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7. August 2007, 07:56   #251
Jules
 
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07. August 1957: Tod des Komikers Oliver Hardy

Stan Laurel war alles andere als "Doof" und Oliver Hardy viel mehr als nur "Dick". Diese Beinamen wurden ihnen nur in Deutschland angehängt. Der Rest der Welt liebt sie schlicht als Laurel und Hardy. In rund 200 Slapstick-Orgien zelebriert das berühmteste Komiker-Duo der Filmgeschichte die Lust am Verwüsten auf höchstem Niveau. Doch während ihre Berufskollegen durch atemloses Tempo und hemmungsloses Grimassieren Lacher erzeugen, steigern Stan und Ollie das Chaos mit geradezu graziler Bedächtigkeit. Beispielhaft dafür ist der von Hardy zur Meisterschaft entwickelte "Slow Burn", der Knalleffekt mit Verzögerung, meist untermalt mit einem verdutzten, ungläubigen Blick direkt in die Kamera. Und erst dann, wenn Mr. Oliver Norvell Hardy, wie er sich selbst stolz in jedem Film vorstellt, endlich begriffen hat, bricht unweigerlich die Katastrophe aus - immer schön nach der Devise "Tit for Tat" (wie du mir, so ich dir").

Als der 1892 als Sohn eines Hotelbesitzers in Atlanta geborene Oliver Hardy mit 25 Jahren dem Briten Stan Laurel begegnet, hat er bereits eine Solokarriere mit unzähligen Filmen hinter sich. Mit seiner körperlichen Fülle ist das komische Naturtalent ein viel gefragter Charakter- und Schurkendarsteller in der aufblühenden amerikanischen Filmindustrie. In den Studios von Hal Roach treten Laurel und Hardy in einigen Filmen zusammen auf. Doch erst der Regisseur Leo McCarey erkennt, welches Potential in den beiden so unterschiedlichen Schauspieler als Komik-Duo steckt. Mit "The Musicbox" ("Der zermürbende Klaviertransport") gewinnt schon 1932 eines der ersten Filmduette von Laurel und Hardy den Oscar für die beste Kurzkomödie.

In kürzester Zeit erobern Laurel und Hardy das Publikum rund um den Globus. Noch vor allen anderen Filmkomikern erkennen sie die Möglichkeiten des revolutionären Tonfilms und überleben so den Untergang der Stummfilm-Ära. Ein Vierteljahrhundert lang funktioniert die Arbeitsteilung zwischen dem kindlichen Trottel Stan und dem aufgeblasenen Elefanten im Porzellanladen namens Ollie - auf der Leinwand wie im Leben. Während der Intellektuelle Laurel als Arbeitstier des Duos die Gags schreibt und Regie führt, genießt Bonvivant Hardy das Leben am liebsten auf dem Golfplatz. Unter Filmexperten gilt Oliver Hardy allerdings noch heute als der weit bessere Schauspieler von beiden.

Mitte der 50er Jahre will das US-Fernsehen den welkenden Ruhm des großen Komiker-Duos wiederbeleben. Doch wenige Tage vor Drehbeginn erleidet Oliver Hardy den ersten einer Serie von Schlaganfällen. Mit 65 Jahren stirbt er am 7. August 1957 in Hollywood. Acht Jahre später folgt ihm sein Partner. Zwei wie Stan und Ollie hat es seither nicht mehr gegeben.

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8. August 2007, 08:46   #252
Jules
 
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08. August 2002: Beginn des Jahrhunderthochwassers

Anfang August 2002 braut sich über dem Nordatlantik ein noch harmloses Tiefdruckgebiet namens Ilse zusammen und zieht nach Süden. Am Golf von Genua füllt es sich über dem erhitzten Mittelmeer mit Wasserdampf. Dann driftet es an den Ostalpen vorbei und entlädt sich an den Hängen des Erzgebirges. Dabei wird "Ilse" zum europaweiten Albtraum.

Unaufhörlich schüttet "Ilse" Regenmassen in die ausgetrocknete Landschaft. In Zinnwald fallen an einem Tag 312 Liter Wasser pro Quadratmeter. Für Norditalien ruft die Regierung in Rom den Notstand aus, bei einer Teilevakuierung Prags müssen 50.000 Menschen die Stadt verlassen. Der 1,50 Meter breite Grenzbach Schweinitz schwillt auf 200 Meter Breite an. In seiner Verzweiflung ruft der Bürgermeister des sächsischen Grimma nach der Bundeswehr. "Bitte kommen Sie hier her mit dem Panzer und retten Sie uns Grimma", lautet sein dramatischer Appell. "Wenn Sie das nicht machen, dann können Sie morgen mit dem Bergepanzer kommen und Grimma zuschieben".

Die Bundeswehr kommt: mit Soldaten, die Dämme mit Sandsäcken bauen und mit Hubschraubern, die Menschen in Sachsen von ihren Hausdächern retten. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verschafft sich schnell einen Überblick und reist in die Krisenregion. 10 Milliarden Euro lautet die bundesweite Schadensbilanz. Mehr als sieben Milliarden Euro stellt die rot-grüne Bundesregierung als Aufbauhilfe zur Verfügung: eine nationale Kraftanstrengung, wegen der geplante Steuersenkungen um ein Jahr verschoben werden. Trotzdem verschafft die Jahrhundertflut zumindest der SPD ein Stimmungshoch. Bei der Bundestagswahl im September wird die angeschlagene rot-grüne Regierung bestätigt.

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9. August 2007, 07:44   #253
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09. August 1932: Erster knitterfreier Stoff hergestellt

Seit Jahrhunderten müssen Ehefrauen die Hemden ihrer Gatten nach dem Waschen stärken und dann mit glühenden Eisen bügeln. Doch was kann man tun, damit ein frisch gebügeltes Hemd nach kurzem Tragen nicht schon wieder aussieht, als hätte man darin geschlafen? Die Frauen können da nicht helfen. Ihre ratlosen Gesichter sind fast so zerknittert wie die Hemden.

Schließlich macht sich ein Mann auf die Suche nach dem bügelfreien Stoff. In Manchester, dem Mekka der englischen Textilindustrie, fahnden A.S. Willows und sein Team im Auftrag des Textilgiganten Tootal Broadhurst Lee 14 Jahre lang nach der Zauberformel. 1932 finden sie sie. Die Lösung heißt Formaldehyd: eine chemische Verbindung, mit deren Hilfe Willows die Querstreben in der Baumwollfaser zu einer Leiterstruktur verstärkt, die sich immer wieder selbst glättet.

Bevor Tootal Broadhurst Lee Profit aus der Erfindung schlagen kann, macht der Zweite Weltkrieg dem Unternehmen einen Strich durch die Rechnung. Soldaten und Kriegswitwen haben andere Sorgen als knitterfreie Wäsche. Nach dem Krieg verdirbt dann das Kunstfaser-Nyltesthemd aus den USA, das man nach dem Waschen einfach tropfnass aufhängt, den Briten das Geschäft. Erst als den Kunden klar wird, wie stark man in der amerikanischen Synthetikfaser ins Schwitzen kommt, zieht Tootal die knitterfreie Baumwollkleidung wieder aus der Mottenkiste. In den achtziger Jahren erlebt sie ihre Wiedergeburt - obwohl Formaldehyd als krebserregend gilt.

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10. August 2007, 07:28   #254
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10. August 1897: Die Erfindung des Aspirins

Wer Schmerzen und keine Medizin zur Hand hat, dem bleibt nur Zähne zusammenbeißen - oder, wie die Verwundeten in den Napoleonischen Kriegen, auf ein Stück Weidenholz. Schon der antike Heiler Hippokrates hat herausgefunden, dass Extrakte der Weidenrinde (lat. Salix alba) Schmerzen und Fieber lindern. 1828 gelingt einem Münchener Pharmazieprofessor erstmals die Isolierung des Wirkstoffs, den er "Salicin" nennt. 50 Jahre später kann Salicylsäure auch synthetisch hergestellt werden. Problematisch bleibt aber der Ekel erregende Geschmack und dass das Mittel die Schleimhäute in Mund und Magen angreift. Erst einem jungen Chemiker der "Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co" gelingt die Veredelung der Salicylsäure zum ersten wirkungsvollen und nebeneffektarmen Analgetikum der Medizingeschichte.

Im Wuppertaler Forschungslabor von Bayer schreibt der 29-jährige Felix Hoffmann am 10. August 1897 auf, wie er durch Beifügung von Essigsäure aus Salicylsäure reine Acetyl-Salicylsäure (ASS) hergestellt hat. Das Heilmittel wird 1899 als "Aspirin" zum Patent eingetragen. Fast verhindert Heinrich Dreier, Chef der Bayer-Pharmakologie, noch den Siegeszug der Erfindung - denn Dreier sieht in ASS nur eine geringfügige Weiterentwicklung einer bekannten Rezeptur und misst ihr kommerziell keine Bedeutung zu. Erst ein Machtwort des Unternehmensleiters Carl Duisburg macht den Weg für Aspirin frei, das sich nach einer beispiellosen weltweiten Werbekampagne innerhalb weniger Jahre zum Umsatzriesen entwickelt. Aspirin hat wesentlichen Anteil am Aufstieg von Bayer zum internationalen Chemiekonzern.

Im Laufe der Jahre entdecken die Pharmaforscher immer neue Heil bringende Eigenschaften von ASS, etwa in der Vorbeugung gegen Herzinfarkte und Schlaganfälle. Aktuell wird die Allzweckwaffe, die inzwischen auch unter etlichen anderen Markennamen verkauft wird, im Einsatz gegen Diabetes, Alzheimer und Krebs erprobt. Heinrich Dreier, der Aspirin-Blocker bei Bayer, setzte damals übrigens voll auf eine weitere Entwicklung des findigen Felix Hoffmann. Dessen neuer Hustensaft befreite die Testpatienten nicht nur vom Halsweh, er erzeugte auch "heroische" Gefühle. Die Aspirin-Macher gaben dem Saft daraufhin den Namen "Heroin".

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11. August 2007, 09:06   #255
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11. August 1922: Das Deutschlandlied wird Nationalhymne

Während der WM 2006 wird das Deutschlandlied zum Sommerhit - vor allem junge Fußball-Fans singen die Nationalhymne. Mit der schillernden Vergangenheit des Liedes dürften sich indes die wenigsten beschäftigt haben. Die Melodie stammt aus Kroatien und wird 1797 von Joseph Haydn für die österreichische Hymne "Gott erhalte Franz den Kaiser" bearbeitet. Diese Fassung übernimmt August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, als er 1841 sein "Lied der Deutschen" dichtet. Der Autor ist umstritten: Er gilt als Befürworter der Demokratie, doch seine Texte zeigen ihn auch als Nationalchauvinisten. Wie "Deutschland über alles" in der ersten Strophe zu verstehen ist, daran lässt er keinen Zweifel: Die Deutschen könnten "das erste Volk auf Erden" werden. Als Feind hat er Franzosen und Juden ausgemacht. "Hoffmann von Fallersleben war ein eindeutiger Antisemit", sagt der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Benjamin Ortmeyer.

Als 1871 die deutsche Einheit kommt, erfreut sich das Lied wachsender Beliebtheit - passt der Text doch bestens zum Imperialismus des Kaiserreichs: " ... von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt ...". Am 10. November 1914 bringt ein Heeresbericht dem Deutschlandlied den Durchbruch: "Westlich von Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesange 'Deutschland, Deutschland über alles' gegen die ersten Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie!" Langemarck wird zum Mythos und dient zur Rechfertigung eines blutigen Angriffsbefehls. Die gescheiterte Offensive in Flandern kostet allein 130.000 deutsche Soldaten das Leben.

Mit Bezug auf Langemarck erklärt SPD-Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. August 1922 das Deutschlandlied zur Nationalhymne. Seine Absicht, damit die rechten Gegner der Weimarer Republik einzubinden, scheitert jedoch: Bei den Nazis ertönt die Hymne meist zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied der SA. Hitler selbst ehrt in Langemarck nach dem Überfall auf Belgien 1940 "das Lied, das uns Deutschen am heiligsten erscheint." Nach dem Zweiten Weltkrieg verbieten die Alliierten die Hymne. Doch in der Bundesrepublik feiert sie 1952 ihr Comeback - bei offiziellen Anlässen beschränkt auf die dritte Strophe. Bundeskanzler Konrad Adenauer setzt sich gegen Bundespräsident Theodor Heuss durch, der eine neue Hymne will. Nach der Wende machen DDR-Politiker Vorschläge für eine neue Version. Ohne Erfolg: Helmut Kohl und Richard von Weizsäcker bestätigen 1991 die historisch schwer belastete Nationalhymne.

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12. August 2007, 10:43   #256
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12. August 1982: Henry Fonda gestorben

Für sein Publikum kommt die Verwandlung völlig überraschend. Bisher hatte Henry Fonda immer die gute Seite Amerikas verkörpert. In Sergio Leones Italo-Western "Spiel mir das Lied vom Tod" mimt er einen eiskalten Killer. "In meiner ersten Szene erschieße ich kaltblütig eine ganze Farmerfamilie", wird er sich später erinnern. "Dabei bin ich aber nur von hinten zu sehen. Erst nach dem Massaker zeigt die Kamera mein Gesicht und meine babyblauen Augen. Sergio Leone wollte, dass die Leute sagen: Meine Güte, das ist ja Henry Fonda!"

Fonda wird 1905 als Sohn eines Druckers in Grand Island im US-Bundesstaat Nebraska geboren. Als er keine Stelle als Journalist bekommt, nimmt er einen Aushilfsjob beim städtischen Theater an. Dort wird er von der Leiterin der Truppe entdeckt, von Dorothy Brando, der Mutter von Marlon Brando. Bald bekommt Henry Fonda erste Rollen am Broadway und zieht nach New York. Dort teilt er sich mit James Stewart ein kleines Apartment. 1940 spielt er seine erste Hauptrolle in der sozialkritischen Steinbeck-Verfilmung "Früchte des Zorns". Vor allem in seinen 15 Western stellt Fonda den gerechten Amerikaner dar - eine Rolle, die er in Alfred Hitchcocks "Der falsche Mann" (1956) oder als skeptischer Juror in "Die zwölf Geschworenen" noch ausbaut. Nur als Vater scheint der bisweilen depressive und launenhafte Fonda nicht gut anzukommen. "Er ließ mich immer wieder spüren, dass ich nicht gut genug für ihn war", sagt seine Tochter Jane, die ebenso wie Fondas Sohn Peter selbst den Schauspielberuf ergreift. "Als Vater war Henry eine Fehlbesetzung".

1980 bekommt Fonda in Hollywood den Golden Globe für sein Lebenswerk. Da hat er schon in mehr als 100 Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt. Nach minutenlangen Standing Ovations gibt sich der Schauspieler überrascht: "Ich dachte, ich bekäme diesen Preis dafür, dass ich überlebt habe". Den Oscar als bester Schauspieler für "Am goldenen See" (1981) - erstmals steht er mit Tochter Jane vor der Kamera - muss der schwer herzkranke Fonda bereits im Krankenhaus entgegennehmen. Er stirbt 77-jährig am 12. August 1982 in Los Angeles an Herzversagen.

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13. August 2007, 07:56   #257
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13. August 1907: Geburt von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach

"Krupp in finanziellen Schwierigkeiten", "Banken stoppen Krupp-Kredite", "Das Ende der Essener Dynastie" - Anfang 1967 gerät das Stahlunternehmen negativ in die Schlagzeilen. Für das Exportgeschäft mit industriellen Großanlagen sind hohe finanzielle Vorleistungen nötig. Dazu ist Krupp nicht mehr im Stande. Für die Gläubigerbanken ist der Familienbetrieb mit einem Allein-Inhaber an der Spitze nicht mehr zeitgemäß. Nun bietet sich ihnen die Chance, eine Veränderung zu erzwingen. Im März 1967 erhält der Konzern rettende Bundes- und Landesbürgschaften über 450 Millionen Mark. Die Banken geben daraufhin die Kredite frei. Im Gegenzug muss Firmenchef Alfried Krupp von Bohlen und Halbach einer Änderung der Rechtsform zustimmen. Die Personengesellschaft wird in eine GmbH umgewandelt, deren Allein-Gesellschafter eine neu gegründete Stiftung ist.

Geboren wird Alfried Krupp am 13. August 1907 in Essen. Sein Vater ist Gustav von Bohlen und Halbach, seine Mutter Bertha Krupp. Kälte, Distanz und Disziplin prägen die Erziehung des jungen Alfried. Seine Nichte und Biografin Diana Maria Friz schreibt, dass er "ein sehr introvertierter Mensch war und nur in einem ganz begrenzten Maße enge menschliche Bindungen zu anderen benötigte oder auch nur dazu fähig war." Nach Ingenieurstudium und Banklehre tritt Alfried Krupp 1936 in die Firma ein. Zwei Jahre später wird er Leiter der Rüstungsabteilung und Mitglied der NSDAP. Krupps geschäftlicher Ansprechpartner ist Rüstungsminister Albert Speer. Adolf Hitler persönlich verfügt per Gesetz, dass Alfried Krupp 1943 Allein-Eigentümer des Konzerns wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg muss er dafür Rechenschaft ablegen: Während sein Vater Gustav verhandlungsunfähig ist, sitzt Alfried nach 17 Monaten Untersuchungshaft im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess auf der Anklagebank.

1948 wird Alfried Krupp zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Bestraft wird er wegen "Plünderung" und "Sklaverei". Damit ist die Beschäftigung tausender Zwangsarbeiter - darunter auch KZ-Häftlinge - gemeint. Bereits drei Jahre später wird Krupp im Zug einer Amnestie der Alliierten vorzeitig aus dem Gefängnis in Landsberg entlassen und erhält sein beschlagnahmtes Vermögen zurück. Das Unternehmen Krupp sucht neue Geschäftsfelder: statt Kriegswaffen werden nun Industrieanlagen exportiert. Treibende Kraft dabei ist der neue Generalbevollmächtigte Berthold Beitz. Krupp zieht sich aus der aktiven Firmenleitung zurück und fotografiert statt dessen, segelt auf der Ostsee und baut Bewässerungsanlagen auf seiner Farm in Argentinien. Beitz spielt auch 1967 bei der Rettungsaktion der Firma eine wichtige Rolle: Er überredet Alfrieds einzigen Sohn Arndt, auf sein Erbe zu verzichten - gegen eine Abfindung von zwei Millionen Mark pro Jahr. Alfried Krupp ist zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank: Der starke Raucher stirbt am 30. Juli 1967 an Lungenkrebs.

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14. August 2007, 07:25   #258
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14. August 1947: Indien und Pakistan werden unabhängig

Im Juni 1947 steht Lord Louis Mountbatten, Vizekönig von Indien, vor einer schweren historischen Pflicht. Heftige blutige Kämpfe zwischen Hindus und Muslimen im Norden Indiens haben in den Jahren zuvor den ganzen Subkontinent in ein Pulverfass verwandelt. Das British Empire ist nicht mehr Herr der Lage. Via Rundfunk verkündet Mountbatten dem indischen Volk das Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit und die baldige Entlassung in die Unabhängigkeit, allerdings mit einem für die Zukunft folgenschweren Zusatz: "Zu meinem tiefen Bedauern war es jedoch unmöglich, eine Übereinkunft zu erzielen, welche die Einheit Indiens bewahrt hätte. ...Die einzige Alternative zu Zwang ist: Teilung."

Über Jahrhunderte haben muslimische Großmoguln den indischen Subkontinent beherrscht. Die große Mehrheit der Bevölkerung bleibt dem Hinduismus treu und beugt sich der islamischen Vormacht. 1865 vertreiben die Briten den letzten der in märchenhaftem Pomp lebenden Mogulkaiser und beenden die Hegemonie, die Vormachtstellung der Muslime. Der Kaiser von Indien residiert fortan in London. Befreit von islamischer Bevormundung bilden die Hindus ein neues Selbstbewusstsein aus. 1885 gründen sie den Indischen Nationalkongress, der den politischen Kampf mit der britischen Kolonialverwaltung aufnimmt. Hindus und Muslime entwickeln allerdings derart unterschiedliche Pläne für ein unabhängiges Indien, dass die Muslime 1906 ihre eigene Partei gründen, die Muslim-Liga.

Im Nationalkongress steigt der Hindu Mahatma Gandhi zum charismatischen Führer auf. Mit gewaltlosem Widerstand ringt er gegen Briten und Muslime um die Verwirklichung eines unabhängigen und ungeteilten Indien. Für Muhammad Ali Jinnah an der Spitze der Muslim-Liga dagegen ist ein Leben unter hinduistischer Herrschaft undenkbar. Seit den 40er Jahren kämpft der aristokratisch wirkende Religionsführer für einen souveränen Islam-Staat an der Nordwestflanke Indiens. Wenige Wochen nach Mountbattans Rückzugserklärung im Radio zettelt Jinnah in Kalkutta Massaker zwischen den Religionsgruppen an.

Die folgenden schweren Unruhen im ganzen Land bringen ihm den gewünschten Erfolg und zerstören Gandhis Einheitstraum. In der Nacht vom 14. zum 15. August 1947 wird die Unabhängigkeit Indiens und des muslimischen Staates Pakistan Wirklichkeit. Während der folgenden beiderseitigen ethnischen Säuberungsaktionen kommt es zu unvorstellbaren Massakern. Strittig bleibt die Frage der Herrschaft im früheren Fürstenstaat Kaschmir, die bis zum heutigen Tag das angespannte Verhältnis der beiden zu Atomstaaten hochgerüsteten Nachbarn zusätzlich belastet.

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15. August 2007, 07:41   #259
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15. August 1057: König Macbeth wird ermordet

Wer war Macbeth? Theaterfans glauben es zu wissen: Macbeth war ein blutrünstiger schottischer König. Von seiner machtgierigen Frau getrieben, ermordete er seinen Vorgänger hinterrücks. Ermordet wurde er, wie von drei Hexen prophezeit, von einem, "den kein Weib gebar". So jedenfalls sieht es William Shakespeare, der dem eher unbekannten Herrscher Macbeth durch sein gleichnamiges Drama 500 Jahre nach dessen Tod zur Unsterblichkeit verhilft.

Macbeth wird 1005 in Schottland geboren. Regiert wird das Land von Clans und Häuptlingen, die sich ununterbrochen bekriegen oder miteinander verbünden. Der König hat nur wenig Macht. Als Heerführer von Duncan I. zettelt Macbeth eine Verschwörung an. 1040 tötet er seinen Herrn in einer Schlacht und besteigt den Thron. Darf man einem Teil der Geschichtsschreiber glauben, tritt Schottland dadurch in eine Phase relativen Wohlstands und Friedens ein. Doch nach zehn Jahren segensreicher Herrschaft scheint Macbeth blutlüstern und grausam geworden zu sein - und liefert damit dem Dramatiker und Spielleiter Shakespeare die Steilvorlage.

Macbeth wird groß in einer Zeit, in der sich historische Fakten mit Sagen und Mythen verweben. Gerade diese Mischung macht den Stoff für Shakespeare interessant. Er nimmt sich Macbeth, um ihn in einem seiner besten Dramen zum ewigen Sinnbild menschlichen Größenwahns zu stilisieren. Im Stück erliegt er dem Kämpfer Macduff, der per Kaiserschnitt zur Welt kam, in einer Schlacht. Der echte Macbeth wird am 15. August 1057 von seinem Nachfolger, seinem Stiefsohn Lulach ermordet. Doch dieser besteigt den Thron für nur ein Jahr: Er stirbt 1058 in einem Hinterhalt.

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16. August 2007, 08:06   #260
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16. August 2002: Hartz-Kommission legt ihren Bericht vor

Unter dem Bundesadler stehen sie aufgereiht: 13 Männer und eine Frau bilden am 16. August 2002 die Ehrenformation für den Pressetermin im Kanzleramt. Sie haben zusammen mit dem damaligen Volkswagen-Manager Peter Hartz eine tiefgreifende Reform des Arbeitsmarktes erarbeitet. Hartz als Kommissionschef überreicht Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Resultat ihrer Beratungen: 343 Druckseiten, die in knapp sechs Monaten entstanden sind. Das Fazit: Es sei machbar, die Zahl der Arbeitslosen innerhalb von drei Jahren um zwei Millionen zu senken. Der Kanzler, der im Endspurt des Bundestagswahlkampfs steckt, lobt die Vorschläge: "Wir haben einen großen Wurf." Es handele sich "ohne Übertreibung" um den größten Reformansatz der Nachkriegsgeschichte.

Anlass für die Einsetzung der Hartz-Kommission ist ein Skandal bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg: Die Behörde hat jahrelang Statistiken geschönt, Anfang Februar 2002 kommt der Betrug ans Licht. Peter Hartz erhält den Auftrag, sowohl die Bundesanstalt als auch die gesamte Arbeitsmarktpolitik zu durchleuchten. Hartz versammelt Gewerkschafter, Arbeitgeber, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker, Personalmanager und Unternehmensberater. Mitte Juli 2002 steht das Gerüst des Konzepts. Fortan geht es im Wesentlichen um unterschiedliche Vorstellungen beim Arbeitslosengeld. Leipzigs damaliger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Isolde Kunkel-Weber von der Gewerkschaft Verdi kämpfen darum, dass weder die Bezugsdauer noch die Höhe angetastet werden. Doch es kommt anders: Arbeitslosengeld soll künftig nur noch ein Jahr bezahlt werden, anschließend das so genannte Arbeitslosengeld II, das der Sozialhilfe entspricht.

So gut wie alles will die Kommission umkrempeln lassen: Aus den Arbeitsämtern sollen Job-Center, aus Arbeitslosen nun Kunden werden. Als "Ich-AG" sollen sich Arbeitslose mit Zuschüssen auch selbstständig machen können - etwa als Gebäudereiniger, Hauswart oder Tagesmutter. Die rot-grüne Bundesregierung bringt die Vorschläge der Hartz-Kommission als Gesetzentwürfe in den Bundestag ein. Im Bundesrat wird daran einiges verändert, weil dort die Opposition das Sagen hat. Bis zum 1. Januar 2005 treten schließlich die vier Gesetzes-Pakete Hartz I bis Hartz IV in Kraft. Peter Hartz ist mit diesem Ergebnis nicht zufrieden: "Nicht überall, wo Hartz draufsteht, ist auch Hartz drin." Manche Politiker hingegen ärgern sich darüber, dass die Gesetze noch immer nach ihm benannt werden. Anfang 2007 ist der ehemalige Manager zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er in die Schmiergeld- und Rotlichtaffäre bei Volkswagen verwickelt war. Seitdem gilt Peter Hartz als vorbestraft.

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17. August 2007, 07:48   #261
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17. August 1962: Peter Fechter verblutet an der Berliner Mauer

Ost-Berlin, 17. August 1962: Peter Fechter fährt morgens um sechs Uhr zur Baustelle Unter den Linden im ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Palais. Der Maurer verabschiedet sich wie immer. Seine Familie ahnt nichts. Nur sein Kollege Helmuth Kulbeik weiß, dass der 18-Jährige seit Monaten überlegt, nach West-Berlin zu flüchten. Die beiden haben regelmäßig an der Sektorengrenze nach Schlupflöchern gesucht. Zwei Tage zuvor haben sie schließlich eine geeignete Stelle am Checkpoint Charly entdeckt: Eine alte Tischlerei in der Zimmerstraße. In der Mittagspause betreten sie das Gebäude, um die Lage zu sondieren. Sie finden ein kleines Fenster Richtung Grenze, das nur mit einem dünnen Brett vernagelt ist. Aus der zufälligen Entdeckung wird ein spontaner Fluchtversuch: Sie vergraben sich in einem Berg Sägespäne und warten ab.

"Nach circa zwei Stunden hörten wir in unmittelbarer Nähe Stimmen", erinnert sich Betonbauer Kulbeik. "Wir verabredeten, wenn sich die Stimmen entfernt haben, durch das kleine Fenster zu springen und über die Mauer zu klettern." Fechter springt zuerst, Kulbeik folgt. Sie klettern über den ersten Stacheldrahtzaun und überwinden den zehn Meter breiten Todesstreifen. Als Fechter die Mauer erreicht, fallen Schüsse. Rolf F., Unteroffizier der DDR -Grenztruppen, feuert: Ohne Warnschuss, ungezielt und unter Schock. Als sein Posten "da flitzt einer" brüllt, drückt er ab. So erzählt er es 35 Jahre später vor Gericht. Im Bericht der ersten Grenzbrigade steht: "Insgesamt gab der Postenführer 17 und der Posten sieben Schuss ab." Weitere Schüsse fallen.

Getroffen bricht Fechter zusammen und schreit um Hilfe. Doch nichts passiert. Die Grenzsoldaten sehen nur zu. Augenzeugen auf der Westseite, die auf Podesten stehend über die Grenze gucken, sind machtlos. Fechter verblutet langsam. Als er nach fast einer Stunde kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, wird er von den Soldaten weggetragen. Er stirbt gegen 15.15 Uhr im Krankenhaus - als 39. Maueropfer. Der Chefkommentator des DDR-Fernsehens Karl Eduard von Schnitzler höhnt später: "Soll man von unserer Staatsgrenze wegbleiben, dann kann man sich Blut, Tränen und Geschrei ersparen." 1997 stehen die Schützen von damals wegen Totschlags vor Gericht. Zum Prozess taucht der verschollene Obduktionsbericht auf: Peter Fechter ist von 30 Kugeln getroffen worden, aber nur eine tötete ihn. Wer den Schuss abgefeuert hat, kann nicht geklärt werden. Die Angeklagten, Unteroffizier Rolf F. und sein Posten, der Gefreite Erich S., bekommen ein mildes Urteil: knapp zwei Jahre auf Bewährung.

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18. August 2007, 11:38   #262
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18. August 1572: Die "Bluthochzeit" des Heinrich von Navarra

Paris im August 1572. Gespannte Erwartung liegt über Frankreichs Hauptstadt. Eine königliche Hochzeit soll endlich den seit zehn Jahren im ganzen Land tobenden Glaubenskrieg beenden. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Hugenotten mit ihrem Anführer Heinrich von Navarra an der Spitze und der mehrheitlich katholischen Bevölkerung unter König Karl IX. haben das Land verwüstet und Tausende Opfer gefordert. Um die Glaubensfeinde miteinander zu versöhnen, hat Katharina von Medici, die Königsmutter und eigentliche Herrscherin über Frankreich, die Ehe zwischen dem Hugenotten Heinrich und ihrer Tochter Margarete von Valois arrangiert. Doch das Bündnis, das Frieden stiften soll, provoziert wenige Tage später das größte Massaker, das je Christen unter Christen angerichtet haben.

Die Trauung findet am 18. August 1572 in der Kathedrale Notre Dame statt - ohne den Bräutigam, denn Heinrich und sein Gefolge bleiben der katholischen Zeremonie fern. Während Paris noch feiert, gibt die machtbewusste Regentin Katharina einen Mordanschlag in Auftrag, der die kaum verhohlenen Feindseligkeiten zwischen den Glaubenslagern erneut entzünden wird. Vier Tage nach der Eheschließung schießt ein bezahlter Attentäter auf Admiral Gaspard de Coligny, den einflussreichen Feldherrn der Hugenotten und engsten Vertrauten Heinrichs. Obwohl Coligny nur leicht verletzt wird, rotten sich überall in Paris die Menschen zusammen. Hass und Mordlust geraten außer Kontrolle.

Um drei Uhr am Morgen des 24. August, dem Tag des Hl. Bartholomäus, beginnt das Gemetzel, das später als Bluthochzeit oder Bartholomäusnacht in die Geschichte eingeht. Als einer der ersten Hugenotten wird Admiral Coligny, Katharinas größter politischer Widersacher, in seinem Quartier erdolcht. Im Königspalast, dem Louvre, muss Heinrich machtlos mitansehen, wie königliche Soldaten sein gesamtes Gefolge umbringen. Über das, was sich in dieser Nacht und den folgenden Tagen in Paris abspielt, schreibt ein Zeitzeuge: "Es gab bald keine Straße mehr, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floss, als ob es stark geregnet hätte." Einzig Heinrich von Navarra überlebt das grauenhafte Massaker, dem Tausende von Hugenotten zum Opfer fallen. Ironie der Geschichte: Nach dem Tod Karls IX. und der Ermordung seines Nachfolgers Heinrich III. besteigt der zum Katholizismus konvertierte Hugenottenführer 1589 als Heinrich IV. rechtmäßig den französischen Thron.

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20. August 2007, 08:04   #263
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19. August 1927: Reichsparteitag der NSDAP erstmals in Nürnberg

Deutschland kurz nach dem Ersten Weltkrieg - die Lage ist desolat: Arbeit ist rar, die Mark nicht viel wert und das siegreiche Ausland fordert Reparationszahlungen für den deutschen Angriffskrieg. Rechtsnationale Splitterparteien schießen wie Pilze aus dem Boden. Eine von ihnen ist die Deutsche Arbeiterpartei (DAP), die ab 1920 Nationalsozialistische Arbeiterpartei (NSDAP) heißt. Sie schafft innerhalb eines Jahrzehnts den Aufstieg von einer kleinen Hinterhoftruppe zur Partei mit Millionen von Wählern. Ihr Vorsitzender Adolf Hitler setzt auf Massenversammlungen. In Münchens Biersälen und im Zirkus Krone spricht er vor einigen tausend Menschen. Im Januar 1923 organisiert er ein erstes Parteitreffen in der bayerischen Landeshauptstadt. Ein weiteres folgt in Weimar. Am 19. August 1927 wird der erste Parteitag der NSDAP in Nürnberg eröffnet. Rund 15.000 Menschen nehmen daran teil.

Nürnberg suchen sich die Nationalsozialisten zunächst aus pragmatischen Gründen aus: Hitler, der im November 1923 mit einem Putsch gescheitert ist, hat auch vier Jahre danach noch in vielen Teilen Deutschlands Redeverbot. In Nürnberg hingegen nicht. Hier kann er sich auf das Wohlwollen der örtlichen Polizei verlassen. Später stilisieren die Nazis Nürnberg zur angeblich deutschesten aller Städte: von der Stadt der Reichstage deutscher Kaiser zur Stadt der so genannten Reichsparteitage der NSDAP. Hitler sieht das "Dritte Reich" als Nachfolger des Zweiten: des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

1933 erteilt Hitler den Auftrag, in Nürnberg eine "Tempelstadt der Bewegung" zu bauen. Auf dem im Süden der Stadt gelegenen Reichsparteigelände plant sein Lieblingsarchitekt Albert Speer monumentale Herrschaftsbauten für die Ewigkeit. Zu den Projekten, die tatsächlich umgesetzt werden, gehört eine zwei Kilometer lange und 60 Meter breite, mit Granitplatten ausgelegte Paradestraße. Darauf können 60 uniformierte Männer bequem nebeneinander marschieren. In den 30er Jahren nehmen alljährlich eine halbe Million Menschen am Reichsparteitag in Nürnberg teil. Dazu kommen noch einmal doppelt so viele Zuschauer - die für jede Propagandaveranstaltung Eintritt zahlen müssen. Ob das ein Aufmarsch von 15.000 Männern ist, die im Rhythmus Holzstämme schwingen, ein Großauftritt der Hitlerjugend, eine feierliche Standartenweihe oder ein nächtlicher Fackelmarsch. Insgesamt acht Parteitage veranstaltet die NSDAP in Nürnberg, ein neunter soll am 2. September 1939 unter dem Motto "Reichsparteitag des Friedens" beginnen. Er wird Ende August überraschend abgesagt. Am 1. September 1939 überfällt die deutsche Wehrmacht Polen.

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20. August 2007, 08:06   #264
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20. August 1897: Sir Ronald Ross entdeckt den Malaria-Erreger

Mit mulmigen Gefühlen macht sich das Kardinalskollegium anno 1623 auf die Reise nach Rom. Während der brütenden Sommerhitze ist Papst Gregor XV., wie schon etliche seiner Vorgänger, dem geheimnisvollen Fieber zum Opfer gefallen. Die Eminenzen fürchten weniger die Strapazen des bevorstehenden Konklaves als vielmehr die Gefahren, die das mörderische Klima in der von Sümpfen umgebenen Ewigen Stadt birgt. Zu Recht: Noch bevor Urban VIII. zum neuen Papst gewählt ist, hat das Fieber sechs Kardinäle und drei Dutzend Vatikan-Bedienstete dahin gerafft. Die Bezeichnung Malaria, von "mal'aria" (schlechte Luft) ist damals genauso unbekannt wie die Ursachen der gefürchteten Seuche. Millionen Menschen müssen weltweit noch sterben, bis ein englischer Tropenarzt Ende des 19. Jahrhunderts endlich den Erreger des Fiebers aufspürt.

Auf dem indischen Subkontinent kommt Ronald Ross, Sanitätsoffizier der englischen Armee, erstmals mit Malaria und Moskitos in Berührung. Der 1857 in Nepal geborene Sohn eines Generals war nach seinem Medizinstudium zunächst als Schiffsarzt zur See gefahren. 1888 erhält er ein Kommando nach Burma und beginnt mit intensiven Studien der Malaria. Jahrelang erforscht er die Vorgänge in den Organismen von Stechmücken und malariainfizierten Menschen. Als Wegweiser dienen ihm die damals bereits entdeckten Parasiten im Blut von Erkrankten. Am 20. August 1897 schließlich kann er den Entwicklungsgang des Erregers in Mücke und Mensch lückenlos erklären. Damit legt Ronald Ross den Grundstein für eine Behandlung des gefährlichen Tropenfiebers.

In den folgenden Jahren bereist Ross die meisten von Malaria verseuchten Länder und identifiziert eine bestimmte Gattung der Anophelesmücke als Wirt und Überträger der Malariaparasiten. 1902 beruft der britische König den Begründer der modernen Malaria-Prophylaxe in Anerkennung seiner bedeutenden Leistung zum "Companion of the Most Honourable Order of Bath"; 1911 wird Sir Ronald Ross in den Adelsstand erhoben. Den Gipfel seiner Laufbahn erlebt Ross mit der Eröffnung des nach ihm benannten "Institute of Tropical Hygiene", dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1932 vorsteht. Über die epochale Bedeutung seiner Arbeit ist sich der Gelehrte stets bewusst. Als ihn der Schriftsteller Jan Maclaren einmal fragt, ob die Sache mit den Malariaparasiten wirklich so wichtig sei, antwortet Ross: "Aber sicher, wichtiger als die Schlacht von Waterloo."

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21. August 2007, 08:02   #265
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21. August 1192: In Japan wird die Shogun-Herrschaft etabliert

Anfangs heißen sie einfach "Dienstmänner": Die Samurai sind niedere Gefolgsleute der Adligen am Hof des Tenno, des japanischen Kaisers in Kyoto. Sie treiben Steuern ein und vertreten die Obrigkeit in den Provinzen. Von dort aus übernehmen sie im 12. Jahrhundert allmählich die Macht - zunächst, indem ihre Großfamilien auf dem Land um die Vorherrschaft kämpfen. Denn hier dürfen nur sie die schärfsten Waffen der Zeit tragen: ein Lang- und ein Kurzschwert, die Statussymbole der japanischen Ritter.

Aus den Ritterfehden geht zunächst der Taira-Clan siegreich hervor. Im Jahr 1159 schlägt er die Konkurrenz, die Familie Minamoto. Es geht in Japan ungefähr so zu wie zur gleiche Zeit im europäischen Mittelalter: Die abhängigen Bauern arbeiten, die Ritter kämpfen - am liebsten im ehrenvollen Zweikampf. Dabei entsteht der strenge Kodex der Samurai, den Jahrhunderte später der Mönch Yamamoto Tsunetomo im Buch Hagakura aufzeichnen wird. "Falls Du in der Schlacht fällst, solltest Du darauf bedacht sein, im Moment des Todes dem Gegner in die Augen zu schauen", heißt es da. Und auch das Seppuku oder Harakiri ist schon vorgesehen: Wer seine Ehre verloren hat, der schlitzt sich selbst den Bauch auf.

Herrschaft für 676 Jahre
Die Minamoto verlieren ihre Ehre nicht. 1185 schlägt ihr junger Führer Yoshitsune die Armee der Taira. Dann wird der letzte Konkurrenzkampf in der eigenen Familie ausgetragen: Yoshitsune wird von seinem älteren Bruder Yorimoto vertrieben und begeht den rituellen Selbstmord. Jetzt ist Yorimoto am Ziel: Am 21. August 1192 lässt er sich zum Sei Tai Shogun erklären, zum "Bezwinger der Barbaren". Damit ist Japan erstmals unter einer Macht geeint. Der Kaiser bleibt zwar das rituelle Staatsoberhaupt. Doch der siegreiche Samurai ist der eigentliche Machthaber im Reich. Der Shogun regiert nicht in Kyoto, sondern in Kamakura, in der Bucht von Tokio.

Die Shogun-Herrschaft erweist sich als äußerst stabil: Sie bleibt bis ins 19. Jahrhundert hinein bestehen, bis die USA Japan zur Öffnung seiner Häfen zwingen und die Anpassung an den Westen einleiten. Zu dieser Zeit ist das Rittertum der Samurai allerdings schon längst verfallen. Die Samurai sind oft verarmt, ein überholter Adel, der im Schatten der Kaufleute und Unternehmer steht. 1868 wird Tokugawa Yoshinobu, der letzte Shoghun gestürzt. Die neue bürgerliche Regierung unter dem Tenno verbietet den Samurai ihre Statussymbolw. So verschwinden auch die zwei Schwerter.

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22. August 2007, 08:03   #266
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22. August 1992: Ausländerfeindliche Krawalle in Rostock

Deutschlandtrikot, eingenässte Jogginghose, Hitlergruß: Es ist vermutlich das erste Mal, dass ein offensichtlich betrunkener Mann aus Rostock-Lichtenhagen in der New York Times abgebildet wird. Das Foto entsteht im Sommer 1992. In der Bundesrepublik tobt der Streit um eine Verschärfung des Asylrechts. Über 483.000 Menschen werden bis Jahresende einen Asylantrag stellen - so viele wie noch nie. Allein nach Rostock kommen jeden Monat 11.000 Asylbewerber. Die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber liegt mitten in der Plattenbau-Siedlung Rostock-Lichtenhagen. Die Aufnahmestelle befindet sich im so genannten Sonnenblumenhaus, einem elfgeschossiges Gebäude, in dem auch das Asylbewerberheim untergebracht ist. Die Unterkünfte darin sind überfüllt. Viele Flüchtlinge leben seit Monaten auf der Straße - ohne Wasser und ohne Toiletten.

Die Behörden von Stadt, Land und Bund kennen die Zustände in Rostock und anderswo. Im Sommer 1992 kommt es bundesweit fast täglich zu Anschlägen auf Asylbewerberheime. Wenige Tage vor den Pogromen in Rostock kündigt eine so genannte Lichtenhagener Bürgerwehr an, "aufzuräumen". Die Politik schaut zu. "Wir können nicht alle Probleme dieser Welt auf deutschem Boden und in den deutschen Gemeinden lösen", sagt Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU). Am 22. August 1992 greifen am Abend rund 400 rechtsgerichtete Jugendliche in Rostock-Lichtenhagen die Asylbewerber an - mit Baseballschlägern, Steinen und Brandsätzen. Bis zu 5.000 Passanten sehen zu und applaudieren. Die Polizei ist schlecht ausgerüstet und den rechtsextremen Angreifern deutlich unterlegen.

Drei Tage lang dauern die rassistischen Ausschreitungen. Nachdem das Asylbewerberheim aus Sicherheitsgründen geräumt ist, stecken Neonazis am 24. August 1992 das benachbarte Haus in Brand. Darin halten sich über 100 Vietnamesen und ein deutsches Fernsehteam auf. Sie werden von den Flammen eingeschlossen, können sich aber schließlich retten. Für diese Geschehnisse macht der Kölner Professor Christoph Butterwegge rückblickend die Politik der etablierten Parteien mitverantwortlich: "Wäre Helmut Kohl zum Beispiel zu den Opfern gefahren - was er nie gemacht hat -, dann wäre das natürlich ein Signal an die Rechtsextremisten gewesen: Wir können uns nicht auf heimliche Sympathien stützen." Der CDU-Bundeskanzler hingegen setzt damals auf schnelle Lösungen im Asylrecht: "Und zwar auf Lösungen, die greifen und die dem Missbrauch von Asyl wirksam einen Riegel vorschieben." Im Dezember 1992 einigen sich Union und SPD auf den so genannten Asylkompromiss. Das Grundrecht auf Asyl wird 1993 stark eingeschränkt.

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23. August 2007, 08:18   #267
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23. August 1997: Das Hotel Adlon in Berlin wird wiedereröffnet

Der gelernte Kunsttischler Lorenz Adlon macht erstmals von sich reden, als er 1876 den Bewirtungsbetrieb des rheinischen Schützenfestes organisiert. Später erwirbt der Mainzer eine Weinhandlung, Restaurants und Hotels. Sein Lebenswerk wird das "Adlon": ein Luxushotel in exklusiver Lage am Brandenburger Tor in Berlin. Bei der Eröffnung am 23. Oktober 1907 kommt der Kaiser zur Einweihung: "Wilhelm II. bewunderte den kostbaren Marmor und die Edelmetallverzierungen in der großen Eingangshalle", erinnert sich später Hedda Adlon, Witwe des Sohnes von Lorenz Adlon. Das Hotel wird zum Treffpunkt der internationalen Prominenz. Zu den Gästen gehören unter anderen Charlie Chaplin, Albert Einstein, Greta Garbo, Edgar Wallace und Thomas Mann.

Das ursprüngliche Haus steht nicht mehr. Es brennt wenige Tage nach Ende des Zweiten Weltkrieges ab - wegen Unachtsamkeit der russischen Besetzer. Nur ein Seitenflügel bleibt halbwegs unversehrt. In der DDR wird darin zunächst ein Hotel eingerichtet, dann ein Lehrlingswohnheim. Über Jahrzehnte ist das Adlon nur noch Legende. Doch schon kurz nach dem Fall der Mauer im November 1989 wird der Wiederaufbau des Hotels im ursprünglichen Stil geplant.

Am 23. August 1997 eröffnet Bundespräsident Roman Herzog am selben Ort das neue Adlon. Das Fünf-Sterne-Haus hat 382 Zimmer. 78 davon sind Suiten, die fast alle über eine Sauna und einen Fitnessraum verfügen. Eine Übernachtung im preiswertesten Zimmer kostet über 400 Euro. Gäste wie US-Präsident George W. Bush oder die englische Queen Elizabeth II. logieren hingegen in einer der drei Präsidentensuiten. Diese haben schusssichere Fenster, stahlverstärkte Wände und mit jeweils rund 200 Quadratmeter jede Menge Platz.

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24. August 2007, 07:42   #268
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24. August 1987: Erster deutscher Windpark in Betrieb

Growian war eindeutig ein mutiger Schritt in die falsche Richtung. Nach dreijähriger Erprobungsphase und endlosen technischen Pannen wird die "GRoße WIndenergie-ANlage", ein einziger Riesenquirl mit einem Rotordurchmesser von über 100 Metern, im Juni 1987 wieder stillgelegt. Das an seinen gewaltigen Dimensionen gescheiterte Forschungsprojekt im norddeutschen Kaiser-Wilhelm-Koog hat bewiesen: Mit wenigen, dafür riesigen Windmühlen ist eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie nicht praktikabel. In direkter Nähe zum Growian, nahe dem Städtchen Marne, entsteht deshalb auf 20 Hektar eine Anlage aus insgesamt 30 kleineren Rotoren. Sie soll Strom für mehr als 400 Haushalte liefern und nimmt am 24. August 1987 den Betrieb auf.

Genau um 12 Uhr 12 legt Uwe Barschel mit starker Hand einen Hebel um und schaltet Deutschlands ersten Windenergie-Park ans Netz. "Ständig kräftigen Wind von vorn", wünscht Schleswig-Holsteins Ministerpräsident. Doch ausgerechnet an diesem Tag hat sich die sonst stetige Brise an der Westküste verflüchtigt. Mit rund vier Metern pro Sekunde muss der Wind blasen, damit die Turbinen der 30 Mühlen Strom erzeugen können. Fällt die Marke darunter, zieht die Anlage für die eigene Elektronik sogar Strom aus dem Netz; die Rotoren drehen sich dann, wie am Eröffnungstag, im Freilauf. Ob die Windräder also gerade null oder 100 Prozent Leistung bringen, ist von außen nicht zu erkennen.

Rund fünf Millionen Mark hat ein Industrie-Konsortium mit der Firma MAN an der Spitze sowie die Landkreise Dithmarschen und Steinburg in den Windenergie-Park Westküste investiert. Neben der Leistungsausbeute von insgesamt 1.000 Kilowatt soll die Anlage im Kaiser-Wilhelm-Koog auch einen deutlichen Werbeeffekt bringen. Endlich kann die deutsche Wind-Industrie ihre Produkte im eigenen Land präsentieren. In den folgenden Jahren erlebt die Entwicklung der Windenergie-Technologie einen regelrechten Boom. Die Leistung einer mittleren Anlage steigt von anfangs 50 Kilowatt auf bis zu zwei Megawatt; die Rotorblätter wachsen von 16 Meter im Durchmesser auf über 90 Meter. Mit jedem neuen Windrad wächst allerdings auch die Kritik an der "Verspargelung der Landschaft". Viele Küstenbewohner sehen ihre Heimat inzwischen zum "Ruhrpott des Nordens" mutiert: "Nur statt der Schornsteine haben wir jetzt die Windräder", klagen die Dithmarscher.

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26. August 2007, 07:56   #269
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25. August 1967: Beginn des Farbfernsehens in Deutschland

Loriot beruhigt die Zuschauer mit dem Hinweis, dass an der Unterseite des Fernsehers eventuell austretende Farbreste für Mensch und Haustier völlig unschädlich seien. Anlass zu echter Sorge besteht aber nicht: Als das Fernsehen 1967 ins Farbenzeitalter aufbricht, halten alle 6.000 Buntbildschirme in deutschen Haushalten dicht. Auch wenn die neue Farbpracht zu Beginn noch ziemlich grell ausfällt, sehen die rund 13 Millionen Schwarz-Weiß-Fernseher dagegen fortan ziemlich alt aus. Die vorangegangene jahrelange Testphase war aufwändig und teuer. Über 200 Millionen Mark haben Rundfunkanstalten, Bundespost und Geräteindustrie investiert, bis Vizekanzler Willy Brandt am 25. August 1967 das Startsignal zum (west)-deutschen Farbfernsehen geben kann. Die DDR muss noch zwei Jahre länger auf die bunte Fernsehwelt warten.

Drastischer als die Sehgewohnheiten verändert das Farbfernsehen die Arbeit von Kameraleuten und Bühnenbauern, Kostüm- und Maskenbildner. Weiß vor der Kamera ist plötzlich tabu, reflektierendes Glas oder Metall darf nicht mehr ins Bild, Farben müssen aufeinander abgestimmt werden. Und weil die Kameras der Anfangszeit noch sehr lichtunempfindlich sind, heizen Batterien von Scheinwerfern die Studios auf 40 bis 50 Grad auf. Völlig neue Schminke muss entwickelt werden, die der Mordshitze standhält und die Akteure nicht wie bemalte Clowns aussehen lässt. Trotzdem dürfen die Farbjongleure nicht die noch übergroße Mehrheit ihrer Schwarz-Weiß-Seher aus den Augen verlieren. Die brauchen, etwa bei Fußball-Trikots, weiterhin starke Kontraste, damit das schwarz-weiße Bild nicht nur einheitliches Grau wiedergibt.

Legendär ist die Fehlreaktion eines Technikers, als Willy Brandt auf der Berliner Funkausstellung um 10.57 Uhr seine Hand auf den knallroten Startknopf legt. Weil der Vizekanzler den Druck auf den Attrappenknopf kurz verzögert, erstrahlt die Farbe Sekunden zu früh. Es wird die einzige Panne bleiben, die das von Walter Bruch entwickelte PAL-Farbfernsehen erlebt. Der TV-Pionier, der schon bei den Olympischen Spielen 1936 die Fernsehbilder zum Laufen brachte, hatte sein bei AEG-Telefunken entwickeltes PAL-System (Phase Alternating Line) 1963 zum Patent angemeldet. Durch eine Weiterentwicklung des amerikanischen NTSC -Systems war es Bruch gelungen, die notorische Farbinstabilität des US-Konkurrenten auszuschalten und damit PAL als Norm in der Bundesrepublik durchzusetzen. Allerdings verzichtete Bruch nach eigenen Worten freiwillig darauf, dem neuen System seinen Namen zu geben. "Bruch-Fernsehen, wie klingt denn das?"

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26. August 2007, 07:59   #270
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26. August 1972: Sir Francis Chichester gestorben

Nebel liegt über dem Ozean, Windstärke zehn macht das Navigieren bei sechs Grad Celsius fast unmöglich. So hohe Wellen hat der BBC-Reporter noch nie gesehen. Dann entdeckt er endlich das kleine Segelboot, das sich tapfer gegen die übermächtigen Naturgewalten stemmt. Nur ein Mann ist an Bord: Francis Chichester. 22.000 Seemeilen in 110 Tagen hat er hinter sich. Zwei Drittel der Strecke ist geschafft. Chichesters Ziel: Als erster Mensch will er allein die Welt umsegeln. Der Coup gelingt: Als er 1967 nach nur einem Zwischenstopp in Sydney im Hafen von Plymouth ankommt, jubeln ihm 250.000 Briten zu. Bis auf die Haut durchnässt ist er, doch sein Humor bleibt trocken. Ob er so etwas noch einmal machen würde, wird Chichester gefragt. "Nicht diese Woche" gibt er als Antwort.

Chichester wird 1901 als Pastorensohn in Barnstaple geboren. Sein strenges Elternhaus verlässt er früh. Mit 18 Jahren schon zieht es ihn als Schiffsheizer nach Neuseeland. Dort ist Chichester als Schafscherer und Holzfäller tätig. 1929 kehrt er in seine Heimat zurück und kauft sich ein Flugzeug, um zu Rekordflügen aufzubrechen. 180 Stunden braucht er von England nach Australien. Neben der Luft bleibt das Wasser sein Element: Nach dem 2. Weltkrieg lernt er segeln, um das zu machen, was er am liebsten macht: etwas, was noch niemand zuvor gelungen ist.

1957 diagnostizieren die Ärzte bei Chichester Lungenkrebs. Ein paar Monate geben sie ihm noch. Chichester gibt sich nicht auf. 1960 gewinnt er die Atlantikregatta, 1967 segelt er um die Welt. Deshalb schlägt ihn Queen Elizabeth II. zum Ritter - mit demselben Schwert, das im 16. Jahrhundert auch schon sein großes Vorbild Sir Francis Drake geadelt hatte. 1972 tritt Chichester noch einmal zur Atlkantikregatta an, muss aber nach zehn Tagen wegen unerträglicher Schmerzen abbrechen. Er stirbt am 26. August 1972 in Plymouth.

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27. August 2007, 07:53   #271
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27. August 1967: Brian Epstein stirbt in London

Brian Epstein will Schauspieler werden, aber die Schauspielschule weist ihn ab: kein Talent. Also arbeitet Epstein im Schallplattenladen seiner Eltern in Liverpool. Eines Abends erlebt er im Cavern Club den Auftritt einer unbekannten Nachwuchsband. Der raue Beat ist eigentlich nicht die Musik des Klassikfans Epstein. Aber die Ausstrahlung der vier jungen Musiker zieht ihn in ihren Bann. Er trifft sich nachher mit den Musikern und sagt dann zu seiner Mutter, er wolle die "vier Jungs" gern managen: "Man kann das halbtags machen, als Nebenjob."

Die Jungs nennen sich "The Beatles" und Epsteins Nebenjob wird seine Lebensaufgabe. Zunächst findet er keine Plattenfirma für die Gruppe. Als aber 1962 George Martin die Single "Love me do" herausbringt, schafft sie es gleich unter die englischen Top Twenty. Von da an steuert Epstein mit sicherer Hand die Beatlemania. Die Musiker müssen ihre Lederklamotten ablegen und in Anzüge mit Schlips und Kragen schlüpfen. Epstein will keine Proletarier-Band, sondern Weltstars. Er bringt die Beatles ins US-Fernsehen und auf Welttournee. Die Band wird eine internationale Marke, die Großbritannien zeitweise mehr Devisen einbringt als die Autoindustrie. Auch Epstein wird steinreich, denn er hat sich 25 Prozent aller Beatles-Einnahmen gesichert, als es solche noch gar nicht gab.

Epstein selbst bleibt stets im Hintergrund: zurückhaltend, gut gekleidet, mit sauber gescheiteltem Haar. Denn er führt ein Doppelleben, um seine Homosexualität zu verbergen, die im Showbusiness der 60er Jahre tabu ist. Darüber fällt er in Depressionen, die er mit Alkohol und Tabletten bekämpft. Als die Beatles keine Konzerte mehr geben, sondern nur noch im Studio produzieren, verliert er mehr und mehr an Einfluss auf die Band. Die vier Musiker befinden sich bei ihrem Guru Maharishi Mahesh Yogi in Indien, als sie am 27. August 1967 die Nachricht vom Tod ihres Managers erhalten. Brian Epstein wurde in seiner Londoner Wohnung gefunden, vergiftet durch Tabletten und Alkohol. Er wurde 32 Jahre alt.

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28. August 2007, 07:37   #272
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28. August 1837: Beginn der Herstellung von Worcester-Sauce

Wie wird sie denn nun ausgesprochen, die pikante Gewürzsauce aus der mittelenglischen Stadt Worcester? Seit 170 Jahren auch bei uns geschätzt, ist sie für deutsche Zungen oft ein Rätsel. Richtig ist: "Wuuster"-Sauce. Weil der Stammsitz der Firma Lea & Perrins in der Grafschaft Worcestershire liegt, gibt es auch eine Worcestershire-Sauce, was natürlich Verwirrung stiftet. Sie wird "Wuusterscher" ausgesprochen und enthält im Gegensatz zur Worcester-Sauce auch Apfelgelee und Malzextrakt. Beide beziehen ihren scharfen Geschmack vor allem aus Currygewürz, Weinessig und mindestens einem weiteren Dutzend Zutaten. Die sind alle wohlbekannt, bis - wie sich das für ein so ehrwürdiges Markenprodukt gehört - auf eine.

Diese Zutat ist seit den Tagen von John Wheeley Lea und William Henry Perrins ein bestens gehütetes Firmengeheimnis. Die beiden jungen Chemiker, die am 28. August 1837 die industrielle Fertigung ihrer Würzkreation starten, sollen das Ur-Rezept von Lord Sandys erhalten haben, einem britischen Gouverneur in Bengalen. Abenteuerliche Geschichten ranken sich um den weiteren Werdegang; ein nach Jahren wiederentdecktes Fass der mal für ungenießbar gehaltenen Brühe soll darin die entscheidende Rolle spielen. Wie auch immer - irgendwann kommen Lea und Perrins auf den Geschmack und ihre pikante Worcester-Sauce zur einsetzenden Industrialisierung wie gerufen. Arbeiter, die nach 15 Stunden Arbeit meist vor einer kargen, eintönig-faden Mahlzeit sitzen, können diese nun schmackhafter und abwechslungsreicher zubereiten.

Die beiden Erfinder werden schnell zu reichen Männern. Weil sie ihre Sauce umsonst in den Hafendocks verteilen, reisen die ersten Flaschen schon bald per Schiff in die Neue Welt und finden auch dort reißenden Absatz. Im Agrarland Deutschland versorgen sich die meisten Menschen jener Zeit noch selbst aus Stall und Garten. Erst als auch hierzulande die Industrialisierung in Schwung kommt, tauchen die ersten industriell gefertigten Speiseprodukte auf: Fertigsuppen von Julius Maggi und Fleischextrakte von Justus Liebig. Ab 1906 darf dann jeder Hersteller seine Nachahmung der Worcester-Sauce auch so nennen. Lea & Perrins' Original aus Worcester in Worcestershire gibt es trotzdem bis heute - in 140 Ländern der Welt.

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29. August 2007, 07:46   #273
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29. August 1897: Erster Zionistischer Weltkongress in Basel

Ende des 19. Jahrhunderts breitet sich in Europa der Antisemitismus aus. In Russland gibt es Pogrome gegen Juden, in Wien kommt ein antisemitischer Bürgermeister an die Macht, in Paris schreit der Pöbel: "Schlagt die Juden tot." Der Wiener Journalist Theodor Herzl sieht nur einen Ausweg: einen eigenen Staat, den Staat Israel. Die 2.000 Jahre alte Sehnsucht nach Zion, nach einem Hügel in Jerusalem, soll als eigenes Staatswesen Wirklichkeit werden. Herzl beschreibt seinen Vorschlag in einem Buch mit dem Titel "Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage". Die Juden sollen sich in Palästina ansiedeln und einen Schutzwall gegen Asien bilden: "Wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen." Amtssprache soll Deutsch sein, Deutschland eventuell sogar Schutzmacht.

Für viele seiner Freunde ist Herzl meschugge. In den Wiener Caféhäusern lästern Juden über seine Ideen. Doch Herzl lässt sich nicht beirren. Er organisiert den ersten Zionistischen Weltkongress, der am 29. August 1897 in Basel stattfindet. Es ist die erste allgemeine Versammlung von Juden seit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer. 196 festlich gekleidete Kongressteilnehmer sind anwesend. Herzl betritt das Podest und verkündet bereits im ersten Satz seiner Botschaft: "Wir wollen den Grundstein legen zu dem Haus, das dereinst die jüdische Nation beherbergen soll." Der Kongress dokumentiert diesen Willen im Baseler Programm. Es gilt bis zur Staatsgründung Israels 51 Jahre später.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommen viele Juden, die den Holocaust überlebt haben, aus Europa nach Palästina. Während die Zionistische Weltorganisation noch immer auf Diplomatie setzt, gehen die Zionisten im 'gelobten Land' einen anderen Weg. Dort setzt sich David Ben Gurion durch, ein aus Polen eingewanderter Zionist. Ben Gurion ist sich sicher, dass ein Staat Israel ohne Gewaltanwendung nicht zu haben ist. Ben Gurion erklärt 1948 die Unabhängigkeit. Sofort gibt es Krieg zwischen Juden und Arabern.

Für Theodor Herzl ist Israel ein Traum geblieben. 1904, kurz vor seinem Tod, gibt er seinen Anhängern einen letzten Ratschlag mit auf den Weg: "Machet keine Dummheiten, während ich tot bin."

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30. August 2007, 08:07   #274
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30. August 1992: Maria Jepsen wird Bischöfin von Hamburg

1989 sorgt die Wahl einer Frau zur anglikanischen Weihbischöfin in den USA für Schlagzeilen und innerkirchlichen Protest. Barbara Harris ist damit die erste christliche Bischöfin weltweit. In der traditionsreichen lutherischen Kirche muss man noch drei Jahre auf einen ähnlichen Durchbruch warten. Hierfür sorgt dann die nördlichste deutsche Landeskirche: Zwei Mal kandidieren in "Nordelbien" Frauen für das Bischofsamt. Erst die dritte ist erfolgreich: Am 30. August 1992 wird Maria Jepsen als Bischöfin von Hamburg in ihr Amt eingeführt.

Auch hier protestieren konservative Kreise, denn Jepsen ist nicht nur eine Frau, sondern auch für ihr Engagement für Frauen, in sozialen Fragen, der Flüchtlingspolitik und gegen die Diskriminierung Homosexueller bekannt. Aber sie weiß auch mit der kirchlichen Basis umzugehen: Jepsen, 1945 in Bad Segeberg geboren, ist seit 1970 erst Vikarin, dann Pfarrerin, schließlich Pröbstin im Norden, mal in Hamburg, mal in Dithmarschen. In der Sache klar, als Person eher zurückhaltend, wird Bischöfin Jepsen keine Medien-Persönlichkeit wie einige Jahre später Hannovers Oberhirtin Margot Käßmann.

15 Jahre nach dem Hamburger Dammbruch gibt es weltweit 30 lutherische Bischöfinnen. Jepsen wird 2002 für weitere zehn Jahre in ihrem Amt bestätigt. In der evangelischen Kirche Deutschlands sind Bischöfinnen aber immer noch selten - und werden hin und wieder auch versteckt: So durfte Maria Jepsen beim Rombesuch einiger Kollegen nicht dabei sein. Offenbar wollte die Kirchenleitung den deutschen Papst nicht mit einer Bischöfin ärgern. Schließlich erlaubt der Vatikan Frauen nicht einmal das Amt der Diakonin oder Priesterin. Zu Hause dagegen erobert Maria Jepsen noch eine weitere Männerdomäne: 2005 wird sie in den Vorstand der "Deutschen Seemannsmission" gewählt.

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31. August 2007, 07:45   #275
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31. Augsut 1967: Revolutionärin Tamara Bunke wird erschossen

In der DDR gilt Tamara Bunke als Vorbild: Über 200 Schulen, Jugendbrigaden und Kindergärten werden nach ihr benannt. Die in Argentinien geborene Deutsche ist kubanische Spionin und kämpft an der Seite Che Guevaras im Dschungel von Bolivien. Um ihr Leben ranken sich ungezählte Legenden, unter anderem lanciert von der CIA. So soll sie die Geliebte Che Guevaras, von ihm schwanger gewesen und als Doppelagentin vom KGB auf den kubanischen Revolutionsführer angesetzt worden sein. Die meisten dieser Geschichten sind frei erfunden. Gesichert ist, dass sie am 31. August 1967 am Rio Grande in einem Hinterhalt erschossen wird.

Geboren wir Tamara Bunke am 19. November 1937 in Buenos Aires. Ihre Eltern, beide Lehrer, sind vor den Nazis nach Argentinien geflohen. Als überzeugte Kommunisten kehren sie 1952 in die DDR zurück, wo ihre Tochter vier Jahre später ihr Abitur macht und Romanistik studiert. 1960 lernt sie als Dolmetscherin in Leipzig Che Guevara kennen. Er ist zu dieser Zeit Direktor der kubanischen Nationalbank. Sie ist fasziniert von der kubanischen Revolution, die ein Jahr zuvor statt gefunden hat. Che weigert sich, sie mitzunehmen. Doch wenig später schafft es die 23-Jährige, sich ein Flugticket nach Kuba zu besorgen - zum Missfallen der Stasi, die sie als Agentin in Argentinien einsetzen will. Tamara studiert Journalismus in Havanna und arbeitet als Dolmetscherin für die Regierung. Schließlich bildet der kubanische Geheimdienst sie zur Agentin aus. 1964 ernennt sie Che Guevara persönlich zur Guerillera, Kampfname "Tania". Sie bekommt eine zweite Identität und geht nach Bolivien: Als Laura Gutierrez knüpft sie Kontakt zu höchsten Regierungskreisen in La Paz.

1966 kommt Che Guevara nach Bolivien, um eine Revolution vorzubereiten. Tania beginnt, eine Radiosendung für Frauen zu moderieren und schickt so chiffrierte Botschaften an die Guerilleros in den Bergen. Obwohl sie den direkten Kontakt zu den Kämpfern meiden soll, bringt sie im März 1967 zwei Besucher in die Berge. Dabei fliegt ihre Tarnung auf. Che Guevara notiert wütend in sein Tagebuch: "Damit gehen zwei Jahre guter und geduldiger Arbeit verloren." Seine Top-Agentin kann nun nicht mehr zurück nach La Paz. Den Strapazen im Dschungel ist "Tania" allerdings kaum gewachsen: Ihre Füße entzünden sich auf den langen Märschen, Würmer bohren sich in die Haut, sie bekommt hohes Fieber. Ende August 1967 lockt ein Bauer "Tanias" Gruppe in eine Falle. Fast alle Mitglieder werden erschossen. Sieben Tage später wird die Leiche von Tamara Bunke aus dem Fluss gezogen. Im Rucksack, wasserfest verpackt, findet sich ein angefangener Brief: "Liebe Mutter, ich habe Angst. Ich weiß nicht, was aus mir und all den anderen werden soll. Wahrscheinlich nichts."

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