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5. May 2008, 07:44   #126
Jules
 
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05. Mai 1938: Japan erlässt Gesetz zur Generalmobilmachung

Sommer 1937: Chinesische und japanische Soldaten liefern sich an der Marco-Polo-Brücke in der Nähe von Peking eine nächtliche Schießerei. Japan nutzt den Zwischenfall und beginnt einen Krieg gegen China. Es geht um Ressourcen, Absatzmärkte und Macht. Das rohstoffarme Kaiserreich Japan hat weitreichende Expansionsziele: Der Inselstaat will sich "eine Art autarkes Kolonialreich oder einen ostasiatischen Staatenbund unter japanischer Führung" schaffen, sagt Jan Schmidt, Japanologe an der Bochumer Ruhr-Universität. Bereits 1931 haben japanische Soldaten die Mandschurei überrannt und ein Marionettenregime installiert, das Japan den Zugriff auf Erz, Erdöl, Kohle und Holz sichert.

Der Angriff im Sommer 1937 ist für Japan nicht so erfolgreich. Unter Führung von Marschall Chiang Kai Shek wehren sich die Chinesen. Es kommt zu Gräueltaten der Japaner. Bald stellt sich heraus, dass der Krieg nicht schnell zu gewinnen ist. Für den damaligen japanischen Ministerpräsidenten Fürst Konoe Fumimaro, ein Vetter des Kaisers, ist das ein willkommener Vorwand, um lang gehegte Pläne umzusetzen. "Er und seine Berater sowie auch Militärs im weiteren Umfeld hatten schon seit Jahren vor, den gesamten Staatsaufbau umzubilden", erklärt Japanologe Schmidt. Mit Hilfe seiner Berater erlässt Konoe am 5. Mai 1938 das "Gesetz zur Generalmobilmachung der Nation". Das Gesetz verschafft der Regierung uneingeschränkten Zugriff auf die Bürger und die Ressourcen des Landes: Löhne und Arbeitsbedingungen können festgesetzt, Streiks verboten werden.

Bei der Umsetzung der Mobilmachung gibt es allerdings erhebliche Probleme: Die Ministerien sind zerstritten. Erst als Japan 1941 mit dem Angriff auf Pearl Harbor den Krieg gegen die USA eröffnet, wird das Gesetz zur Mobilmachung verschärft angewendet. Japan ist mittlerweile dem von Adolf Hitler initiierten Drei-Mächte-Pakt beigetreten. Zwischen Berlin, Rom und Tokio besteht nun die so genannte Achse, die den Zweiten Weltkrieg für sich entscheiden will. Im Pazifik dauert der Krieg vier Jahre und endet mit den Atombombenabwürfen der Amerikaner auf die japanischen Städte Nagasaki und Hiroshima. Am 15. August 1945 erklärt Kaiser Hirohito die japanische Kapitulation. Sechs Wochen später wird das Gesetz zur Nationalen Mobilmachung wieder abgeschafft.

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6. May 2008, 08:00   #127
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06. Mai 1758: Maximilien de Robespierre in Arras geboren

Sein Vater, ein Anwalt in Arras, scheint kein sehr verantwortungsbewusster Mann gewesen zu sein: Er heiratet erst, als Maximilien Marie Isidore Robespierre bereits unterwegs ist. Als die Mutter sechs Jahre später stirbt, setzt sich der Vater nach Deutschland ab und überlässt die vier Kinder dem Großvater und den Tanten. Maximilien, am 6. Mai 1758 geboren und damit der Älteste, entwickelt sich zum Oberhaupt der Geschwister. "Wenn er sich in unsere Spiele mischte, so nur, um sie zu lenken", erinnert sich später seine Schwester Charlotte.

Der frühreife Junge ist eifrig in der Schule und darf zum Jura-Studium nach Paris. Mit 23 Jahren lässt er sich in Arras als Anwalt nieder und wird ein leidenschaftlicher Verteidiger der kleinen Leute. Er ist ein Anhänger der Philosophie von Jean-Jacques Rousseau: Die moderne Gesellschaft erscheint ihm verkommen, von der natürlichen Tugend entfremdet. Als 1789 die Generalstände einberufen werden, wählen die Bürger von Arras Robespierre zu ihrem Abgeordneten. So wird er in der Stunde zum Politiker, als die französische Revolution beginnt. In der Nationalversammlung tritt Robespierre als Demokrat auf. Er fordert das allgemeine Wahlrecht für Männer, die Abschaffung der Todesstrafe und der Sklaverei in den Kolonien. Für die Absetzung des Königs stimmt Robespierre erst, als der sich der Revolution verweigert.

Jetzt radikalisiert sich der Abgeordnete aus Arras. Er wird Vorsitzender des Clubs der Jakobiner, des linken Flügels der Revolution. Als die Kriege mit dem monarchistischen Ausland die Revolution geschwächt haben, richten die Jakobiner eine Art Diktatur ein. Der zwölfköpfige Wohlfahrtsausschuss übernimmt die Macht. Sein starker Mann: Robespierre. Er schafft die demokratischen Rechte ab, vor den Revolutionstribunalen darf man sich nicht mehr verteidigen. Ehemalige revolutionäre Weggefährten enden reihenweise unter der Guillotine. Man müsse die Tugend durch den Terror verteidigen, erklärt Robespierre, der den Atheismus ablehnt und sich auf keine Korruption einlässt. Am 27. Juli 1794 lassen die übrigen Revolutionsführer Robespierre verhaften. Dieser 9. Thermidor des Jahres II in der neuen, revolutionären Zeitrechnung markiert das Ende der Radikalisierung. Maximilien de Robespierre stirbt schon am Tag darauf unter dem Fallbeil.

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7. May 2008, 07:36   #128
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07. Mai 1878: Die erste Feuerleiter wird patentiert

Das große Feuer von Chicago 1871 ist eine der schlimmsten Brandkatastrophen in der Geschichte der USA. Hunderte von Menschen kommen ums Leben, rund vier Quadratmeilen der Stadt werden dem Erdboden gleich gemacht. Als ein Jahr später auch die Innenstadt von Boston brennt, muss die Regierung reagieren. In vielen Städten wird die Holzbauweise verboten, professionelle Feuerwehren sorgen fortan für den Schutz der Bevölkerung. Aber ihre Spritzen sind zu schwach und ihre Leitern bald schon zu kurz für die immer höher werdenden Häuser.

Mühsam müssen die Feuerwehrleute ihre Sprossenleitern an die Fenster hängen und sich so von Stockwerk zu Stockwerk nach oben hangeln - Menschen sind auf diese Weise nicht zu retten. Der Erfinder und schwarze Bürgerrechtler Joseph Winter will diesem Missstand ein Ende machen. Am 7. Mai 1878 erhält er das Patent auf seine "Fire Escape Ladder", die mit Hilfe von Seilzügen auf einem Scherengestell nach oben fährt und sich dabei ausklappt. Ob sie gebaut wird, ist nicht überliefert. Denn schnell erweist sich die ausziehbare Drehleiter, die zunächst von Pferden gezogen wird und seit 1875 im Einsatz ist, als effektiver. Später erhält sie einen Rettungskorb für Brandopfer an der Spitze. Die brennende Frage der Feuerwehren nach der Rettung von Opfern findet so eine Antwort.

Aber auch Winters Idee lebt weiter. Große Arbeitsbühnen stehen dank seiner Scherentechnik bis heute bis auf 80 Meter Höhe sicher. 2007 greift auch die Düsseldorfer Feuerwehr darauf zurück. Als das Dachschiff der dortigen St. Peter Kirche in rund 60 Meter Höhe Feuer fängt, erweisen sich die Drehleitern als viel zu kurz. Eine geliehene Arbeitsbühne hilft, den Brand zu löschen.

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8. May 2008, 14:09   #129
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08. Mai 1903: Gründung der Firma Boge & Kasten (BKS)

BKS - drei Buchstaben, deren Bedeutung wohl den meisten, die sie auf Schlössern oder Schlüsseln lesen, nicht mehr bekannt sein dürfte. Seit über 100 Jahren stehen sie für Schließsysteme made in Germany - oder, genauer gesagt, in Solingen, womit schon mal das "S" im Markenkürzel erklärt ist. Hinter "B" und "K" verbergen sich die Gründer des Unternehmens: der Werkmeister Adolf Boge und der Schlosser Fritz Kasten. Am 8. Mai 1903 eröffnen die Herren in dem bergischen Städtchen die Rheinische Türschließerfabrik und steigen groß in den gerade boomenden Markt der Schloss- und Beschläge-Industrie ein. Gleich mit dem ersten Produkt landen Boge & Kasten einen Volltreffer. Ihr Türschließer, der Türen fast geräuschlos selbsttätig wieder ins Schloss fallen lässt, ist in ganz Europa gefragt und begründet den Ruf der Marke BKS.

Mit einer breiten Produktpalette neuartiger Sicherheitsschlösser steigt das Solinger Unternehmen innerhalb weniger Jahre zum Marktführer auf dem Kontinent auf. Selbst die Konkurrenz in Übersee wird hellhörig. In den Jahren 1927 und 1928 geht die US-Firma Yale and Town in den rheinischen Schloss-Metropolen auf Einkaufstour. Auf einen Schlag übernehmen die Amerikaner den Betrieb von Boge & Kasten, den Velberter Schlosshersteller Damm & Ladwig sowie die Vereinigten Riegel- und Schlossfabriken. Aus dem Zusammenschluss der drei Traditionsfirmen entsteht das BKS-Werk, das bis zum heutigen Tag in Velbert ansässig ist und in seiner Blütezeit mehr als 3.000 Menschen beschäftigt. Derzeit hat das Unternehmen nach Angaben seines Geschäftsführers Martin Schmitz noch 650 Mitarbeiter.

1938 entwickelt BKS einen Rundzylinder, der Einbrechern fortan das Leben schwer macht und weltweit die Konstruktion von Sicherheitsschlössern revolutioniert. In den 50er Jahren produzieren die Velberter als erstes Unternehmen in Europa "Panikschlösser", die ein von innen ein unkompliziertes Entsperren und Öffnen abgeschlossener Türen ermöglichen. Seit 1983 befindet sich BKS wieder in deutschen Händen und gehört zur schwäbischen Gretsch-Unitas-Gruppe in Ditzingen, einem der führenden Hersteller von Baubeschlägen und Sicherheitstüren. Spezial-Schließsysteme für Gefängniszellen sowie schallhemmende und explosionssichere Türen werden heute in Velbert ebenso hergestellt wie Komponenten für die Gabelstapler der einstigen Unternehmensmutter Yale. Und seit nun über 100 Jahren ist technisch nahezu unverändert im Angebot: der Türschließer, der einst die Firma von Adolf Boge und Fritz Kasten in Solingen zum Erfolg geführt hat.

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9. May 2008, 15:00   #130
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09. Mai 1998: Bundesliga-Aufsteiger Kaiserslautern wird Meister

Die Geschichte des Fußball-Wunders von der Pfalz beginnt im Tal der Tränen. Am letzten Spieltag der Saison 1995/96 besiegelt ein 1:1 in Leverkusen den ersten Bundesliga-Abstieg in der Vereinsgeschichte des 1. FC Kaiserslautern. Trainer Eckhard Krautzun muss seinen Hut nehmen. Im Monat zuvor hat auch Bayern München seinem Coach Otto Rehhagel den Stuhl vor die Tür gestellt. Rehhagel sei ein Trainer für viele Vereine in der Welt - aber nicht für Weltvereine, ätzt Manager Uli Hoeneß dem gelernten Anstreicher aus Essen hinterher. Otto, vor seinem Bayern-Desaster noch "der Große" genannt, schwört Rache und heuert in der 2. Bundesliga beim 1. FC Kaiserslautern an. Unter der Fuchtel des knorzigen Alleinherrschers eilen die Lauterer in der Zweitliga-Saison 96/97 wie im Rausch von Sieg zu Sieg.

Als Tabellenprimus schafft der FCK den direkten Wiederaufstieg. Dort trifft Rehhagel mit den "Roten Teufeln" gleich am ersten Spieltag auf Bayern München und gewinnt 1:0. Breit grinsend nimmt "König Otto" nach dem Abpfiff auf der Tartanbahn des Olympiastadions die Ovationen der Fans entgegen. Aber es kommt noch dicker für Bayern-Manager Hoeneß. Vom vierten Spieltag an tanzt der 1. FC Kaiserlautern dem Rivalen als Tabellen-Erster vor der Nase herum. Im Rückspiel auf dem brodelnden Kaiserslauterer Betzenberg fällt dann die Vorentscheidung in der Meisterschaft. Der "Betze" brennt, als Rehhagels Provinztruppe die Millionäre aus München erneut abfertigt, diesmal mit 2:0. Mit einem 4:0 über Wolfsburg am 33. Spieltag macht Kaiserslautern die nicht für möglich gehaltene Sensation vorzeitig perfekt.

Eine Woche später, am 9. Mai 1998, ist es amtlich: Der deutsche Meister heißt 1. FC Kaiserslautern. Innerhalb von zwei Jahren absteigen, aufsteigen, Titel gewinnen - das hat es in der Bundesliga-Geschichte noch nie gegeben. Eine "klammheimliche Freude" könne er nicht verhehlen, gesteht Otto Rehhagel mit Seitenblick nach München. Schließlich heiße die Hauptstadt der Fußball-Welt jetzt Kaiserslautern. Dort herrscht nach dem Schlusspfiff gegen Wolfsburg der Ausnahmezustand. Rund 100.000 FCK-Anhänger inklusive eines mit Fan-Insignien drapierten Ministerpräsidenten Kurt Beck feiern ihre Helden bei der Ankunft vor dem Rathaus. Nach dem Ende der Ära Rehhagel lösen sich die Träume von einer ruhmreichen Zukunft der "Roten Teufel" allerdings bald in Luft auf. Während Otto Rehhagel in Griechenland mit dem Gewinn der Europameisterschaft das nächste Wunder vollbringt und dafür zum Ehrenbürger von Athen erhoben wird, erlebt der "Betze" wirtschaftlich wie sportlich eine Berg- und Talfahrt. Am Ende der Saison 2005/06 steigt der 1. FC Kaiserslautern zum zweiten Mal ab und muss aktuell sogar den Absturz in die Drittklassigkeit befürchten.

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13. May 2008, 17:39   #131
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10. Mai 2003: Tod des Modeschöpfers Heinz Oestergaard

Heinz Oestergaard hat eine schicke Mutter. Immer, wenn ihr Untermieter Herr Kaiser, ein "Ölmann aus Schlesien", mit ihr zur Rennbahn geht, kann der Knabe gar nicht anders als sie zu bewundern. "Sie hatte ein Chiffonkleid mit rotem Unterkleid und kleinen Zipfeln unten und eine lange Kette", wird er sich später erinnern. "Und das hat mich so fasziniert, wie schick die Mutter aussah."

Oestergaard wird 1916 in Berlin geboren. In den zwanziger Jahren zeichnet er die Bilder auf Butterbrotpapier die Schauspielerinnen aus den Modejournalen ab, später macht er seine kindliche Begeisterung für Kleider zum Beruf. Er absolviert eine Zuschneideakademie und geht beim Modehaus Schröder-Eggeringhaus in die Lehre. 1938 beginnt er als Konfektionär in einem Berliner Atelier. Nach dem Krieg näht er aus Decken, Fahnenstoffen, alten Uniformen und Gardinen seine erste Kollektion. Da ist er der jüngste Modeschöpfer Berlins. Als Christian Dior mit seinen festen Stoffen eine neue Linie der Haute Couture begründet, erfindet Oestergaard für die weichen deutschen Kostüme steife Unterbauten - bis die Bekleidungsindustrie der Heimat auf Maschinen umgerüstet hat, die dem Trend der Zeit gewachsen sind.

Aber Oestergaard hält es nicht bei der exklusiven Mode. Er will, dass sich auch die deutsche Hausfrau und Mutter schick kleiden kann. 1967 geht er als Modeberater von Grete Schickedanz zum Versandhaus Quelle. Fortan demokratisiert er mit "Mode für Millionen" die Couture. Er kreiert die senfgrüne Uniform der Polizei und den orangefarbenen Overall der "Gelben Engel" vom ADAC. In den achtziger Jahren zieht er sich aus dem Modegeschäft zurück, um Bilder zu malen, Teppiche zu entwerfen und Glas zu blasen. Oestergaard stirbt am 10. Mai 2003 in Bad Reichenhall.

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13. May 2008, 17:43   #132
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11. Mai 1923: Muttertag in Deutschland eingeführt

Im Mai 1923 plakatieren deutsche Blumenläden ihre Schaufenster mit eingängigen Parolen. "Ehret die Mutter" steht da zwischen Rosen, Tulpen und Gladiolen. "Denk heute deiner Mutter Güte, bring ihr die frische Maienblüte". Organisiert hat den Appell ans kindliche Gewissen der Verband deutscher Blumengeschäftsinhaber. Dessen Geschäftsführer Rudolf Knauer hat klare Vorstellungen vom Muttertag. "An diesem Tag wollen wir unser Heim festlich schmücken", sagt Knauer. "Im trauten Kreis unserer Lieben wollen wir der Mutter aussprechen, was unser Herz für sie bewegt. Wir wollen ihr aufs Neue geloben, in Treue und Hingebung zu ihrer Freude und zu ihrer Ehre unser Tagwerk zu tun". Dass dieses Gelöbnis durch einen bunten Strauß von Blumen zur Sprache kommt, ist für Knauer Ehrensache.

Als der Muttertag in Deutschland eingeführt wird, ist er in vielen anderen Nationen bereits seit Jahren eine feste Größe. Dank der sozialen Aktivistin Anna Marie Jarvis wird er 1914 in den USA nationaler Feiertag. Nach dem Ersten Weltkrieg folgen Österreich und die skandinavischen Länder. 1933 erkennen die Nationalsozialisten im "Tag der Mutter" das propagandistische Potenzial. Das "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" erhalten an diesem Tag fortan Reichsbürgerinnen zugesprochen, die dem Führer möglichst viele Kinder geschenkt haben oder deren Söhne oder Männer auf dem Feld der Ehre gefallen sind.

Anna Marie Jarvis ist ihr Muttertag da schon längst ein Dorn im Auge. "Ich wollte, dass es ein Tag des Nachdenkens ist und nicht des Profits", lautet ihr Resümee. Schuld daran seien einzig und allein die Blumenhändler, die "mit ihrer Habgier eine der edelsten, reinsten Bewegungen und Feierlichkeiten unterlaufen". Jarvis' Versuch, den Festtag einfach wieder abzuschaffen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Noch immer wird der Muttertag in vielen Ländern begangen, in Deutschland am zweiten Sonntag im Mai. Sehr zur Freude der Mütter. Und vielleicht noch etwas mehr zur Freude von Blumenhändlern.

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13. May 2008, 17:46   #133
Jules
 
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12. Mai 1928: US-Komponist Burt Bacharach wird geboren

Die junge Lehrerin Etta Place erwacht. Durch die Fenster ihres Schlafzimmers kann sie einen Kopf sehen, der vorbei zu schweben scheint. Er gehört dem charmanten Bankräuber Butch Cassidy. Sein Partner Sundance Kid liegt neben Etta im Bett und schläft. Butch imitiert Tierstimmen und lockt Etta hinaus. Er führt ihr sein Fahrrad vor - eine Rarität im Wilden Westen. Etta setzt sich auf die Lenkstange und die die beiden fahren los in die Morgensonne. Dabei setzt die Musik ein: "Raindrops keep falling on my Head" ("Regentropfen fallen auf meinen Kopf"). Die Szene im Film "Butch Cassidy and the Sundance Kid" kommt 1969 in die Kinos. Ein Song mitten in einem Western ist ungewöhnlich, dazu noch der Gegensatz von Sonne und Regen. Die Idee dazu stammt vom amerikanischen Komponisten Burt Bacharach: "Ich habe mir die Szene immer wieder angesehen. Dann hatte ich die Melodie im Kopf und dachte, das könnte ein Song werden." Ein paar Monate später erhält Bacharach zwei Oscars - einen für den besten Filmsong und einen für die beste Filmmusik.

Der am 12. Mai 1928 in Kansas City geborene Burt Bacharach spielt als Kind Klavier, um seiner Mutter eine Freude zu machen. Sie hört oft klassische Musik, doch die meisten Stücke findet Burt zu traurig und zu pathetisch. Debussy und Ravel sind die Ausnahmen, die spielt er gern. Später entdeckt er Dizzy Gillespie, Thelonious Monk und Charlie Parker. Burt studiert in Kanada Musik und beginnt zu komponieren. Zu Beginn seiner Laufbahn schreibt er Songs wie am Fließband, manchmal vier am Tag. Sie haben jedoch noch nicht den speziellen Bacharach-Sound. Aber Bacharach macht sich einen Namen als musikalischer Leiter der Tourneen von Marlene Dietrich. Schließlich findet er seinen eigenen Stil. Seine Stücke klingen leicht, sind aber dennoch komplex. Sie leben von kleinen Akzentuierungen und Andeutungen, von plötzlichen Taktwechseln. Damit hat er Erfolg: drei Oscars, fünf Grammys und 66 Songs, die es in die US-Charts schaffen.

An Bacharachs Erfolg haben auch Textdichter Hal David und die Sängerin Dionne Warwick ihren Anteil. Mit den beiden arbeitet er jahrelang eng zusammen. In den 60er und 70er Jahren wird Bacharach zur Legende der Popmusik. Viele Sänger nehmen seine Songs auf. Ein Hit folgt dem nächsten, einige entstehen für Filme und Theaterstücke. Sein Musical "Promises! Promises!" nach Billy Wilders Film "Das Appartement" läuft drei Jahre am Broadway. Tom Jones singt den Titelsong in der Komödie "What's new, Pussycat?" Der Erfolg hat auch negative Seiten. Für seine Kollegen David und Warwick hat Bacharach immer weniger Zeit. Es kommt zum Bruch. Die drei prozessieren gegeneinander und arbeiten an Solokarrieren, bis sie sich Anfang der 80er Jahre wieder versöhnen. Der englische Musiker Elvis Costello wird zu einem weiteren Partner. 2005 überrascht Bacharach seine Fans mit einer neuen CD. Darin kritisiert er die Politik der USA nach den Anschlägen des 11. September 2001. Diesmal hat der damals 77-Jährige selbst die Texte selbst geschrieben: "Wer sind diese Leute, die uns andauernd Lügen erzählen?"

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13. May 2008, 17:49   #134
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13. Mai 1993: Das Ende von SDI wird bekannt gegeben

Mitten im Kalten Krieg verblüfft US-Präsident Ronald Reagan die Weltöffentlichkeit: Am 23. März 1983 fordert er in einer Fernsehrede die Wissenschaftler seines Landes auf, Atomwaffen "unwirksam und überflüssig" zu machen. "Das war deswegen verblüffend, weil zu diesem Zeitpunkt die Nuklearwaffen immer der Fetisch des Westens waren", sagt Physik-Professor Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Bisher sollten mit Atomwaffen die Russen abgeschreckt und so ein Krieg verhütet werden. Doch die angebliche Kehrtwende entpuppt sich als neues Rüstungsprogramm. Anders als die Friedensbewegung will Reagan Nuklearwaffen nicht unwirksam machen, indem er sie verschrottet. Seine Zauberformel heißt "Strategic Defense Initiative" (SDI): Strategische Verteidigungsinitiative.

Reagan will einen Abwehrschirm schaffen, an dem feindliche Raketen abprallen. Das Raketenabwehrsystem soll teils auf dem Boden und teils im Weltraum errichtet werden. Infrarot-Beobachtungssatelliten, superschnelle Abfangraketen, hochenergetische Laserkanonen - ein Arsenal neuer Waffen soll einen undurchdringlichen Schild über den USA bilden. Schon 1987 äußert eine Expertenkommission Zweifel an der Realisierung eines solchen Planes. Das Grundproblem ist die hohe Endgeschwindigkeit von Raketen: ungefähr drei Kilometer pro Sekunde. "Man vergleicht das ja immer mit dem Bild, eine Kugel mit einer Kugel abzuschießen", erklärt Physiker Neuneck. Nur das nicht eine, sondern hunderte Kugeln beziehungsweise Raketen im Ernstfall gleichzeitig im Anflug wären. Dazu kämen hunderte Attrappen, die die Abfangraketen vom Kurs abbringen sollen. Ein derartiges Hightech-Gefecht müsste ein im All stationierter Hochleistungs-Computer managen. Physiker haben errechnet, dass dieser Computer 50 Millionen Testrunden durchlaufen müsste.

Unter Reagans Amtsnachfolger George Bush senior wird das Star-Wars-Programm, wie SDI von Kritikern genannt wird, zunächst modifiziert und nach der Auflösung der Sowjetunion heruntergefahren. Als Bill Clinton zum US-Präsidenten gewählt wird, erklärt sein Verteidigungsminister Les Aspen am 13. Mai 1993 auf Anfrage eines Kongressabgeordneten: Die Star-Wars-Ära ist zu Ende. Die geschätzten Kosten von SDI zwischen 1983 und 1993 betragen rund 120 Milliarden US-Dollar.

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14. May 2008, 12:34   #135
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14. Mai 1948: Nationalrat in Tel Aviv ruft jüdischen Staat aus

Am Freitagnachmittag, dem 14. Mai 1948, versammeln sich 37 Mitglieder des jüdischen "vorläufigen Nationalrats" im Museum von Tel Aviv. Den Vorsitz führt David Ben-Gurion, ein polnischer Jude, der 1906 noch mit dem Namen David Grün nach Palästina eingewandert ist. Drei Jahre später erst wird Tel Aviv gegründet. Ben-Gurion steigt in den 20er Jahren zum Chef der jüdischen Arbeiterbewegung auf. Jetzt soll er der erste Ministerpräsident des neuen Staates Israel werden. Punkt 16 Uhr schlägt er mit einem Holzhammer auf den Tisch und beginnt, eine auf Hebräisch verfasste Erklärung zu verlesen, die auch das Radio überträgt: "Aufgrund unseres selbstverständlichen und historischen Rechts und aufgrund des Beschlusses der Vereinten Nationen erklären wir hiermit die Gründung eines jüdischen Staates im Lande Israel, den Staat Israel." Wenige Stunden später rücken irakische, libanesische, syrische, jordanische und ägyptische Truppen in den gerade ausgerufenen Staat ein. Der Unabhängigkeitskrieg beginnt.

Palästina steht zu dieser Zeit unter britischer Verwaltung. Die Briten haben das Gebiet im ersten Weltkrieg vom osmanischen Reich erobert und sind vom Völkerbund seit 1923 zur treuhändlerischen Verwaltung beauftragt. Die englische Politik in Palästina ist so uneindeutig wie die berühmte Erklärung des englischen Außenministers Lord Balfour von 1917, die den Juden eine "Heimstätte in Palästina" verspricht, gleichzeitig aber "die Rechte der nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina" schützen will.

Der Spagat gelingt den Briten immer weniger, seit die Einwanderung von Juden nach Palästina durch die Naziherrschaft in Deutschland rapide ansteigt. Das führt zum bewaffneten Aufstand der Araber, die Anschläge auf Juden und Briten verüben. Bald wenden sich auch jüdische Untergrundorganisationen gegen Araber und Briten. Als nach 1945 das Ausmaß des Holocausts bekannt wird und jüdische Überlebende gegen britischen Widerstand nach Palästina drängen, wird der Konflikt zu einem Problem der jungen Weltorganisation UNO. Die beschließt Ende November 1947 einen Teilungsplan, der ein jüdisches Israel neben einem arabischen Palästina ermöglichen soll. Die Juden stimmen zu, die arabischen Staaten lehnen ab - und die Briten kapitulieren: Sie erklären ihr Mandat mit dem 15. Mai 1948 für beendet. Einen Tag kommt die israelische Unabhängigkeitserklärung dem zuvor. Die Israelis gewinnen den Unabhängigkeitskrieg. Im Februar 1949 wird ein Waffenstillstand geschlossen. Aber auch sechs Jahrzehnte und sieben Nahostkriege später hat Israel keinen Frieden und die palästinensischen Araber keinen souveränen Staat.

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15. May 2008, 12:52   #136
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15. Mai 1913: Heinz Haber wird geboren

Er gilt als der erste deutsche Wissenschaftsjournalist: Heinz Haber. In den 1960er und 1970er Jahren ist der Physikprofessor eines der bekanntesten Fernsehgesichter. Er kann schwierige wissenschaftliche Sachverhalte verständlich und anschaulich präsentieren. Dafür wird er mit der Golden Kamera und zwei Mal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Zu vielen Sendungen erscheinen auch Bücher - insgesamt über 30 Bände. Zu den bekanntesten zählen "Unser blauer Planet" und "Stirbt unser blauer Planet?". Haber gründet die Zeitschrift "Bild der Wissenschaft", schreibt Aufsätze, hält Vorträge und gibt Interviews. Zu den Nachfolgern des Pioniers gehören heute Jean Pütz, Joachim Bublath und Ranga Yogeshwar.

Geboren wird Heinz Haber am 15. Mai 1913 in Mannheim. Sein Vater ist als Geschäftsmann in der süddeutschen Zuckerindustrie tätig. Heinz besucht bis 1932 das Gymnasium und studiert anschließend in Leipzig, Heidelberg und Berlin Physik und Astronomie. Schon während des Studiums wird er Assistent am Berliner Kaiser-Wilhelm Institut (KWI) für Physik. Während des Zweiten Weltkriegs ist er Reserveoffizier bei der Luftwaffe. Nach einer Verwundung kehrt er 1942 an das KWI zurück. Nach Kriegsende geht Haber mit einer Gruppe von Wissenschaftlern - unter ihnen Wernher von Braun - in die USA. Dort begründet er die Weltraummedizin, entwickelt unter anderem den Parabelflug und wird Professor. Nebenbei dreht Haber Filme für Walt Disney. Der Physiker moderiert die Serie "Unser Freund, das Atom". Die Sendung produziert Disney im Auftrag der amerikanischen Regierung. Das Ziel: Das Image der Atomenergie soll verbessert werden. Ende der 50er Jahre kehrt Haber nach Deutschland zurück und beginnt seine Medienkarriere.

Die erste in Deutschland von Haber produzierte Fernsehsendung ist ein Porträt von Otto Hahn: "Fünfundzwanzig Jahre Kernspaltung". Ihr Mann sei oft darauf angesprochen worden, wie die Atomspaltung funktioniert, erinnert sich Irmgard Haber: "Dann kam er auf die Idee, im Studio hundert Mausefallen aufzustellen und die mit Tischtennisbällen auszustatten." Durch den Wurf eines Tischtennisballes auf diese Mausefallen-Ansammlung wird eine Kettenreaktion ausgelöst: "Hunderte Tischtennisbälle sprangen auseinander und haben eben diese Kernspaltung gezeigt", so Irmgard Haber. Gut ist nur, was man sich merkt - heißt Heinz Habers Maxime. Seinen Ansatz nennt er "öffentliche Wissenschaft". Neben Energiefragen widmet sich der Atomkraft-Befürworter auch Themen wie Raumfahrt, Planeten und Bevölkerungswachstum. Haber arbeitet viel, liest schon in den frühen Morgenstunden und braucht nur wenig Schlaf. Manchmal zu ungewöhnlichen Zeitpunkten: Während der Dreharbeiten macht er drei Minuten lang ein Nickerchen, um dann wie verabredet seine Moderation abzuliefern. Heinz Haber erliegt am 13. Februar 1990 im Alter von 76 Jahren in Hamburg einem Nierenversagen.

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16. May 2008, 13:04   #137
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16. Mai 1933: Das Autokino wird patentiert

In Gravenbruch bei Frankfurt ist die letzte Reihe die beliebteste. Im ersten Autokino Deutschlands tummeln sich in den sechziger Jahren die Pärchen möglichst weit ab der 15 Meter hohen und 36 Meter breiten Leinwand. Nachdem der Heizlüfter hereingeholt und neben dem Gaspedal platziert ist, wird der Film auf den billigen Plätzen meist zur Nebensache. "Die Liegesitze waren schon runtergelegt", erinnert sich ein Besucherpaar von damals. "Vor allem links und rechts hat man dann natürlich auch ein bisschen geguckt: Tun die auch was, tun die auch was?"

In den USA gibt es die "Love Lane", in der junge Paare unbeobachtet von ihren Eltern und den anderen Kinobesuchern knutschen können, schon früher - auch wenn es dem Erfinder Richard Milton Hollingshead wohl eher darum ging, möglichst vielen Autofahrern ein kommerzielles Filmvergnügen zu verschaffen. Am 16. Mai 1933 lässt sich Hollingshead sein Open Air Drive In Kino patentieren. Schon einen Monat später eröffnet er mit dem "Camden-Drive" in New Jersey das erste Autokino der Welt: Auf speziellen Rampen werden die Fahrzeuge vorne höher gestellt, damit die Insassen auf den 600 Stellplätzen besser sehen können. In den fünfziger Jahren gibt es in den USA über 4.000 Open-Air-Kinos dieser Art. Erst der Videoboom der achtziger Jahre macht dem Trend ein Ende.

In Deutschland wird Hollingsheads Idee erst rund 30 Jahre später Kult, dann aber richtig. In Gravenbruch etwa zählt der Veranstalter in den ersten fünf Monaten nach der Eröffnung 1960 rund 250.000 Besucher. Mit dem Autokino kommt auch die amerikanische Fastfood -Kultur über den Atlantik. "Der Imbiss war sehr entscheidend", betont Filmvorführer Ernst Schneider aus Gravenbruch. "Wir haben in unserem Autokino Hamburger angeboten, da gab es noch keinen McDonald's oder Burger King. Bei uns kamen die Leute im Prinzip nur wegen der Hamburger."

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17. May 2008, 10:11   #138
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16. Mai 1943: Möhne- und Edertalsperre werden bombardiert

Am Abend des 16. Mai 1943 beginnt die britische Luftwaffe mit der Operation "Chastise" ("Züchtigung"): Nach 21 Uhr starten die ersten von 19 Bombern auf dem englischen Flugplatz Scampton. Ihr Ziel sind mehrere Stauseen im Westen Deutschlands. Die Zerstörung der Talsperren soll die Rüstungsproduktion und die Wasserversorgung lahmlegen. Mehrere Wochen hat das britische Kommando zuvor den Angriff im Tiefflug an schottischen Seen geübt. Der britische Konstrukteur Barnes Wallis hat eine spezielle Bombe entwickelt, die 400 Meter vor dem Damm und rund 20 Meter über dem Wasser abgeworfen werden muss. Die so genannte Rollbombe hat die Form eines Fasses. Vor dem Abwurf soll sie in Drehung versetzt werden und danach über die Schutznetze vor der Mauer hüpfen - wie ein Kieselstein, der nach einem flachen Wurf über die Wasseroberfläche springt.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht erreichen am 17. Mai 1943 die Bomber des Typs Lancaster den Möhnesee im Sauerland. "Dann ließen sie kleine Tonnen fallen aus dem Flugzeug", erinnert sich ein deutscher Augenzeuge. "Diese schlugen auf und rollten über das Wasser und detonierten dann vor der Sperrmauer mit riesigen Fontänen." Schließlich wird der Damm getroffen und bricht auseinander. Während sich eine Flutwelle in die Täler von Möhne und Ruhr ergießt, greifen die Bomber die Edertalsperre im Waldecker Land an. Auch sie wird zerstört. Zwei weitere Angriffe der Briten scheitern: Die Sorpetalsperre bei Arnsberg und die Ennepetalsperre bei Hagen bleiben intakt.

Als Folge der Zerstörung der Möhnetalsperre sterben rund 1.600 Menschen. Viele ertrinken in ihren Kellern, in die sie nach dem Fliegeralarm geflüchtet sind. Noch in Essen überschemmt die Ruhr tiefer liegende Stadtteile. Unter den Toten sind über 1.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Die meisten sterben in einem Lager bei Arnsberg, das innerhalb von Sekunden weggespült wird. Im Edertal werden rund 70 Menschen getötet, die Wasserflut reicht bis in die Innenstadt von Kassel. Am nächsten Morgen herrscht Chaos. Überlebende suchen nach ihren Angehörigen, Seuchen drohen. NSDAP und Behörden schicken unverzüglich Hilfsmannschaften vor Ort - "aus politischen Gründen und auch um die moralischen Folgen aufzufangen", sagt Historiker Ralf Blank. Die überlebenden Zwangsarbeiter werden sofort eingesetzt, um die beschädigten Fabriken in Stand zu setzen und um Leichen zu bergen. Auch die in Großbritannien als "Dam Busters" ("Mauerknacker") gefeierte Bomberbesatzungen haben hohe Verluste zu verzeichnen. 53 Soldaten sterben in ihren abgeschossenen Maschinen, nur elf der 19 Flugzeuge kehren zurück. Bereits vier Monate nach der Bombardierung ist die Mauer der Möhnetalsperre repariert. Auch viele Rüstungsbetriebe produzieren wieder. Dennoch ist der verursachte Schaden nach Einschätzung von Historiker Blank beträchtlich: In dieser entscheidenden Phase des Krieges, drei Monate nach Joseph Goebbels' Aufruf zum "Totalen Krieg" schwächt jeder nicht produzierte Panzer die deutsche Wehrmacht.

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18. May 2008, 12:18   #139
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18. Mai 1848: Nationalversammlung in Frankfurt eröffnet

Wie schon bei der französischen Revolution geht das politische Erdbeben von Paris aus: Im Februar 1848 jagen die Franzosen ihren König Louis Philipp vom Thron und rufen die Republik aus. Insbesondere die jungen Intellektuellen im Deutschen Bund lassen sich von der revolutionären Stimmung anstecken. Sie wollen den Fürsten, die seit dem Sieg über Napoleon wieder den Absolutismus eingeführt haben, mehr Demokratie abtrotzen - und einen geeinten deutschen Staat statt des Flickenteppichs aus feudalen Kleinstaaten. Dafür gehen sie auf die Straße. In Berlin und Wien werden Barrikaden errichtet, es kommt zu Gewalt.

Überraschend schnell lenken die deutschen Fürsten und Könige ein. Sie genehmigen freie Wahlen für ein deutsches Parlament, zu denen allerdings nur Männer zugelassen sind. Am 18. Mai 1848 treffen sich die 831 Abgeordneten der Nationalversammlung erstmals in der Frankfurter Paulskirche. Die Stadt ist mit Blumen geschmückt, alle Glocken läuten, die Menschen stehen Spalier an den Straßen. Der Parlamentspräsident Heinrich von Gagern bringt die Aufgabe für die Versammlung auf den Punkt: "Wir sollen schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich."

Die Nationalversammlung ist ein Parlament des Bürgertums: Rechtsanwälte, Bankiers, Geschäftsleute, Grundbesitzer, Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, Geistliche und allein 49 Professoren diskutieren miteinander. Es sind gerade einmal vier Handwerker und ein Kleinbauer vertreten. Diese Honoratioren suchen nach einem Ausgleich zwischen eher radikal-demokratischen und bürgerlich-liberalen Ansichten, einen echten Systemwechsel versuchen sie erst gar nicht. Der Dichter Georg Herwegh formuliert das Problem sarkastisch: "Sie bürsten und sie bürsten, die Fürsten bleiben Fürsten, die Mohren bleiben Mohren, trotz aller Professoren." Kein Regent im Deutschen Bund wird abgesetzt, der gesamte Apparat von Beamtenschaft und Militär bleibt unangetastet. Man wünscht sich eine Lösung von oben und trägt dem preußischen König die Würde eines deutschen Kaisers an. Das künftige Deutschland soll eine Wahlmonarchie mit bürgerlicher Mitbestimmung werden. Aber Friedrich Wilhelm IV. lehnt brüsk ab: "Einen solchen Reif aus Dreck und Kletten gebacken soll ein legitimer König von Gottes Gnaden und nun sogar König von Preußen sich geben lassen?"

Da kapitulieren die Parlamentarier. Dreizehn Monate nach der feierlichen Eröffnung wird die Nationalversammlung wieder geschlossen. Danach verfolgt der Polizeistaat die Demokraten. Preußen verfolgt das Projekt der deutschen Einheit ab jetzt selbst, ohne Demokratie. 1871 wird der preußische König schließlich doch deutscher Kaiser, ohne Revolution, aber nach einem Sieg über Frankreich.

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19. May 2008, 11:53   #140
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19. Mai 1218: Kaiser Otto IV. stirbt auf der Harzburg

Die Zustände im Heiligen Römischen Reich Anfang des 13. Jahrhunderts schreien zum Himmel. "Verrat lauert im Hinterhalt, Gewalttat zieht auf der Straße, Friede und Recht sind todwund", klagt der Barde Walther von der Vogelweide. Schuld ist die Dauerfehde zwischen zwei Herrscherhäusern: den schwäbischen Staufern und den Welfen aus Braunschweig. Nach dem Tod von Staufer-Kaiser Heinrich VI. buhlen Otto von Braunschweig, Sohn Heinrich des Löwen, und Philipp von Schwaben um die zur Königswahl berechtigten Fürsten. Deren Stimmen müssen teuer bezahlt werden - mit Geld, Grundbesitz, Privilegien und Ämtern. Obwohl die Stauferpartei Philipp im März 1198 als König inthronisiert, gelingt Otto der Gegenschlag: Mit der Unterstützung Englands, des Papstes und mit dem Geld der reichen Kölner Kaufleute kann er sich 1198 in Aachen als Otto IV. zum römisch-deutschen König krönen lassen. Für das Reich eine Katastrophe: Zehn Jahre lang regieren in Deutschland zwei Könige gegeneinander.

Auch mit Hilfe der finanzstarken Kölner kann sich Otto nicht gegen seinen Rivalen durchsetzen, verliert sogar eine entscheidende Schlacht gegen Philipp. Doch dann spielt ihm das Glück die Alleinherrschaft zu. 1208 wird Philipp von Schwaben in einer Privatfehde ohne Zutun Ottos ermordet. Endlich ist der Weg zur Kaiserkrone frei. Um Papst Innozenz III. auf seine Seite zu ziehen, verzichtet Otto im Gegensatz zu den Staufern auf seine Ansprüche auf das Königreich Sizilien und auf die Macht in Unteritalien. Die Taktik geht auf. Am 4. Oktober 1209 krönt der Papst Otto IV. in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Kaum als rechtmäßiger weltlicher Herrscher der Christenheit inthronisiert, macht Otto einen schweren politischen Fehler. Er rüstet ein Heer und zieht nach Süden - auf Sizilien zu. Papst Innozenz reagiert mit seinen schärfsten Waffen. Er stößt den wortbrüchigen Otto aus der Kirche aus, schürt Intrigen unter den aufsässigen deutschen Fürsten und unterstützt schließlich in Allianz mit Frankreich die Wahl eines Gegenkönigs - natürlich eines Staufers.

Es ist Friedrich II., Sohn Kaiser Heinrich VI. und König von Sizilien. Schon seine Zeitgenossen geben ihm den Beinahmen "stupor mundi" - das Erstaunen der Welt. Mit dem Segen des Papstes und dem Geld des französischen Königs zermürbt der junge Friedrich die politischen Machtstrukturen Ottos. Im Juli 1214 kann er den inzwischen an Malaria erkrankten Kaiser in der Schlacht bei Bouvines militärisch entscheidend schwächen. Nach dem Abfall seiner Verbündeten muss sich Otto IV. in die braunschweigischen Erblande zurückziehen. Der letzte Kaiser der Welfen stirbt am 19. Mai 1218 mit 43 Jahren auf der Harzburg. In der Historie hat der Machtkampf zwischen Welfen und Staufern tiefe Spuren hinterlassen. Die fortwährende Praxis der Veräußerung imperialer Rechte und Privilegien beschleunigt den Machtverfall kaiserlicher Zentralgewalt zu Gunsten der Fürsten, der Kirche und der Reichsstädte. Anders als die entstehenden Nationalstaaten England und Frankreich bleibt Deutschland noch 600 Jahre lang ein politischer Flickenteppich.

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20. May 2008, 12:01   #141
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20. Mai 1908: James Stewart wird geboren

George Bailey ist verzweifelt und will sich am Heiligen Abend umbringen. Seine Familie, seine Freunde und die Bürger von Bedford Falls beten für ihn. Bailey hat dafür gesorgt, dass sie alle ein wunderbares Leben führen können. Die Rettung kommt aus dem Himmel: Baileys Schutzengel zeigt ihm, wie seine Heimatstadt aussehen würde, wenn er nicht gelebt hätte. Mit Tränen in den Augen begreift Bailey, wie wichtig er für die Menschen in seiner Heimatstadt ist. Fassungslos vor Glück kehrt er in die Realität zurück. "Ist das Leben nicht schön?" heißt dieser Hollywood-Film von Frank Capra, der 1947 in die amerikanischen Kinos kommt. Verkörpert wird Bailey von Schauspieler James Stewart. Von seinen rund 80 Filmen, die er in seiner 50-jährigen Karriere gedreht hat, hält er "Ist das Leben nicht schön?" für den besten.

Geboren wird James Maitland Stewart am 20. Mai 1908 in der ostamerikanischen Kleinstadt Indiana. Er wächst behütet in einer frommen und musikbegeisterten Familie auf. Während des Architekturstudiums entdeckt James seine Faible für die Schauspielerei. Sein Vater, ein Eisenwarenhändler, glaubt an eine vorübergehende geistige Verwirrung. Doch sein Sohn geht nach New York, um am Broadway Theater zu spielen. Er stolpert von Rolle zu Rolle, doch nach drei Jahren erhält er 1935 von Metro Goldwyn Mayer (MGM) seinen ersten Hollywood-Vertrag. Seine Laufzeit beträgt sieben Jahre, die Anfangsgage 280 Dollar pro Woche. Bis zu acht Filme werden pro Jahr mit ihm gedreht, 1940 gewinnt er für die Komödie "Die Nacht vor der Hochzeit" seinen ersten Oscar. Stewarts Vater ist so stolz, dass er die Trophäe ins Schaufenster seines Geschäfts stellt.

1941 tritt Stewart seinen Militärdienst an. Als Bomberpilot fliegt er rund 20 Einsätze über Nazi-Deutschland. Als hochdekorierter Kriegsheld kehrt er nach Hollywood zurück und wird in den 50er Jahren zum Superstar. Er kann eine Gewinnbeteiligung an seinen Filmen aushandeln. In den Western von Anthony Mann und in Alfred Hitchcocks Meisterwerken wie "Das Fenster zum Hof" und "Vertigo" spielt Stewart psychologisch komplexere Figuren als zu Beginn seiner Karriere. Dennoch bleibt sein klinisch sauberes Image bestehen. Seine Freunde und Schauspielerkollegen Nancy und Ronald Reagan sagen später, dass auf der Leinwand viel vom wirklichen Stewart zu sehen gewesen sei. Von ihm sind keine Skandale bekannt, seine einzige Ehe dauert fast 50 Jahre. Regisseur W. S. Van Dyke hat ihn einmal als "unusually usual" (ungewöhnlich gewöhnlich) bezeichnet. Politisch ist Stewart ein Konservativer, der den Vietnamkrieg moralisch verteidigt, mit Richard Nixon befreundet ist und sich für Ronald Reagan als Wahlkampfhelfer engagiert. Mit 72 Jahren gibt Stewart das Filmen auf, weil er sich keinen Text mehr merken kann. 1985 erhält er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Stewart stirbt am 2. Juli 1997 in Beverly Hills.

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21. May 2008, 10:33   #142
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21. Mai 1388: Gründung der Universität zu Köln

Studieren in Köln ist teuer. Das weiß auch Gerhard Henrici, der im 15. Jahrhundert aus Utrecht in die Domstadt kommt. "Im Jahre 1471 nach Mariae Lichtmeß begann Johannes Haymbosch mit mir zusammen in meinem eigenen Bett zu schlafen, und er behielt das bei bis Freitag vor Pfingsten", beschreibt Henrici seine originelle Art der Studienfinanzierung. "Das macht genau 7 kölnische Weißpfennige minus 2 Möhrchen."

Als Henrici den Kommilitonen Johannes Haymbosch zu seinem Bettgenossen macht, ist die Kölner Universität schon fast hundert Jahre alt. Gegründet wird sie am 21. Mai 1388 auf Weisung Papst Urbans VI., der den Wünschen der Kölner Bürger nach einer Bildungsinstitution "nach sorgfältiger Überlegung zum Nutzen und Vorteil der Stadt" schließlich nachgibt. "Kraft apostolischer Autorität haben wir angeordnet, dass in Köln fortan eine Universität sein soll, nach dem Muster der Universität Paris, und für immer dort bleibe", heißt es in dem päpstlichen Dekret. Anders als an der Sorbonne aber darf hier neben dem kirchlichen auch das weltliche Recht gelehrt werden. Und anders als in Paris haben nicht Geistliche, sondern erstmals Bürger die Gründung erwirkt. Köln besitzt somit die älteste Stadtuniversität Europas.

Bald schon wird Köln eine der größten Universitätsstädte des Mittelalters sein. Erst Ende des 18. Jahrhunderts bekommt sie mit der kurkölnischen Landesuniversität Bonn Konkurrenz vor der eigenen Haustür. Als die Franzosen das Land besetzen, wird die Universität Köln 1798 geschlossen und erst nach dem Ersten Weltkrieg durch Oberbürgermeister Konrad Adenauer neu gegründet. 1929 erfolgt die Grundsteinlegung für den Neubau am Albertus-Magnus-Platz. 1960 geht die Stadtuniversität in die Trägerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über. Heute ist sie mit 40.000 Studenten eine der größten und beliebtesten Hochschulen Deutschlands.

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22. May 2008, 10:54   #143
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22. Mai 2003: Die erste "Zwiebelfisch"-Kolumne erscheint

"Ich finde, so was geht einfach nicht", schreibt Claudius Seidl, Feuilleton-Chef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) im April 2008. "So eine Sprachkritik ist bescheuert, kleinkariert, unangenehm." Derart in Rage bringt ihn ein Kollege: Bastian Sick. Angefangen hat es mit ironischen Rundmails, die Sick als Schlussredakteur von Spiegel Online seinen Kollegen zum Wochenende schreibt. Darin teilt er ihnen seine Beobachtungen beim Korrekturlesen ihrer Texte mit. Daraus entsteht die Kolumne "Zwiebelfisch", die am 22. Mai 2003 zum ersten Mal ins Netz geht. "Zwiebelfisch ist ein Ausdruck aus der Setzersprache und bezeichnet einen Buchstaben, der fälschlicherweise in einer anderen Typographie gesetzt worden ist", erklärt Sick. Seither wissen seine Leser Bescheid: Die Bewohner der Elfenbeinküste heißen Ivorer. Der Konjunktiv von heben lautet hübe, aber man darf auch höbe sagen. Und die Mehrzahl von Wischmopp lautet Wischmopps.

Der am 17. Juli 1965 in Lübeck geborene Sick hat mit seiner Sprachpflege Erfolg: Rund 3,6 Millionen Exemplare werden von seinem Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" und den beiden Nachfolgebänden verkauft. Seine "Größte Deutschstunde der Welt" im März 2006 mit 15.000 Zuschauern in der Kölnarena wird vom Guinness-World-Records-Team als Weltrekord anerkannt. Doch nicht alle teilen diese Begeisterung: Die Sprache von Mächtigen, die Dinge verschleiern, bleibt ungeschoren, kritisiert FAS-Redakteur Seidl. "Stattdessen macht er sich über arme Dönerbudenbesitzer, die Apostrophe falsch setzen, lustig, und sein gutbürgerliches Publikum lacht sich dabei kaputt." Sick sieht das anders: Er verteidige die Sprache "gegen jene, die der Sprache heute keinen Wert mehr beimessen" - wie es etwa in der Werbung geschehe. Seine Art mit Sprache umzugehen sei eine lustvolle. "Das ist, glaube ich auch, die richtige Art und Weise." Deshalb versuche er, "nicht allzu oberlehrerhaft rüberzukommen".

Ob Sick nun der Hausmeister ist, der den Sprachmüll wegräumt, wie es in der FAS zu lesen ist, oder ob er als Deutschlehrer der Nation gelten kann, wie es die "Welt" formuliert - er bringt Bewegung in die Sprachdebatte: Das Saarland erklärt seine Bücher zur Schullektüre, die Deutsche Bahn korrigiert ihre Ansagen. So heißt es bei Bahnverspätungen statt "Wir bitten um Verständnis" mittlerweile "Wir bitten um Entschuldigung". Sick hatte in seiner Kolumne dargelegt, dass Verständnis nur möglich ist, wenn man weiß wofür. Ohne Gründe fehle dagegen eine Verständnis schaffende Erklärung. Auf eine Frage weiß Sick allerdings keine Antwort: Warum sich die Finnen aus dem Deutschen das Wort "Besserwisser" ausgeliehen haben, die Schweden den "Streber" und die Kanadier den "Klugscheißer".

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23. May 2008, 06:14   #144
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23. Mai 1868: Geburtstag des Schneiders Johann Klepper

An einem schönen Maitag des Jahres 1905 schreibt ein Architekturstudent in Bayern mit einer Bootsfahrt Sportgeschichte. In einem nach Eskimo-Art selbst konstruierten Faltkajak fährt Alfred Heurich bei Hochwasser auf dem Inn von Bad Tölz nach München. Der tollkühne Wildwasser-Ritt mit dem als "Hadernkahn" (Lumpenkahn) geschmähten Gefährt macht Furore und begründet einen neuen Freizeitsport: das Paddeln. Reich und berühmt wird aber nicht der erfinderische Student, sondern der Mann, dem Heurich zwei Jahre später das Patent für sein Faltboot verkauft. Es ist Johann Klepper, daheim bekannt als "der verrückte Schneidermeister aus Rosenheim".

Mit 21 Jahren hat Johann Klepper, am 23. Mai 1868 in Rosenheim geboren, die väterliche Schneiderei übernommen. Der begeisterte Bergsteiger und Wassersportler ist ein findiger Kopf, der auf seinen Touren immer wieder Anregungen für neuartige Sportausrüstungen erhält. Mit selbst gefertigten Kreationen wie der reißfesten Bergsteigerhose "Eisenfest" oder einem klappbaren Rodelschlitten baut Klepper das ererbte Schneidergeschäft zu einem florierenden Handelsunternehmen aus. Schon kurz nach dem Erwerb des Faltboot-Patents von Heurich beginnt der Jungunternehmer mit der Serienproduktion und gründet 1919 die Klepper-Werke GmbH in Rosenheim. Auf der Bugwelle der neuen Wandervogelbewegung wächst die Firma innerhalb weniger Jahre zur größten Faltboot-Werft der Welt. 1926 entwickelt Klepper ein beidseitig gummiertes Nesselgewebe, das sich hervorragend für Zelte und wasserdichte Kleidung eignet. Es ist der Stoff, aus dem der berühmte "Kleppermantel" entsteht und der schließlich rund 1.500 Menschen in der bayerischen Provinz Arbeit verschafft.

Klepper-Boote tragen den Namen ihres Erbauers rund um die Erde. "Fahre fröhlich in die Welt - in Kleppermantel, -Boot und -Zelt", lautet das Werbemotto. 1928 gelingt in einem Faltboot aus Rosenheim die erste Atlantik-Überquerung. Bei den Olympischen Spielen 1936 werden erstmals Kajak-Wettfahrten ausgetragen - und die meisten Medaillen in Klepper-Booten eingefahren. In den Jahren der Nazi-Herrschaft rüsten die Klepper-Werke immer weniger Sportler, dafür aber umso mehr Wehrmachtssoldaten und Reichsbahner aus. Das Rosenheimer Unternehmen boomt, bis es von alliierten Bombern zerstört wird. Mitte der 50er Jahre, als immer mehr Menschen preiswert Urlaub machen wollen, kann Klepper wieder den Belegschaftsstand der Vorkriegszeit erreichen. In den 70ern dann geraten Faltboote und bodenlange Gummimäntel aus der Mode und die Klepper-Werke müssen schließen. Aber nur kurz: Dank der aufkommenden Fitness- und Outdoor-Welle erlebt das Faltboot eine Renaissance und wird heute wieder unter dem Namen Klepper in Rosenheim hergestellt.

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24. May 2008, 07:51   #145
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24. Mai 1883: Eröffnung der Brooklyn Bridge in New York

Im eiskalten Winter 1852 bleibt John August Roebling mit einer New Yorker Fähre mitten auf dem East River im Packeis stecken. Für den Ingenieur, der vor 20 Jahren aus Deutschland in die USA eingewandert ist, ist dies ein Ärgernis. Schließlich bedeutet jeder Stau im Verkehrsfluss der Stadt den Verlust von Geld und Arbeitskraft. So plant Roebling, dessen kühne Brückenkonstruktionen immer wieder die Titelseiten der Zeitungen zieren, das Unmögliche, sein eigentliches Meisterstück: eine Brücke über den East River, die Brooklyn mit Manhattan verbindet.

Roebling entwirft zwei majestätische Steinpfeiler, die höher als alle New Yorker Gebäude sind, und an deren armdicken Drahtseilen eine 1.834 Meter lange Straße hängt, die breiter als der Broadway ist. 1870 ist Baubeginn. Roebling selbst ist da schon tot, gestorben an Wundstarrkrampf, nachdem ihm ausgerechnet eine Fähre den Fuß zerquetscht hat. Sein Sohn Washington führt das Bauvorhaben weiter. 13 Jahre lang können die New Yorker bestaunen, wie die Brücke Meter um Meter weiter wächst. Washington Roebling selbst wird bei einem Arbeitsunfall gelähmt. Von seinem Haus aus überwacht er mit dem Fernglas, wie seine Brücke wächst. Seine Frau Emily geht jeden Tag zur Baustelle und überbringt den Arbeitern seine Instruktionen.

Am 24. Mai 1883 wird die Brooklyn Bridge vom New Yorker Bürgermeister als "Triumph für unsere Nation" feierlich eröffnet. 30 bis 40 Bauarbeiter sind für ihre Vollendung gestorben - die meisten an der Taucherkrankheit, weil sie die Brückenpfeiler bei hohem Druck teils unter Wasser nach oben ziehen. Von den Überlebenden wird keiner zur Eröffnungsfeier eingeladen. Washington Roebling, der krank im Bett liegt, wird den Bau später den größten Fluch seines Lebens nennen. Seine Zeitgenossen aber bewundern ihn als "achtes Weltwunder". Heute ist die Brooklyn Bridge mit ihren beiden neugotischen Spitzbögen das meistfotografierte Wahrzeichen Amerikas.

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25. May 2008, 21:07   #146
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25. Mai 1933: "Volksempfänger" in Auftrag gegeben

"Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt", erklärt Joseph Goebbels am 25. März 1933. Kurz zuvor ist seinem neu gegründeten "Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung" die Kontrolle über den Rundfunk übertragen worden. Ein kleines, preiswertes Radio soll Goebbels' Weltsicht in jedes deutsche Haus tragen. Er zwingt 28 deutsche Hersteller, den gleichen Radioapparat zu bauen - den "VE 301 W": VE steht für "Volksempfänger", W für Wechselstrom, 301 erinnert an den 30. Januar 1933, den Tag der Machtübertragung an Adolf Hitler. Am 25. Mai 1933 wird die erste Serie des "Volksempfängers" in Auftrag gegeben. Er kostet in der Grundausstattung 76 Reichsmark, Großgeräte sind kaum unter 300 Reichsmark zu bekommen. Nur 35 Reichsmark kostet der "Deutsche Kleinempfänger", der ab 1938 gebaut wird. Er ist noch kleiner als der "Volksempfänger" und wird von der Bevölkerung "Goebbels-Schnauze" genannt.

Der "Volksempfänger" gehört zu den so genannten Volksprodukten. Diese sind schon in der Weimarer Republik populär, die Nazis planen eine ganze Palette davon: "Volkswagen", "Volksklaviere" und "Volkskühlschränke" sollen die pseudosozialistische Seite des Nationalsozialismus bedienen und suggerieren, dass sich nun mehr Leute mehr leisten können. Eine Illusion: "Im internationalen Vergleich war die Kaufkraft in Deutschland relativ gering", sagt Wolfgang König, Historiker an der Technischen Universität Berlin. Nur der "Volksempfänger" ist ein Erfolg: Dank massiver Werbung werden allein bis Ende 1933 rund 680.000 Stück verkauft - zumal Ratenzahlung möglich ist.

Allerdings sind lediglich 40 Prozent der Neugeräte "Volksempfänger". Alle anderen Käufer bevorzugen ein teures Großgerät von Firmen wie Siemens oder Blaupunkt. Denn mit diesen kann man besser Auslandssender hören. Ein "Volksempfänger" ist lediglich für den Deutschlandsender und einen Bezirkssender empfangsbereit. Den Unterschied zwischen den Geräten macht damals ein Flüsterwitz deutlich: "Beim Volksempfänger hört man Deutschland über alles, beim Großempfänger hört man alles über Deutschland!" Im Zweiten Weltkrieg wird das Hören von Auslandssendern verboten. Wer bei diesem so genannten Rundfunkverbrechen erwischt wird, kann mit dem Tod bestraft werden. Nach der Niederlage von Stalingrad 1943 motiviert Goebbels weiterhin die Deutschen am "Volksempfänger" mit Unterhaltung und Durchhalteparolen zum "Totalen Krieg". Auch in den letzten Kriegstagen soll der Rundfunk noch die Wende bringen: "Werwolf"-Sender fordern die Deutschen auf, in den von den Alliierten besetzten Gebieten in Guerilla-Manier Widerstand zu leisten.

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26. May 2008, 11:56   #147
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26. Mai 1993: Bundestag ändert Asylrecht

Im Bonner Regierungsviertel herrscht am 26. Mai 1993 Ausnahmezustand. Rund um die Bannmeile blockieren etwa 10.000 Demonstranten die Zugänge zum Bundestag und legen den Verkehr lahm. Sie protestieren gegen die geplante Abstimmung über das Asylrecht. Das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik soll ein Grundrecht geändert werden. Die Abgeordneten gelangen trotzdem ins Plenum. Allerdings erreichen nur gut 250 Abgeordnete ihr Ziel auf dem Landweg. 260 Parlamentarier werden per Schiff über den Rhein gebracht, 130 mit Hubschraubern eingeflogen. Die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit ist schon zu Beginn der Debatte gesichert: Die SPD hat sich schon zuvor mit der schwarz-gelben Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) auf den so genannten Asylkompromiss geeinigt. Die Vorlage wird denn auch mit 521 zu 132 Stimmen angenommen.

In der Neufassung des Grundgesetzartikels 16 bleibt das Asylrecht für politisch Verfolgte zwar erhalten. Asyl erhält jedoch nicht, wer aus einem als verfolgungsfrei eingestuften Herkunftsland stammt oder über einen so genannten sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik einreist. Als "sichere Drittstaaten" gelten alle Nachbarländer Deutschlands. Ein Asylbewerber, der aus diesen Staaten einreist, kann nach einem verkürzten Verfahren abgeschoben werden. Zu den Neuerungen gehört auch die "Flughafenregelung": Der Transitbereich eines Flughafens gilt als exterritoriales Gebiet. Hier kann das Asylverfahren schon vor der Einreise durchgeführt werden.

Hintergrund der Gesetzesänderung ist die in den letzten Jahren gestiegene Zahl der Asylbewerber: 1992 sind mit rund 438.000 Personen fast doppelt so viele Menschen nach Deutschland gekommen wie im Jahr zuvor. Mit Schlagworten wie "Wirtschaftsasylant", "Scheinasylant" und "Asylmissbrauch" machen konservative bis rechtsextreme Kreise Stimmung. Im September 1991 kommt es in Hoyerswerda und im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen zu Ausschreitungen gegen Flüchtlinge. Nach den Ereignissen von Lichtenhagen spricht sich die SPD erstmals für die Begrenzung des Asylrechts aus. Im Oktober 1992 bringt Kanzler Kohl auf einem CDU-Sonderparteitag in Düsseldorf den Begriff "Staatsnotstand" in die Debatte ein. Im Monat darauf werden in Mölln bei einem Brandanschlag drei Türken getötet. Im Dezember 1992 einigen sich Union und SPD auf den "Asylkompromiss".

"Die Bundesregierung hat damals die Änderung des Asylrechts selbst betrieben", sagt Politikprofessor Christoph Butterwegge rückblickend. Da sei es nützlich gewesen, dass Teile der Bevölkerung keine Asylbewerber aufnehmen wollten. "Man hatte aber auch den Eindruck, dass die Politik bewusst diese Stimmung schürte", so Butterwegge. Drei Tage nach der Änderung des Asylrechts sterben am 29. Mai 1993 fünf Menschen türkischer Abstammung bei einem Brandanschlag in Solingen.

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27. May 2008, 07:46   #148
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27. Mai 1878: Ausdruckstänzerin Isadora Duncan geboren

Die amerikanische Tänzerin Isadora Duncan ist entsetzt. Nach ihrem Besuch der kaiserlichen Ballettschule in Sankt Petersburg schreibt sie: "Ich sah dort die kleinen Schülerinnen in Reihen aufgestellt, wie sie ihre martervollen Übungen ausführten. Stundenlang standen sie auf den Fußspitzen, wie die Opfer eines grausamen Inquisitionsgerichts. Die großen kahlen Räume machten den Eindruck einer Folterkammer." Sie selbst wird in Sankt Petersburg ohne wehendes Röckchen und Spitzenschuhe auf die Bühne treten, nur mit einer griechischen Tunika bekleidet und mit nackten Beinen. In der Hochburg des klassischen Tanzes ist das 1904 noch ein Skandal.

Duncan wird vermutlich am 27. Mai 1878 in San Francisco geboren. Vielleicht kommt sie aber auch einen Tag oder gar ein Jahr früher auf die Welt - eigentlich weiß niemand das genau. Mit sechs Jahren schickt sie ihre Mutter in bester Absicht zu einem berühmten Ballettmeister. Die Tortur des Spitzentanzes treibt sie schon in der dritten Stunde aus dem Unterricht. Doch sie tanzt weiter und gibt schon mit zehn Jahren Tanzunterricht - und verdient damit ihr erstes Geld. Im Laufe der Jahre perfektioniert sie ihren freien, nur an "Form, Linie und Rhythmus" orientierten Tanzstil, dessen Bewegungen von den Abbildungen griechischer Vasen und Reliefs beeinflusst sind, und wird so zur Begründerin des Ausdruckstanzes. 1899 geht Duncan nach London und wird berühmt. In Paris folgen 15.000 Zuschauer gebannt jeder noch so kleinen Bewegung ihrer Hand.

Privat hat "die göttliche Duncan" jedoch wenig Glück. Affären wie die mit dem russischen Dichter Sergej Jessenin dauern zumeist nicht lange, bei einem Autounfall sterben ihre beiden Kinder. Auch ihr selbst wird eine Autofahrt zum Verhängnis. Bei einem Ausflug in einem Bugatti verfängt sich ihr wehender Schal 1927 in den Speichen eines Hinterrades. Isadora Duncan stirbt 50-jährig in Nizza.

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28. May 2008, 14:31   #149
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28. Mai 1908: Schriftsteller Ian Fleming geboren

Im zweiten Weltkrieg ist Ian Fleming für den Marinegeheimdienst ihrer Majestät auf dem Weg nach Washington. Bei einem Zwischenstopp in Lissabon hat er eine famose Idee: "Wenn ich die deutschen Soldaten im Casino blank spiele, werden sie uns ihre geheimen Abwehrstrategien verraten." Fleming überzeugt seinen Vorgesetzten, zieht mit viel Geld ins Casino und verspielt alles. In seinem ersten Roman "Casino Royal" lässt er seinen Geheimagenten James Bond 1953 diese Scharte auswetzen: 007 besiegt den russischen Agenten Le Chiffre beim Baccara.

Ian Fleming wird am 28. Mai 1908 als Nachfahr des englischen Hofadels in London geboren. Sein Bruder Peter wird ein berühmter Reiseschriftsteller, für seinen Vater Valentin schreibt Winston Churchill in der "Times" den Nachruf. Ian besucht die Elite-Schule Eton und später die Königliche Militärakademie in Sandhurst; dank seiner Beziehungen kann er aber auch ohne Abitur in Genf und München studieren. Mit 23 Jahren wird er Journalist der Nachrichtenagentur Reuters in London, Berlin und Moskau, später baut er für einen Zeitungskonzern ein weltweites Netz von Korrespondenten auf. Im zweiten Weltkrieg wird Fleming einflussreicher Commander des britischen Geheimdienstes - auch wenn seine Behauptung, er habe in seinem Haus "Goldeneye" im Alleingang die Entführung von Hitlers Sekretär Martin Bormann aus Berlin vorbereitet, wohl eher dem Wunsch nach Legendenbildung entspringt. Um sich "von den Qualen abzulenken", die den notorischen Frauenhelden beim Gedanken an seine bevorstehende Hochzeit überfallen, setzt Fleming sich in den fünfziger Jahren in einen abgedunkelten Raum und schreibt "Casino Royal", in nur zwei Monaten, bei mindestens einer Flasche Gin und bis zu 70 Morlands-Zigaretten am Tag - eine Marke, die auch sein Alter Ego James Bond bevorzugt. Die Erstauflage des Buchs hat weniger als 5.000 Exemplare.

Berühmt werden Flemings Romane rund um den britischen Geheimagenten, der seinen Namen einem Vogelkundler und sein Attribut "007" dem Schlusscode für chiffrierte Botschaften verdankt, als US-Präsident John F. Kennedy "Liebesgrüße aus Moskau" zu einem seiner zehn Lieblingsbücher erklärt. 1963 kommt die Verfilmung in die Kinos - wobei sich die Macher bei der Ausstattung Sean Connerys mit maßgeschneidertem Anzug, Krawattennadel, teurer Uhr und Benzinfeuerzeug am Outfit Flemings orientieren. Von den zahlreichen Verfilmungen bekommt Fleming nur mehr die dritte, "Goldfinger" mit Gerd Fröbe als fiesem Schurken, mit. Er stirbt 1964 in Canterbury mit 56 Jahren an seinem zweiten Schlaganfall.

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29. May 2008, 12:14   #150
Jules
 
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29. Mai 1453: Mehmet II. erobert Konstantinopel

Zwei Monate dauert die Belagerung. Denn obwohl die Stadt auf sich gestellt ist - nur ein kleines Heer aus Genua ist zur Hilfe gekommen - kann sich Konstantinopel dank seiner riesigen Befestigungsanlagen lange verteidigen. Der Angreifer, Sultan Mehmet II., lässt sogar Schiffe über Land in das Goldene Horn schleppen, um die Schiffsblockade der Verteidiger auf dem Bosporus zu brechen. Schließlich entscheidet moderne Waffentechnik: Riesige Kanonen schießen die Mauer sturmreif. Am 29. Mai 1453 stürmen die türkischen Truppen in die Hauptstadt des byzantinischen Reiches. Dessen letzter Kaiser, Konstantin XI., stirbt bei den erbitterten Straßenkämpfen. Drei Tage lang gibt Mehmet die Stadt zur Plünderung frei. Dann lässt er ihre größte Kirche, die Hagia Sophia, als Moschee für das Freitagsgebet herrichten. Die Umgestaltung Konstantinopels zu Istanbul beginnt.

Als der letzte Teil des antiken römischen Reiches zusammenbricht, ist Byzanz längst zu einem Kleinstaat geschrumpft. 1204 hatten die Kreuzritter Konstantinopel erobert und geplündert und das Reich kurzzeitig unter sich aufgeteilt. Danach herrschen die letzten byzantinischen Kaiser nur noch über eine Art Fürstentum, während die türkische Dynastie der Osmanen ihr Reich seit 1300 über Kleinasien und den Balkan ausdehnt. In Konstantinopel, einst eine halbe Millionenstadt, leben am Ende noch 40.000 Menschen. Jetzt strömen muslimische Landbewohner in die Stadt. Die Osmanen wandeln Kirchen in Moscheen um, reißen die Kaiserresidenz nieder und erbauen dort den Topkapi-Palast. Der Patriarch, Ehren-Oberhaupt der orthodoxen Christenheit, behält jedoch seinen Sitz in der Stadt. Die Christen werden zur Minderheit mit beschränkter Religionsfreiheit - und sind es bis heute.

Die europäischen Staaten, die dem Untergang Ostroms weitgehend tatenlos zusahen, arrangieren sich bald mit den neuen Herrschern. Insbesondere die italienischen Stadtstaaten und auch der Papst unterhalten rege Beziehungen zu den Osmanen. Die neue Metropole der islamischen Welt zieht auch zahlreiche westliche Künstler an. Die Expansion des osmanischen Reiches endet nicht in Konstantinopel, sondern erst 1683 vor Wien.

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