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28. November 2005, 13:41   #1
Sacki
Dummschwätzer
 
Benutzerbild von Sacki
 
Registriert seit: February 2005
Beiträge: 3.365
Würdet Ihr...

... eine Busfahrt antreten, wenn der Fahrer schon 24 Stunden gefahren wäre ?
... Ein Flugreise antreten mit der Kenntnis, daß die Piloten schon seit 21 Stunden auf den Beinen sind ?
...mit ruhigen Gefühl einen Lkw auf der Landstarße überholen, wenn ihr wüsstet, daß der Fahrer schon 32 Stunden am Lenkrad sitzt ?
...Euch auf einen OP Tisch legen, wenn Ihr wüsstet, daß der Chirurg, der Narkosearzt oder die Assistenten schon teilweise 28 Stunden auf den Beinen sind, abgesehen von einigen 1/2 Stunden Pausen.

Sicher würde das keiner freiwiilig machen.
Im letzen Fall aber bliebe Euch gar keine andere Wahl, zudem wenn es sich noch um einen Notfall handelt, wo es um Leben und Tod gehen kann.

In unserem Deutschen Gesundheitssystem, das irgendwann in den 20ziger Jahren zum Stillstand gekommen ist, wird sowas tagtäglich praktiziert.
Hinzu kommen Motivlosigkeit der Ärzte, die teilweise für einen Nettostundenlohn von 7,50€ arbeiten, ohne volle Überstundenbezahlung. Ärzte, die aufgrund dieser skandalösen Zustände an keiner Fortbildung mehr teilnehmen können und Ärzte mit einem Wissenstand von 1980 (In der Medizin sind das Welten !)
Aus der Politik kommen keine Zeichen, an diesen skandalösen Zuständen etwas zu ändern, im Gegenteil.
Für mich ist diese Ignoranz verbrecherisch, zumal es Ärzte UND Patienten betrifft.
Deshalb haben heute in Berlin Ärzte einen einwöchigen Streik begonnen, um wenigstens einen Teil ihrer Forderungen durchzusetzen.
Leider findet dieser Streik zu wenig Verständnis in der Öffentlichkeit, weil viele Bürger der völlig irrigen Meinung sind, Ärzte seien ohnehin priviligiert.
Zudem kommt der Trugschluß "Interessiert mich nicht, ich bin ja gesund...."

Natürlich ist die Notfallversorgung gewährleistet.
 
28. November 2005, 15:06   #2
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Dadurch, daß die Notversorgung gewährleistet wird, tut ein solcher Streik nicht wirklich weh, streikendes Krankenhauspersonal belegt in dieser Situation, das ist tragisch, daß der notwendige Betrieb auch mit weniger Personal oder sonstiger Ausstattung zu organisieren ist.

Deshalb können die Haushaltshüter in Berlin (und anderen Bundesländern) sich unbeeindruckt zurücklehnen, irgendwann kommen sie aber vielleicht auch noch auf die Idee, einen Weißkittel-Streik gegen die - berechtigt - Streikenden zu verwenden - das Einsparpotential streikte, doch die Gesundheitsversorgung brach nicht zusammen.

Insofern ist das medizinische Personal gleich doppelt arm dran. Einmal wird ihm - von der Bundespolitik gerade wieder - die Umsetzung europäischen Rechts verweigert, was auch erst vor Gericht erstritten werden mußte, und zugleich kann (oder will) es eben nicht die 'Produktion' von Gesundheit völlig lahmlegen.

Leichtes Spiel haben daher wieder und wieder jene, die sich auch das Wort Lohnzusatzkosten ausdachten, denn sie können schulterzuckend auf vermeintlich leere Kassen verweisen und zugleich noch die böse "Ärzte-Lobby" erwähnen, die - wollen wir darauf wetten? - bestimmt bald wieder durch Abrechnungsmanipulationen Schlagzeilen machen wird.

MfG
tw_24
 
28. November 2005, 17:29   #3
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
... das Problem ist, daß in der Bevölkerung "die Ärzte" oft in einen Topf geworfen werden. Natürlich kann zum Beispiel ein Radiologe mit seiner Geräte-Praxis nach wie vor schnell Multimillionär werden und noch jede Menge Zeit zum Golf spielen haben. Angestellte Krankenhaus-Ärzte verdienen dagegen einen Hungerlohn und werden schon seit Jahren schamlos ausgebeutet.

Schon vor fast 10 Jahren hatte mal ein Fernsehteam die Doppel- oder sogar Dreifach-Schicht eines Unfall-Chirurgen an einem großen Krankenhaus dokumentiert, der erst nach zweieinhalb Tagen wieder Feierabend hatte. Davor konnte er sich zwischendurch höchstens mal für ein oder zwei Stunden hinlegen. Und in diesem Zustand mußte er dann wichtige Entscheidungen treffen und eben auch fast wie am Fließband operieren.

Insofern ist der Vergleich schon richtig, daß man sich als Verkehrteilnehmer durch einen übernächtigten LKW- oder gar Reisebus-Fahrer bedroht sieht, der sich dadurch auch strafbar macht, während es anscheinend als "normal" hingenommen wird, daß Krankenhausärzte in diesem Zustand auf die Patienten losgelassen werden.

Ich habe den Leuten immer geraten zu streiken und sich nicht mit dem Argument erpressen zu lassen, daß man als Arzt durch solche Aktionen nicht seine Patienten "im Stich lassen" darf. Wer hart arbeitet, muß dafür auch entsprechend bezahlt werden, und es kann nicht sein, daß französische Ärzte das Doppelte ihrer deutschen Kollegen verdienen.

Dasselbe gilt aber auch für Krankenschwestern und überhaupt für das gesamte Pflegepersonal. Und sollten auch bei der Feuerwehr ähnliche Zustände herrschen, haben auch die "Sackis" Recht auf Protestmaßnahmen – egal ob verbeamtet oder nicht. Und wenn dann mal ein Haus mehr abbrennt, ist es eben Pech. Aber von allein wird sich überhaupt nichts ändern.

In solchen Fällen würde sich wohl auch die Presse hinter die Streikenden stellen. Und Abstrafungen in Form von Massenentlassungen sind auch nicht zu befürchten, weil der Staat bzw. die Kommunen sich so etwas überhaupt nicht leisten können. Schließlich wachsen Krankenhaus-Ärzte nicht auf Bäumen, sondern sie müssen vorher ein langes schwieriges Studium absolvieren. Daß sie später ein adäquates Gehalt erwarten und wenigstens einigermaßen akzeptable Arbeitsbedingungen vorfinden, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Gruß Ben
 
28. November 2005, 17:40   #4
Maggi
 
Benutzerbild von Maggi
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 3.915
Stimmt, das wollte ich auch sagen: Viele Leute (zu denen wahrscheinlich auch ich gehöre) denken beim Arztberuf zuerst an selbstständige Praxisinhaber mit 20-jährigen blonden Praktikantinnen. Erst dieses Jahr wieder wurde hier im Ort ein neues Ärztehaus gebaut, in denen sich im Ganzen etwa 10 Ärzte aufhalten, wenn sie denn mal Zeit haben - denn gerade die Selbstständigen sind es ja, die ihrer Arbeit nur noch für zwei Stunden zum Schlafengehen entfliehen können ... Eine weitere Gemeinsamkeit haben sie aber auch: Sie sind alle mehr oder weniger unfähig.

Ich denke, jeder hat wohl so die eine oder andere Schreckensgeschichte, wenn es um ärztliche Behandlung geht. Bei meinem Vater hat der Herr Doktor ne Miniskusverletzung nicht entdeckt, die ein Krankenhausarzt in Tölz nach wenigen Sekunden sah. Man sieht: Es sind immer die falschen Leute arm dran. Dass es gerade die Krankenhausärzte sind, die unter dem Druck und dem Zeitmangel leiden ist ja auch schon lange bekannt - aber warum tut dann niemand etwas dagegen?

Mit der Erkenntnis, dass Ärzte keine Heilmaschinen sind, ist aber nur der erste Schritt getan; wie soll man das denn nun ändern? Auf leere Kassen verweisen wird man auch hier werden. Trotzdem ist höhere Bezahlung der erste Punkt. Der zweite Punkt ist der Mangel an ausreichendem Personal. Gibt's eigentlich eine Zeit, die Ärzte am Krankenhaus zubringen müssen, bevor sie sich selbstständig machen dürfen? Wenn ja, warum nicht erhöhen?

Ciao,
Maggi
 
28. November 2005, 19:48   #5
Ogino
 
Benutzerbild von Ogino
 
Registriert seit: January 2001
Beiträge: 1.996
Zitat:
Zitat von tw_24
Dadurch, daß die Notversorgung gewährleistet wird, tut ein solcher Streik nicht wirklich weh,
Das ist so nicht richtig.
Wie der Vorsitzende des Marburger Bundes in einem Interwiev erklärt hat, wird diese Massnahme sehr wohl zu erheblichen Einnahmeverlusten der betroffenen KLiniken führen, da keine der Notfallversorgungen über die Krankenkasse abgerechnet werden wird.
Insofern trifft dieser Streik die Bonzen genau dort wo es am meisten wehtut: am Geldsäckel.

Vielleicht können ja die Krankenkassenbosse vom Privatgeld ein wenig beisteuern. Denn nachdem die ersten Krankenkassen aufgrund der unsozialen Einsparungen von rot/grün wieder schwarze Zahlen geschrieben haben, haben sich einige dieser gierigen Blutsauger sofort ihre Gehälter erhöht.
 
28. November 2005, 20:51   #6
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von Ogino
Das ist so nicht richtig.
Ich bezog diese Aussage darauf, daß ja trotz des Streiks die medizinisch notwendige Behandlung nicht eingestellt wird; wer diese dann wem in Rechnung stellt oder nicht, ist zunächst zweitrangig. Es könnten aber, wie angedeutet, eifrige Erbsenzähler durchaus damit argumentieren, daß ja gerade ein solcher Streik zeige, wie gut das deutsche Gesundheitswesen doch funktioniere und daraus eben ableiten, daß spartechnisch noch einiges zu holen sei ...

Der Verweis auf im Ausland gezahlte höhere Gehälter könnte sich übrigens für die Streikenden im Zweifelsfall auch als eher kontraproduktiv erweisen. Denn, irgendwer wird es sagen, wenn die Weißkittel trotz verlockender Angebote aus dem Ausland nicht dort zu finden sind, sondern in der Deutschen Land, kann das nicht an ihrer Bescheidenheit liegen - sie fordern ja höhere Gehälter.

Und so bliebe dann ja nur der logisch-zwingende Schluß, daß das wirklich gute Personal schon jetzt nicht mehr in Deutschland zu finden ist, also zweit- oder drittklassige Leistungserbringer eine erstklassige Entlohnung sich wünschen, die aus eben diesem Grund ihnen - indirekt gestehen sie es mit ihrem Blick auf das Ausland ein - gar nicht zustehe.

So einfach allerdings, wie die meisten wohldotierten Vorstände gestrickt sein dürften, wird ihnen, den Weißkitteln sei es gegönnt, entgehen, daß die Streikenden ihnen eigentlich die allerbesten Argumente dafür liefern, sich nicht auf deren Forderungen einzulassen ;-) ...

MfG
tw_24
 
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