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28. June 2008, 20:00   #1
Ben-99
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'24' als Vorbild für Folterknechte in Guantanamo

... man mag es kaum glauben, was der "Stern" berichtet:

Zitat:
"Jack Bauer hat in Guantánamo Bay viele Freunde" ist ein Satz, der jeden "24"-Fan zusammenzucken lässt - eben weil er wahr ist.

TV-Serie '24': Foltern wie Jack Bauer
Und doch haben Militärs und Geheimdienst-Agenten eingestanden, daß man sich bei der Wahl der Folter-Methoden von der erfolgreichen TV-Serie gern "inspirieren" ließ.

Ich hatte mir damals nur die ersten paar Folgen von dem Scheiß angeschaut und kann es bis jetzt nicht verstehen, warum Fernsehzuschauer geil darauf sind, mit einem smarten Agenten mitzufiebern, wenn er sich über Menschenrechte und Gesetze hinwegsetzt, um durch perfide Torturen die "Freiheit" zu verteidigen, wie sie George Bush und andere Massenmörder verstehen. So soll das dumme Volk wieder mal auf einen neuen Angriffskrieg gegen die "Untermenschen" in den Ländern der "Achse des Bösen" vorbereitet werden.

Ist klar, daß der Artikel über ein aufsehenerregendes Buch vielen "Stern"-Lesern nicht gefällt, die auch weiterhin die inzwischen von Kritikern als "Folter-Porno" bezeichnete Serie "24" so harmlos wie ihre heißgeliebten Baller-Spiele finden.

Gruß Ben
 
1. July 2008, 11:14   #2
tommygoler
 
Registriert seit: December 2003
Beiträge: 489
... wenn man mal den polemischen-arroganten Blödsinn vom "dummen Volk" weglässt und beim angeblichen "Scheiß" berücksichtigt, dass die Serie "24" international seit Beginn an mit Auszeichnungen aller Art geradezu überhäuft wurde, ist die eigentlich interessante Frage für einen "24"-Fan wie mich eine ganz andere, und wie ich meine, auch die wirklich interessantere, nämlich:

Was tut man eigentlich, wenn die Mittel des Rechtsstaates an ihre Grenzen stoßen? Das es solche Situationen gibt, und zwar immer wieder und vor allem auch überall (!) auf der Welt, daran wurde man ja gerade gestern auch wieder erinnert beim Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Gäfgen, welches das absolute Folterverbot nochmals unterstrich. Was jedoch zu tun ist, wenn die Organe des Rechtsstaates bei "Gefahr in Verzug" ein drängendes Problem nicht lösen können, das bleibt - logischerweise - offen. Ganz interessant ist beispielsweise der Schlußabsatz eines FAZ-Kommentators dazu, der schreibt

Zitat:
Voraussetzung einer derart unbedingten Achtung des Folterverbots bleibt die Unterscheidung von Recht und Moral. Was der Einzelne im Extremfall für moralisch geboten hält, ist das eine. Was sanktionsbewehrt öffentlich für alle gelten soll, ist das andere. Keiner kann daran gehindert werden, gegen die gültigen Gesetze seiner moralischen Intuition zu folgen. Er muss, wenn die Sache vor Gericht kommt, freilich bereit sein, die rechtlichen Folgen zu tragen. Dieses gleiche Recht für alle hat auch Strassburg jetzt wieder herausgestellt. Es gilt, so stellen die Richter fest, für einen hochherzigen Polizeibeamten nicht minder als für einen niederträchtigen Kindsmörder. Eine Gleichbehandlung, die einen schwer ankommen mag, schaut man auf die Grausamkeit des vorliegenden Verbrechens. Aber jenseits dieser Gleichbehandlung gäbe es für den Rechtsstaat kein Halten mehr.
Quelle: Gäfgen-Urteil: Straßburg bekräftigt das Folterverbot - Hintergründe - Feuilleton - FAZ.NET

wobei er gerade mit dem letzten Satz zwar absolut recht hat, aber die Eingangsfrage bleibt unbeantwortet: Was tun, wenn man auf "normalem" Weg nicht weiterkommt? Dem Unglück seinen Lauf lassen? Sich individuell über Gesetze hinwegsetzen, um ein höheres Gut (welches?) zu schützen? Wer entscheidet das?

Und selbstverständlich setzen sich auch die Autoren von dem "24-Scheiß" mit all diesen Fragen auseinander, denn in der demnächst im Dreh beginnenden Staffel sieben steht Protagonist Jack Bauer zum Beispiel vor Gericht, um sich für sein Handeln zu verantworten. Ebenso ist die These, dass "24" eine Art "Antwort" auf den 11. September sei, natürlich völliger Quatsch, da die erste Staffel bereits Anfang November 2001 ausgestrahlt wurde - so schnell drehen noch nicht mal die Amis eine Serie ;-) Außer natürlich man glaubt, dass "24" nur ein weiteres Mosaiksteinchen im geheimen Masterplan von G.W.Bush ist, der ja auch nach Meinung einiger Spinner 9/11 selbst inszeniert hat, um danach den Irak bombardieren zu dürfen ... aber das können wir ja vielleicht an der Stelle mal außen vor lassen.

Jedenfalls, wie gesagt, die Beantwortung der Frage, was der Rechtsstaat tun soll, wenn die rechtsstaatlichen Mittel versagen, die halte ich schon für sehr bemerkenswert. Und sie ist ja auch nicht gerade neu, sondern seit ewigen Zeiten Gegenstand ungezählter rechtlich-moralischer Erläuterungen und Diskurse. Mit "24" hat sie allerdings - zugegeben - unmittelbar gar nichts zu tun, das geht schon etwas tiefer in die Materie.

Meine persönliche Meinung dazu habe ich mir, trotz oftmaliger Beschäftigung mit der Frage, übrigens bis heute nicht abschließend und eindeutig bilden können. Aber vielleicht ergibt sich ja hier der eine oder andere interessante neue Aspekt, den man diskutieren kann.
 
1. July 2008, 12:50   #3
Ben-99
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Beiträge: 5.899
Zitat:
Was tut man eigentlich, wenn die Mittel des Rechtsstaates an ihre Grenzen stoßen?
... dann akzeptiert man das, weil es sonst eben kein Rechtsstaat mehr wäre. Zu den "Vorteilen" einer Diktatur gehört ja, daß die Herrscher dort nie an ihre Grenzen stoßen. Insofern stellt sich die Frage doch überhaupt nicht, da es zum Glück um ein "absolutes" Verbot geht. In Deutschland darf nun mal nicht gefoltert werden. Auch nicht "ein bißchen" und auch nicht "in ganz seltenen Ausnahmefällen". Es darf auch nicht damit gedroht werden. Und wenn sich ein Polizist darüber hinwegsetzt, macht er sich strafbar. Ob allerdings das milde Urteil gegen den stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten abschreckende Wirkung auf andere übereifrige Beamte haben wird, wage ich zu bezweifeln.

Und dennoch hat der Fall auf sehr erfreuliche Art bewiesen, daß Deutschland nach wie vor ein Rechtsstaat ist. Dazu gehört auch, daß niemand von uns gezwungen wird, in diesem Land zu leben. Wer also meint, hier würde Täterschutz über das Interesse der Opfer gestellt, findet zum Beispiel in den USA diesbezüglich geradezu paradiesische Verhältnisse. Denn dort steht nicht die Resozialisierung des Verurteilten im Vordergrund, sondern es herrscht noch immer das Prinzip Rache wie noch vor hundert Jahren. Und wie man weiß, darf "in Ausnahmefällen" natürlich auch munter gefoltert werden.

Vielleicht schaue ich mir die nächste Staffel von "24" doch noch an, wenn sich Jack Bauer vor Gericht für seine Taten verantworten muß. Ich liebe nämlich die patriotischen amerikanischen Justiz-Dramen, bei denen am Ende kein Zweifel darüber besteht, daß ein US-Richter immer weise und gerecht urteilt, daß das Justizsystem das beste der Welt ist und wie maßgeschneidert zu einem Staat paßt, der für alle übrigen Länder Vorbildcharakter hat.

Und damit das auch so bleibt und dieser tolle Staat nicht von den unchristlichen Schurken aus diesen islamischen Drecksländern bedroht werden kann, darf der smarte Jack Bauer halt weiterhin foltern und morden. Er tut es ja für einen guten Zweck. Er tut es für Amerika und somit für uns alle. Daher gehört der Mann auch nicht in die Abteilung Terror-Abwehr. Der Mann gehört ins Weiße Haus als nächster Präsident der Vereinigten Staaten ;-)

Gruß Ben
 
1. July 2008, 19:33   #4
tommygoler
 
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Du lässt also dem Unglück gegebenenfalls seinen Lauf. Okay, ist ein Standpunkt. Gibt's auch andere Meinungen?
 
1. July 2008, 19:54   #5
Ben-99
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... nur, damit keine Mißverständnisse aufkommen - Du bist doch hoffentlich weiterhin für den Rechtsstaat? Man muß so etwas leider heute fragen, nachdem sich, vor allem in den neuen Bundesländern, bei Umfragen viele Menschen kritisch gegenüber unsere Demokratie als Staatsform ausgesprochen haben, was ich persönlich sehr beängstigend finde.

Gruß Ben



[edit]

Da das Thema inzwischen reine "Politik" geworden ist und weniger mit "Fernsehen" zu tun hat, habe ich es nun auch hier hin verschoben.
 
1. July 2008, 20:43   #6
tommygoler
 
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Beiträge: 489
"Man" muss das eigentlich gar nicht fragen, wenn "man" darauf verzichtet die Beiträge anderer absichtlich miss zu interpretieren. Aber um deinem Nebenschwenk gleich im Ansatz das Licht auszublasen: Ja, selbstverständlich bin ich für den Rechtsstaat. Du erschwerst die Diskussion aber nebenbei gesagt erheblich, wenn du anfängst Begrifflichkeiten durcheinander zu bringen bzw. gleichzusetzen. "Rechtsstaat" ist zum Beispiel historisch gesehen überhaupt keine "Erfindung" der Demokratie, sondern entstammt vielmehr dem Liberalismus. Außerdem sind beide Begriffe beileibe auch nicht gleichzusetzen, schon gar nicht in Deutschland. Aber wir betreiben hier ja - trotz der Themenverschiebung - Gottseidank kein Politikseminar, also lassen wir's gut sein an der Stelle, okay ;-) ?

Wie gesagt, mich würde interessieren: Gibt's auch anderslautende Meinungen?
 
3. July 2008, 09:32   #7
Ben-99
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Beiträge: 5.899
... hier noch zwei aktuelle Beispiele für das bekloppte amerikanische Justizsystem. Wegen sexuellen Mißbrauchs dreier Mädchen wurde ein Mann "zu mehr als 4000 Jahren Haft verurteilt" und darf "Bewährung erst im Jahr 3209 beantragen" *g*:

40-mal Lebenslang: US-Amerikaner zu 4060 Jahren Haft verurteilt

Dagegen wurde ein Doppelmörder freigesprochen, der mit seiner Pumpgun vorsätzlich zwei flüchtende Diebe aus 4 Metern Entfernung erschoß, die nicht mal in sein Haus, sondern in das eines Nachbarn eingebrochen waren. Und das Ganze auch noch während eines Telefonats mit der Polizei. Aber in Texas darf man so etwas ungestraft machen und hinterher auch noch stolz darauf sein:

Texas: Rentner erschießt flüchtende Einbrecher und bleibt straffrei

Dann lebe ich doch lieber in einem europäischen Land wie Deutschland, das die Bezeichnung "Rechtsstaat" verdient.

Gruß Ben
 
3. July 2008, 17:29   #8
Ben-99
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... der "Stern" hat dem skandalösen Fall von Selbstjustiz einen sehr ausführlichen Artikel gewidmet:

Zitat:
Seitdem hat Horn, 62, keine Minute im Gefängnis verbracht. Ein Polizist, der die Szene beobachtete, sah keinen Grund, ihn zu verhaften. An diesem Montag nun sprach auch eine Grand Jury Horn frei. Damit hat er keine Strafverfolgung mehr zu fürchten. Die Laienrichter hörten zwei Wochen lang die Zeugen in dem Fall, dann entschieden sie, Horn habe im Sinne des in Texas herrschenden "Castle Law" gehandelt. Somit ist er weder ein "Mörder" noch einer, der "Selbstjustiz" vollzogen habe, wie seine Kritiker beklagen, sondern der "Held", als den ihn seine Nachbarn feiern. Einer von ihnen, Randi Laird, jubelte nach der Entscheidung: "Sie waren Diebe, schießt ihnen in den Rücken, in den Hintern. Tötet sie."

(...)

Die Kritiker glauben, der Fall wäre ganz anders entschieden worden, hätte es sich bei Horn nicht um einen Weißen und bei den Einbrechern Hernando Torres, 38, und Diego Ortiz, 30, nicht um illegale Einwanderer aus Kolumbien gehandelt.

Selbstjustiz in Texas: Joe Horn macht kurzen Prozess
Man könnte kotzen. Aber so begreift man immerhin, warum dumme, schießwütige Amis auch in anderen Ländern über Leichen gehen und für ihre Massenmorde hinterher nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Für mich ist dieses Land krank. Und mit einer speichelleckenden Bush-Dienerin Angela Merkel besteht auch für Deutschland die Gefahr, von dieser Seuche infiziert zu werden.

Aber es geht hier ja um Jack Bauer aus "24", der nur die Aufgabe hat, möglichst unterhaltsam auch diejenigen TV-Zuschauer vom glorreichen "American Way of Life" zu überzeugen, die nicht in diesem schrecklichen Texas leben, wo noch immer Selbstjustiz und Rassenhaß regiert wie in den alten Zeiten des Wilden Westens. Das "Moderne" wird heute in Texas lediglich von den milliardenschweren Ölfirmen repräsentiert, die der heimatbewußte Texaner George Bush mit jedem Überfall auf einen islamischen Staat noch reicher macht.

Gruß Ben
 
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Stichworte
jack bauer, selbstjustiz, rassenhass, guantanamo, foltern, bush, usa




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