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12. March 2002, 09:38   #1
jupp11
 
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Beiträge: 4.013
Der Olympia

Ich hatte die Geschichte auch schon woanders gepostet. Aber ich denke das macht nichts, wer sie kennt, klickt einfach weiter.


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Der Olympia

Eines Mittags gegen Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, ich war stolzes Mitglied des Abschlussjahrganges eines evangelischen Kindergartens, ging ich wie üblich heim, um mich zu Hause, für weitere geplante Tagestaten, mit dem nötigen Mittagessen versorgen zu lassen. Entgegen aller sonstigen Gewohnheit fand ich nicht nur meine Mutter, sondern auch meinen Vater zu Hause vor; beide in heller Aufregung ob eines neuen Familienmitglieds.
Ein Auto war adoptiert worden, ein Opel Olympia. Schwarz, schon ein Nachkriegsmodell, wie mein Vater bei der gemeinsamen Besichtigung stolz erklärte, auf jeden Fall beeindruckend anzusehen. Beige Sitzbezüge und beiger Himmel, und eine Vase war, glaube ich, auch darin. Dafür war der Heinkel Motorroller, auf dem ich ab und an auf dem Notsitz zwischen den Beinen des Fahrers *quetsch*, mitfahren durfte, wohl ins Heim gegeben worden. Ich war prinzipiell nicht gegen den Neuen, zumal der ja nicht in meinem Zimmer schlafen wollte, wie es sonst üblich war, wenn Besuch kam.
Irgendwann am nächsten Wochenende wurde der erste Familienausflug in die Wege geleitet. Die erste Autofahrt meines Lebens stand an. Ein Erlebnis, das ich nie vergessen habe.
Nicht dass ich mich erinnern könnte, wohin es ging oder wie lange es dauerte, nein , ich erinnere mich nur daran, dass ich die ganze Fahrt überlegte, wie so etwas funktioniert. Mein Vater sagte nur: "Jetzt kann es losgehen!", und sofort fuhr das Auto auch los.
Eine Art Privateisenbahn musste es sein. Eine Kombination aus Lokomotive und Abteil. So hielt ich Ausschau nach irgendwelchen Fahrkartenautomaten im Innenraum und später auch außen, fand aber nichts. Auch keinerlei Schienen, die unser Auto in der Spur hielten. Wir saßen einfach im Auto, konnten aus dem Fenster sehen und uns dabei unterhalten, keiner musste Kohle auf den Kessel geben, einfach nichts. Nur mein Vater klappte einen Blinker aus, wenn er nach rechts oder links abbiegen wollte,
und zack, bogen wir auch ab.
Ich machte mir Gedanken über komplizierte Seilzüge, die an der Unterseite befestigt waren, und durch Schlitze in der Straße liefen, aber diese Schlitze hatte ich noch nie beim Spielen gesehen. Oder hatte ich nur nicht genau aufgepasst?
Vielleicht lief das ganze mit Magneten? Denn ich kannte ein Spiel, bei dem man Holzautos über aufgemalte Spielstrassen bewegen konnte, indem man unter der Spielplatte Magneten an Holzstäbchen hin- und herbewegt. Das schien wahrscheinlich. Geklärt war allerdings noch nicht, wie man sich mit dem Ziel arrangiert, zu dem man bewegt wurde. Musste man da vorher einen Brief schreiben, oder sich irgendwo anmelden?
Und wo war der, der alles steuerte, wie sah er, wenn ein Pferdefuhrwerk den Weg kreuzte oder Menschen auf die Strasse liefen? In dem Spiel mit den Holzautos gab es jedenfalls dauernd Unfälle.
Irgendwie schien mir das System Auto nicht richtig durchdacht und mit sehr vielen Wenn und Aber verbunden. Auf jeden Fall ganz schön gefährlich. Ich bin sicher, ich habe gefragt, jedoch sind mir die Antworten meines Vaters nicht mehr präsent. Auf jeden Fall haben sie mir nichts erklärt, vermutlich waren sie gelogen und ich hatte es gemerkt.
Monatelang beschäftigten mich diese verschiedenen Möglichkeiten. Währenddessen hatten sich meine Befürchtungen über die Kinderkrankheiten des Systems Auto bewahrheitet. Der Opel Olympia wurde nämlich bald darauf in ein Autokrankenhaus
gegeben und ist dort verstorben. Was mich aber nicht weiter verwunderte, hielt ich doch sowieso die richtige Eisenbahn für das weitaus bessere System.
Diese Fragen nach dem Wie, Warum, Woher und Wohin im Leben haben mich in der einen oder anderen Form auch weiterhin beschäftigt. Zur damaligen Zeit wurden sie jedoch zunächst von noch wichtigeren Problemen in den Hintergrund gedrängt:
Folgte doch ein persönlicher sozialer Abstieg vom Status eines langjährigen hochgeachteten Mitglieds des evangelischen Kindergartens, hin in die I-Männchen-Fraktion der Volksschule. Hier war wieder mal hocharbeiten angesagt, das sich über einige Jahre hinzog und mir keine Zeit ließ, das oben angesprochene
Rätsel zu lösen.
Das gelang erst Jahre später unter besonderen Umständen.
 
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