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4. August 2003, 07:45   #1
nightmoves
 
Benutzerbild von nightmoves
 
Registriert seit: May 2003
Beiträge: 185
Kinder und Werbung

Also, seitdem ich den "Kleinen Erziehungsratgeber" von Axel Hacke zufällig in die Finger bekommen habe, komme ich von diesem Autor kaum los. Selbst mehrfacher leidgeprüfter Vater schreibt er witzig und selbstironisch über alle Kleinigkeiten des täglichen Lebens mit Kindern.

Hier mal ein bisschen Werbung mache:

Luis ist neulich zu spät zur Schule gekommen. Deshalb haben wir das Programm »Luis steht früher auf« gestartet – mit Erfolg, aber nur, was das Aufstehen angeht. Neulich stand Luis um sechs neben mir, als ich zum Joggen aufbrach. Er sagte, er wolle auch joggen. Wir liefen eine halbe Stunde, Luis plappernd neben mir und jeden mit »Hallo!« grüßend, der uns entgegenkam. Auf dem Rückweg holten wir Semmeln. Luis bekam einen Orangensaft, einen mit Zaubertrinkhalm, der sich bei Sonne verfärbt. Er kannte ihn aus der Werbung.
Er kennt allerhand aus der Werbung. Jeden Abend darf er eine halbe Stunde fernsehen. Die verdammte Fernsehanstalt bringt in dieser Zeit so viel Werbung unter, dass Luis mit dem Wünschen kaum nachkommt. Er will alles haben, was gezeigt wird: Spielzeug, Süßigkeiten, Musik. Den ganzen Tag erzählt Luis nichts anderes, als dass er dieses Spielzeug, jene Süßigkeit, genau die Musik sofort benötige; wenn er sie nicht bekomme, sei sein Leben quasi verwirkt.
Neulich hat er beim Umschalten einen Werbespot über Putzmittel gesehen und später dieses Putzmittel im Putzschrank entdeckt. Sofort hat er damit das Bad geputzt. Das sind so die positiven Seiten der Werbung.
Natürlich gibt es den Kinderkanal, ohne Werbung. Aber Luis’ Lieblingssendung heißt Aladdin und die kommt nicht im Kinderkanal.
Was wollte ich erzählen? Dass Luis früher aufsteht. Nun hat er vor der Schule sogar Zeit, zu lesen oder mit den Legomonstern eine Schlacht zu organisieren. (Man hört eine Weile nur »Zong! Dusch! Plong! Pijuuuuuh-pijuuuuuh! Broach! Brong!«, wenn weit hinten, hinter Luis’ Kinderzimmertür, die Monster aufeinander schlagen.) Wir fangen auch früher an, ihn zum Zähneputzen aufzufordern, und seine Brotzeit zu packen. Aber die Zeit, die wir gewinnen, vertun wir, wenn es wirklich losgehen soll.
Dann beginnt die Debatte über die Schuhe. Es ist so: Luis hat ein Paar Lieblingsschuhe, das sind die, die mal in der Werbung gezeigt wurden. Sie haben luftdurchlässige, aber dennoch wasserdichte Sohlen, und wenn man ein Paar kauft, bekommt man ein Comicheft geschenkt. Dann hat Luis noch Hasssandalen und Hassstiefel. Das sind die, deren Fabrikanten keine Fernsehwerbung machen, zumindest keine, die Luis gesehen hätte.
An dem Tag, von dem ich erzähle, war schlechtes Wetter. Weil Luis in den Wochen zuvor täglich seine Lieblingsschuhe getragen hatte, hatte Paola sie in die Waschmaschine gesteckt, das geht nämlich mit denen. Und jetzt sollte Luis die Schlechtwetterstiefel anziehen.
Aber er schrie: »Die ziehe ich nicht an!«
»Du musst sie anziehen!«, sagte Paola.
»Niemals ziehe ich diese Scheissstiefel an!«
»Es regnet, du brauchst wasserdichte Stiefel.«
»Meine Lieblingsschuhe sind auch wasserdicht.«
»Aber sie sind in der Waschmaschine. Diese Stiefel hier waren sehr teuer und du ziehst sie jetzt an!«
Luis lief zur Waschmaschine. Das Waschprogramm war schon zu Ende. Er zerrte die Schuhe aus der Trommel.
»Aber die Schuhe sind feucht, Luis.«
Er versuchte, sich die nassen Schuhe anzuziehen. Dabei wurden die Strümpfe, die er trug, auch feucht.
»Das gibt’s nicht, Luis!«, rief ich. »Jetzt brauchst du auch noch trockene Socken.« Ich lief, um welche zu holen, aber es waren keine mehr da. Es war das letzte Paar gewesen, alle anderen waren in der Wäsche.
Paola begann, Luis’ Socken zu föhnen. Luis saß verstockt auf einem Stuhl und starrte hasserfüllt auf die Stiefel, für die nie auch nur ein bisschen Fernsehwerbung gemacht worden war. Paola kam mit den trockenen Socken. Luis versuchte sie anzuziehen und schrie: »Die sind total heiß!«
Ich sagte: »In zehn Minuten beginnt die Schule. Ich gehe jetzt und sage der Lehrerin, dass du heute nicht kommst, weil du deine Stiefel nicht anziehen willst.«
»Kannst du machen!«, sagte Luis.
Ich dachte: »Nie werd’ ich es lernen…«
Paola stand vor dem Schuhschrank und kramte ein Paar Sportschuhe hervor, die wir ganz vergessen hatten.
»Was ist mit denen?«
»Na guuuut«, sagte Luis. Irgendwann müssen die Schuhe mal für Sekunden im Fernsehen gewesen sein.
Wir starten jetzt das Projekt »Luis steht noch früher auf«. Auch erwägen wir, schon abends zu frühstücken, damit wir morgens Zeit für die Schuhdebatte gewinnen. Ich will auch in der Stiefelfabrik anrufen. Vielleicht inserieren sie ja irgendwo und ich kann Luis die Anzeigen vorlegen, Anzeigen sind doch auch Werbung.

Quelle:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/fr...0&DetailID=681
 
4. August 2003, 10:26   #2
Tiramisu
 
Benutzerbild von Tiramisu
 
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Beiträge: 902
Ich habe da eine Idee für ein neues Projekt:

Luis hört auf seine Eltern, ansonsten sieht Luis kein Fernsehen mehr und trägt vollkommen uncoole Sachen, die nicht einmal im Radio erwähnt wurden!




Tira
 
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