2. September 2007, 15:10 | #276 |
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01. September 1997: Costa Rica ruft wegen El Niño den Notstand aus
1997 kommt das Christkind - spanisch El Niño - in Costa Rica einige Monate früher als erwartet. Denn die von peruanischen Fischern so getaufte Meeresströmung im pazifischen Ozean, die eigentlichen um die Weihnachtszeit herum auftritt, erscheint diesmal schon im August und erwärmt das Wasser auf eine Temperatur, die sieben Grad über der normalen liegt. Die Fischschwärme wandern ab. Statt Massen von Sardinen und Anchovis an Land zu ziehen, kommen die Fischer mit leeren Netzen in den Hafen.
Aber der Fischverlust ist nicht die schlimmste mögliche Folge des "Christkinds". Auch die Meteorologen sind in Alarmbereitschaft. Bereits Anfang der achtziger Jahre hatte El Niño das Weltwetter durcheinander gewirbelt. Damals kamen rund 2.000 Menschen bei Unwettern, die auf den Anstieg der Wassertemperaturen im östlichen Pazifik zurückzuführen waren, ums Leben. 1997 steigt das Weltklima um durchschnittlich fast ein halbes Grad Celsius. Am 1. September ruft die Regierung von Costa Rica vorsorglich den Notstand aus, um Wasserkanäle und Staubecken für eine drohende Dürrekatastrophe zu bauen. Während Costa Rica mit der Hitze kämpft, versinken in Peru und Ecuador nach heftigen Regenfällen ganze Dörfer im Wasser. Hunderttausende werden obdachlos. In Indonesien brennen die Regenwälder, weil die Brandrodung wegen der Hitze und des ausbleibenden Monsuns außer Kontrolle gerät. In Singapur und Malaysia verdunkeln Aschewolken den Horizont. Bis zum Juni 1998 sterben durch El Niño fast 22.000 Menschen. Nach Angaben der Vereinten Nationen entstehen Schäden in Höhe von 33 Milliarden Euro. Klick |
2. September 2007, 15:12 | #277 |
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02. September 1957: Rassenkonflikte in Little Rock, Arkansas
Zu Beginn des Schuljahres 1957 zeigt der Rassismus im Süden der USA wieder einmal sein hässliches Gesicht. Erstmals in der US-Geschichte sollen überall schwarze und weiße Schüler in gemeinsamen Klassen unterrichtet werden - auch in den vom ultra-reaktionären Ku-Klux-Klan beherrschten Südstaaten. Was sich dann ab September 1957 in Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas, abspielt, geht als eines der schlimmsten Kapitel der Rassentrennung in die US-Geschichte ein. Als bekannt wird, dass neun schwarze Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren die bislang rein weiße Central Highschool besuchen sollen, verkündet Gouverneur Orval Faubus: "Wenn man den Negern die Schulklassen gewaltsam öffnet, dann wird Blut fließen und der Pöbel rasen." Keiner wird mehr dafür sorgen als Faubus selbst.
Am Abend des 2. September lässt der Gouverneur die Nationalgarde in Little Rock einmarschieren und die Schule umstellen. Sie soll unter allen Umständen verhindern, dass die "Nigger" das Gebäude betreten. Zwei Tage später versuchen die von einer Schwarzen-Organisation ausgewählten neun Schüler zum ersten Mal, am Unterricht teilzunehmen. Mit dem Schrei: "Da kommen die Nigger!" stürzt ein weißer Mob den Schülern entgegen, reißt sie nieder, schlägt und tritt auf sie ein. In dem Gewühl gelingt es vier Schwarzen, die Schule unbemerkt durch einen Nebeneingang zu betreten. Tränenüberströmte weiße Mütter flehen die Polizisten an: "Die Nigger sind in unserer Schule. Oh Gott, und ihr steht da und lasst die Nigger da drin bleiben!" Mit Mühe können die neun schwarzen Schüler schließlich in Sicherheit gebracht werden. Drei Wochen lang verhindern der Gouverneur, seine Nationalgarde und der Rassisten-Pöbel weitere Schulbesuche. Als Faubus per Gerichtsbeschluss am 23. September zum Rückzug seiner Truppen gezwungen wird, verlassen alle weißen Kinder bei Ankunft der schwarzen die Schule. Wieder kommt es zu schweren Ausschreitungen. Aus dem Fernsehen erfährt Dwight D. Eisenhower, was sich in Arkansas abspielt. Der US-Präsident sieht das Ansehen der Nation in Gefahr und reagiert. Er zieht das Kommando über die Nationalgarde an sich und lässt 1.000 Soldaten in Little Rock einrücken. Zwei Monate lang eskortieren sie die schwarzen Kinder in voller Kampfmontur zur Schule und wieder nach Hause. Danach endet zwar die Gewalt auf den Straßen, nicht aber der Psycho-Terror gegen die Neun. Trotzdem schließen alle die Highschool erfolgreich ab. 1999 werden sie für ihren Mut mit dem höchsten Zivilorden der USA ausgezeichnet. Klick |
3. September 2007, 08:30 | #278 |
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03. September 1967: Schweden führt den Rechtsverkehr ein
Seit Monaten kennen Schwedens Medien nur noch ein Thema - die "Operation H". Allgegenwärtig ist dieses große H: Es findet sich auf Milchtüten und Knäckebrotpackungen, Streichholzschachteln und sogar auf Unterhosen. H steht für höger, also rechts und ist das Kennzeichen der mächtigsten Informationskampagne, die Schweden je überrollt hat. Seit König Karl XII. es 1697 so verordnete, rollen Fuhrwerke und später Autos im Linksverkehr aneinander vorbei. Doch nach fast 300 Jahren und mehreren vergeblichen Anläufen will sich Schweden endlich seinen Nachbarn anpassen und die Spur wechseln. Gespannt erwartet das Land den Dagen H, den Tag der "högertrafikkomläggningen" (Rechtsverkehrsumstellung).
Am frühen Morgen des 3. September 1967 sind Schwedens Städte überfüllt wie bei einem Volksfest. Wie angeordnet kommt der Verkehr um 4.45 Uhr zum Erliegen. Alle Autofahrer steuern den linken Fahrbahnrand an und erwarten mit Tausenden Fußgängern und Fahrradfahrern den historischen Augenblick. Um Punkt 5.00 Uhr ertönt ein Signal aus den Radios; freudiger Jubel übertönt die Lautsprecher der Polizei. Vorsichtig tasten sich die Autofahrer durch das Gewühl auf die rechte Fahrspur und rollen hupend davon. Das befürchtete Chaos bleibt aus; Schweden ist im Rechtsverkehr angekommen. In den Tagen danach wachen mehr als 10.000 Polizisten und Soldaten sowie 100.000 Schülerlotsen über das richtige Verhalten im Rechtsverkehr. Mit Erfolg: nennenswerte Unfälle ereignen sich nicht. Das einzige schwedische Verkehrsmittel, das weiter links fahren darf, ist die Stockholmer U-Bahn. Umgerechnet eine halbe Milliarde Mark hat der Spurwechsel gekostet. Unzählige Verkehrsschilder, Kreisverkehre und weiße Linien mussten quasi über Nacht den neuen Verhältnissen angepasst werden. Sogar die Blindenhunde wurden per Spezialtraining auf die neue Situation vorbereitet. Vielleicht der einzige Pechvogel der Staatsaktion ist ein Bierkutscher. Weil seiner seit Jahrzehnten links trabenden Stute die Umgewöhnung nicht mehr zuzumuten sei, verlangt er einen Zuschuss für den Kauf eines rechts-orientierten Pferdes aus Finnland. Doch nichts: Das Pferd habe gefälligst dem Kutscher zu gehorchen, lautet der abschlägige Bescheid. Klick |
4. September 2007, 07:57 | #279 |
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04. September 1907: Edvard Grieg stirbt in Bergen
Von engen Fjorde, schneebedeckten Berge und Einsamkeit kann der norwegische Komponist Edvard Grieg nicht genug bekommen. Seine Musik ist ein Spiegel der Umgebung, in der er aufgewachsen ist: "Meine westnorwegischen Berglandschaften ziehen mich mit unwiderstehlicher Kraft immer wieder zu sich." Geboren wird Edvard Hagerup Grieg am 15. Juni 1843 in Bergen. Sein Vater ist wohlhabender Fischhändler, seine Mutter eine begabte Sängerin und Pianistin. Mit sechs Jahren bekommt Edvard Klavierunterricht bei seiner Mutter. Sie ist streng: "Mit ihr war nicht zu spaßen, wenn sie mich am Klavier träumend fand, anstatt meine Lektionen fleißig zu üben." Grieg komponiert schon als Kind. Mit 15 Jahren geht er nach Leipzig ans Konservatorium. Dort wird er schwer lungenkrank. Das Leiden begleitet ihn sein ganzes Leben.
1863 geht der 20-Jährige nach Kopenhagen. Hier hat Grieg zwei prägende Begegnungen: Er lernt seine Frau Nina kennen und hört das erste Mal eine Hardangerfiedel. Diese ist nach dem Hardangertal benannt. Viele Musikanten spielen damit Volkslieder. Grieg verarbeitet norwegisches Liedgut in seinen Kompositionen und stellt das Nationale in den Vordergrund. Grund dafür ist die politische Situation Norwegens, das noch bis 1905 von Schweden abhängig ist. Künstler wie Edvard Grieg, Edvard Munch oder Henrik Ibsen wollen in ihren Werken das typisch Norwegische herausarbeiten, um eine eigene Identität und Selbstbewusstsein zu erlangen. Grieg ist schon zu Lebzeiten berühmt. Er ist monatelang auf Konzertreise, trifft befreundete Komponisten wie Liszt, Brahms und Tschaikowski. Bei seinen Konzerten spielt Grieg vorwiegend eigene Werke: das Klavierkonzert a-Moll, die Lyrischen Stücke, die Violinsonaten. Bei einer dieser Reisen lernt er in Rom den norwegischen Dichter Ibsen kennen. Grieg bekommt von ihm den Auftrag, zu seinem Drama "Peer Gynt" die Schauspielmusik zu schreiben. Während des Komponierens wird Grieg von Selbstzweifeln gequält - wie so oft. Einiges, was er schreibt, bezeichnet Grieg als "Kuhmist". Doch "Peer Gynt" wird bei der Uraufführung in Oslo 1876 ein großer Erfolg. Da bezieht der 30-Jährige bereits drei Jahre eine staatliche Rente, die Norwegen ihm für seine Funktion als Nationalkomponist bezahlt. Die materielle Unabhängigkeit erlaubt Grieg ein behagliches Leben auf dem Landsitz Troldhaugen bei Bergen. Hier stirbt er am 4. September 1907 im Alter von 64 Jahren. Klick |
5. September 2007, 07:34 | #280 |
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05. September 1977: Die RAF entführt Hanns Martin Schleyer in Köln
Montag, 5. September 1977: Die Radionachrichten melden, dass die RAF-Häftlinge in Stuttgart-Stammheim für vier Stunden täglich ihre Einzelzellen verlassen dürfen. Ihren vierten Hungerstreik haben Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin beendet.
Im Kölner Stadtteil Braunsfeld herrscht Feierabendverkehr. Ein junges Pärchen steht mit einem Kinderwagen an einer Straßenecke des Villenviertels am Stadtwald. Gegen 17.28 Uhr biegt die Limousine von Hanns Martin Schleyer um die Ecke, dahinter ein Begleitfahrzeug mit drei Polizisten. Plötzlich fährt ein gelber Mercedes rückwärts auf die Fahrbahn und stoppt die Wagenkolonne. Die Terroristen Peter-Jürgen Boock und Sieglinde Hofmann holen zwei Gewehre aus dem Kinderwagen und eröffnen das Feuer. Auch ihre Komplizen Willy Peter Stoll und Stefan Wisniewski beginnen zu schießen. Im Kugelhagel von mindestens 119 Geschossen sterben Schleyers Fahrer, Heinz Marcisz, und die Polizeibeamten Reinhold Brändle, Roland Pieler und Helmut Ulmer. Es ist der Plan der RAF, durch die Entführung die inhaftierten Genossen aus Stammheim frei zu pressen - sie nennen die Aktion "Big Raushole". Schleyer ist Vorstand der Daimler-Benz AG, Arbeitgeber-Präsident, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und CDU-Mitglied. "Spindy", wie die Terroristen der 62-Jährigen nennen, ist für sie das perfekte Ziel. Das ehemalige SS- und NSDAP-Mitglied Schleyer plädiert für einen starken Staat, stellt die Mitbestimmung der Gewerkschaften in Frage und schreckt bei Streiks auch nicht vor Aussperrungen zurück. Während Schleyer im "Volksgefängnis" der RAF sitzt, beschließt der "Große Krisenstab" unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Schmidt: Die RAF-Häftlinge werden nicht ausgetauscht. Stattdessen hofft das BKA, durch ein Hinhalten der Terroristen Zeit für die Befreiung Schleyers zu gewinnen. Das RAF-Kommando "Siegfried Hausner" versteckt Schleyer zunächst in einem Hochhaus in Erftstadt bei Köln. Die Fahndung läuft zwar auf Hochtouren, doch der Hinweis eines Polizisten auf das Versteck geht unter. Die konspirative Wohnung wird nicht überprüft. Schleyer kann deshalb in die Niederlande und nach Belgien verschleppt werden. Die Situation eskaliert, als das palästinensische Kommando "Martyr Halimeh" die Lufthansa-Maschine "Landshut" entführt. Der GSG-9 gelingt es, die Passagiere in der Nacht zum 18. Oktober 1977 auf dem Flugplatz von Mogadischu zu befreien. Am nächsten Morgen werden die RAF-Häftlinge in Stammheim tot aufgefunden. Daraufhin erschießen die Entführer Hanns Martin Schleyer und deponieren seine Leiche im Kofferraum eines Autos, das am 19. Oktober 1977 in Mühlhausen im Elsass gefunden wird. Klick |
6. September 2007, 09:10 | #281 |
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06. September 1952: Welturheberrechts-Abkommen wird unterzeichnet
Mit 75.000 Quadratmetern Stoff und 6.000 Meter Seil wird im Juni 1995 der Berliner Reichstag verhüllt. Die Idee stammt vom bulgarischen Verpackungskünstler Christo. Über drei Millionen Menschen schauen sich das Kunstwerk an. Finanziert wird die Verhüllung nur mit Erlösen aus Christos Urheberrechten. Seine Investitionen holt er nachträglich durch den Verkauf von Lizenzen für Fotografien und Bildbände wieder herein. Pressebilder kann Christo zwar nicht verhindern. Aber eine Postkarte, die er nicht genehmigt hat, muss wieder vom Markt genommen werden.
Möglich wird Christos Vorgehen durch das Welturheberrechts-Abkommen, das am 6. September 1952 in Genf unterzeichnet worden ist - von 36 der damals anwesenden 48 Staaten. Es soll die Urheberrechte an Werken der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst in allen Ländern der Welt schützen. "Wenn ich weltweit einen Schutz für kreatives Arbeiten biete, dann ermögliche ich auch den weltweiten Vertrieb dieser Rechte", fasst Wolfgang Schimmel, Jurist und Urheberrechtsexperte bei der Gewerkschaft Verdi, den Grundgedanken des Abkommens zusammen. Um die Rechte von Urhebern zu schützen, gibt es darüber hinaus diverse Regelungen und Gesetze. So kümmern sich Verwertungsgesellschaften wie die Gema, die VG Wort und die VG Bild um die Abgaben für die Urheber. Sie kassieren bei Verlagen, Sendern und anderen Verwertern, aber auch bei Herstellern von Kassetten, CDs, Rohlingen, Scannern, Kopierern und Druckern. Das Geld wird dann an die Urheber ausgeschüttet. Durch die Digitalisierung wird die Wahrnehmung der Urheberrechte allerdings immer schwieriger: Musik-Titel, Texte und Videos sind leicht und ohne Qualitätsverlust kopierbar. Runterladen und kopieren gehört inzwischen zum Alltag. Der Schaden, den Schwarz-Brenner und Wort-Räuber den Autoren und Komponisten sowie der Industrie zufügen, liegt in Milliarden-Höhe. Eine Antwort der Industrie darauf ist das so genannte Digital-Rights-Management (DRM). Digitale Kopierschutzmechanismen sollen illegale Raubkopien verhindern. Diese Regelungen sind jedoch durch zahlreiche Sammelklagen angefochten worden. Klick |
7. September 2007, 14:44 | #282 |
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07. September 1987: Erich Honecker besucht die BRD
Der Stabsmusikchor der Bundeswehr spielt vor dem Bundeskanzleramt in Bonn "Auferstanden aus Ruinen" - die Nationalhymne der DDR. Der ostdeutsche Staatschef Erich Honecker wird am 7. September 1987 mit allen militärischen und nicht-militärischen Ehren empfangen. Er ist der erste DDR-Staatschef, der die BRD besucht. Das Gesicht von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ist ernst, Honecker dagegen wirkt gelöst. Obwohl Kohl Antipathie gegen Honecker hegt, will er diesen Besuch: "Helmut Kohls Ziel war immer, das Schicksal der Menschen in der DDR zu erleichtern", erklärt der ehemalige WDR-Intendant Friedrich Nowottny, der in den 80er Jahren den "Bericht aus Bonn" moderiert hat.
Fünf Tage lang ist Honecker in Westdeutschland unterwegs. Fünf Tage lang werden an der innerdeutschen Grenze keine Menschen getötet, ist der ostdeutsche Schießbefehl aufgehoben. Das wird Jahre später bekannt. In Düsseldorf trifft der Staatsratsvorsitzende NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD). "Das wird sich zweifellos alles sehr gut auswirken für die Entwicklung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik", sagt Honecker. "Jede Begegnung, die wir miteinander haben, ist ein Doppelpunkt und nie ein Abschluss", antwortet Rau. Der Umgangston ist weichgespült, es werden Höflichkeiten ausgetauscht. Aus dem Rahmen fällt einzig Rockmusiker Udo Lindenberg, der Honecker eine Gitarre schenkt und das steife Protokoll bemängelt. "Ja, nu. Etwas Protokoll ist da, aber mehr Rock 'n' Roll werden wir noch später haben", meint Honecker. Höhepunkt der Reise ist der Empfang in der Godesberger Redoute. Kohl hat zur Bedingung gemacht, dass die Tischreden der beiden Staatschefs im Fernsehen beider Länder live ausgestrahlt werden. Als erster Redner stellt Honecker fest, dass die deutsch-deutschen Beziehungen von "Realitäten" geprägt sind: "Und die bedeuten, dass Kapitalismus und Sozialismus sich ebenso wenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser." Der westdeutsche Kanzler nutzt die Gelegenheit und spricht Probleme an: die politischen Gefangenen in der DDR, die Mauer, den Schießbefehl. Es gibt viele versteinerte Mienen bei der ostdeutschen Delegation. Dennoch ist der Besuch für Honecker ein Erfolg: Die Anerkennung der DDR ist für ihn damit endgültig vollzogen. Honeckers Reise bleibt allerdings der einzige Empfang eines DDR-Staatschefs in der BRD. Zwei Jahre später fällt in Berlin die Mauer. Klick |
10. September 2007, 08:06 | #283 |
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08. September 1157: Richard I. in Oxford geboren
Sein Vater ist König Richard Heinrich II. von England, seine Mutter Eleonore von Aquitanien. Damit ist Richard bei seiner Geburt am 8. September 1157 ein reiches Erbe sicher. Um allerdings die englische Krone und die großen, von Südschottland bis zu den Pyrenäen verteilten Besitzungen der Familie zu beherrschen, muss er sich als dritter Sohn zunächst in der Verwandtschaft durchsetzen. Mit Hilfe seiner Mutter, dem eigenen skrupellosen Draufgängertum und einer Portion Glück gelingt ihm das. Seine älteren Brüder sterben, der eine am Fieber, der andere bei einem Reitunfall. Den eigenen Vater besiegt er in einer Fehde, als der bereits krank ist.
Richard taugt zur ritterlichen Idealgestalt: Er überragt mit 1,86 Metern Körpergröße die meisten Zeitgenossen, hat rötlich blondes Haar und den Mut, stets in den vorderen Schlachtreihen mitzukämpfen. Aber er spricht auch fließend Latein und komponiert selbst Lieder für seine Troubadoure. Später wird sein Bild in der Legende vervollständigt: Darin tötet er einen Löwen mit der Hand, verschlingt dessen noch warmes Herz und verdient sich so den Namen Richard Löwenherz. Außerdem macht ihn das Schwert Excalibur des sagenhaften Königs Artus unbesiegbar. Und dann wird er noch Freund des edlen Rebellen Robin Hood, der in Wirklichkeit - wenn es ihn überhaupt gab - erst nach Richards Tod seine Pfeile im Sherwood Forest verschoss. Historisch gesehen ist Richard nicht einmal ein englischer Nationalheld. Denn den Ritter interessieren der Besitz seiner Familie, der noch keinen nationalen Grenzen folgt, und der persönliche Ruhm. Zehn Jahre ist er König von England, weilt aber nur 10 Monate davon im Land. 1189 bricht er zusammen mit dem französischen König Philipp II. und dem deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa zum dritten Kreuzzug auf. Philipp kehrt bald zurück, Barbarossa ertrinkt unterwegs. So erobert Richard allein die Festung Akkon und lässt dort 3.000 gefangene Muslime hinrichten. Trotzdem schicken ihm Sultan Saladin und dessen Bruder zwei frische Pferde, als Richards Schlachtross in der Schlacht von Jaffa getötet wird. Jerusalem zurück zu erobern, gelingt Richard nicht. Auf dem Rückweg entführt der österreichische König Leopold den englischen König kurzerhand und erpresst von dessen Mutter 150.000 Markt Lösegeld - das Doppelte des englischen Jahreshaushalts. Während Richard gefangen sitzt, bemächtigt sich sein jüngerer Bruder John des Throns. Aber Richard setzt ihn bei seiner Rückkehr 1194 wieder ab. Löwenherz sucht weiter den Ruhm außerhalb Englands. Im März 1199 belagert er die Festung Châluns bei Limoges. Abends reitet er nur mit Helm und Schild, aber ohne Rüstung, die Mauern ab - und wird von einem Armbrust-Pfeil tödlich getroffen. Seine Gebeine werden nicht etwa in seinem Königreich beerdigt, sondern neben seinen Eltern in der französischen Abtei Fontevrault. Klick |
10. September 2007, 08:08 | #284 |
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09. September 1737: Luigi Galvani in Bologna geboren
Elektrische Experimente sind Mode im späten 18. Jahrhundert, seit man die "Elektrisiermaschine" erfunden hat - rotierende Glasscheiben, die an Textilien reiben. Mit Hilfe eines Messingkabels lässt sich die entstehende Energie in ein Gefäß mit Wasser leiten. Sie strömt aber auch durch menschliche Körper hindurch, was den Wissenschaftlern die Möglichkeit öffentlicher Event-Experimente ermöglicht: So müssen einmal 180 Soldaten Ludwig des XV., ein anderes Mal sogar 700 Kartäuser-Mönche als Leitmedium dienen. Der erste der Versuchspersonen fasst den Draht an, der letzte taucht seine Hand ins Wasser. Bringt man die Elektrisiermaschine genügend auf Touren, springen alle angetretenen Herren zum Vergnügen des Publikums gleichzeitig hoch - nicht wie elektrisiert, sondern tatsächlich elektrisiert.
Was der Strom der Elektrizität mit dem Körper zu tun hat, möchte der Forscher Luigi Galvani herausfinden. Der Patriziersohn, am 9. September 1737 in Bologna geboren, ist Professor für Medizin und Anatomie. Für seine Versuche wählt er nicht Soldaten und Mönche, sondern Frösche, weil man die töten und zerteilen darf. Zunächst lässt Galvani Froschschenkel an der Elektrisiermaschine zucken, dann auf seinem Balkon, wenn es gewittert. Schließlich entdeckt er, dass sie sogar ohne Strom zucken, wenn er den Messinghaken, der sie durchbohrt, ans eiserne Balkongitter hält. Galvanis Schlussfolgerung: Im Frosch steckt Elektrizität. Sie beginnt zu strömen, wenn andere Elektrizität in der Nähe ist, aber sie fließt auch aus dem Frosch hinaus durch Metall. Deshalb hält Galvani die Metallteile stets an die Nervenenden der Schenkel. Sein Physiker-Kollege Alessandro Volta glaubt nicht an diese Deutung. Nicht die Frösche machen den Strom, sondern einfach die unterschiedlichen Metalle, die durch die Flüssigkeit miteinander reagieren. Volta reichen deshalb zur Stromerzeugung ein Stück Kupfer, ein Stück Zink und ein Gefäß mit Salzwasser. Damit begreift Volta, was Galvani entdeckt hat: die elektrochemische Reaktion, die heute in jeder Batterie ausgenutzt wird. Ganze Batterien von Fröschen hat diese Entdeckung das Leben gekostet, unnötigerweise. Aber Volta nennt das Prinzip ganz kollegial Galvanismus. Immerhin ahnte Galvani etwas Richtiges: Tatsächlich funktionieren Nervenzellen elektrisch, auch wenn der Galvanismus damit nichts zu tun hat. Galvani erlebt weder seine Widerlegung noch seine Ehrung mehr, stattdessen eine Menge Unglück: Seine Frau stirbt früh. Die französischen Truppen marschieren in Bologna ein und verlangen den Eid des Professors auf die neue "Republica Zisalpina" von Napoleons Gnaden. Aber Galvani will seinem alten Staatsoberhaupt, dem Papst in Rom, nicht untreu werden. Er verliert alle seine Ämter und muss verarmt zu seinem Bruder ziehen. Dort stirbt er 1798, erst 61 Jahre alt. Klick |
10. September 2007, 08:10 | #285 |
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10. September 1897: Erste Verurteilung wegen Alkohol am Steuer
Bier, Alcopops und schärfere Sachen sind für Fahranfänger in Deutschland seit August 2007 tabu. Führerschein-Neulingen, die gegen die strikte Null-Promille-Grenze verstoßen, drohen Bußgelder bis zu 1.000 Euro, zwei Punkte in Flensburg sowie eine Verlängerung der Probezeit am Steuer. Nach Grenzwerten von 1,5 Promille (1953) und 0,8 Promille (1973) gilt seit 2001 für alle übrigen Verkehrsteilnehmer: ab 0,5 Promille ist der "Lappen" weg. Der erste Mensch, der erwiesenermaßen wegen Trunkenheit am Steuer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, ist ein junger Londoner Taxifahrer names George Smith.
Gegen Mittag des 10. September 1897 nimmt das Verhängnis für Mr. Smith seinen Lauf. Um 12.45 Uhr biegt der 25-Jährige mit seinem Taxi in Londons Bond Street ein. Kurz darauf verliert er die Kontrolle über seine Motordroschke, kommt von der Straße ab und holpert in Schlangenlinien über den Bordstein. Erst im Eingang zum Haus Nummer 165 findet die Irrfahrt ein abruptes Ende. Smith hat doppelt Pech an diesem Tag, denn ein Polizist namens Russell hat das ganze Schauspiel beobachtet. Der Gesetzeshüter schnüffelt am Atem des Fahrers und konstatiert eine deutliche Fahne. So landet George Smith noch am selben Tag vor den Schranken des Gerichts in der Marlborough Street. Ohne Umschweife beichtet der Festgenommene dem Richter, in der Nacht zuvor "zwei oder drei Glas Bier" getrunken zu haben. Da die Schäden am Haus Bond Street Nr. 165 eine ebenso deutliche Sprache sprechen wie die Aussage des Polizisten Russell, wird George Smith im Schnellverfahren des Fahrens im betrunkenen Zustand für schuldig befunden. Der Richter verurteilt ihn zu einer Geldbuße von 20 Shilling, also etwa 100 Euro. Damit ist George Smith von Gerichts wegen Europas erster Alkoholsünder am Steuer. Es vergehen aber noch einmal knapp 60 Jahre, bis Juristen und Mediziner erstmals eine Grenze für die Alkoholverträglichkeit im Straßenverkehr definieren. Klick |
11. September 2007, 07:37 | #286 |
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11. September 1987: Tod von "Bonanza"-Schauspieler Lorne Greene
Einmal pro Woche müssen die Vereinigten Staaten für eine Stunde ohne Präsident Lyndon B. Johnson auskommen. Selbst Fernsehansprachen werden verschoben, damit der mächtigste Mann der westlichen Welt keine Folge der Western-Serie "Bonanza" verpasst. Ben Cartwright, gespielt von Lorne Greene, weißhaariger Patriarch der Ponderosa Ranch, ist ein Held so ganz nach dem Geschmack des Texaners Johnson: ebenso streng wie gerecht und seinen drei Söhnen stets ein makelloses Vorbild im ständigen Kampf um Ordnung und Moral. Wie der US-Präsident warten in den 60er und 70er Jahren Menschen in 100 Ländern darauf, dass die Cartwrights wieder durch die brennende Landkarte neuen Abenteuern entgegenreiten.
"Bonanza" steht im Englischen für einen unerwarteten Gewinn, der einem plötzlich vor die Füße fällt. Genau das bedeutet die 1959 gestartete Western-Serie für den Kanadier Lorne Greene. 1915 als Sohn eines Sattelmachers in Ottawa geboren, absolviert Greene zunächst in New York eine Schauspielausbildung. 1939 kehrt er nach Kanada zurück, wird Nachrichtensprecher bei der Canadian Broadcasting Corporation. Seine kräftige Bariton-Stimme, die später im Deutschen kongenial von Friedrich Schütter synchronisiert wird, bringt Greene bald den Ruf als "Stimme Kanadas" ein. Ab 1953 tritt er auch im US-Fernsehen und am Broadway auf. Reich und berühmt wird Greene, trotz vieler guter Kritiken, aber erst mit "Bonanza". Wie als "Pa" von Adam, Hoss und Little Joe hat Lorne Greene auch im wirklichen Leben drei Kinder. Fast vierzig Jahre lang führt er mit seiner zweiten Frau Nancy ein skandalfreies Leben jenseits der Glamour-Welt. Als die Bonanza-Serie 1973 nach 440 Folgen ausläuft, verblasst sein Ruhm allmählich. Interessante Rollen werden ihm kaum noch angeboten; zu stark ist die Identifikation mit der Vaterfigur des Ben Cartwright. Nur mit der Science-Fiction-Serie "Kampfstern Galactica" gelingt ihm noch einmal ein eindrucksvoller Auftritt als Commander Adama - natürlich wieder eine Vaterrolle. 1987 plant Lorne Greene mit "Bonanza - die nächste Generation" sein großes Comeback. Doch das ist ihm nicht mehr vergönnt. Einen Monat vor Beginn der Dreharbeiten, am 11. September 1987, stirbt Lorne Greene in Santa Monica, Kalifornien, an den Folgen einer Lungenentzündung. Klick |
12. September 2007, 07:49 | #287 |
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12. September 1952: Fernsehsender Langenberg wird eingeweiht
Die roten, weißen, blauen und schwarzen Bänder des Richtkranzes wehen auf einer Höhe von genau 209 Metern und 29 Zentimetern: Am 12. September feiert der Fernseh-Sendemast des Senders Langenberg Richtfest. Der neue Fernsehsender steht direkt neben dem Mast des bereits bestehenden Hörfunksenders. Beides gehört dem Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR), aus dem sich später NDR und WDR entwickeln.
Der erste Betriebsleiter der Langenberger Anlagen, Arthur Wurbs, erinnert sich an die Standortsuche: Während eines Treffens in Düsseldorf entdecken Post- und Regierungsvertreter auf einer Relief-Landkarte Nordrhein-Westfalens, dass der Langenberger Hordtberg zwischen Wuppertal und Essen weit und breit die höchst Erhebung ist. Von da aus lässt sich sowohl das Ruhrgebiet als auch Düsseldorf und Köln versorgen. Allein der Langenberger Fernsehsender kann theoretisch zehn Millionen Menschen in NRW erreichen. Fünf Jahre später wird 1957 bereits der Millionste Fernsehzuschauer gezählt. Inzwischen haben sich die bestehenden Rundfunkanstalten zur ARD zusammen geschlossen. 1963 geht das ZDF auf Sendung. Lange Zeit gibt es nur einen Verbreitungsweg für das Fernsehen: Übers Land verteilte Sendemasten strahlen auf analogem Weg Funkwellen hoher Frequenz aus, Antennen verteilen das Signal auf die Fernsehgeräte. 1984 startet das Kabelfernsehen - und mit ihm die Privatsender. Drei Jahre später kommt mit Astra der erste Satellit dazu, seit 1996 gibt es digitale Angebote. Über Kabel und Satellit sind mittlerweile hunderte Programme zu empfangen, dazu kommen ungezählte im Internet. "Heute spielt der Antennenempfang eine relativ untergeordnete Rolle, während Kabel und Satellit im Fokus stehen", sagt Rainer Hesels, technischer Stratege des WDR-Fernsehens. Dennoch brauche es für die TV-Verbreitung auch in Zukunft Antennenmasten, um DVB-T zu bedienen. Der Sender Langenberg bleibt also erhalten - trotz der rasanten technischen Entwicklung. Klick |
13. September 2007, 08:21 | #288 |
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13. September 1972: Länder beschließen Gründung der GSG-9
Die "heiteren Spiele" sollen sie werden. Fröhlich und freundlich will sich die Bundesrepublik bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München präsentieren. Doch eine Geiselnahme israelischer Sportler durch palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf setzt dem Sommertraum ein jähes Ende. Die Polizei ist überfordert, der unbeholfene Befreiungsversuch endet in einer Katastrophe. Es gibt 15 Tote: neun israelische Geiseln, fünf der acht Terroristen, ein Polizist. Nur wenige Tage nach der missglückten Geiselbefreiung verkündet Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) die Gründung einer Antiterror-Truppe. Weil die Polizeihoheit nicht beim Bund liegt, soll die Spezialeinheit nur auf Anforderung der Länder eingesetzt werden. Am 13. September 1972 stimmt die Innenministerkonferenz der Länder Genschers Vorschlag zu.
"Mit sofortiger Wirkung wird die Grenzschutzgruppe 9 aufgestellt", heißt es im Erlass der Bundesinnenministeriums. Die GSG-9 wird beim Bundesgrenzschutz in Bonn-Hangelar stationiert. Ihr erster Kommandeur wird Ulrich Wegener. Die Männer der neu gegründeten Einheit lernen Anschleichen, Nahkampf-Techniken, Schießen aus jeder Position. Sie seilen sich aus Hubschraubern ab, üben Personenschutz - und immer wieder: Geiselbefreiung. Die Technik für die Geiselbefreiung lernen die Grenzschützer von den Israelis, vom amerikanischen FBI Abhörtechnik und Schießen. Im Herbst 1973 ist die Elite-Einheit einsatzbereit. Rund 1.500 Einsätze hat die GSG-9 seit ihrer Gründung bisher durchgeführt - die meisten unbemerkt von der Öffentlichkeit. Zwei Mal jedoch macht die GSG-9 Schlagzeilen. Zunächst im Deutschen Herbst 1977, als eine Einheit die entführte Lufthansa-Maschine "Landshut" stürmt und die 90 Geiseln unverletzt befreit. Von da an sind sie die "Helden von Mogadischu". Doch im Sommer 1993 wird dieser Ruf schwer beschädigt. Die Spezialeinheit soll im Bahnhof von Bad Kleinen die beiden mutmaßlichen RAF -Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams festnehmen. Doch der Zugriff geht schief: Bei einer Schießerei kommen Grams und der GSG-9-Mann Michael Newrzella ums Leben. Es gibt Spekulationen, Grams sei von der GSG-9 exekutiert worden. Die behördlichen Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass Grams sich selbst erschossen hat. Die Verfahren gegen zwei GSG-9-Beamte werden eingestellt. Doch zahlreiche Ungereimtheiten bleiben unaufgeklärt. Heute werden die Beamten im Antiterror-Kampf eingesetzt, aber auch zur Unterstützung bei Sondereinsätzen gegen die Organisierte Kriminalität und im Ausland zum Schutz deutscher Diplomaten und Botschaften. Klick |
14. September 2007, 07:14 | #289 |
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14. September 1307: Haftbefehle gegen die Templer
Es ist eine gut organisierte Staatsaktion: Am 14. September 1307 verschickt der französische König Philipp IV. geheime, versiegelte Briefe an alle Polizeipräfekten des Landes. Erst am 13. Oktober, zu festgesetzter Stunde sollen sie das Schreiben öffnen. Darin erhalten sie den Befehl, alle Angehörigen des Ordens der Templer zu verhaften und ihre Güter zu beschlagnahmen. Die Templer seien der Ketzerei und der Unzucht überführt.
Der Coup gelingt: Fast alle Templer gehen ahnungslos ins Netz, allein 138 in Paris, insgesamt 546 in Frankreich. Der Vorgang ist eine Ungeheuerlichkeit, denn eigentlich darf nur die Kirche Ketzer-Prozesse beginnen. Papst Clemens V. protestiert denn auch in einem Schreiben an Philipp: "Euer überstürztes Vorgehen ist eine Beleidigung gegen uns und die römische Kirche." Aber bei dem Schreiben bleibt es. Clemens hat Angst, denn sein Vorgänger Bonifaz VIII. wurde von Philipp zunächst der Ketzerei beschuldigt und dann durch ein Attentat tödlich verletzt. Philipp, genannt der Schöne, bekannt für sein langes blondes Haar und seine kalten Augen, zeigt, wer in Europa das Sagen hat. Die verhafteten Templer werden verhört und der fürchterlichsten Folter unterzogen. Innerhalb weniger Wochen gestehen sie die unglaublichsten Verbrechen. Im Orden wird angeblich das Kreuz bespuckt und Homosexualität verordnet. Das Templer-Siegel - zwei Reiter auf einem Pferd - bedeute Unzucht, nicht Brüderlichkeit. Der Orden sei ein gefährlicher Geheimbund. Tatsächlich unterhalten die Templer, 1118 zum Schutz der Pilger ins Heilige Land gegründet, ein Netzwerk in ganz Europa, sind reich und einflussreich. Seit dem Fall der Festung Akko 1291 und dem Ende der Kreuzzüge haben sie ihre eigentliche Aufgabe verloren. Aber die Mönche mit Ritter-Rüstung verstehen sich als heilige Elite. Sie waren arrogant genug, Philipps Gesuch um Aufnahme in den Orden abzulehnen. Jetzt nimmt der König schreckliche Rache. Im August 1309 unternimmt der Papst noch einen Versuch, das Verfahren an sich zu ziehen. 1311 beruft er ein Konzil nach Vienne ein, auf dem die Unschuld der Templer festgestellt wird. Aber was Clemens unternimmt, bleibt Papier. 1312 beugt er sich Philipp und löst den Orden auf. 56 Templer werden zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Viele sind schon in der Haft gestorben oder haben sich das Leben genommen. Ihr Großmeister Jaques de Molay wird 1314 als einer der letzten verbrannt, mit über 70 Jahren. Auf dem Scheiterhaufen verflucht er König und Papst. Sein Hinrichtungstag fällt auf einen Freitag, den 13. - der seither als Unglückstag gilt. Die Krone bereichert sich am Besitz des Ordens. Aber Philipp stirbt ebenso wie Clemens noch im selben Jahr. Klick |
15. September 2007, 11:15 | #290 |
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15. September 1932: Charles Wilp wird geboren
Er sprengt seinen weißen Sportwagen in die Luft, um gegen die Umweltverschmutzung zu protestieren, und lässt sich auf sein Haus ein Ufo bauen. Charles Wilp liebt spektakuläre Aktionen. Bekannt wird er in den 1960er Jahren durch provokative Werbespots für Puschkin-Wodka und Afri-Cola. Auch wenn er damit den Umsatz des koffeinhaltigen Getränks um ein Drittel steigern kann, steht für Wilp nicht das Verkaufen im Vordergrund. Er begreift Werbung als Gesamtkunstwerk. Hier kann er seine Talente einbringen: Er komponiert, fotografiert und textet. Neben Werbung betreibt er auch politische Imagepflege. Für das Bundespresseamt porträtiert er die Minister der ersten sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD).
Geboren wird Kaufmannssohn Charles Paul Wilp am 15. September 1932 in Witten. Er wächst in Berlin auf. Seine Mutter Marie-Helene, genannt "Miezebolz", ist eine Art Groupie der deutschen Raketenforscher um Wernher von Braun. Sie untermalt als Pianistin in Babelsberg Stummfilme, unter anderem "Die Frau im Mond" von Fritz Lang. "Ich war schon früh ein verwirrtes Wunderkind in Musik", erinnert sich Wilp später. "Ich habe mit sechs Jahren schon Klavierkonzerte gegeben." Er studiert Kunst und Wirkungspsychologie in Aachen. Als Künstler realisiert er gemeinsame Projekte mit Andy Warhol und Joseph Beuys. 1972 stellt er erstmals in Kassel aus, auf der fünften "Documenta". Sein Markenzeichen ist damals ein gelber Overall. Das bewahrt ihn vor Partys: "Der Beuys konnte wegen seines Huts nirgendwo hingehen, die Society hat uns nicht eingeladen", sagt Wilp rückblickend. "Wir standen auf einem ganz anderen Plateau." In den 80er und 90er Jahren trägt er statt des gelben einen hellblauen Overall der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Aus Wrackteilen der explodierten Weltraumrakete Ariane formt er mit Spezialklebstoff schimmernde Skulpturen. Er bezeichnet sich als "Artronaut", eine Mischung aus Artist und Astronaut, und schickt als Erster seine Kunst in die Umlaufbahn. 1986 reisen die "Space Sculptures" mit einem Satelliten ins All. Am 25. April 1995 arbeitet Wilp bei einem Parabel-Flug erstmals selbst in der Schwerelosigkeit. Bis 2002 absolvierte er insgesamt 180 Parabelflüge - ein Flugmanöver, bei dem das Flugzeug eine zur Erdoberfläche geöffnete Kurve beschreibt. Seinen Werdegang bringt Wilp auf die Formel: "Vom Cola-Rausch zum All-Orgasmus". Er stirbt nach langer Krankheit am 2. Januar 2005 in Düsseldorf an Krebs. Klick |
17. September 2007, 08:15 | #291 |
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16. September 1977: Tod von "T. Rex"-Sänger Marc Bolan
T. Rex sind größer als die Beatles. Dieses Urteil fällte einer, der es wissen sollte: Ex-Beatle Paul McCartney. So jedenfalls erzählt es der Musikproduzent Tony Visconti. Als Mischpult-Magier gibt er allen T. Rex-Hits wie "Ride a white Swan", "Hot Love" oder "Get it on" ihren unverwechselbaren Sound. "Marc Bolan ist T. Rex", sagt Percussionist und Bandpartner Micky Finn über den dunkel gelockten Sänger und Gitarristen. Innerhalb von drei Jahren, von 1970 bis 1973, steigt Marc Bolan vom Geheimtipp zum Teenie-Schwarm auf und wird von der Presse als "erster Superstar nach den Beatles" apostrophiert. Mit glamourösen Bühnenshows, Plateaustiefeln und glitzernden Anzügen kreiert Bolan den Glamrock.
Starthilfe bei Marc Bolans Karriere gibt wie bei vielen Anderen John Peel. Ende der 60er Jahre wird der Radio-Moderator auf ein Duo namens Tyrannosaurus Rex aufmerksam. Trotz einer treuen Underground-Fangemeinde erreichen Bolans märchenhaft versponnenen Lieder noch kein Massenpublikum. Produzent Tony Visconti nimmt den elfenhaft wirkenden Bolan unter seine Fittiche, ersetzt den Percussionisten durch Micky Finn und verkürzt den Band-Namen auf T. Rex. In den folgenden 18 Monaten verkauft Marc Bolan 18 Millionen Platten. Seine Lieder haben mehr zu bieten als die simplen Disco-Stampfer der Glamrock-Nachzieher Slade, Sweet oder Gary Glitter. Nach zehn Top-Ten-Hits verliert das Idol jedoch die Bodenhaftung; Drogen- und Alkoholexzesse ruinieren die Karriere. In der Nacht vom 16. auf den 17. September 1977 kommt in London bei regennasser Straße ein Mini Cooper von der Straße ab und prallt gegen einen Baum. Die Fahrerin, T. Rex-Backgroundsängerin Gloria Jones, wird durch die Frontscheibe geschleudert und schwer verletzt. Ihr Lebensgefährte und Vater ihres kleinen Sohnes, der 29-jährige Marc Bolan, stürzt auf die Straße und ist sofort tot. Drei Tage später tragen Rod Stewart, David Bowie und Produzent Tony Visconti seine Asche auf dem Friedhof Golders Green zu Grabe. Gloria Jones überlebt. Mit ihrer Hilfe, hat Marc Bolan kurz vor seinem Tod erklärt, habe er endlich "aus einem Zwielicht von Drogen, Alkohol und abartigem Sex" zurück ins Leben gefunden Klick |
17. September 2007, 08:17 | #292 |
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17. September 1822: Champollion entziffert die Hieroglyphen
Schon sein Vater hat mit der Geschriebenem zu tun, denn der ist Buchhändler. Aber Jean Francois Champollion, 1790 in Figeac geboren, ist ein wahres Schriftsprachen-Genie: Während der französischen Revolution bringt er sich als Kind selbst Lesen und Schreiben bei. Mit zwölf Jahren beherrscht er Latein, Griechisch und Arabisch. Mit 19 Jahren wird er Professor für Alte Geschichte. Seine große Leidenschaft: das alte Ägypten.
1799 haben Napoleons Truppen in Ägypten einen alten Stein gefunden, der eine dreifache Inschrift enthält: griechische Buchstaben, demotische Schrift und ägyptische Hieroglyphen. Die Gelehrten können nur das Griechische übersetzen. Demotisch ist eine vergessene altägyptische Volkssprache. Die Hieroglyphen halten die Wissenschaftler für symbolische Zeichen, Geschichten in Bildern. Champollion ist anderer Meinung: Die Hieroglyphen-Schrift ist etwa so lang wie der griechische Text, also scheint sie auch eine Buchstaben-Schrift zu sein. Champollion vergleicht die Zeichen mit der späteren koptischen Schrift aus Ägypten. Den Schlüssel bilden Königsnamen wie Kleopatra und Ptolemäus, die er durch die griechische Übersetzung identifizieren kann. Schließlich kann er den gesamten Text lesen. Am 17. September 1822 erklärt Champollion seine Entdeckung in einem Vortrag vor der Académie Francaise: Die Hieroglyphen sind ein Alphabet. Er erntet Begeisterung, aber auch Skepsis. Für Champollion kommt es nun darauf an, die Welt des alten Ägypten aus den Texten neu zu erschließen. Er reist dafür in italienische Bibliotheken, dann auch zwei Jahre lang an den Nil. Champollion reibt sich mit seiner Arbeit auf. Krank und unterernährt kommt er nach Frankreich zurück und stirbt am 4. März 1832 in Paris an einem Schlaganfall. Er wird nur 42 Jahre alt. Klick |
18. September 2007, 07:46 | #293 |
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18. September 1932: Das Königreich Saudi-Arabien wird gegründet
Im 18. Jahrhundert steckt die Gesellschaft der arabischen Halbinsel in einer Krise: Die Zentralgewalt des osmanischen Reiches ist schwach, die Beduinenstämme bekämpfen sich. Da sucht der Religionsgelehrte Muhammad Ibn Abdalwahhab einen Neuanfang durch eine radikale Reform: Er predigt die Rückkehr zum angeblichen Ideal-Islam Mohammeds in Mekka und Medina. Abdalwahhabs Lehre lehnt alles ab, was nach Luxus und Vergnügen aussieht: Rauchen, seidene Kleider, weltliche Musik, aber auch die unter den Arabern übliche Toten- und Heiligenverehrung. Wer diesem Rigorismus nicht folgt, ist für den Theologen kein echter Muslim. Abdalwahhab vertritt einen durchaus nicht allgemein anerkannten Islam, rigoros ähnlich wie das Christentums Calvins in Genf oder der frühen Puritaner in den USA.
Im Beduinenfürsten Muhammad Ibn Saud aus Dir'iyya - heute ein Vorort von Riad - findet Abdalwahhab einen Verbündeten. 1744 schließen sie einen Vertrag: Ibn Saud will ein Reich aufbauen, in dem die strengen Lehren Abdalwahhabs gelten sollen. Ibn Saud und seine nach dem Gelehrten benannte Wahhabiten-Bewegung überziehen Arabien mit Krieg. Anfang des 19. Jahrhunderts zerstören sie sogar die Heiligengräber in Mekka und Medina. Jetzt lässt der Sultan von Istanbul seinen Vizekönig in Ägypten, Mehmet Ali, gegen die Ultras aus der Wüste vorgehen. Bis 1818 wird deren Herrschaft zerstört, die meisten Wahhabiten-Führer werden hingerichtet. Aber die Bewegung ist nicht tot. Anfang des 20. Jahrhunderts nutzt sie das Machtvakuum des allmählich untergehenden osmanischen Reiches. 1902 nimmt Abdalaziz Ibn Saud, ein Nachkomme des Fürsten aus Dir'iyya, die Stadt Riad ein und erobert von hier aus Oase um Oase. Die europäischen Kolonialmächte dulden ihn. So erklärt sich Abdalaziz am 18. September 1932 zum König von Saudi-Arabien. Seine Legitimität beruht auf dem Bündnis mit den Wahhabiten-Gelehrten, der Reichtum des Staates bald auf Öl. So suchen die Saudis eine Verbindung von Kapitalismus, Modernisierung und ultra-orthodoxem Islam, die eigentlich ein Widerspruch ist. Mit ihrer politischen Näher zu den USA und ihrer Wirtschaftspolitik machen sich die Saudis die Islamisten zu Gegnern, versuchen dies aber durch ein streng religiöses Regime zu verschleiern. Der ausgebürgerte Terroristenführer Osama bin Laden aus einer reichen saudischen Familie kämpft auch gegen diesen Kompromiss. Klick |
19. September 2007, 07:54 | #294 |
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19. September 1967: Alfred Nobel wird Patent für Dynamit erteilt
Die Lösung seines Problems findet Alfred Nobel nicht in seinem Heimatland Schweden, sondern in der norddeutschen Provinz. In Krümmel bei Hamburg baut der Chemiker 1865 die erste Niederlassung seiner kurz zuvor gegründeten Nitroglycerin-Aktiengesellschaft. Das erschütterungsempfindliche Nitroglycerin ist hochexplosiv. Im Jahr zuvor ist die Nitroglycerin-Fabrik seines Vaters in Schweden in die Luft geflogen. Unter den Opfern war auch Alfreds jüngerer Bruder Emil. Nobel lässt sich dadurch nicht aufhalten: Aus Sicherheitsgründen experimentiert er auf einem Kahn auf der Elbe. Durch Beimischung von Sand entdeckt er, dass Kieselgur, ein Pulver aus urzeitlichen Algen, das Nitroglycerin aufsaugt und zu einer sicher zu handhabenden Sprengstoffmasse macht. Das Dynamit, benannt nach dem griechischen Wort "dynamis" für Kraft, ist erfunden.
Die Sprengkraft des in Pappröhren abgefüllten Pulvers ist zwar nicht mehr so groß wie die von reinem Nitroglycerin, aber immer noch fünf Mal so effektiv wie Schwarzpulver. Am 19. September 1867 wird Alfred Nobel das Patent für Dynamit erteilt. Der Sprengstoff wird ein weltweiter Erfolg. In der Schweiz wird er beim Bau des Gotthard-Tunnels eingesetzt. Nobel wird Großindustrieller und kann sein Laboratorium nur noch selten aufsuchen. Dennoch bringt er es auf insgesamt 355 Patente. Dazu gehören eine automatische Lokomotivbremse und eine explosionssicherer Dampfkessel. Privat ist Nobel weniger erfolgreich. Die österreichische Pazifistin Bertha von Suttner, die er mit 43 Jahren kennen lernt, interessiert ihn. Doch bleibt es, da sie vergeben ist, beim Briefverkehr. Stattdessen hält sich Nobel die Wiener Blumenverkäuferin Sofie Hess viele Jahre als Geliebte - obwohl sie ihn ausnimmt und andere Männer hat. Seiner Schwägerin gesteht er in einem Brief, ohne Familie und Freunde sei er "umherirrend, kompass- und steuerlos wie ein zweckloses vom Schicksal gebrochenes Lebenswrack". Er beschreibt sich als Mischung aus "Misanthrop" und "grenzenlosem Idealisten". Diese Selbstcharakterisierung spiegelt sich in seinem Engagement für den Frieden wider, den der Waffenhändler und Raketenkonstrukteur durch ein internationales Wettrüsten erreichen will. An Bertha von Suttner schreibt er: "Meine Fabriken werden vielleicht dem Krieg noch früher ein Ende machen als Ihre Kongresse." Schriftsteller wie Émile Zola und Jules Verne schreiben daraufhin Romane über durchgeknallte Sprengstoffchemiker. Nach seinem Tod 1896 überrascht Alfred Nobels Testament: Der kinderlose Erfinder stiftet fünf Preise für Spitzenleistungen in Chemie, Physik, Medizin, Literatur und Friedensarbeit. Klick |
20. September 2007, 12:09 | #295 |
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20. September 1407: Erste Erwähnung von "Zigeunern" in Deutschland
Am 20. September 1407 bewirtet die Bischofsstadt Hildesheim ungewöhnliche Gäste: "Tataren". Während deren Papiere auf der Schreibstube geprüft werden, wird ihnen Wein ausgeschenkt - im Wert eines halben Stübers, einer damals üblichen Münzeinheit. Vermerkt wird die Begebenheit in den "Kämmereirechnungen" der Stadt. Die Notiz gilt als erste urkundliche Erwähnung von Sinti und Roma in Deutschland. Als "Tataren" bezeichnet man damals in Norddeutschland, den Niederlanden und Skandinavien die "Zigeuner". Heute gibt es über die Verwendung des Begriffs Zigeuner unterschiedliche Auffassungen: Während ihn der "Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma" als diskriminierend ablehnt, setzt sich die "Sinti Allianz Deutschland" für eine neutrale Verwendung der Bezeichnung Zigeuner ein, da damit auch andere Zigeunervölker wie Manusch und Kale einbezogen würden.
Der Name Sinti stammt vermutlich von der indischen Provinz Sindh. Von dort ziehen sie im 14. und 15. Jahrhundert nach Mitteleuropa. Roma haben den gleichen indischen Ursprung, gelangen jedoch erst rund 400 Jahre später hierher. Gemeinsam haben sie die Sprache Romanes - und die Erfahrung der Ausgrenzung. Nur kurze Zeit werden sie als Kesselflicker, Korbflechter, Hufschmiede und Pferdehändler anerkannt und geschätzt. Ende des 15. Jahrhunderts werden Sinti und Roma im Deutschen Reich als vogelfrei erklärt. Fortan darf jeder einen "Zigeuner" töten, wenn er ihn auf seinem Boden trifft. Als Vater des Antiziganismus gilt der Göttinger Professor Heinrich Moritz Grellmann, der 1783 in einem Buch die Sinti als "ein verdorbenes, wildes, faules, schmutziges, rohes, ungesittetes, lüsternes, zügelloses und wollüstiges, orientalisches, ja negerartiges Volk beziehungsweise Rasse" beschreibt. Diese Vorurteile werden von anderen pseudowissenschaftlichen Zigeunerforschern abgeschrieben und bereiten das Feld für die Nationalsozialisten. Wie die Juden werden Sinti und Roma von den Nazis als Angehörige einer angeblich "minderwertigen Rasse" mit vererbbaren negativen Eigenschaften angesehen. Während des Holocausts werden rund eine halbe Million "Zigeuner" ermordet. Heute leben nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen acht bis zehn Millionen Sinti und Roma auf dem europäischen Kontinent - teilweise in prekären Verhältnissen am Rand der Gesellschaft. Klick |
21. September 2007, 07:23 | #296 |
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21. September 1957: Todestag von Norwegens König Haakon VII.
1905 löst sich Norwegen aus der Personalunion mit dem Königreich Schweden. Sofort macht sich das Parlament auf die Suche nach einem eigenen Herrscher. Es wählt einen 33-jährigen dänischen Prinzen mit dem verheißungsvollen Namen Carl von Glücksburg. Der aber will die angebotene Krone nur annehmen, wenn sich das Volk für die Monarchie entscheide. In einer Volksabstimmung stimmt die überwältigende Mehrheit der Norweger für das Königtum.
Im November 1905 betritt Carl von Glücksburg mit seiner Gemahlin Maud bei heftigem Schneesturm erstmals norwegischen Boden. Fortan wird er sich - in Erinnerung an den letzten König eines freien Norwegens im Mittelalter - Haakon VII. nennen. Mehrmals bereist er selbst schwer zugängliche Regionen, um Land und Leute kennenzulernen. Die gewünschte Volksabstimmung ist nicht das letzte Bekenntnis Haakons zur Demokratie. Ende der zwanziger Jahre ernennt er nach einer Regierungskrise gegen den Willen vieler seiner Berater den Vorsitzenden der Moskau-orientierten Arbeiterpartei, der größten Partei Norwegens, zum Ministerpräsidenten. Als die Deutschen 1940 Oslo einnehmen, verweigert der König den Besatzern die Gefolgschaft und geht für fünf Jahre nach London ins Exil. In zahlreichen Radioansprachen macht er seinen Landsleuten Mut zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Im Juni 1945, 40 Jahre nach seiner Krönung, kehrt Haakon VII. unter dem Jubel seiner Landsleute nach Norwegen zurück. Zwölf weitere Jahre regiert er das Land. Er stirbt am 21. September 1957 im Alter von 85 Jahren in Oslo. Klick |
24. September 2007, 07:43 | #297 |
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22. September 1967: Premiere des Aufklärungsfilms "Helga"
Sanitäter des Roten Kreuzes sind im Herbst 1967 plötzlich sehr gefragt. Bundesweit rufen Filmtheaterbesitzer deren Hilfe herbei, um ohnmächtige, meist männliche Kinogäste wieder auf die Beine zu stellen. Eine Szene hat sie allerorten aus den Sitzen rutschen lassen, die in so brutaler Direktheit öffentlich noch nie zu sehen war: Eine schöne blonde Frau im Kreißsaal, ihre Beine weit gespreizt. Schonungslos zoomt die Kamera heran. Aus der Leinwand füllenden, blutigen Vagina presst sich dem Publikum zaghaft ein Köpfchen entgegen. Da bleibt so Manchem schlicht die Luft weg. Diese real gefilmte Geburt ist der aufregendste Moment eines Films, der Millionen volljähriger Menschen beiderlei Geschlechts in die westdeutschen Kinos lockt. "Helga - Vom Werden des menschlichen Lebens", erdacht und gedreht im Auftrag von Gesundheitsministerin Käte Strobel, vermittelt den Deutschen dringend benötigte Nachhilfe in Sachen Sexualaufklärung.
Ruth Gassmann, blond, mütterlich sexy und immer guter Laune, ist Helga. Käthe Strobel persönlich soll die unbekannte 24-jährige Münchenerin für die revolutionäre Nackt-Rolle ausgesucht haben. Helga stellt im Film die Fragen, die Kinobesucher ihren Eltern niemals gestellt hätten. Voyeure kommen im Lauf der Handlung kaum auf ihre Kosten. Abgerundet von kleinen Spielhandlungen folgen meist interessiert lauschende Erwachsene den bebilderten Vorträgen des medizinischen Personals. Dann verdeutlichen Grafiken, Standbilder und Simpel-Animationen, was zwischen Zeugung und Geburt in Helgas Körper vor sich geht. Dem Kassenerfolg schadet die etwas miefig vorgetragene Nachhilfe in Medizin und Biologie nicht. "Helga" spielt daheim 50 Millionen Mark ein, wird weltweit verkauft und bringt insgesamt 600 Millionen Menschen das kleine Einmaleins der Sexualität bei. So bieder und unfreiwillig komisch "Helga" heute wirkt - nach der Uraufführung am 22. September 1967 kommt der Beifall von fast allen Seiten. Die Presse applaudiert dem ersten Aufklärungswerk der Kinogeschichte, der Vatikan gibt seinen Segen und selbst türkische wie algerische Zensurbehörden lassen "Helga" unbeanstandet passieren. Nur Volksaufklärer Oswalt Kolle geht die regierungsamtlich verbreitete Auffassung von Liebe ohne Lust und Sexualität ohne Trieb gegen den Strich. Mit "Das Wunder der Liebe", nur Wochen nach "Helga" in den Kinos, erklärt der erfolgreiche Illustrierten-Autor den Deutschen, dass Sex nicht nur zum Kindermachen gestattet ist. Der riesige Erfolg auch dieses Streifens lässt in immer kürzerer Folge zahllose Pseudo-Aufklärungsnachfolger das Leinwandlicht erblicken. Die Sexwelle überschwemmt Deutschland und eine Ministerin hat ihr zur Geburt verholfen. Klick |
24. September 2007, 07:45 | #298 |
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23. September 1952: Rocky Marciano wird Boxweltmeister
Rocky Marciano liegt am Boden. Ein linker Haken von Jersey Joe Walcott hat ihn getroffen, er atmet schwer. Es ist die erste Runde um die Weltmeisterschaft im Schwergewichtsboxen. Bisher hat der 29-jährige Marciano alle seine 42 Profiboxkämpfe gewonnen. Jetzt sieht es so aus, als habe er in Walcott seinen Meister gefunden. Marciano rafft sich wieder auf, aber bis in Runde 12 liegt er nach Punkten hoffnungslos zurück. "Walcott, Walcott" skandiert die Menge im Municipal Stadion in Philadelphia.
Dann schlägt der zwei Meter große Favorit einen rechten Haken. Marciano taucht darunter weg und streckt den deckungslosen Champion mit einem Schlag nieder. Walcott hängt in den Seilen und wird ausgezählt. Rocky Marciano ist Weltmeister. Es ist der 23. September 1952, ein großer Tag in der Sportgeschichte. Das legendäre Duell zwischen Marciano und Walcott wird später zum Kampf des Jahres gekürt. Rocky Marciano wird 1923 als Rocco Francis Marchigiano in Brockton, Massachusetts, geboren. Nach einer Laufbahn als Straßenfeger, Laufbursche und Bauarbeiter versucht der Sohn italienischer Einwanderer, durch Boxen der Armut zu entfliehen. Da ist er 20 Jahre alt. Seine Gegner fürchten seine eisenharte Schlagkraft und seine verbissene Geradlinigkeit. Walcott wird später sagen, dass Marciano im Ring ein Killer sei. Außerhalb des Rings gibt er sich eher schüchtern. 49 Kämpfe absolviert Marciano. Er gewinnt sie alle, 43 durch K.O.. Sechs mal verteidigt er seinen Titel im Schwergewicht. Mit 33 Jahren zieht er sich als reicher Mann aus dem Boxsport zurück. 12 Jahre später, 1969, stirbt Marciano bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Newton, Iowa. Er gilt als bester Boxer aller Zeiten. Sein Leben dient Sylvester Stallone als Vorlage für seine "Rocky"-Filme. Klick |
24. September 2007, 07:46 | #299 |
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24. September 1717: Schriftsteller Horace Walpole wird geboren
Furcht einflößende Stille herrscht in den verschlungenen Kreuzganggewölben des imposanten Gemäuers. Nur hin und wieder lassen ächzende Türen die unschuldige Isabella zusammenzucken. "Jedes Murmeln erfüllte sie mit neuem Schrecken", heißt es in Horace Walpoles kleinem Roman "Die Burg von Otranto", den der englische Schriftsteller in nur einer Sommernacht 1764 niedergeschrieben hat. "Sie trat so leise auf, wie es ihre Eile nur gestattete, hielt aber öfter inne und lauschte, ob jemand sie verfolgte. Da schien es ihr, als nähme sie die Schritte eines Menschen war. Ihr Blut erstarrte."
Walpole wird am 24. September 1717 in London geboren. Sein Vater lenkt als erster Premierminister Englands 20 Jahre lang die Geschicke des Landes. Auf den Jagdgesellschaften des machtversessenen Regierungschefs fühlt sich der traumtänzerische Sohn mehr als unwohl. Nach dem Tod seiner extravaganten Mutter 1737 wird er vollends zum Außenseiter. Nach einem standesgemäßen Studium in Eton und Cambridge unternimmt er junge Aristokrat eine zweijährige Bildungsreise durch den Kontinent. In den Salons von Paris knüpft er Kontakte zu Schriftstellern und Philosophen. Eine vom Vater 1741 eröffnete Karriere als Parlamentarier scheitert, da sich Walpole vor öffentlichen Auftritten fürchtet. Stattdessen flüchtet sich der spindeldürre Mann mit der Fistelstimme in einen Wohnsitz, den er im Laufe der Jahre zu einer bizarren mittelalterlichen Burg mit Ritterrüstungen, aufgemalten Gewölben und einer gotischen Grabkapelle ausbaut. Für das stattliche finanzielle Auskommen sorgt der Vater. Inmitten einer vom Rationalismus geprägten Zeit erfindet Walpole mit "Die Burg von Otranto" und seinem Blick in die Abgründe der Seele das Genre des gotischen Schauerromans, in dem das Irrationale, Unheimliche unvermittelt in die Wirklichkeit tritt. Aber eigentlich fasst er nur die Alpträume in Worte, die ihn in seinem phantastisch-bizarren Domizil selbst plagen. Walpole stirbt 1797 fast 80-jährig in London. Klick |
25. September 2007, 07:29 | #300 |
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25. September 2002: Fundort der Himmelsscheibe von Nebra vorgestellt
1999 auf dem Mittelberg nahe Nebra in Sachsen-Anhalt. Mit ihren Fingern graben zwei Hobby-Archäologen eine merkwürdige, mit Gold beschlagene Bronzescheibe aus dem Boden. Nachdem sie ihren Fund mit Zahnbürsten und kratzigen Schwämmen gereinigt haben, werden goldene Bögen, sowie 29 Punkte, Kreis und Sichel sichtbar. Über Hehler versuchen die Raubgräber, den Fund an Interessenten zu verkaufen. Auch Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt und Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte, bekommt Fotos zu Gesicht. Sofort wittert er die archäologische Sensation, die er drei Jahre später, auch mit Hilfe der Polizei, in Händen halten kann. Geschätztes Alter: 3.600 Jahre.
Am 25. September 2002 gibt Meller auf einer Pressekonferenz den Fundort der 2,3 Kilogramm schweren Scheibe bekannt. Und er verkündet, was auf ihr zu sehen ist. Die ursprünglich 32 Goldplättchen zeigen neben Sonne und Sichelmond das sogenannte Siebengestirn im Sternbild Stier, in dem in der Bronzezeit zum Frühlingsbeginn die Sonne aufging. Der goldene Bogen wird als Horizontlinie gedeutet, die den Horizontdurchlauf der Sonne während des Jahres zwischen Sommer- und Wintersonnenwende darstellt. Ganz ohne mythologische Verzierung ist die Himmelsscheibe von Nebra somit die älteste bekannte konkrete Darstellung eines Sternbilds weltweit. "Ein Weltfund", sagt Meller, "vergleichbar sicherlich mit Ötzi, mit Tutanchamun und anderen Dingen in dieser Qualität." "Nüchtern wie ein Verkehrsschild" nennt Meller die Himmelsscheibe. Und doch birgt sie Rätsel, die vielleicht nie entschlüsselt werden können. Auch die Echtheit der Himmelsscheibe wird immer ein Geheimnis bleiben. Denn Echtheit, sagt selbst Meller, "kann man nie beweisen in der Wissenschaft." Klick |