Rechnung offen.

Zum diesem Zeitpunkt blickt Gebhardt Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt, auf beinahe 60 Jahre militärischen Dienst zurück. Am 16. Dezember 1742 in Rostock geboren, geht er bereits mit vierzehn zu den Husaren. Als tapferer, wagemutiger Soldat macht Blücher schnell Furore und Karriere. Trotz fehlender Bildung glänzt der Draufgänger nicht nur durch militärische Erfolge. Für einen Offizier seiner Zeit sehr ungewöhnlich, sorgt Blücher für seine Soldaten, sogar für die Invaliden und lehnt barbarische Körperstrafen ab. Mit 30 Jahren fällt er beim König durch Ungehorsam in Ungnade. Beleidigt quittiert er den Dienst, bewirtschaftet seine Länderein in Pommern und verzockt am Spieltisch mehr als einmal Haus und Hof. Erst als Preußen sich gegen Bonaparte und das revolutionäre Frankreich zur Wehr setzen muss, stellt Friedrich Wilhelm II. ihn wieder in Dienst. In der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt 1806 schließlich erleidet Blücher die entscheidende Niederlage gegen Napoleon und zieht sich ins Privatleben zurück.

Als Siebzigjähriger steht Blücher nun 1813 seinem Intimfeind Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig erneut gegenüber. Diesmal gelingt ihm die entscheidende Operation, die Frankreichs Niederlage und die Verbannung des Kaisers nach Elba zur Folge hat. Zwei Jahre später ist es wiederum Blücher, der dem zurückgekehrten Napoleon endgültig zum Verhängnis wird. Verwegen wie eh und je lässt der der bei Freund und Feind als "Marschall Vorwärts" gerühmte Feldmarschall seine Truppen nach der verlorenen Schlacht bei Ligny nicht heimwärts, sondern Richtung Norden marschieren. Dort seufzt vor Waterloo der schon beinahe besiegte britische Feldmarschall Wellington: "Ich wollt, es wäre Nacht oder die Preußen kämen." Blüchers Armee trifft gerade noch rechtzeitig ein, um Napoleons Heer in die Flanke zu fallen und so dessen Niederlage zu besiegeln. In den erblichen Adelsstand erhoben, stirbt der größte Feldherr seiner Epoche am 12. September 1819 friedlich im schlesischen Krieblowitz. Sechs Kasernen der Bundeswehr tragen zur Zeit seinen Namen. Keiner hat es zu mehr Patenschaften gebracht.

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17. December 2007, 08:51   #383
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17. Dezember 1857: Tod des britischen Admirals Sir Francis Beaufort

Im Jahr 1788 kämpft sich ein spanisches Kriegsschiff bei schwerem Sturm über den Atlantik. Der Kapitän notiert im Logbuch: "Eine See, die so hoch war, dass alle sagten, sie hätten nie dergleichen im Juli angetroffen." Präziser kann der erfahrene Seemann das Walten der Natur nicht beschreiben, denn eine Maßeinheit für die Windstärke gibt es noch nicht. Luftdruck und Barometer sind längst bekannt, ebenso wie der Zusammenhang von Luftdruck und Windbewegungen. Doch die Geschwindigkeit, mit der die Lüfte in die Segel blasen, hat noch keiner messen können. Auf einem Schiff der Ostindien-Kompanie fährt zur selben Zeit ein 13-jähriger, wissbegieriger Schiffsjunge namens Francis von England nach Sumatra.

Jahrzehnte später ist Francis Beaufort weltberühmt, denn der 1774 geborene Sohn eines irischen Landpfarrers wird das Problem mit den Winden lösen. Vom ersten Tag auf See an führt Beaufort akribisch genau ein meteorologisches Tagebuch. Er misst, peilt und kartiert, wo immer es ihn hin verschlägt und kann bereits als 15-Jähriger Messfehler in den Seekarten berichtigen. Mit knapp 30 erhält Kapitän Francis Beaufort sein erstes eigenes Kommando, allerdings auf einem drittklassigen Schiff, mit dessen Führung er bei weitem unterfordert ist. Umso mehr kann er sich der scheinbar unlösbaren Frage widmen, wie der flüchtige Wind gemessen, normiert und eingeteilt werden kann.

1828 bringen ihm seine Forschungen die Ernennung zum Hydrographen der britischen Admiralität ein. Schließlich findet Beaufort das Ei des Kolumbus, indem er das Schiff selbst und die Wellen als Messgerät entdeckt. Er entwickelt eine zwölfteilige Windstärke-Skala, die sich daran orientiert, wieviel Segelfläche ein Schiff setzen kann. Zugleich beschreibt er, wie sich die Wellen bei den verschiedenen Stärken verhalten. Null bedeutet demnach: Windstille, volle Takelage, spiegelglatte See; zwölf steht für: Orkan, alle Segel eingezogen, See vollkommen weiß. 1835 erkennt die Internationale Meteorologische Konferenz in Brüssel die Beaufort-Skala als allgemein gültig an. Queen Victoria adelt ihren findigen Seelord zum Sir und erhebt ihn zum Konteradmiral, einem der höchsten Dienstgrade der Royal Navy. Nach seinem Tod am 17. Dezember 1857 erfährt Sir Francis Beaufort noch eine besondere Ehre. In Würdigung seiner Meriten als Kartograph wird ein Teil des Nordpolarmeeres Beaufort-See getauft.

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18. December 2007, 08:57   #384
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18. Dezember 1997: "Reformstau" wird Wort des Jahres

Deutschland, Mitte der 1990er Jahre: Vier Millionen Menschen sind arbeitslos - Sozialhilfeempfänger, anders als heute, nicht mitgezählt. Die Kosten für Sozial- und Rentenversicherung - die Lohnnebenkosten - sind aus Sicht der Wirtschaft so hoch, dass zu wenige neue Stellen geschaffen werden. Der Ruf nach Veränderung wird laut. Anfang 1997 versucht die Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP, eine Steuerreform in die Wege zu leiten. Alle Bürger sollen weniger Einkommenssteuer zahlen, Spitzenverdiener jedoch besonders entlastet werden. Doch die SPD bremst die Pläne mit ihrer Mehrheit im Bundesrat. Ein Jahr vor der Bundestagswahl wollen die Sozialdemokraten offenbar einen politischen Erfolg der Regierung von Helmut Kohl (CDU) verhindern. Auf das jahrelange "Aussitzen" durch die Kohl-Regierung folgt nun eine "Blockadehaltung" der SPD, was zu einem "Reformstau" führt - mit diesen Begriffen wird die Situation in den Medien beschrieben.

Am 18. Dezember 1997 wird "Reformstau" von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 1997 gekürt. "Dieser Ausdruck bezieht sich auf die verschiedenen Reformen, die nicht vom Fleck kamen, aber auch auf den Zustand der deutschen Gesellschaft allgemein", begründet Sprecher Gerhard Müller in Wiesbaden die Entscheidung der Jury.

Auf Platz zwei wählt die Gesellschaft die Redewendung "Ruck durch Deutschland". Bundespräsident Roman Herzog hat zuvor in seiner Berliner Rede gesagt: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen." Auf den dritten Platz setzen die Juroren "Bildungsmisere", ein Begriff aus der Diskussion um Studentenstreiks und Hochschulreform. Es folgen an vierter und fünfter Stelle: "Klonschaf" und "Elchtest". Beim Wort des Jahres handele es sich nicht um die am häufigsten gebrauchten Wörter des Jahres, sagt Gesellschaftssprecher Müller. Vielmehr seien die Wörter des Jahres Ausdrücke, die für das vergangene Jahre typisch gewesen sind. An diesen "sprachlichen Jahresringen" sei die Entwicklung der Gesellschaft abzulesen.

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19. December 2007, 08:40   #385
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19. Dezember 1997: "Titanic" wird in den USA uraufgeführt

200 Millionen Dollar Produktionskosten, 1,8 Milliarden Dollar Einnahmen, elf Oscars - "Titanic" ist der bisher teuerste und erfolgreichste Film der Welt. Allein in Deutschland haben 18 Millionen Kinobesucher das Untergangsepos gesehen. Die historische Vorlage dafür lieferte das gleichnamige Passagierschiff, das 1912 nach der Kollision mit einem Eisberg unterging. Von den rund 2.200 Menschen an Bord überlebten nur etwa 700. Was lockt Zuschauer in einen drei Stunden langen Film, dessen Geschichte samt tragischem Schluss allgemein bekannt ist? Antwort: eine andere unbekannte Geschichte, deren Schluss offen bleibt. "Mir war klar, dass es eine Liebesgeschichte werden musste - einerseits. Und andererseits eine richtige Tragödie", sagt James Cameron, der Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und den Film mitproduziert hat.

Die Akteure der Liebesgeschichte auf der Film-"Titanic" sind der mittellose Maler Jack Dawson alias Leonardo DiCaprio und die unglücklich verlobte Finanzadelstochter Rose DeWitt Bukater alias Kate Winslet. Am Heck des Schiffs lernen sich die beiden kennen. Am Bug des Schiffes lernen sie sich lieben. Im Bauch des Schiffes ist ihre Liebe dann so heiß, dass sie nur ein kalter Klotz stoppen kann: Eineinhalb Film-Stunden dauert es, bis der Eisberg auftaucht. Und noch einmal anderthalb Stunden bis die Film-"Titanic" untergeht.

Der Rest des Films verläuft beinahe in Echtzeit und unter echten Bedingungen. Regisseur Cameron hat die "Titanic" für den Film komplett nachbauen lassen. Kaum kürzer als das 268 Meter lange Original - mit allen wichtigen Ausstattungsdetails. So liegt die Film-"Titanic" in einem eigens errichteten Wasserbecken an der mexikanischen Küste. Zwar nicht fahrtüchtig, aber sinkfähig. Mittels einer Hydraulik kann der Filmdampfer in die Senkrechte gewuchtet werden. Cameron lässt die gesamte Kulisse fluten, zwingt seine Hauptdarsteller durch kniehohes Wasser zu waten, und hunderte Stuntleute, von der meterhohen Reling zu springen. Die aufwändige Produktion des Filmes dauert länger als geplant. Schließlich ist es soweit: Am 19. Dezember 1997 kommt "Titanic" in die US-Kinos.

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20. December 2007, 09:37   #386
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20. Dezember 1982: Todestag des Pianisten Artur Rubinstein

Warum er mit über achtzig noch täglich am Klavier übe, wird Rubinstein von einem Journalisten gefragt. Weil er den Eindruck habe, dass er Fortschritte mache, antwortet der überragende Pianist des 20. Jahrhunderts. Anders als sein großer Konkurrent Vladimir Horowitz, der sich mit der Aura des vergeistigt Entrückten umgibt, genießt Artur Rubinstein das Leben als wunderbares Spektakel vor großem Publikum. Die Welt kennt ihn als majestätische Pianisten-Ikone im Frack ebenso wie als lebenslustigen und geistvollen Salonlöwen. Mit 89 Jahren gibt er 1976 in London sein letztes Konzert, halbblind zwar, doch "wo die Tasten liegen", beruhigt Rubinstein die Kritiker, "habe ich mir inzwischen gemerkt."

Seinen ersten öffentlichen Auftritt erlebt das 1887 im polnischen Lodz geborene jüdische Wunderkind mit 13 Jahren in Berlin. So rasend schnell scheinen Rubinstein die Raffinessen des Klavierspiels zuzufliegen, dass er meint, sich das systematische Erlernen des Tasten-Handwerks sparen zu können. Nach einem kometenhaften Aufstieg mit Erfolgen in Dresden, Hamburg und Warschau bricht er 1906 zu seiner ersten Amerika-Tournee auf, die sich aber zum Fiasko entwickelt. Die Krise der folgenden Jahre, inklusive einem gescheiterten Selbstmordversuch, findet ihr Ende, als Rubinstein den 15 Jahre jüngeren Horowitz erlebt, der das Klavier technisch beherrscht wie keiner zuvor. "Da ballte ich die Fäuste", schreibt Rubinstein in seinen Memoiren, "öffnete sie wieder und fing an hart zu arbeiten." Der Lebenskünstler zieht sich zurück vom Dolce Vita und beginnt noch einmal ganz von vorn. 1937 schließlich hat Artur Rubinstein "seinen" Klang gefunden und reist erneut in die USA.

Dieses Mal wird seine Tournee zum Triumphzug und zum Ausgangspunkt einer weltweiten Karriere. "Das Spiel keines anderen zeitgenössischen Pianisten strahlt so viel Kultur, so viel Fülle, klare, gesunde Männlichkeit und Kraft aus", urteilt Harold Schonberg, gefürchteter Kritiker der New York Times. Dabei spielt Rubinstein nicht nur das Klassiker-Repertoire von Brahms bis Beethoven, sondern gewinnt das Publikum auch für die Modernen wie Strawinski, de Falla oder Villa-Lobos. Vor allem aber mit seinen Chopin-Interpretationen erarbeitet sich Rubinstein den Ruf als größter lebender Pianist. Anders als bei vielen anderen großen Künstlern lässt Rubinsteins Virtuosität mit dem Alter nicht nach. Unablässig in Bewegung, zieht er die Zuhörer auf allen fünf Kontinenten in seinen Bann. Nur in Deutschland tritt Artur Rubinstein nach seinen Debütjahren nicht mehr auf. 1914 hatte er von Gräueltaten deutscher Soldaten gehört und geschworen, nie wieder in diesem Land zu gastieren. Später, nachdem ein großer Teil seiner jüdischen Familie von den Nazis ermordet worden waren, hatte er diesen Schwur erneuert und bis zu seinem Tod am 20. Dezember 1982 nicht gebrochen.

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21. December 2007, 08:23   #387
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21. Dezember 1967: Heintje singt "Mama" im deutschen Fernsehen

Bruno Balz muss um sein Leben bangen. 1941 ist der homosexuelle Liedertexter im nationalsozialistischen Deutschland eine Unperson. Kurz bevor er in Berlin von der Gestapo verhaftet wird, um ins KZ abgeschoben zu werden, bekommt er den Auftrag, eine deutsche Fassung für Beniamino Giglis Schlager "Mama" zu schreiben. "Mama / Du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen", dichtet Balz, "Mama / Einst wird das Schicksal wieder uns vereinen". Die Angst der Mutter um das Schicksal des Jungen, der vielleicht an der Front im Schützengraben liegt, schwingt in den Zeilen immer mit.

Balz hat Glück. Sein Talent bewahrt ihn vor dem Lager, auch wenn er nicht mehr unter seinem Namen publizieren darf. Noch in Einzelhaft verfasst er die Texte "Davon geht die Welt nicht unter" und "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen". Beide Lieder wird Zarah Leander in dem Durchhaltefilm "Die große Liebe" (1942) singen.

1967 kommt der erfolgreiche Produzent Ronny in Balz' Landhaus und fragt nach einem Liedtext für einen noch unbekannten zwölfjährigen Jungen aus Holland namens Hein Simons. Balz geht zum Bauernschrank und zieht ein vergilbtes Notenblatt mit "Mama" aus der Schublade. Am 21. Dezember 1967 trägt der Knabe, der unter dem Pseudonym Heintje auftritt, das Lied in der ZDF-Sendung "Der goldene Schuss" vor einem Millionenpublikum erstmals vor. Mit der glockenhellen Kinderstimme von Heintje wird die traurige Ballade, ihres tragischen Kriegsinhalts entbunden, im Wirtschaftswunderdeutschland zum Megahit, Heintje selbst zum Kinderstar der Nachkriegsmütter.

1967 ist Homosexualität in Deutschland strafbar. Doch von Balz' Vergangenheit weiß glücklicherweise damals niemand. So kann Balz, zu dessen Werk auch die Gassenhauer "Wir wollen niemals auseinandergehen", "Das machen nur die Beine von Dolores" und "Kann denn Liebe Sünde sein?" gehören, seinen Erfolg noch genießen. Er stirbt 1988 in Bad Wiessee.

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22. December 2007, 09:38   #388
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22. Dezember 1897: Geburtstag des Perlon-Erfinders Paul Schlack

Weltausstellung 1939 in New York. Der Konzern DuPont präsentiert mit Nylon eine neue Kunstfaser: sehr elastisch, reiß- und scheuerfest, leicht zu waschen. Die Erfindung wird zur Sensation für Frauen. Millionenfach verkauft sich der hauchdünne Stoff als Nylonstrumpf. In den USA kommt es zu tumultartigen Szenen, als kreischende Frauen am "N-Day" 1940, dem ersten Verkaufstag der Nylonstrümpfe, die Kaufhäuser stürmen. Etwa zeitgleich zu DuPont entwickelt der deutsche Chemiker Paul Schlack mit seinem Team für die IG Farben eine synthetische Faser mit ähnlichen Eigenschaften auf Polyamidbasis, die später Perlon heißt. Aber statt zarte Frauenbeine zu umschmeicheln, dient Perlon im Deutschen Reich zunächst als Wundermaterial für Fallschirme und Flugzeugreifen.

Schlack wird am 22. Dezember 1897 in Stuttgart geboren. Anfang der zwanziger Jahre geht er nach Kopenhagen, um über synthetische Eiweißverbindungen zu forschen. Anschließend arbeitet er am wissenschaftlichen Labor der Kunstseidenfabrik in Wolfen. 1938 gelingt ihm mit dem "Perulan" genannten Perlon der Durchbruch. Die extrem reißfeste und beständige Kunstfaser wird von Adolf Hitler zum "kriegswichtigen Material" erklärt. 1943 beginnt in Landsberg die Großproduktion für die Rüstungsindustrie. Ein "P-Day" findet im Nationalsozialismus nicht statt. Deutschlands Damenfesseln stecken weiterhin in Wollsocken.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erobern Strümpfe aus Perlon und Nylon - von den Amerikanern im Zuge des Marshall-Plans mit Flugzeugen nach Deutschland verfrachtet - die Bundesrepublik. Die DDR setzt als "Faden vollendeter Verlässlichkeit" auf ihre eigene Kunstfaserentwicklung, die sie Dederon nennt. Nachdem die erste Euphorie verflogen ist (und neue Materialien entwickelt sind), fristet Perlon ein Dasein als Grundstoff für Angelschnüre. Sein Erfinder Paul Schlack stirbt 1987 in Leinfelden-Echterdingen.

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23. December 2007, 08:12   #389
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23. Dezember 1997: Bauunternehmer Jürgen Schneider wird verurteilt

Der gelernte Maurer versteht sein Handwerk: Anfang der 1990er Jahre gilt Jürgen Schneider als der Bauunternehmer in der Bundesrepublik. Seine Spezialität: Altbausanierung. Er kauft hochwertige Altbauten - meist in lukrativen Innenstadtlagen wie in Leipzig - und lässt sie teuer sanieren. Dafür nimmt er Kredite in Millionenhöhe auf. Um an Geld zu kommen, legt er den Banken falsche Angaben über vermietete Flächen vor. Er gibt Immobilien als Sicherheit an, die mit hohen Krediten belastet sind, und rechnet Traummieten für Objekte ab, die gar nicht existieren. Schneider sitzt in Königsstein in einem repräsentativen Anwesen und beeindruckt die Finanzwelt: "Wie der Hirsch das mit seinem Geweih macht, um zu imponieren - und das hat auch geklappt", sagt er später.

Schneider präsentiert den Banken sogar Verträge, die er vorher mit Tipp-Ex bearbeitet hat. Und die Kreditgeber glauben ihm. Auch die Deutsche Bank vertraut dem Blender. "Wir hatten keinen Verdacht", sagt Vorstandschef Hilmar Kopper. Erst am 7. April 1994, als Kopper einen Brief von Schneider erhält, geht ihm ein Licht auf. In diesem Brief erklärt der Bauunternehmer seine Zahlungsunfähigkeit. Nach Diktat seiner Zeilen ist er verreist. Zurück bleibt ein Schuldenberg von über fünf Milliarden Mark. Unter den 40 betroffenen Kreditinstituten hat die Deutsche Bank den größten Schaden. Bevor Schneider untergetaucht ist, hat er 245 Millionen Mark auf Schweizer Konten deponiert.

"Ich bin dabei erwischt worden, weil ich es zu doll getrieben habe", sagt Schneider später. Nicht nur die Banken schreiben hohe Summen ab. Die Handwerksbetriebe, die für Schneider gearbeitet haben, müssen einen Verlust von 50 Millionen Mark hinnehmen. Deutsche-Bank-Chef Kopper sagt zu dieser Zahl: "Wir reden hier eigentlich von Peanuts." Der Begriff wird zum Unwort des Jahres gekürt. Derweil hat Schneider sein Toupet abgelegt und liefert sich mit den Zielfahndern eine Verfolgungsjagd. Er wird angeblich überall gesehen: in London beim Geldabheben, in Kalkutta bei einer Notoperation, auf einer Farm in Feuerland und tot auf dem Friedhof. Erst ein Jahr später wird er im Mai 1995 in Miami festgenommen - vor einer Bank. Auslieferung, Anklage, Prozess - am 23. Dezember 1997 wird Jürgen Schneider vom Frankfurter Landgericht wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Weil Schneider geständig ist und es die Banken ihm so einfach gemacht haben, bleiben die Richter mit ihrem Urteil ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Am 22. Dezember 1999 wird Schneider vorzeitig aus der Haft entlassen und die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.

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24. December 2007, 10:34   #390
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24. Dezember 1922: Geburtstag der Schauspielerin Ava Gardner

Als Ava Lavinia Gardner zum Film kommt, muss sie die Schauspielerei auf der Leinwand erst noch lernen. Eigentlich hat die 18-jährige Schönheit, die am 24. Dezember 1922 in Grabtown in North Carolina geboren wird, die Baumwollfarm ihres Vaters verlassen, um in New York Sekretärin zu werden. Doch dann sehen Agenten der Produktionsfirma Metro Goldwyn-Mayer Porträtfotos und bieten dem überraschten Mädchen eine Filmrolle an. Fünf Jahre lang darf Gardner in Gastauftritten das nette Mädchen von nebenan mimen und Erfahrungen im Schauspielfach sammeln. Dabei sind ihre immer perfekt ausgeleuchteten schwarzen Haare und ihre dunklen Augen den Regisseuren wichtiger als ihr Talent.

Das ändert sich erst, als MGM Ende der vierziger Jahre verzweifelt nach einer Nachfolgerin für die alternde "Sexgöttin" Rita Hayworth fahndet. Im Film "Rächer der Unterwelt" (1946) darf die Gardner an der Seite Burt Lancasters den Vamp Kitty Collins spielen - und ist fortan auf die erotische Abenteurerin, die der Liebe verfallen ist, festgelegt. In Hollywood avanciert sie so zur "Venus des 20. Jahrhunderts". Dass sie die Rolle des lasziven Luders auch im Privatleben zu spielen scheint, nimmt ihr die Öffentlichkeit allerdings bald schon übel. Während man über die Scheidungen von dem Schauspielstar Mickey Rooney und von dem berühmten Jazzmusiker Artie Shaw noch hinweg sieht, stößt die Affäre mit dem verheirateten Entertainer Frank Sinatra im prüden Amerika auf Missfallen. Auch die Heirat ändert nichts am Bild der Ehebrecherin, die eine Familie zerstört hat. MGM hält sich mit Filmangeboten vornehm zurück.

Paradoxerweise schafft es Gardner durch einen weiteren Seitensprung, die Gunst ihres Publikums und der Presse zurückzugewinnen. Nachdem sie Sinatra durch einen Flirt mit Spaniens berühmtestem Torero Hörner aufgesetzt hat, darf sie neben Humphrey Bogart als "Die barfüßige Gräfin" (1954), die von ihrer wahren Liebe erstochen wird, auf der Leinwand Buße tun. Zu den Klassikern, die sie zu dieser Zeit international bekannt machen, gehören "Schnee am Kilimandscharo" (1952) und "Mogambo" (1953). Gardner spielte insgesamt in über 40 Filmen mit. Nachdem sie in den letzten dreißig Jahren ihres Lebens eher zurückgezogen in Europa gelebt hat, stirbt sie 1990 in London an einer Lungenentzündung.

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25. December 2007, 11:00   #391
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25. Dezember 1887: Hotelmogul Conrad Hilton wird geboren

Ins Hotelgewerbe steigt Conrad Hilton ein, als er in der texanischen Ölstadt Cisco vergeblich nach einem Zimmer sucht. Er solle in acht Stunden wiederkommen, vertröstet man ihn an der Rezeption des Mobley-Hotels, dann begänne die nächste Schlafschicht für die Öl-Arbeiter. Hilton fragt beim Besitzer nach, ob er seine Zimmer tatsächlich im Acht-Stunden-Rhythmus vermieten würde. "Genau das", soll dieser ihm geantwortet haben. "Dreimal in 24 Stunden. Sie würden sogar bezahlen, wenn ich sie auf dem Tisch schlafen ließe." Hilton bettelt sich 50.000 Dollar zusammen, kauft das Mobley-Hotel, lässt im Speisesaal Zwischenwände hochziehen, errichtet in der Hotellobby einen Zeitungs- und Rauchwarenstand - und macht das Geschäft seines Lebens.

Hilton wird am ersten Weihnachtstag 1887 in San Antonio, New Mexico, geboren. Sein strenger Vater macht alles, was er anfasst, zu Geld - unter anderem durch die Vermietung von Fremdenzimmern im Elternhaus. Von ihm lernt Hilton das Verhandlungsgeschick, bekommt aber auch einen lebenslangen Profilierungsdrang eingeimpft. Nach dem Erfolg mit dem Mobley-Hotel spezialisiert sich Hilton zunächst auf den Aufkauf heruntergekommener Kaschemmen, die er zu florierenden Billighotels umfunktioniert. Erst 1924 beginnt er, als "eigenes Hotelbaby" eine Luxusherberge in Dallas zu errichten. Eröffnet wird das Dallas Hilton 1929 auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, die auch seinem Eigentümer fast das Genick bricht. Durch einen Überraschungsdeal, der seinen Lieferanten für eine Leihgebühr von 5.000 Dollar lebenslange Bindung garantiert, zieht er den Kopf aus der Schlinge. Danach kauft und baut Hilton Unterkünfte für die Reichen und Schönen der gesamten Erde, darunter den vornehmsten und berühmtesten aller Hotelpaläste: das Waldorf-Astoria an der Park Avenue in New York.

Zur Philosophie Hiltons gehört auch ein kapitalistischer Missionierungsimpuls. Das Berlin Hilton in der Budapester Straße mit seinem pompösen Fürstenappartement, den verspielten Salons und einem luftigen Dachgarten kauft er 1958 vor allem deshalb, um den seiner Ansicht nach vom Kommunismus bedrohten Ländern durchs Fenster einen Blick auf die Sonnenseite der freien Marktwirtschaft zu gewähren. Hilton stirbt 1979 im Alter von 91 Jahren im kalifornischen Santa Monica.

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26. December 2007, 09:34   #392
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26. Dezember 1957: Film "Wilde Erdbeeren" wird uraufgeführt

Professor Isak Borg träumt: Er sieht sich durch eine verlassene Straße gehen. Er entdeckt eine große Uhr ohne Zeiger. Auch seine Uhr, die er aus der Tasche zieht, hat keine Zeiger. Ingmar Bergmans Film "Wilde Erdbeeren" beginnt mit einem Albtraum. Der 78-jährige Borg - dargestellt vom ehemaligen Stummfilmregisseur Victor Sjöström - wird von einem Leichenwagen überholt. Der Wagen schwankt, der Sarg fällt zu Boden. Als Borg den Sargdeckel anhebt, sieht er eine Leiche, die seine Züge trägt. Der alte Mann begegnet seinem eigenen Tod. Der Film spielt an einem einzigen Tag. Professor Borg ist auf dem Weg von Stockholm nach Lund. Seine alte Universität will ihn zum 50-jährigen Jubiläum seines Doktortitels ehren. Begleitet wird Borg von seiner Schwiegertochter Marianne, gespielt von Ingrid Thulin. Auf der Autofahrt quälen den Professor Träume und Erinnerungen.

"Wilde Erdbeeren" wird am 26. Dezember 1957 zum ersten Mal in den Kinos gezeigt. Wild wachsende Erdbeeren tauchen in vielen Filmen Ingmar Bergmans auf. Der Originaltitel "Smultronstället" bezeichnet sowohl die Zeit, zu der Erdbeeren reifen, als auch den Ort, an dem man sie pflücken kann. Wilde Erdbeeren sind das Symbol für das verlorene Paradies, die reine Liebe, die Jugend und das Glück. Im Film erinnert sich Borg an seine Jugendliebe Sara, verkörpert durch Bibi Anderson, die Erdbeeren pflückt. Gegenwart und Vergangenheit, Träume und Realität verschmelzen. Die Fahrt wird zu einer bitteren Bilanz von Borgs Leben. Er erkennt, dass er emotional verarmt, kalt und verschlossen ist. Frau und Sohn hat er vernachlässigt.

Wie oft in Bergmans Filmen wird der menschlichen Seele ein Spiegel vorgehalten: "Du bist ein alter, ängstlicher Mann, der bald sterben wird. Du erträgst die Wahrheit nicht", sagt Sara. "Ich habe in allem ständig viel zuviel Rücksicht auf dich genommen. Aber Rücksichtnahme ist nichts als Grausamkeit, die man nicht gewollt hat." Dennoch endet der Film "in einer gewissen Harmonie", sagt Filmkritiker Ulrich Gregor. Vielleicht sei "Wilde Erdbeeren" gerade deswegen ein großer Erfolg geworden, "weil er die Menschen nicht wie in anderen Bergman-Filmen aufs Tiefste verstört und verschreckt". Jugendliche Mitfahrer, die Borg und seine Schwiegertochter auf der Reise auflesen, bringen Leichtigkeit und Humor in die Geschichte. Zudem ist Protagonist Borg außerhalb seiner Träume eine durchaus sympathische Figur. Am Ende der Reise und des Films gibt es für Borg sogar einen Hoffnungsschimmer, dass er sich noch ändern kann.

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27. December 2007, 09:06   #393
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27. Dezember 1932: Radio City Music Hall in New York eröffnet

Eigentlich hat Öl-Milliardär John D. Rockefeller seiner Stadt New York zu einem neuen Opernhaus verhelfen wollen. Doch nach dem Börsencrash von 1929 ist Hochkultur nicht mehr finanzierbar. So lässt der reichste Mann der Welt als Herzstück seines neuen Wolkenkratzer-Viertels, dem Rockefeller Center, den größten Show-Palast der Welt errichten. Während die Menschen unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise leiden, schießt mitten in New York City ein Komplex von 19 Hochhäusern in den Himmel, alle im ultramodernen exklusiven Art-Deco-Stil. Das Gebäude der Veranstaltungshalle wird als erstes fertig gestellt. Weil dort auch die Sender-Zentrale der National Broadcasting Corporation (NBC) ihren Sitz erhält, wird der gigantische Showtempel auf den Namen Radio City Music Hall getauft.

Zehntausende frierende Menschen stehen am 27. Dezember 1932 Schlange vor dem noch unfertigen Rockefeller-Center. Die Eröffnung der Radio City Music Hall ist landesweit das Top-Ereignis im trüben Depressionsalltag der USA. Nur 6.200 Glücklichen gelingt es, ein Ticket zu ergattern, über die riesige Foyer-Freitreppe in den Saal zu stürmen und sich in die weichen Polstersessel fallen zu lassen. Der Blick nach vorn ist atemberaubend. Das ganze Proszenium leuchtet so glutrot wie ein Sonnenaufgang und goldene Bögen überspannen die mit 20 Metern Tiefe und 44 Metern Breite größte Bühne der Welt. Das gesamte Orchester - natürlich auch das größte der Welt - kann musizierend seinen Graben verlassen und hydraulisch auf die Bühne gehoben werden. Hinter dem drei Tonnen schweren Vorhang aus Goldbrokat verbirgt sich zudem eine Riesenleinwand, denn die Music Hall ist auch noch der Welt größtes Kino.

In kürzester Zeit entwickelt sich die Radio City Music Hall zum "Wohnzimmer der Nation". Millionen Menschen lauschen dem Hörfunk, wenn "Live aus Radio City" Revue-Konzerte, Comedy-Shows oder Sinfonien übertragen werden. King Kong erobert von dort aus die Welt, Frank Sinatra singt dort "New York, New York". Von Ella Fitzgerald bis Liza Minelli erleben die größten Stars des Showbusiness Sternstunden ihrer Karriere auf der Bühne der Radio City Music Hall. Anfang der 70er Jahre jedoch ist der Glanz der alten Tage verblichen. 1978 soll die traditionsreiche Halle sogar abgerissen werden. Nach heftigen Protesten unter Denkmalschutz gestellt, wird der Nabel des Showbizz für 70 Millionen Dollar auf modernste Weise in den prächtigen Urzustand von 1932 zurück versetzt - inklusive der berühmten Rockettes. Vom ersten Tag an dabei, bilden die 36 beineschwingenden Damen der legendären Tanztruppe bis heute das bekannteste Aushängeschild der Radio City Music Hall.

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28. December 2007, 12:31   #394
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28. Dezember 1982: Erwin Bootz stirbt in Hamburg

Er ist der Mann am Klavier: Im März 1928 stößt Erwin Bootz zu fünf jungen Sängern, die ein Vokalensemble nach amerikanischem Vorbild gründen wollen. Der 21 Jahre alte Pianist wird ihr ständiger Begleiter. Nach monatelangem Proben singen die sechs dem Revuekönig Erich Charell vor, der sie sofort für seine Produktion "Casanova" verpflichtet. Charell gibt der Gruppe den Namen "Comedian Harmonists". Der Durchbruch gelingt im Dezember 1929 bei einem Auftritt im Leipziger Schauspielhaus: "Da erlebten wir einen Applaus, den wir noch nie gehabt hatten", erinnert sich der am 30. Juni 1907 in Stettin geborene Bootz. "Da wurde plötzlich getrampelt, geschrien, das Haus kam runter."

Bootz hat von Anfang an eine Ausnahmestellung in der Gruppe. Ausgebildet am Konservatorium und an der Musikhochschule in Berlin übernimmt er die musikalische Leitung. Mit Schlagern wie "Veronika, der Lenz ist da" und "Mein kleiner grüner Kaktus" hat die erste deutsche Boygroup großen Erfolg. Auch im Ausland wird sie bei ihren Auftritten gefeiert. Mitten in der Wirtschaftskrise verdienen die Musiker gut, fahren teure Autos und sind mit attraktiven Frauen liiert. Zunächst spielt es keine Rolle, dass drei Mitglieder des Ensembles jüdischer Abstammung sind. Das ändert sich 1933: Nach Hitlers Machtübernahme werden die "Comedian Harmonists" in der Presse als Judenbande angefeindet. Die jüdischen Mitglieder schlagen vor, gemeinsam zu emigrieren - doch die drei anderen, darunter auch Bootz, sehen für sich in Deutschland bessere Chancen. "Sie waren keine Nazis", sagt er jüdische Tenor Roman Cycowski. Sie hätten aber nur ans Geld gedacht. Cycowski ist überzeugt, dass sich Bootz von seiner ersten Frau hat scheiden lassen, weil sie Jüdin war - auch wenn Bootz selbst das immer bestritten hat.

1935 wird den "arischen" Mitgliedern verboten, weiterhin mit ihren jüdischen Kollegen zu musizieren. Das ist das Ende der "Comedian Harmonists". Die drei Juden ziehen ins Ausland. Beide Gruppen machen mit neuen Partnern weiter - ohne großen Erfolg. Das "Meistersextett", wie die in Deutschland bleibende Fraktion nun heißt, wird 1940 verboten. Ihr Gesang sei nicht geeignet, "den Wehrgedanken des deutschen Volks" zu stärken. Bootz hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt: Er heiratet seine Jugendliebe, die Tochter eines Nazis, und arbeitet als Komponist und Autor fürs Kabarett. Nach dem Krieg wandert er nach Kanada aus. Zurück in Deutschland schafft er in den 70er Jahren ein Comeback als Theater-Musiker. Peter Zadek holt den 65-Jährigen ans Bochumer Schauspielhaus, wo Bootz unter anderem die Musik für die Revue "Kleiner Mann, was nun?" arrangiert. Am 27. Dezember 1982 stirbt er mit 75 Jahren in Hamburg an einem Herzinfarkt.

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4. January 2008, 00:15   #395
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29. Dezember 1967: Die "Schwarzen Löcher" erhalten ihren Namen

Am 29. Dezember 1967 besucht der Physiker John Archibald Wheeler ein Astronomentreffen in New York. Diskutiert wird die Entdeckung der jungen Forscherin Jocelyn Bell aus Cambridge. Bell ist es gelungen, über eine Antennenvorrichtung Signale aus dem All zu empfangen, die regelmäßiger als Atomuhren pulsieren.Wheeler und seinen Kollegen ist klar, dass diese Töne nur von einem Stern stammen können, der in sich zusammengebrochen ist. "Rotierende Rote Riesensterne" will ein Wissenschaftler das Phänomen nennen, "Vibrierende Weiße Zwerge" ein anderer. Schließlich schlägt Wheeler"Vollständig Kollabierte Objekte" vor. "Wenn man sechs Mal 'Vollständig Kollabiertes Objekt' gesagt hat, sucht man nach etwas Kürzerem", erinnert sich der Physiker. "Und so kam ich auf 'Schwarzes Loch'."

Schwarze Löcher sind der Physik schon lange bekannt. Bereits 1783 überlegt der Kirchenmann John Michell, ob es neben Licht spendenden Sternen nicht auch solche geben müsse, die alles Licht dank ihrer Schwerkraft und Masse verschlucken. Michell berechnet, dass ein solcher Stern 100 Millionen mal schwerer als die Sonne sein muss und der Mensch derlei dunkle Gebilde nie würde sehen können. 1905 postuliert Albert Einstein, dass auch Lichtwellen der Schwerkraft unterliegen. Licht, Raum und Zeit können von "Schwarzen Löchern" aufgesogen werden, in denen völlig andere, bisher unbekannte physikalische Gesetze herrschen. Aber erst Robert Oppenheimer findet 1939 heraus, wie Sterne sterben, nachdem sie ihren Kernbrennstoff verbraucht haben. Alle Kräfte wie der Gas- und Strahlungsdruck verschwinden - außer der Schwerkraft im Innern. Der Stern schrumpft auf ein Minimum, seine Masse implodiert: die Geburt des "Schwarzen Lochs".

1967 macht Bell den Todesschrei des Sterns hörbar - monströse Schallwellen, erzeugt von Lichtzeichen und Röntgenblitzen, die mehrere Milliarden Jahre tönen. 1971 wird das erste Schwarze Loch im Sternbild Schwan gesichtet. Acht Jahre später schickt Walt Disney in "The Black Hole" einen größenwahnsinnigen Wissenschaftler mit einem Raumschiff namens Schwan mitten in "das größte Schwarze Loch, dem ich je begegnet bin". Wheelers Benennung ist auch in Hollywood angekommen.

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4. January 2008, 00:22   #396
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30. Dezember 1947: Der Kälte- und Hungerwinter 1947

Genießt den Krieg, so lange es geht; der Frieden wird furchtbar sein. So lautete eine zynische Durchhalteparole aus der Endphase des Naziregimes. Ende des Jahres 1947 ist sie bitter wahr geworden: Im zerbombten Deutschland fehlt es an allem; die Ernährungslage ist katastrophal. Fünf Pfund Brot und ein halbes Pfund "Nährmittel" ist derzeit die Lebensmittelration pro Kopf und Woche. Kein Fett, kein Fleisch, kein Gemüse, kein Obst. Das US-Magazin Time schreibt: "Das Ausmaß, in dem Hunde amerikanischer Besatzungsangehöriger getötet und verspeist werden, kommt einer Herausforderung gleich." Dazu erleben die hungernden Deutschen bereits den zweiten, brutal eisigen Winter in Folge und der Mangel an Heizmaterial ist mindestens so eklatant wie der an Nahrung.

Für ein kleines Wunder hat zwölf Monate zuvor Kardinal Josef Frings mit seiner Silvesterpredigt gesorgt. In solchen Notzeiten, verkündet er im Kölner Dom den völlig demoralisierten Menschen, "werde auch der Einzelne das nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat". Schnell entwickelt sich das "fringsen" zum Freibrief für jede illegale Art der Beschaffung von Kohlen und Kartoffeln. Auf Lebensmittelkarten erhalten die Überlebenden des Eiswinters Anfang Mai 1947 eine tägliche Brotzuteilung von einer dünnen Scheibe, ergänzt durch 210 Gramm Fett pro Monat. Immer heftiger wird unter den Besatzungsmächten diskutiert, ob eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Versorgung des deutschen Volks bestehe.

So frostig der Winter war, so unerträglich heiß wird der Sommer 1947. Die im Herbst folgenden Missernten verschärfen die Ernährungslage drastisch. Landwirte stehen vor leeren Scheunen und können selbst ihr Vieh nicht mehr ernähren. Immer mehr Betriebe müssen wegen Kohlemangel schließen; immer mehr Menschen gehen an Mangelernährung und Seuchen zugrunde. Wer kein Dach mehr über dem Kopf hat, kann sich mit viel Glück in einer "Nissenhütte" einquartieren. Zu Tausenden werden diese simplen Wellblechbaracken von den alliierten Militärbehörden aufgestellt. Mit Einbruch des Winters verschärft sich der Kampf ums nackte Überleben wie im Vorjahr durch Temperaturen jenseits von minus 20 Grad. Das Elend scheint kein Ende zu nehmen. Kaum jemand weiß zu dieser Zeit, dass das von Konrad Adenauer erhoffte Wunder bereits in Vorbereitung ist: Im April 1948 verabschieden die USA den Marshallplan. Mehr als zehn Milliarden Dollar werden für den Wiederaufbau des zerstörten Westeuropa freigegeben und schaffen die Grundlage für das deutsche Wirtschaftswunder.

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4. January 2008, 00:25   #397
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31. Dezember 1937: Geburtstag von Schauspieler Anthony Hopkins

Das südwalisische Port Talbot kann sich rühmen, gleich zwei der bekanntesten Schauspieler der Welt hervorgebracht zu haben. Der eine, Richard Burton, stattet 1952 seinem Heimatort einen Besuch ab. In der Schlange der Autogrammjäger steht auch ein Fünfzehnjähriger, den der Auftritt des Hollywoodstars mächtig beeindruckt. Als Burton im Jaguar winkend an ihm vorüberfährt, steht für Anthony fest: "Ich will hier raus und so berühmt werden wie der." Ein kühner Traum für jemanden, der als Legastheniker für etwas blöde gehalten wird, vor Schüchternheit kaum spricht und ständig den derben Scherzen seiner Klassenkameraden ausgesetzt ist. Doch 13 Jahre nach der Begegnung mit Burton spielt Anthony Hopkins unter der Regie seines Mentors Sir Laurence Olivier den Othello; 40 Jahre später ist Sir Anthony Hopkins selbst einer der bekanntesten Charakterdarsteller der Welt.

Aufgewachsen ist der am Silvestertag 1937 geborene Philip Anthony Hopkins in einer bescheidenen Wohnung direkt über der elterlichen Bäckerei. Der Eigenbrötler hasst die Schule und kapselt sich ab. Zu Ostern 1955, erzählt Hopkins später, zeigt ihm seine Mutter eine kleine Zeitungsannonce der Schauspielschule in Cardiff. Er fährt hin, spielt vor und wird angenommen. "Ich war kein guter Student. Ich war grässlich undiszipliniert, rebellisch und respektlos", erinnert sich Hopkins. Trotzdem darf das Naturtalent Anfang der 60er Jahre an die Royal Academy of Art in London wechseln und avanciert zur Zweitbesetzung von Akademieleiter Laurence Olivier. Obwohl der ihm rät: "Verschwende deine Zeit nicht mit Filmen", verzichtet Hopkins auf eine große Zukunft als Shakespeare-Mime. 1968 gibt er als Richard Löwenherz in "Der Löwe im Winter" neben Katherine Hepburn sein Leinwanddebüt.

Mit zunehmender Popularität häufen sich nun menschliche Probleme. Hopkins' Ehe zerbricht unter dem Stress, dem sich der perfektionistische Egomane aussetzt. Zunehmende Selbstzweifel, ein ungebremster Alkoholkonsum und Pöbeleien am Filmset belasten seine Karriere schwer. Als Hopkins 1973 in einem Hotel in Phoenix, Arizona erwacht, ohne zu wissen, wie er dorthin kam, macht er mit dem Saufen radikal Schluss. 20 Jahre und etliche viel beachtete Filme später schreibt Hopkins mit der Verkörperung des charmant-perfiden Menschenfressers Dr. Hannibal Lecter in "Das Schweigen der Lämmer" Kinogeschichte. Ausgezeichnet mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ist der Junge aus Südwales nun endgültig in der Richard-Burton-Liga der Superstars angekommen. Heute genießt Sir Anthony Hopkins Ruhm und Reichtum mit Ehefrau Stella in den Bergen über Malibu und ist mit sich im Reinen: "Bei mir fügte sich alles irgendwie. Aber mein Glück fassen kann ich noch immer nicht."

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