19. July 2008, 14:56 | #201 |
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19. Juli 1968: Tod der Puppenschöpferin Käthe Kruse
Eine Kartoffel, ein Handtuch und etwas warmer Sand. Mehr braucht die junge Käthe Kruse nicht, um zur Jahrhundertwende eine Puppe für ihre Tochter zu basteln. Es ist eine schlichte Puppe, aber doch so viel weicher und wärmer als die harten, zerbrechlichen Porzellanfiguren, mit denen kleine Mädchen sonst spielen müssen. Zwar rieselt bald der Sand aus dem Eigenbau, doch für Kruses Tochter wird das anschmiegsame Wesen zum heiß geliebten Spielpartner. Es ist der Urahn von "Schlenkerchen" und "Träumerchen", von "Dorli", "Mimerle" und "Däumelichen" - handgefertigte, knuddelige Persönlichkeiten mit echtem Haar und ernstem Blick für kleine Puppenmütter.
Katharina Simon wird am 17. September 1883 in Breslau als uneheliches Kind einer Näherin in eine ärmliche und lieblose Umgebung hinein geboren. Mit sechzehn zieht es sie zum Theater; schon ein Jahr später wird sie unter dem Künstlernamen Hedda Somin am Berliner Lessing-Theater engagiert. Sie taucht tief ein in die Berliner Boheme-Szene und verliebt sich 1901 in den berühmten, 30 Jahre älteren Bildhauer Max Kruse. Rasch werden zwei Töchter geboren, die das Ende der Schauspielkarriere bedeuten. 1910 heiratet Hedda ihren Max, heißt fortan Käthe Kruse und genießt eine weitgehend glückliche Künstlerehe jenseits der bürgerlichen Konventionen. Während die 20-jährige Mutter mit ihren beiden Kindern ins Tessin übersiedelt, hält sich Max meist in seinem Berliner Atelier auf. Eines Tages bittet Käthe ihn, der älteren Tochter Marie, genannt Mimerle, in Berlin eine Puppe zu kaufen. Max findet in den Geschäften aber nur steife, kühle Porzellanfiguren. "Nee, ick koof euch keene", schreibt er zurück. "Ick find se scheißlich. Macht euch selber welche." Mimerle ist fasziniert von der ersten Sandpuppe, die ihre Mutter ihr bastelt. Damit nichts mehr rausrieselt, stopft Käthe die folgenden Modelle mit feinem Rehhaar aus und gibt ihren Geschöpfen echte Zöpfe, blaue Augen, Stupsnase und Schmollmund. Es dauert nur Monate, bis ganz Berlin verrückt ist nach Mimerle. Kurz darauf trifft ein Telegramm aus den USA ein: "Auftrag zur Lieferung von 150 Käthe-Kruse-Puppen". 1912 ziehen die Kruses nach Bad Kösen und bald beschäftigt die unternehmungslustige Käthe in ihren Werkstätten 150 Mitarbeiter. Später wird die Kollektion um Aufsehen erregende Schaufensterpuppen erweitert. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs muss Käthe Kruse drei Schicksalsschläge überwinden. Zuerst stirbt Sohn Jochen an einem Gehirntumor, dann 1942 der inzwischen 88-jährige Max und kurz vor Kriegsende fällt ihr Sohn Friedebald in Russland. Nach dem Krieg eröffnet Käthes Sohn Max in Donauwörth ein neues Werk, während der alte Stammsitz im thüringischen Bad Kösen zum Volkseigenen Betrieb umfunktioniert wird. Käthe Kruse bleibt bis ins hohe Alter kreativ und als Firmenpatriarchin im Dienst. Am 19. Juli 1968, wenige Wochen vor Vollendung ihres 85. Lebensjahres, stirbt die weltbekannte Puppenmutter im bayerischen Murnau. Klick |
21. July 2008, 12:40 | #202 |
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20. Juli 1973: Todestag des Schauspielers Bruce Lee
Geboren wird Bruce Lee im Jahr des Drachen 1940 im chinesischen Krankenhaus von Los Angeles. Sein Vater singt in der Cantonese Opera von Hongkong, und nach Hongkong kehrt die Familie ein Jahr später wieder zurück. Seinen ersten Filmauftritt hat Lee als kräftig strampelndes Baby im US-Spielfilm "Golden Gate Girl" da schon hinter sich. Um sich gegen die Straßenbanden in den Ghettos von Hongkong durchsetzen zu können, beginnt der kleine, eher schmächtige Junge später mit dem Kampfsport. Eine diese Schlägereien bringt ihn fast ins Gefängnis.
1958 geht Lee zurück in die USA. Hier will der 18-Jährige Philosophie studieren. Sein Studium finanziert er sich zunächst als Tellerwäscher, später mit Kung-Fu-Unterricht. Dabei entwickelt Lee eine ganz neue Kampftechnik, die der "Jeet Kun Do" nennt und die sich aus Elementen klassischer asiatischer Kampfsportarten wie Kung-Fu, Aikido, Karate oder Judo zusammensetzt. Gleichzeitig arbeitet er an seiner Hollywood-Karriere und bekommt einige kleinere Auftritte. Als man ihn bei der Besetzung einer Kung-Fu-Serie nicht in Betracht zieht, geht Lee enttäuscht nach Hongkong zurück. Hier wird er innerhalb kürzester Zeit mit Filmen wie "Die Todesfaust des Cheng Li" (1971) zum Superstar. Mit seinem leichtfüßigen, fast tänzerischen Kampfstil setzt er im Kung-Fu- und Karatefilm neue Maßstäbe. 1972 bekommt Lee doch noch eine Chance in Hollywood. Im "Mann mit der Todeskralle" spielt er die Hauptrolle. Die Premiere des Films allerdings bekommt er nicht mehr mit: Lee stirbt am 20. Juli 1973, gerade einmal 32-jährig, in Hongkong. Gerüchte sprechen von einem Mord der chinesischen Mafia oder fanatischer Mönche. Offizielle Todesursache: Gehirnschwellung infolge einer Schmerzmittel-Allergie. Klick |
21. July 2008, 12:45 | #203 |
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21. Juli 1983: Niedrigste Lufttemperatur auf der Erde gemessen
Mit Kälterekorden kennen sich die Sowjets aus. Schließlich wurde in Sibirien die bisher niedrigste Temperatur an einem von Menschen bewohnten Ort gemessen: Minus 77,8 Grad Celsius in Oimjakon im Jahr 1938. Da kommen die USA nicht mit, die es einmal im - von den Russen gekauften - Alaska bei Snag auf Minus 65 Grad brachten.
Vielleicht ist es deshalb auch kein Zufall, dass die Russen auch im Süden den Kälterekord halten. Nachdem die Amerikaner in der Antarktis ihre erste Forschungsstation errichtet haben, ziehen 1957 auch die Sowjets nach: Tief im Landesinneren gründen sie Wostok. Eine gute Wahl, wie sich am 21. Juli 1983 zeigt. Da messen die Forscher in der Polarnacht Minus 89,2 Grad Celsius, die niedrigste jemals am Erdboden registrierte Lufttemperatur. Dass es um den Südpol kälter ist als am Nordpol, liegt an der riesigen Landmasse des einzigen - außer von Forschern - unbesiedelten Kontinents: Die Antarktis ist mit dem sie umgebenden Meereissockel 30 Millionen Quadratkilometer groß - etwa so groß wie Europa. Im Inland fällt der wärmende Effekt des Meeres weg, der den Nordpol wesentlich milder sein lässt, auch im sonnenlosen Polarwinter. Die Antarktis stellt somit in der Klimaküche der Erde den Gefrierschrank dar. Der sorgt zusammen mit dem Tropengürtel um den Äquator als Herd für die weltweite Dynamik der Luftströme. Deshalb spielt die Antarktis auch eine entscheidende Rolle in der Diskussion um den Klimawandel. 90 Prozent des irdischen Eises sind hier gebunden. Ihr Abschmelzen könnte die Ozeane um 70 Meter steigen lassen. Derzeit sendet die Antarktis irritierende Signale aus: Im Westen hat sich ihre Wintertemperatur in den letzten 50 Jahren um zwei Grad erhöht, der Eisgürtel schmilzt stellenweise. Im Osten dagegen wird es eher kälter und auch in der antarktischen Tiefsee hat man jüngst wieder fallende Temperaturen gemessen. Die Ursache ist ungeklärt. Klick |
22. July 2008, 13:49 | #204 |
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22. Juli 1948: Otto Waalkes wird geboren
Wie entstand eigentlich der Tarzanschrei? Otto Waalkes alias "Otto" hat in den siebziger Jahren auf diese Frage seine ganz eigene Antwort. In einem seiner Witze lässt er den Urwaldhelden ohne Lendenschurz durch den Dschungel hüpfen. Um seine Freundin Jane vor einer Horde Eingeborener zu retten, habe sich Tarzan von Baum zu Baum gehangelt, gibt Otto an. "Er greift eine Liane und ruft: 'Greif die Liane, Jane!' Und Jane griff zu. 'Aiaiaiaiaaaaa!'".
Waalkes wird am 22. Juli 1948 im ostfriesischen Emden geboren. In der Schule gilt er als Klassenclown. 1970 geht er zum Kunststudium nach Hamburg und wohnt zeitweise mit Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen in einer WG. Durch Auftritte in Clubs verdient er sich ein Zubrot - und muss die Erfahrung machen, dass sein Publikum mehr mit seinen witzigen Liedankündigungen anfangen kann als mit seinen Liedern selbst. In seinen beliebten "Otto"-Shows im Fernsehen wird er sich deshalb später oft auf die Ankündigung beschränken: "Jetzt das Lied von dem jungen Mann, der sehr faul ist. Er schläft nur mit 'ner Frau mit Schüttelfrost." Als Plattenfirmen auf Demotapes nicht reagieren, gründet Waalkes 1972 mit den "Rüssl Räckords" seine eigene Vermarktungsfirma. Fortan erfindet er Figuren wie Susi Sorglos oder Dr. Prügelpeitsch, die lange Zeit zum Allgemeingut gehören. Sein Zeichentalent nutzt Waalkes für seine berühmten Ottifanten: allein in den neunziger Jahren soll er an Merchandisingrechten damit umgerechnet 1,6 Millionen Euro verdient haben. Für seine Shows, Platten und Kinofilme bedient sich "Otto" hin und wieder auch der Witze von Kollegen wie Heinz Erhardt oder in Satiremagazinen. Als sich der Dichter Robert Gernhardt bei ihm meldet, weil er eine Pointe von ihm verwendet habe, stellt er ihn kurzerhand als Gagschreiber ein. 2004 gelingt Waalkes als Co-Produzent und Mitspieler in "Sieben Zwerge - Männer allein im Wald" ein viel beachtetes, aber in der Kritik nicht unumstrittenes Comeback. Überhaupt ist das Blödeln für den Entertainer ein einträgliches Geschäft. Jahresumsatz 1996: über 10 Millionen Euro. Klick |
23. July 2008, 08:49 | #205 |
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23. Juli 1993: Strafverschärfung für Kinderpornografie
Nach Schätzungen werden weltweit jährlich rund 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen Opfer sexueller Gewalt. Allein in Deutschland sollen pro Jahr 15.000 bis 20.000 Kinder sexuell missbraucht werden. Die Dunkelziffer wird mindestens vier Mal so hoch geschätzt. Oft wird der Missbrauch gefilmt, fotografiert und als Pornografie verkauft. Die vorwiegend männlichen Täter gehören allen Alterstufen, Berufsgruppen und gesellschaftlichen Schichten an. 50.000 bis 60.000 Pädophile soll es in der Bundesrepublik geben. Die Befriedigung ihrer Neigung ist ein Geschäft: Eine Internetseite mit Kinderpornografie soll ihrem Betreiber durchschnittlich rund 30.000 Dollar Gewinn pro Monat bringen. Zwölf Milliarden Dollar werden schätzungsweise jedes Jahr mit Kinderprostitution und Kinderpornografie verdient.
Anfang der 1990er Jahre werden in der Bundesrepublik eine Reihe von Gesetzen beschlossen, um den Missbrauch einzudämmen. Erstmals wird 1993 der Besitz kinderpornographischer Darstellungen unter Strafe gestellt. "Dem Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch dient nicht zuletzt auch eine effektive strafrechtliche Verfolgung der Täter", sagt damals Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Am 23. Juli 1993 unterschreibt Bundespräsident Richard von Weizsäcker das 27. Strafrechtsänderungsgesetz für Kinderpornografie. Ein "zahnloser Papiertiger", sagen Fachleute später. 1998 wird das Strafrecht noch einmal verschärft: zehn Jahre Haft für Hersteller und Verbreiter, zwei Jahr für Konsumenten. Doch es gibt Zweifel, ob man Pädophilen mit Strafen beikommen kann. Aus therapeutischer Sicht stellt Psychologin Janina Neutze vom Institut für Sexualmedizin an der Berliner Charité fest, "dass für die Betroffenen selber das Strafrecht keinerlei abschreckende Wirkung hat." Insbesondere bei der Nutzung kinderpornografischer Materialien hätten die meisten vielmehr die Erfahrung gemacht, dass sie nicht erwischt würden. An der Charité werden seit 2005 Pädophile therapiert, die noch nicht straffällig geworden sind. Etwa die Hälfte aller Missbrauchsfälle an Kindern wird von Pädophilen begangen. Die andere Hälfte sind Kriminelle und Täter mit Persönlichkeitsstörungen. Die Therapie bewirkt, sagt Psychologin Neutze, "dass die Zahl der sexuellen Übergriffe deutlich zurückgeht und dass wir einen Rückgang der Nutzung kinderpornografischer Materialien haben." Klick |
25. July 2008, 09:23 | #206 |
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24. Juli 1783: Simón Bolivar in Caracas geboren
Heute findet sich seine Figur sogar im Volkskult als ein "Geist des Krieges", und seine Figur steht auf manchem Hausaltar in Venezuela: ein geschnitztes Stück Besenstiel mit Säbel. Dabei ist Simón Bolivar zunächst kein Mann des Volkes, sondern ein Kind der aristokratischen Oberschicht. Seine Eltern schicken ihren am 24. Juli 1783 in Caracas geborenen Sohn zur Ausbildung nach Madrid, wo er sogar mit dem Kronprinzen Ferdinand Federball spielt. Hier heiratet er 1802 die schöne Mariá Teresa Rodrígez de Toro. Aber Maria stirbt schon ein Jahr später, kurz nach der Rückkehr des Paares nach Caracas.
Der junge Witwer geht wieder nach Europa: In Frankreich lässt er sich von den Ideen der Revolution begeistern. Hier entsteht sein Plan, aus Lateinamerika einen unabhängigen Verfassungsstaat zu machen, frei von der kolonialen Ausbeutung durch die Spanier. Die Geschichte arbeitet für ihn: 1808 setzt Napoleon in Spanien seinen Bruder zum König ein, was einen Bürgerkrieg auslöst. Spanien kann sich kaum um seine Kolonien kümmern. So beginnt Bolivar von Venezuela aus einen langen, zermürbenden Befreiungskrieg. Zeitweise verliert er und wird nach Haiti verbannt. Wieder zurückgekehrt mobilisiert er 1816 das Volk, indem er die Befreiung aller Sklaven verkündet. Außerdem lässt er Veteranen der napoleonischen Kriege aus Europa anwerben. Der deutsche Major Otto Braun wird sogar sein Kriegsminister. Bis 1824 kämpft Bolivar die spanischen Kolonialherren in ganz Südamerika nieder. Er will einen lateinamerikanischen Superstaat errichten, eine Republik mit den Territorien Venezuelas, Boliviens, Kolumbiens. Aber der Kontinent ist schlecht entwickelt, hat kaum ausgebaute Straßen und lässt sich deshalb nicht zentral regieren. Außerdem streben Bolivars Militärführer nach eigener Macht. Schon 1819 will Bolivar seine Macht an das gewählte Parlament abgeben. Aber dieses wählt ihn zum Präsidenten mit diktatorischen Vollmachten. Bolivar will zwar einen demokratischen Rechtsstaat, aber die sozialen und rassischen Gegensätze überwindet er nicht. Allgemeine Schulpflicht und eine Bodenreform bleiben Idee. Am Ende zieht sich Bolivar resigniert aus den Machtkämpfen territorialer Führer zurück. "Dieses Land wird unweigerlich in die Hände der zügellosen Massen fallen", schreibt er. "Und danach wird es auf Kleintyrannen aller Hautfarben und Rassen übergehen." Er will wieder nach Europa. Aber er stirbt 1830 vor der Abreise an Tuberkulose. Sein Leichnam wird nach Caracas gebracht. Nur sein Herz bleibt verschwunden. Klick |
25. July 2008, 09:26 | #207 |
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25. Juli 1968: Paul VI. veröffentlicht Rundschreiben "Humanae vitae"
Papst Paul VI. hat den Ruf eines Reformers: Von seinem Amtsantritt im Juni 1963 bis Ende 1965 leitet er das Zweite Vatikanische Konzil, das den Katholizismus modernisiert. Er schafft den Index verbotener Bücher ab, hebt den Kirchenausschluss der Orthodoxen auf, reist zur UNO nach New York, führt Verhandlungen mit den Ostblockstaaten. Diesen Ruf als "moderner Papst" verliert Paul VI. am 25. Juli 1968. An diesem Tag veröffentlicht er die Enzyklika (Rundschreiben) "Humanae vitae" ("Von der menschlichen Würde"). Ab jetzt hat er einen Spitznamen: "Pillen-Paul".
Das Konzil hatte die Frage der Empfängnisverhütung offen gelassen, denn die 1960 auf den Markt gekommene Pille hatte die Diskussionsgrundlage völlig verändert. Paul VI. setzt zwei Kommissionen zu Klärung der moralischen Fragen um die Geburtenregelung ein: eine der Fachleute und eine der Bischöfe. Beide kommen mehrheitlich zu dem Ergebnis, die Pille könne als Mittel verantwortlicher Familienplanung akzeptiert werden. Aber der Papst schließt sich dem Minderheitsvotum an. Er könne von der Verurteilung künstlicher Empfängnisverhütung durch seine Vorgänger nicht abgehen, erklärt Paul. Die Kernaussage von "Humanae vitae" lautet: Künstliche Verhütungsmittel verstoßen gegen die natürliche Ausrichtung der Sexualität auf die Fortpflanzung. Erlaubt ist katholischen Ehepaaren deshalb nur die sogenannte "natürliche Familienplanung", bei der per Temperaturmessung die unfruchtbaren Tage der Frau bestimmt und zum Geschlechtsverkehr genutzt werden. Mitten im unruhigen Jahr 1968 löst das einen Sturm der Entrüstung auch in der Kirche aus: Theologen kritisieren den künstlichen Begriff des Papstes von "natürlich": Warum sollte eine komplizierte Methode der Bestimmung unfruchtbarer Tage die Natur nicht unzulässig austricksen, ein chemisches oder mechanisches Mittel aber wohl? Katholische Frauen stoßen sich vor allem an der Bevormundung ihrer intimen Entscheidungen. Deshalb erklärt die Deutsche Bischofskonferenz Ende August 1968 in ihrer "Königsteiner Erklärung", dass Katholiken die päpstliche Entscheidung zwar ernsthaft erwägen, aber dann eine eigene, unter Umständen auch abweichende Gewissensentscheidung treffen müssten. Den Glaubwürdigkeits-Verlust des Vatikans in Sachen Sexualmoral verhindert das nicht. Klick |
26. July 2008, 14:06 | #208 |
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26. Juli 1928: Filmregisseur Stanley Kubrick geboren
Stanley Kubrick ist eine Art Fotograf unter den Regisseuren. Im Sciencefiction-Epos "2001: Odyssee im Weltraum" (1968) gibt es Sequenzen, die sich dem Standbild nähern. Und noch in der Stephen-King-Verfilmung "Shining" (1980) werden Kubricks Anfänge als Fotoreporter der Zeitschrift "Look" im symmetrischen Bildaufbau überall offenbar. Bezeichnenderweise endet "Shining" mit dem Blick auf ein gerahmtes Gruppenporträt, in dessen Mitte Jack Nicholsons gefrorenes Grinsen die Filmzeit stehenbleiben lässt.
Geboren wird Kubrick am 26. Juli 1928 in New York City. Sein Vater unterrichtet ihn im Schach und schenkt ihm einen ersten Fotoapparat, mit dem der Sohn durch das Loch in einer Einkaufstasche seine Mitmenschen fotografiert. Schon damals gilt Kubrick als kreativer Einzelgänger. Wenige Tage nach dem Tod von US-Präsident Franklin D. Roosevelt fotografiert er 1945 einen trauernden Zeitungsverkäufer. Das Bild bringt dem 16-Jährigen ein Volontariat bei "Look" ein. Seinen ersten Spielfilm "Fear and desire" (1953) wird Kubrick später als "lausiges Werk" bezeichnen. Trotzdem kündigt er bei "Look", um sich mit 30 Dollar Arbeitslosengeld und Gewinnen aus seinen Siegen beim Blitzschach in der Tasche seinen Traum von einer Karriere als Regisseur zu erfüllen. Mit dem Anti-Kriegs-Film "Wege zum Ruhm" (1957) mit Kirk Douglas in der Hauptrolle kommt schließlich der Durchbruch. Fortan erwirbt sich Kubrick in Hollywood den Ruf, als besessener Bilderkünstler ohne Rücksicht auf Produktionsfirmen oder Schauspielstars seine eigenen Ideen umsetzen zu wollen. Für damalige Verhältnisse völlig unüblich, überlassen die Studios dem Regisseur sogar das Recht des "final cut", der letztendlichen Filmversion. Auf diese Weise entstehen Meisterwerke wie "Lolita" (1962), "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" (1963), "Uhrwerk Orange" (1971) oder "Full Metal Jacket" (1987). Sein letzter Film genau war "Eyes Wide Shut" nach Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" mit Nicole Kidman und Tom Cruise in den Hauptrollen. Zwei Tage nach Vollendung des Films stirbt Kubrick 1999 völlig überraschend in der Nähe von London an einem Hirnschlag. Klick |
27. July 2008, 12:54 | #209 |
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27. Juli 1953: Waffenstillstand von Panmunjon unterzeichnet
"Korea ist ein kleines Land, tausende Meilen entfernt, aber was dort geschieht, geht jeden Amerikaner an", sagt US-Präsident Harry S. Truman im Sommer 1950 zu Beginn des Koreakrieges. Nordkoreanische Truppen haben am 25. Juni den Südteil des Landes angegriffen. Die Alliierten hatten Korea am Ende des Zweiten Weltkrieges willkürlich am 38. Breitengrad geteilt. Bis 1945 war Korea japanisches Besatzungsgebiet gewesen, danach ein Land mit zwei Systemen: Der Norden ist kommunistisch und unter dem Einfluss Stalins und Maos, der Süden kapitalistisch und unter dem Einfluss der USA. Die Vereinten Nationen verurteilen den Angriff der Nordkoreaner - und schicken zum ersten Mal in ihrer Geschichte Truppen, um den Bürgerkrieg zu beenden. Offiziell handelt es sich um eine UN-Polizeiaktion unter dem Oberbefehl der USA. Am 19. Juli 1950 gibt US-Präsident Truman die Mobilmachung bekannt. Insgesamt beteiligen sich 16 Nationen, doch das meiste Geld und die meisten Soldaten kommen aus den USA.
Ursprünglich sollen die UN-Truppen nur den Süden befreien - bis zum 38. Breitengrad. Doch dann stoßen die Truppen bis nach Nordkorea vor. "Das war eine rein amerikanische Entscheidung", sagt Professor Rolf Steininger, Historiker an der Universität Innsbruck. Es sei der erste Versuch gewesen, ein kommunistisches Land zu befreien - gemäß der sogenannten Truman-Doktrin. Anfangs haben die UN-Truppen Erfolg. Doch ein massiver Gegenschlag der Chinesen Ende November 1950 zwingt sie zum Rückzug. Daraufhin verhandeln die Kriegsparteien immer wieder ergebnislos über einen Waffenstillstand. Nach zwei Jahren entscheidet sich die amerikanische Regierung für einen letzten Verhandlungsversuch: "Wenn das dann nicht funktioniert, werden wir massiv diesen Krieg ausweiten, um ihn zu beenden - und zwar mit Atomwaffen." So beschreibt Professor Steininger die Überlegungen des neuen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower. Doch soweit kommt es nicht. Stalin, der einen Waffenstillstand so lange wie möglich hinausgezögert hat, um die Amerikaner in Korea zu binden, stirbt am 5. März 1953. Gut vier Monate später gibt US-Präsident Eisenhower das Ende des Koreakrieges bekannt. Am 27. Juli 1953 wird in Panmunjon am 38. Breitengrad ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Die Bilanz des Krieges: 3,5 Millionen Koreaner, eine Million Chinesen und rund 37.000 US-Soldaten haben ihr Leben verloren. Einen Friedensvertrag haben beide Staaten bis heute nicht unterzeichnet. Korea ist noch immer geteilt. Aus Sicht von Professor Steininger ist der Koreakonflikt "der entscheidende Schritt hin zum organisierten Kalten Krieg", der Beginn der Rüstungsspirale. Klick |
28. July 2008, 08:03 | #210 |
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28. Juli 1963: Tod des Auto-Industriellen Carl F. W. Borgward
Carl Friedrich Wilhelm Borgward ist eine der schillerndsten Symbolfiguren des deutschen Wirtschaftswunders. Bis zum letzten Moment regiert der hemdsärmelige Selfmademan und geniale Tüftler wie ein absoluter Monarch über sein Auto-Imperium. Dieser letzte Moment kommt am Abend des 30. Januar 1961. Am Steuer seines Wagens hört Borgward die 19.00-Uhr-Nachrichten von Radio Bremen. Und erfährt völlig unvorbereitet, dass seine Firmengruppe zahlungsunfähig ist, weil der Bremer Senat dem notorisch klammen Unternehmen ohne Vorwarnung einen Zehn-Millionen-Kredit storniert hat. Frisches Geld werde erst fließen, wenn Borgward sein Lebenswerk ersatzlos an den Senat abtrete. Mit einem Schlag wird aus dem Patriarchen ein Bankrotteur. Fünf Tage später unterschreibt Carl Borgward als gebrochener Mann seine Kapitulationserklärung.
Bereits als Schüler bastelt der am 10. November 1890 in Altona geborene Sohn eines Kohlenhändlers sein erstes Automobil - aus einer Zigarrenkiste, einem Uhrwerk und einem Zahnradgetriebe. Carl absolviert eine Schlosserlehre, besucht die Maschinenbauschule und steigt 1919 in eine kleine Firma ein, die Kühler herstellt. Fünf Jahre später gelingt ihm der erste große Wurf. Aus einem als motorisierte Schubkarre konzipierten Gefährt entwickelt Borgward das legendäre Goliath-Dreirad. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Wilhelm Tecklenborg übernimmt Borgward 1929 die maroden Hansa-Lloyd-Motorenwerke und legt mit einem untrüglichen Gespür für Innovationen und Marktnischen den Grundstein zu seinem Konzern. 1937 kapituliert Tecklenborg vor dem durch nichts zu bremsenden Expansionsdrang seines Kompagnons und steigt aus. Borgwards Kommentar: "Wer nicht schwindelfrei ist, der sollte nicht auf Berge klettern." Mit seinem neuen Werk in Bremen-Sebaldsbrück, der modernsten Autofabrik Deutschlands, steigt Borgward im Dritten Reich zum Wehrwirtschaftsführer auf. Nach Kriegsende wird er als Mitläufer neun Monate interniert. Kaum in Freiheit, lässt der besessene Ideenproduzent einen Publikumsrenner nach dem anderen an seinen Fließbändern zusammenschrauben. Im Hansa 1500, dem liebevoll "Leukoplastbomber" getauften Lloyd 300, und der 1954 vorgestellten Isabella rollen die frisch gebackenen Bundesbürger in den Wohlstand hinein. Die Krise beginnt für Borgward Ende der 50er Jahre mit drastischen Verkaufsrückgängen in den USA, seinem wichtigsten Exportmarkt. Nun rächt sich, dass der menschlich schwierige Alleinherrscher nie Wert auf gute Kontakte zu Banken, Bundesregierung und Bremer Senat gelegt hat. So gerät das chronisch finanzschwache Unternehmen, das von den als Kreditgeber benutzten Lieferanten hämisch "Borgen und Warten" getauft wird, zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten. Eine 50-Millionen-Mark-Bürgschaft des Senats verschafft kurzfristig Luft, bis die Politiker dem ungeliebten Unternehmer im Februar 1961 den Geldhahn endgültig zudrehen und das Werk in den Konkurs rauschen lassen. Bittere Ironie: Noch wenige Monate zuvor hat der US-Konzern Ford 200 Millionen Dollar für den deutschen Autobauer geboten, was der sture Borgward allerdings ignorierte. Nun wird er mit 70 Jahren brutal aufs Abstellgleis geschoben. "Er hat weiter funktioniert", erzählt seine Tochter Monica, "aber gelebt hat er nicht mehr." Am 28. Juli 1963, nur zwei Jahre nach seinem erzwungenen Abtritt, stirbt Carl Friedrich Wilhelm Borgward in seiner Bremer Villa an Herzversagen. Klick |
29. July 2008, 07:43 | #211 |
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29. Juli 1958: Gründungsurkunde zur Nasa unterzeichnet
Es ist ein leises Piepen, das die USA in Schockzustand versetzt. Gesendet wird es im Oktober 1957 von der Raumsonde Sputnik, die die Russen kurz zuvor ins All geschossen haben. In Zeiten des Kalten Kriegs sorgt dieses Piepen in Amerika für heiße Diskussionen und hektische Betriebsamkeit. Wie kann man verhindern, dass die Sowjetunion Amerika im Orbit davonläuft und sich die Vormachtstellung im Universum sichert?
US-Präsident Dwight David Eisenhower will einen Kampf ums All mit friedlichen Mitteln. Sein Ziel ist eine zivile Luft- und Raumfahrtbehörde, die, ihrer Struktur nach eher demokratisch, die Geschicke der USA im Weltall lenken soll. Am 29. Juli 1958 unterzeichnet Eisenhower mit dem "Space Act" die Geburtsurkunde der "National Aeronautics and Space Administration", kurz: Nasa. Gut zwei Monate später tritt der "Space Act" formal in Kraft. Die Nasa zieht nach Washington D.C. Die Anfangsjahre der Nasa sind nicht gerade erfolgreich. Mit Juri Gagarin schicken die Russen nach dem ersten Satelliten und dem ersten Hund 1961 auch den ersten Menschen ins All. Eisenhowers Nachfolger John F. Kennedy schreibt daraufhin die Eroberung des Mondes noch in dieser Dekade auf die US-Fahne. Bis zu sechs Milliarden Dollar im Jahr fließen danach ins Apollo-Programm. Aber die erste Mission des scheitert - wie später viele andere. Drei Astronauten kommen 1967 beim Brand in der Kapsel noch auf der Startrampe ums Leben. Im Juli 1969 schließlich gelingt Neil Armstrong der große Schritt auf den Mond. Da das Apollo-Programm allerdings zu teuer ist, setzt die Nasa mit Columbia Anfang der achtziger Jahre auf eine wieder verwendbare Raumfähre - und verzichtet zudem aus Kostengründen immer mehr auf Sicherheitschecks. Trotz Warnungen von Ingenieuren kommt es deshalb 1986 und 2003 zu tödlichen Katastrophen. Für 2037 hat sich die zivile Weltraumbehörde das nächste große Ziel gesteckt: den ersten bemannten Flug zum Mars. Klick |
30. July 2008, 11:50 | #212 |
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30. Juli 1898: Geburtstag des Bildhauers Henry Moore
Für Henry Moore ist die Natur der größte Bildhauer. Seine Güsse von abstrahierten Frauenkörpern haben die glatten Rundungen von Steinen als Vorbild. Dann formt er kleine Modelle, die er von allen Seiten betrachten kann. Wenn alles stimmig ist, entstehen nach den Modellen die massigen, elegant geschwungenen Bronzeskulpturen, die in vielen öffentlichen Parkanlagen stehen und oft nur durch ihre Titel als weibliche Figuren zu erkennen sind: zumeist aus zwei Teilen bestehend und mit einem Loch in der Mitte.
Moore wird am 30. Juli 1898 als siebtes Kind eines Angestellten im britischen Castleford geboren. Schon als Kind soll er beschlossen haben, Bildhauer zu werden In seinem Kunstlehrer findet er einen begeisterten Förderer. 1919 beginnt Moore in Leeds ein Kunststudium, wobei er sich von afrikanischer Schnitzkunst und der klassischen Moderne beeinflussen lässt. Seinen Durchbruch erlebt er aber erst nach dem zweiten Weltkrieg. 1948 wird ihm der internationale Skulpturenpreis der Biennale von Venedig verliehen. In der Folge avanciert Moore zu einem der gefragtesten und teuersten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. An vier "documenta"-Schauen nimmt er teil. 1963 wird er für seine herausragenden Leistungen im Bereich der Kunst von der britischen Königin mit dem "Order of Merit" ausgezeichnet. Kritiker werfen Moore immer wieder vor, sich während seiner Karriere nicht entscheidend weiterzuentwickeln. Befürworter aber lieben gerade diese Kontinuität. Vor allem Politiker gehören zu seinen Bewunderern. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der persönlich mit dem Künstler befreundet ist, kauft Moores "Large two forms" für das Bundeskanzleramt in Bonn. Wann immer von Haushaltslöchern die Rede ist, ist die Skulptur wegen ihres markanten Lochs zu sehen. Gerhard Schröder (SPD) wird sich später für eine eher kantige Skulptur des Bildhauers Eduardo Chillida entscheiden, um den Vorhof des Berliner Bundeskanzleramts zu schmücken: da gilt Moore schon als überholt. Er stirbt 1986 in Much Hadham, Hertfordshire. Klick |
1. August 2008, 13:47 | #213 |
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31. Juli 1903: Einführung des Barbiturats Veronal
Was verbindet den Satiriker Kurt Tucholsky mit Sex-Ikone Marilyn Monroe und Gitarren-Gott Jimi Hendrix mit "Ehrenwort"-Politiker Uwe Barschel? Sie alle haben unter nie ganz geklärten Umständen Selbstmord begangen - und bei jedem von ihnen wird nach dem Tod eine hohe Konzentration desselben Medikaments im Blut festgestellt: Veronal. Das Barbiturat gilt als erste kommerziell erfolgreiche Schlaftablette und macht als "Lifestyle-Droge" über ein halbes Jahrhundert lang eine zweifelhafte Karriere. Sein Wirkungsspektrum, erklärt die Dortmunder Pharmazeutin Christine Othmer, verursacht dosisabhängig "eine Beruhigung, einen Schlaf, eine Narkose, ein Koma und schließlich den Tod".
Dem Chemiker Adolf von Baeyer gelingt 1863 erstmals die Synthese eines bald wichtigen Ausgangsstoffs. Den an sich harmlosen Harnstoff verband er in einem Kondensationsverfahren mit dem höchst gefährlichen Zellgift Malonsäure. Über die Namensgebung gibt es unterschiedliche Überlieferungen. Weil ihm seine Entdeckung am Namenstag der heiligen Barbara gelang oder wegen seiner damaligen Liebe zu einem Fräulein Barbara tauft er das Produkt "Barbitursäure". Doch es bleibt von Baeyers Schüler, dem 1852 bei Euskirchen geborenen Emil Fischer, vorbehalten, daraus ein für damalige Verhältnisse sensationelles Medikament gegen Schlaflosigkeit zu entwickeln. Angeregt durch Forschungen des Mediziners Joseph von Mering stellt der Chemie-Nobelpreisträger 1903 Diethylbarbiturat her. Erste Tests, zunächst an Hunden, dann an Patienten einer psychiatrischen Klinik, beweisen eine tief greifende und lang anhaltende Wirkung von Fischers Schlafmittel. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es laut geworden in Deutschland. Die fortschreitende Industrialisierung und eine Explosion der Bevölkerungszahlen lassen vor allem in den Großstädten den Lärmpegel drastisch steigen. Jeder Vierte leidet unter Schlafstörungen. Auf ein Wundermittel wie das von Emil Fischer haben die Pharmaunternehmen Bayer in Leverkusen und Merck in Darmstadt sehnlichst gewartet. Am 31. Juli 1903 kommt die von seinem Erfinder auf den Namen "Veronal" getaufte Schlaftablette auf den Markt und macht Emil Fischer innerhalb weniger Jahre zum Millionär. Aber schnell zeigt sich, das der laut Werbung "erquickende Schlaf ohne lästiges Aufwachen" etliche Nebenwirkungen nach sich zieht. Es dauert Tage, bis Veronal im Körper abgebaut ist. Berichte über Suchtverhalten und Selbstmorde häufen sich. Auch die bald eingeführte Rezeptpflicht kann daran wenig ändern. Obwohl die Barbiturate nach dem Zweiten Weltkrieg unter Medizinern in Verruf geraten, geht Veronal noch bis Anfang der 60er Jahre in der Bundesrepublik über die Ladentheken. Klick |
1. August 2008, 13:52 | #214 |
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01. August 1998: Deutsche Rechtschreibreform tritt in Kraft
Gerhard Augst hat immer einen kleinen Spickzettel in seinem Portmonee. Es ist eine Erinnerung an die schlimmsten Kritiken seines Lebenswerks. Ein "gemeingefährlicher Akt" sei das, woran der Professor für Germanistische Linguistik an der Universität Siegen maßgeblich mitgearbeitet habe, schrieb etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", ein Wissenschaftskollege sprach von einem "menschenverachtenden Massenexperiment". Der deutsche Dichter Hans Magnus Enzensberger verglich die Arbeitsgruppe mit der Mafia. Und der Präsident der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung nannte sie schlichtweg "Deppen".
Gemeint ist die "Kommission für Rechtschreibfragen" am Institut für Deutsche Sprache, der Augst seit 1976 angehört und seit 1990 vorsteht. Sie hat sich zusammengefunden, weil die Orthographie für Schüler zu schwer sein soll. Radikal will die Kommission durch den deutschen Sprachdschungel mähen. Eine gemäßigte Kleinschreibung, die laut Ansicht der Befürworter rund 40 Prozent aller Rechtschreibfehler beseitigen könnte, wird angedacht. "Kaiser" soll fortan mit "ei" geschrieben werden. Am 1. August 1998 tritt die reformierte Rechtschreibung in deutschen Schulen und Verwaltungen übergangsweise und parallel zu alten Schreibweisen in Kraft. Seit 2006 ist sie verbindlich. Schifffahrt wird seitdem mit drei "f" geschrieben. Das "ß" vor kurzen Vokalen ist dem "ss" gewichen. Aus den hehren Plänen der "Kommission für Rechtschreibfragen" wird trotzdem nicht viel. Die Aufbruchstimmung und der Wunsch nach Chancengleichheit in den frühen siebziger Jahre hat in den Neunzigern längst einem eher traditionellen Sprachgefühl Platz gemacht. Große Tageszeitungen verweigern sich der Reform ebenso wie ein Großteil der Bildungselite. Allein 30 Urteilssprüche des Bundesverfassungsgerichts erzwingen die Gegner. "Total aggressiv" wird Augst die Diskussionen später nennen, als deren Folge die Rechtschreibreform immer stärker abgeschwächt wird. "Wenn Sie das 'ss' fürs 'ß' weglassen", sagt Augst, "dann muss man wirklich schon suchen, bis man etwas findet", das reformiert worden ist. Klick |
10. August 2008, 13:27 | #215 |
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02. August 1928: Geburtstag des Designers Luigi Colani
Luigi Colani inszeniert sich gern als italienischer Macho. "Erotik ist für einen Mann ja etwas Irres", gibt der exzentrische Designer mit dem markanten Schnauzbart und dem braun gefärbten, schulterlangen Haar zu Protokoll. "Wir lieben ja die Rundungen. Unsere Hände sind für Brüste und Pos gemacht." Vielleicht ist dies der Grund, warum die Autos, Häuser, Notebooks und Sessel des Designers derart aerodynamisch und nach natürlichem Vorbild geformt sind.
Colani wird am 2. August 1928 als Lutz Colani in Berlin geboren. Sein Vater ist Schweizer, die Mutter Polin. Statt gekauftem Spielzeug geben sie ihrem Jungen Knete, Gips und Holz. Mit sieben Jahren sei er ein Perfekter Bastler gewesen, wird sich Colani später erinnern: einer, der seine "Ideen umzusetzen imstande war". 1946 studiert Colani Bildhauerei und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, danach Aerodynamik an der Sorbonne in Paris. Danach gestaltet er von Raumkapseln über Häuser bis hin zu Damenunterwäsche "außer Waffen" alles, was seiner Meinung nach verbessert und verschönert werden muss - auch wenn nur rund 30 Prozent seiner futuristischen Entwürfe in Produktion gehen. Ab 1990 ist Colani für alle Kameraentwicklungen der Firma Canon zuständig, sein organisch gestalteter Kopfhörer schafft es bis ins New Yorker Museum of Modern Art. Im Juni 2008 wählt ihn das Kunstmagazin "Art" unter die zehn wichtigsten Designer der Gegenwart. Für seine Arbeit beruft sich der selbstbewusste Colani indes nicht allein auf Pos und Brüste - und wenn, dann doch zumeist mit einem Hinweis auf die Wissenschaft. Für einen Toilettensitz etwa habe er "einen repräsentativen Querschnitt der Gesäße von sehr klein bis sehr groß" genommen, um daraus "den Rolls Royce unter den Toilettensitzen" zu konzipieren: "Das ist der beste der Welt, ohne jede Frage. Und der wird auch nie besser gemacht werden können." Klick |
10. August 2008, 13:31 | #216 |
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03. August 1928: Erste TV-Ansagerin Irene Koss wird geboren
Eine Kamera, zwei Scheinwerfer und gerade genügend Platz für drei Personen: Das ist das erste Fernsehstudio des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), hoch oben im Bunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Seit 1950 unternimmt dort das noch unbekannte Massenmedium seine ersten Gehversuche. Weil nicht nur der Raum, sondern auch der Etat knapp ist, flimmern meist alte Filme über den Bildschirm. Eine 22-jährige Schauspielerin übt sich darin, den wenigen Zuschauern die alten Konserven, trotz Temperaturen von 40 Grad im Studio-Kabuff, auf charmante Weise zu servieren. Wenige Monate zuvor erst hat Irene Koss in Hannover neben einem jungen Kollegen namens Hardy Krüger ihr Bühnen-Debüt erlebt. Noch träumt sie von der großen Theater-Karriere. Tatsächlich kennt zwei Jahre später ganz Deutschland ihren Namen. Allerdings nicht als Schauspielerin, sondern aus der Flimmerkiste, als erste Ansagerin des deutschen Fernsehens.
"Deutschland, dein Lächeln" schreibt der "Stern" über die am 3. August 1928 in Hamburg geborene Irene Koss. Perfekt gestylt, seriös und sympathisch, präsentiert sie am 1. Weihnachtstag 1952 den offiziellen Sendestart der ARD. Und avanciert in kürzester Zeit zum populärsten Aushängeschild des Senders. Dabei hat ihr Job einen ganz profanen Hintergrund: Irene Koss und Kollegin Angelika Feldmann werden gebraucht, um die technisch bedingten Umschalt-Pausen zwischen den einzelnen Sendungen zu überbrücken. Die stets nur oberhalb der Gürtellinie präsente "Dame ohne Unterleib" erhält waschkörbeweise Zuschauerpost, meist von heiratswilligen älteren Herren oder von jungen Mädchen, die auch "so schrecklich gern Ansagerin werden" möchten. Dass die für ihre exquisite Garderobe bewunderte Frau Koss immer nur oben herum gestylt ist, erfährt natürlich niemand. Unter der Tischkante trägt der TV-Star meist Schottenrock und Wollstrümpfe zur festlich dekolletierten Bluse. Den Mann ihres Lebens findet Irene Koss nicht in der Fanpost, sondern 1961 neben sich auf dem Moderatorenplatz bei der Fernseh-Lotterie "Ein Platz an der Sonne". Hals über Kopf verliebt sich Deutschlands Darling in Sammy Drechsel, den bekannten Sportreporter und Mitbegründer der Münchener Lach- und Schießgesellschaft. Nach ihrer Heirat im folgenden Jahr gibt Irene Koss-Drechsel die Fernseh-Karriere auf, wird Hausfrau und Mutter zweier Töchter. Nebenbei schreibt sie Kinderbücher und liest auf Schallplatten Märchen vor. Den frühen Tod von Sammy Drechsel im Januar 1986 kann Irene Koss kaum verkraften. Trost findet sie als guter Geist hinter den Kabarettkulissen der Lach- und Schießgesellschaft. Sie macht Kasse, schmiert Brote, betreut die Ehrengäste und erstellt ein umfangreiches Archiv aller gespielten Programme. Obwohl schwer an Krebs erkrankt, bleibt Irene Koss bis kurz vor ihrem Tod am 1. Mai 1996 auf dem Posten. "Irgendwie war sie wie unser Bundespräsident", sagt die trauernde Bühnenchefin und Drechsel-Nachfolgerin Cathérine Miville. Klick |
10. August 2008, 13:33 | #217 |
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04. August 1948: Mileva Maric stirbt in Zürich
Der Vater, ein reicher serbischer Beamter, fördert seine begabte Tochter, wo er kann: Mileva Maric, 1875 in Ungarn geboren, besucht trotz häufiger Umzüge die besten Schulen. 1894 geht sie nach Zürich, weil die dortige Universität als einzige in Europa Frauen regulär zu Prüfungen zulässt. Maric studiert ein Semester Medizin, wechselt dann aber zu Mathematik und Physik. Sie ist die erst die fünfte Frau an der Hochschule und die einzige in ihrem Jahrgang. Sie bekommt Bestnoten, bis sie sich in einen drei Jahre jüngeren Kommilitonen verliebt: Albert Einstein.
Als sie von ihm eine uneheliche Tochter bekommt, bringt sie sie zur Familie nach Serbien. Ob Lieserl zur Adoption frei gegeben wurde oder bei den Großeltern an einer Infektion starb, ist bis heute nicht geklärt. Maric fällt danach durch die Diplomprüfung, die auch Albert Einstein nur mit mäßigen Noten besteht. Ihre schon begonnene Doktorarbeit gibt sie auf und hält dafür ihm den Rücken für die Karriere frei. Sie versorgt den Haushalt, die beiden Söhne Albert und Eduard, die 1904 und 1910 geboren werden. Und sie rechnet abends nach, was ihr Mann zu Papier bringt. Das jedenfalls berichtet später ein Student, der bei den Einsteins zur Miete wohnt. Wie groß Mileva Maric' Anteil an den bahnbrechenden frühen Arbeiten ihres Mannes genau ist, bleibt bis heute umstritten. Der Briefwechsel zwischen beiden, der erst nach 1990 veröffentlicht wird, belegt jedenfalls eine Zusammenarbeit. "Wie stolz und glücklich werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben", schreibt Albert Einstein einmal. Seine bahnbrechenden drei Aufsätze von 1905 sollen einem Zeugen zufolge sogar mit "Einstein-Maric" unterzeichnet gewesen sein. Aber die Originale sind verschollen. Die 1903 geschlossene Ehe zerbricht sechzehn Jahre später an Einsteins zahlreichen Affären und schließlich an der Beziehung zu seiner Cousine Elsa Löwenthal. Bei der Scheidung lässt sich Maric die Nobelpreis-Summe zusichern, obwohl Einstein den Preis erst zwei Jahre später erhält. Allein mit den Söhnen in Zürich, legt sie das Geld in Immobilien an. Aber als Eduard geisteskrank, wahrscheinlich schizophren wird, verschlingt seine Behandlung die Rücklagen. Maric schlägt sich mit Klavier- und Mathematikstunden durch. Einstein geht später in die USA und wird ein erfolgreicher Ingenieur. Milvea Maric pflegt ihren Sohn Eduard, verarmt und vereinsamt. Sie stirbt am 4. August 1948 in Zürich. Als Albert Einstein von ihrem Tod erfährt, sagt er: "Nur ein für andere gelebtes Leben ist lebenswert." Eduard Einstein, um den sich sein Vater nie kümmert, lebt noch bis 1965 in einer Pflegeanstalt. Klick |
10. August 2008, 13:36 | #218 |
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05. August 1978: Victor Hasselblad stirbt in Göteborg
Im Frühjahr 1940 schießt die schwedische Luftwaffe einen deutschen Aufklärer ab. An Bord befindet sich eine unversehrte deutsche Spionage-Luftbildkamera. Das neutrale Schweden fühlt sich bedroht, denn Hitlers Truppen sind bereits in Norwegen und Dänemark einmarschiert. Die schwedische Regierung ruft den Kamera-Fachmann Victor Hasselblad. "Man fragte mich: 'Können Sie uns so eine Kamera bauen?' Ich untersuchte sie gründlich und antwortete: 'Nein, eine solche Kamera kann ich nicht bauen - aber eine bessere'", erzählt Hasselblad später. So beginnt im April 1940 in einem kleinen Schuppen mitten in Göteborg die Geschichte einer der berühmtesten Kameras der Welt. Hasselblad entwickelt zunächst zwei Militärmodelle, dann die erste Zivilkamera. Am 6. Oktober 1948 wird die erste Hasselblad 1600F in New York vorgestellt. Die "New York Herald Tribune" titelt auf Seite eins: "Wieder schlägt ein europäischer Erfinder US-Kamerafirmen - die perfekte Kamera!"
Schon als Kind läuft Victor Hasselblad ständig mit einer Kamera umher. Er stammt aus einer schwedischen Fotohandel-Dynastie. Sein Urgroßvater hat 1841 in Göteborg die Import- und Großhandelsfirma "F.W. Hasselblad & Co" gegründet. Weil die Hasselblads begeisterte Amateurfotografen sind, richtet der Großvater im Familienbetrieb eine kleine Fotoabteilung ein. Als Victor am 8. März 1906 in Göteborg zur Welt kommt, besitzt das Unternehmen Fotolabore und Geschäfte im ganzen Land. Die Leidenschaft von Victor ist die Vogelfotografie. Die besten Noten hat er in Biologie und Botanik. Im Religions- und Lateinunterricht schläft er regelmäßig ein. Victor bricht die Schule ab und geht als 17-Jähriger ins Ausland. In Jena jobbt er bei dem Objektivhersteller Zeiss, in den USA beim Fotoausrüster Eastman Kodak. Die Hasselblad-Kamera ist in den 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts eine technische Revolution. Sie ist die erste Spiegelreflex-Kamera des sogenannten Mittelformats: Das quadratische Bildformat misst sechs mal sechs Zentimeter. Die Kamera ist für damalige Verhältnisse klein und handlich. Sie besitzt Wechselobjektive und auswechselbare Filmmagazine. Mit einem Magazinwechsel ist es möglich, die gleiche Situation in Farbe und in Schwarzweiß zu fotografieren. Kein Film muss vor dem Wechsel erst zu Ende geknipst werden. 1962 entdeckt die amerikanische Weltraumbehörde Nasa das schwedische Unternehmen: Als Neill Armstrong 1969 als erster Mensch auf dem Mond steht, hält er eine Hasselblad in der Hand. Berühmte Fotos entstehen: der Fußabdruck im Mondstaub, die schwebenden Astronauten, die blau marmorierte Erdkugel. Zwölf Hasselblad-Kameras liegen noch heute auf dem Mond. Um Gewicht zu sparen, hat es gereicht, die Wechselmagazine zur Erde zurück zu bringen. Als Victor Hasselblad am 5. August 1978 im Alter von 72 Jahren in Göteborg stirbt, gehört er zu den wichtigsten Kamera-Erfindern der Neuzeit. Klick |
10. August 2008, 13:39 | #219 |
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06. August 1868: Buchstabenordnung von Tastaturen patentiert
Mark Twain ist sauer. "Bitte lassen Sie meinen Namen künftig bei jeder Reklame aus dem Spiel", schreibt er an die Firma Remington. "Erwähnen Sie bitte nicht einmal die Tatsache, dass ich eine Schreibmaschine besitze. Ich habe deren Verwendung nämlich vollständig eingestellt." Grund für den Schreibstreik ist allerdings keineswegs Twains Unzufriedenheit mit dem Gerät. Vielmehr will sich der Schriftsteller vor Anfragen seiner Briefempfänger retten. Ständig müsse er Auskunft geben, wie er denn mit seinem Gerät zufrieden ist, sagt Twain. "Ich schreibe nicht gern Briefe, und deshalb wünsche ich nicht, dass jedermann Kenntnis hat von meinem Besitz dieses Neugierde erweckenden Spielzeugs."
Twain ist einer der wenigen Besitzer einer Remington-Schreibmaschine für 125 Dollar, die zunächst in 1.000 zumeist unverkauften Exemplaren hergestellt wird. Erfunden hat sie der Mechaniker Christopher Latham Sholes aus Milwaukee, der einen privaten Tüftlerzirkel gegründet hat. Das "Spielzeug" ist ein eher unhandlicher, schwierig zu bedienender Apparat. Die Typenhebel schlagen so auf die Walze, dass man das, was man geschrieben hat, erst lesen kann, wenn man sie hochgehoben hat. Zudem sind die Buchstaben alphabetisch von A bis Z angeordnet. Die Folge: Immer wieder verhaken sich die einzelnen Typenhebel von oft gebrauchten Buchstaben ineinander. Wieder weiß Sholes Rat. 1868 entwickelt er eine Tastaturanordnung, bei der die am häufigsten benutzten Buchstaben möglichst weit voneinander entfernt stehen. Da zu dieser Zeit noch jeder nach der Ein-Finger-Suchmethode schreibt, ist dies eine praktikable Lösung. 1878 lässt sich Sholes seine Erfindung patentieren - und setzt damit bei der Tastaturbelegung Maßstäbe. Benannt wird sie nach den ersten Buchstaben der Tastatur - im englischsprachigen Raum Q-W-E-R-T-Y, im deutschsprachigen Q-W-E-R-T-Z. Ende des 19. Jahrhunderts werden Schreibmaschinen mit dieser Anordnung in den Bürostuben zum Renner - und dies, obwohl bei jedem Tastenschlag rund ein Kilogramm aufs Papier gedrückt werden muss. Niemand stellt Sholes Tastatur ernsthaft in Frage, obwohl sie als unergonomisch gilt. Selbst im Computerzeitalter hat sie sich noch gehalten. Klick |
10. August 2008, 13:41 | #220 |
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07. August 1883: Der Dichter Joachim Ringelnatz wird geboren
Hans Bötticher hat nicht viel Glück im Leben. Vom Königlichen Staatsgymnasium Leipzig wird das phantasievolle Kind wegen Ungehorsams verwiesen. Unter erbärmlichen Bedingungen fährt der melancholische Einzelgänger später als Schiffsjunge zur See. Danach versucht er sich als Hausmeister in einer englischen Herberge und als Lehrling einer Dachpappenfabrik. Böttichers Hassliebe aber gilt dem weiten Meer. Als er skurrile Gedichte schreibt und im Kabarett erste Erfolge feiert, wird er sich nach dem Seemannswort für ein Seepferdchen benennen, das Glück verheißen soll: Ringelnatz.
Joachim Ringelnatz wird am 7. August 1883 als Sohn eines angesehenen Tapetenzeichners und Schriftstellers von Jugendromanen im sächsischen Wurzen geboren. Insgesamt verbringt er fünf Jahre auf hoher See. Seine Zeit als Matrose hält er in dem autobiografischen Buch "Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt" (1911) fest. Dem eingeweihten literarischen Publikum ist Ringelnatz da schon als Verfasser liebevoll-verrückter Geschichten und Gedichte für Erwachsene und Kinder bekannt. Zwischen 1909 und 1913 erscheinen unter Titeln wie "Die Schnupftabakdose" und "Stumpfsinn in Versen und Bildern" insgesamt sieben Bände. Allerdings kommen die schmalen Bücher über eine Auflage von zusammen 3.000 Exemplaren nicht hinaus. Seinen Lebensunterhalt muss sich Ringelnatz in anderen Berufen verdienen, so als gräflicher Bibliothekar oder als Fremdenführer auf einer Burg. 1909 wird Ringelnatz "Hausdichter" des prominenten Münchner Künstlerlokals Simplicissimus, wo er seine grotesk-hintersinnigen Verse vorträgt und Frank Wedekind, Erich Mühsam und andere Schwabinger Literaten kennen lernt. Deutschlandweit bekannt wird er als Mitglied des Kabaretts "Schall und Rauch", mit dem er ab 1920 auf Tournee geht. Hier trägt Ringelnatz überaus lebendig eigene Gedichte vor. Seine bekannteste Figur wird der Seemann Kuttel Daddeldu. Vor allem in den Geschichten rund um dieses Alter Ego zeigt sich der im Grunde pessimistische Dichter als zwischen Tiefsinn und Unsinn schwankendes Künstleroriginal. Ringelnatz stirbt 1934 in Berlin. Klick |
10. August 2008, 13:45 | #221 |
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08. August 1963: Überfall auf den Postzug Glasgow - London
Pünktlich um 18.50 Uhr rollt der Postzug Ihrer Majestät aus dem Bahnhof von Glasgow. Sein Ziel ist London, wo er um 3.41 Uhr eintreffen soll. Alles läuft nach Plan in dieser Nacht vom 7. auf den 8. August 1963 - jedenfalls bis 03.05 Uhr. Wegen eines Signals, das merkwürdigerweise auf rot steht, stoppt der Zug. Sekunden später beginnt der spektakulärste Raubüberfall des Jahrhunderts. Das Ziel von etwa 20 maskierten Männern ist der Geldwaggon, in dem in dieser Nacht rund 120 Säcke liegen. Ihr Inhalt: 2.631.784 Pfund in kleinen, gebrauchten, nicht registrierten Scheinen. Generalstabsmäßig organisiert entwaffnen die Gangster alle Wachen und schaffen die Säcke per Menschenkette in die Fluchtwagen. Der einzige wirklich gewalttätige Akt während der nur 15-minütigen Aktion ist ein Schlag auf den Hinterkopf des Lokführers, den dieser mit einer Gehirnerschütterung übersteht. Als nach einer Stunde die Polizei eintrifft, fehlt von Geld und Räubern jede Spur.
Am Morgen rast die Meldung vom ersten erfolgreichen Überfall auf ein "rollendes Postamt" seit 125 Jahren um die Welt. Klammheimlich macht sich Bewunderung breit für die "Gentleman-Räuber", die, nach heutigem Wert, weit über 50 Millionen Euro erbeutet, aber nicht eine verwertbare Spur hinterlassen haben. Zu ihrer Ergreifung wird eine Belohnung von 200.000 Pfund ausgesetzt. Unter der einsetzenden Lawine von Hinweisen entdeckt Scotland Yard am 13. August endlich einen brauchbaren Tipp auf den Schlupfwinkel der Gangster. Zwei Tage später sitzen die ersten beiden Posträuber schon hinter Gittern. Nach dem bis dahin längsten und aufwändigsten Prozess der britischen Justizgeschichte verurteilt der Richter die Hauptangeklagten zu unerwartet drakonischen Strafen zwischen 20 und 30 Jahren Zuchthaus. Der "Mastermind" der Bande, der Antiquitätenhändler Bruce Reynolds, fehlt allerdings noch auf der Anklagebank. 1966 wird er in der deutschen TV-Verfilmung des Falles ("Die Gentlemen bitten zu Kasse") von Horst Tappert dargestellt. Im November 1968 klicken die Handschellen auch um Reynolds' Handgelenke. Er wird zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, kommt jedoch bereits nach neun Jahren wieder frei. Zum berühmtesten aller Posträuber steigt nicht das Superhirn auf, sondern Ronald Biggs. Der später oft fälschlicherweise als Kopf der Bande beschriebene Kleinkriminelle spielte bei dem Überfall nur eine kleine Nebenrolle. Nach 15 Monaten Gefängnis bricht Biggs aus, flieht unter Anteilnahme der Weltpresse über Frankreich und Australien nach Brasilien und macht dort in den folgenden Jahren eine schillernde Karriere als Touristenattraktion. Als Vater eines Brasilianers - Biggs hat nach seiner Ankunft umgehend eine Striptease-Tänzerin geschwängert - darf der flüchtige Posträuber nicht ausgeliefert werden. Schlagzeilen macht er unter anderem als Gastsänger bei den Sex Pistols und den Toten Hosen. Alt, krank und völlig abgebrannt kehrt Ronald Biggs im Mai 2001 nach 35 Jahren auf der Flucht nach England zurück. Noch auf dem Flugfeld wird er von Scotland Yard verhaftet. Gnade findet er bei den Justizbehörden nicht, denen er so lange auf der Nase herumgetanzt ist. Bis in die Gegenwart verbüßt der inzwischen 77-Jährige Star-Posträuber seine Strafe im Gefängnis von Norwich. Klick |
10. August 2008, 13:47 | #222 |
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09. August 1968: In NRW wird die Hauptschule gegründet
"Mehr Leistungsanspruch, eine durchgehende Fremdsprache, Bildung einer Schule der gehobenen Volksbildung" - diese Kriterien soll die geplante Hauptschule erfüllen, sagt NRW-Kultusminister Fritz Holthoff (SPD) zu Beginn seiner Amtszeit. Zwei Jahre später ist es soweit: Am 9. August 1968 gründet Holthoff die neue Schulform, er teilt die Volksschule in vier Jahre Grund- und vier Jahre Hauptschule auf. Zuvor haben sich die drei Parteien im NRW-Landtag, SPD, CDU und FDP, auf ein neues Schulgesetz geeinigt. Mit der Reform soll sich einiges ändern, zu allererst die Denkweise der Lehrer. Denn viele von ihnen waren der Ansicht, sagt Holthoff später, "es sei die Aufgabe der Schule, den Volksschülern eine schlichte Deutung der Welt zu vermitteln". Mit der Gründung der Hauptschule soll auch das allgemeine Bildungsniveau und die individuellen Bildungschancen für sozial benachteiligte Kinder verbessert werden.
Doch die Rechnung geht nicht auf, meint der Dortmunder Bildungsforscher Ernst Rösner: "Das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt." Unmittelbar nach deren Einführung besuchen rund zwei Drittel aller Kinder die Hauptschule, heute sind es gerade einmal 15 Prozent. Ursachen für den Rückgang gibt es viele. Zum Beispiel macht kaum ein Hauptschüler später noch einen höherwertigen Abschluss. Noch 1985 ist sich der damals amtierende Kultusminister Hans Schwier (SPD) sicher: "Wir haben dafür gesorgt, dass die Hauptschule keine Sackgasse mehr ist, dass man von ihr aus alle Abschlüsse machen kann." Doch mittlerweile wechseln pro Jahr nur rund 1.000 Schüler von der Haupt- auf die Realschule und lediglich in Einzelfällen zum Gymnasium. Die Hauptschule scheint eine Art Restschule geworden zu sein: Jeder zehnte Schüler verlässt sie ohne Abschluss. Selbst mit einem guten Abschlusszeugnis ist die Chance für einen Hauptschüler gering, eine Lehrstelle zu bekommen. Beschleunigt hat den Niedergang der Hauptschule unter anderem die nur ein Jahr nach ihr in NRW eingeführte Gesamtschule - ihre wohl größte Konkurrenz. Ob das dreigliederige Schulsystem für eine optimale Ausbildung sorgt ist umstritten. Nach Ansicht von Bildungsforscher Rösner sollten die Hauptschulen abgeschafft und alle Schüler stattdessen gemeinsam unterrichtet werden. NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hält dagegen: "Es gibt kleinere Klassen, speziell ausgebildete Lehrer mit Förderkonzepten, Sozialarbeiter, zusätzliche Lehrer für Zuwandererkinder. Das würde untergehen, wenn wir alles in einen Topf werfen." Die Zukunft der Hauptschule in NRW ist ungewiss. In vielen anderen Bundesländern haben die zurückgehenden Schülerzahlen und der schlechte Ruf bei den Eltern bereits zum Aus der Hauptschulen geführt. Klick |
10. August 2008, 13:51 | #223 |
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10. August 1958: Weltgrößtes Kraftwerk bei Stalingrad eingeweiht
Die leistungsstärksten Kraftwerke der Welt sind immer schon Wasserkraftwerke gewesen. Wasserkraft gilt, verglichen mit den Risiken der Atomtechnologie oder der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, als sicher und Klima schonend. Doch die riesigen, künstlich aufgestauten Seen der Wasserkraftwerke stellen eine tief greifende Veränderung des ökologischen Gleichgewichts dar - mit kaum überschaubaren Risiken, wie sich derzeit bereits in der Bauphase des gigantischen Drei-Schluchten-Projekts in China zeigt. Als vor einem halben Jahrhundert in der Sowjetunion das damals größte Kraftwerk der Welt vor der Vollendung steht, sind Debatten über Umweltpolitik noch völlig unbekannt. "Neuer Triumph des kommunistischen Aufbaus" und "USA im Kraftwerkbau überholt", lauten am 10. August 1958 die Schlagzeilen zur Einweihung des Kuibyschew-Kraftwerks in der Nähe von Stalingrad, das 1961 wieder in Wolgograd umbenannt wurde.
Eingeleitet wird der Aufbruch Russlands in die Energie-Moderne bereits 1920. Auf dem 8. Sowjetkongress verkündet Lenin den Delegierten: "Kommunismus, das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes." Ein Kraftwerk nach dem anderen wird aus dem Boden gestampft. 1935 ist die Stromproduktion bereits um das 50-fache gestiegen und wird bis zum Einmarsch von Hitlers Armeen 1941 noch einmal verdoppelt. Viele der Anlagen, zumeist Wasserkraftwerke, werden im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt oder zerstört. Angeheizt durch den Kalten Krieg entflammt der Energiehunger der UdSSR erneut. Die Ziele heißen: Erschließung des asiatischen Ostens und völlige Energie-Autarkie. Atomkraftwerke entstehen, in Sibirien werden die riesigen Öl-, Gas- und Kohle-Ressourcen angezapft und auch die unendliche Kraft von Europas längstem Strom, der Wolga, wird erschlossen. Entlang der 3.534 Flusskilometer werden nicht weniger als neun Wasserkraftwerke gebaut, von denen das letzte mit 22 Turbinenhäusern, einer fünf Kilometer langen Staumauer und einem Stausee, neun Mal so groß wie der Bodensee, die gewaltigsten Dimensionen erreicht. Nach vierjähriger Bauzeit kann das Wasserkraftwerk von Kuibyschew 1955 abschnittsweise, Turbine für Turbine, die Stromproduktion aufnehmen. 500 Milliarden Kilowattstunden wird es in den nächsten 50 Jahren produzieren. Doch Klima-Unterschiede bis zu 70 Grad und das Wasser der Wolga verursachen gefährliche Löcher in den Beton der Stau-Anlagen. 1999 wird den russischen Kraftwerk-Betreibern nach einer Havarie im Inneren von Turbine 16 klar, dass sie auf technologische Unterstützung aus dem Westen nicht mehr verzichten können. So kommt es, dass heute ausgerechnet im ehemaligen Stalingrad deutsche Spezialisten Seite an Seite mit russischen Ingenieuren an der Sanierung des verwitterten Kraftwerks arbeiten. Das Verfüllen der Löcher im Beton der Staumauer, tief unter der Wasserlinie, hat ein Spezialunternehmen aus Bottrop übernommen. Seine Stellung als weltgrößtes Kraftwerk hat die gigantische Anlage längst eingebüßt. Der chinesische Drei-Schluchten-Damm fällt sieben Mal so groß aus wie der frühere Rekordhalter in der Steppe bei Wolgograd. Klick |
11. August 2008, 20:49 | #224 |
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11. August 1253: Klara von Assisi stirbt
Als Klara in ihrem Kloster auf dem Sterbebett liegt, ist sie auf ungewöhnliche Weise eine erfolgreiche Frau. 111 Frauenklöster leben nach ihrer Regel. Ihre Schwester und ihre Mutter sind in ihren Orden eingetreten. Eines aber fehlt ihr noch: die Anerkennung durch den Papst. Schließlich ist sie die erste Frau, die eine eigene Ordensregel verfasst und sich damit selbst zur Äbtissin gemacht hat.
Klara ist die Tochter einer adeligen Familie aus Assisi. Ihr reiches Haus, in dem sie 1193 geboren wird, verlässt sie, weil sie das Leben eines ihrer Mitbürger auf der Straße, bei den Armen fasziniert: Franziskus Bernardone. Sie trifft sich mit Franz und beschließt, einen weiblichen Zweig seines neuen Ordens zu gründen. Die Frauen, die sie um sich sammelt, errichten vor den Toren der Stadt das Kloster San Damiano und leben hier in strenger Abgeschiedenheit, angewiesen auf Almosen. Die Regel, die Klara der neuen Gemeinschaft gibt, ist fortschrittlich: Individuelle Bedürfnisse sollen geachtet werden. Eine unfähige Äbtissin sollen die Schwestern abwählen. Anders als die Brüder des Franz dürfen die "Armen Schwestern" auch Geldgeschenke annehmen. Die Bewegung der "Klarissen" breitet sich schnell aus. Als Klara mit 59 Jahren schwer erkrankt, ist Franziskus schon seit 17 Jahren tot und ein verehrter Heiliger. Als sie schon nichts mehr essen kann, erhält sie die Nachricht, dass Papst Innozenz IV. ihre Regel genehmigt hat. Sie stirbt am 11. August 1253 mit 59 Jahren. Schon zwei Jahre später wird auch sie heilig gesprochen. In Deutschland leben heute noch etwa 100 Schwestern in acht Klöstern nach der Regel der Klara von Assisi. Klick |
12. August 2008, 09:18 | #225 |
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12. August 1898: Die USA annektieren Hawaii
"Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen, liebreizendes Wesen, das in schattigen Lauben wohnt" - Liliuokalani, die letzte Königin Hawaiis, hat das Abschiedslied "Aloha Oe" eigentlich für zwei Liebende geschrieben. Doch im Januar 1893 muss die dichtende und komponierende Monarchin ihre eigene große Liebe opfern: Hawaii. Um ein Blutvergießen zu verhindern, dankt sie nach einem Putsch ab. Die Befürworter einer Angliederung Hawaiis an die Vereinigten Staaten haben die US-Flotte um Unterstützung gebeten. Als ein Kriegsschiff seine Kanonen auf den Königspalast von Honolulu richtet, gibt Liliuokalani die Regierungsgewalt ab. Die Königin wohnt bis an ihr Lebensende in ihrem Palast. Unter Hausarrest sieht sie machtlos zu, wie die Inselgruppe Hawaii zuerst zu einer Republik und später Teil Amerikas wird. Der Archipel besteht aus acht großen Inseln und mehreren hundert kleinen Atollen - 4.000 Kilometer westlich von Amerika und 6.000 Kilometer südöstlich von Japan gelegen.
Entdeckt und besiedelt wird Hawaii im fünften Jahrhundert von polynesischen Seeleuten. 1779 ankert der britische Entdecker James Cook erstmals vor den weißen Stränden der Vulkaninseln. Dauerhaft kommt die westliche Welt im März 1820 nach Hawaii: Die ersten Missionare treffen aus Neuengland ein. Den Hula-Tanz mit dem lasziven Hüftschwung lassen sich die Hawaiianer zwar nicht abgewöhnen, aber sie nehmen das Christentum an. Viele der Nachfahren der Missionare werden Plantagenbesitzer und bauen Zucker an. Das Land wird aufgeteilt. Die Ureinwohner gehen praktisch leer aus. Den weißen Zuckerbaronen gehört Anfang der 1890er Jahre über die Hälfte der Ländereien. Billigarbeiter werden geholt: aus China, aus Japan, von den Philippinen. Die Zuckerbosse sichern sich immer mehr Macht. Derweil bauen die Amerikaner die Kontrolle im Pazifik aus. Hawaii hat sowohl für den Handel als auch für das Militär strategische Vorteile. Briten, Franzosen und Russen interessieren sich dafür. Doch die USA erklären Hawaii zu ihrem alleinigen Einflussgebiet und verstärken dort ihre Militärpräsenz. Den endgültigen Schritt, die Angliederung, aber wagt Washington noch nicht. Da nehmen Anfang der 1890er Jahre die eingewanderten Amerikaner die Sache selbst in die Hand und stürzen Königin Liliuokalani. Präsident der provisorischen Regierung wird der Missionarssohn Sanford Dole, Cousin des gleichnamigen Ananas-Magnaten. 1894 ruft er die Republik Hawaii aus. Vier Jahre später ist es dann soweit: Am 12. August 1898 wird die hawaiianische Flagge eingeholt und das Sternenbanner gehisst. Hawaii ist annektiert. Es dauert noch über 60 Jahre bis das Archipel der 50. und damit jüngste Staat der USA wird. Klick |