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29. May 2002, 23:36   #1
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Streit zwischen der FDP und dem Zentralrat

Moin,
Streit zwischen der FDP und dem Zentralrat
Briefe gehen hin und her - ohne Ergebnis

Im Zentralrat der Juden wird das Abrücken des
stellvertretenden FDP-Chefs Jürgen Möllemann von seiner
Kritik an Zentralrats-Mitglied Michel Friedman als nicht
ausreichend beurteilt. Der Vorsitzende des Zentralrates der
Juden in Deutschland, Paul Spiegel, schrieb nach einem
Vorab-Bericht der Zeitung "Die Welt" an Möllemann:
"Trennen Sie sich von Herrn Karsli und erklären Sie
bedingungslos und ohne wiederum auf Herrn Dr. Friedman zu
verweisen, Ihre Distanzierung von antisemitischen
Äußerungen und ich bin sicher, dass es zu einem offenen und respektvollen
Dialog kommen wird."
_________________________
man sollte sich langsam fragen, wieviel Macht diese Religionsgemeinschaft in Deutschland hat.

Der Kanzler ( egal welcher Farbe ) darf von Möllemann ungestraft als Knilch bezeichnet werden, Herr Friedman tobt durch Deutschland, als wären wir Palästina und demnach okkupiert.
Ich halte dies für einen Pyrrhussieg.

mfg
 
30. May 2002, 06:41   #2
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
jo, sehe ich auch so...

Ich hätte hier meine Antwort auf den Walserthread genausogut posten können.
 
30. May 2002, 11:55   #3
Payne Hamiller
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: August 2001
Beiträge: 51
wir leben in einer Demokratie, also muß es möglich sein auch an der Regierung Sharon Kritik zu üben, ohne gleich als Nazi verschrieen zu werden. Ich bin zwar kein FDP-Wähler, aber ganz unrecht hat Mölleman nicht. Sharon trägt ein gutes Stück Mitschuld an der jetzigen Sitiuation.

cu Payne
 
30. May 2002, 16:17   #4
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von quentin
Herr Friedman tobt durch Deutschland, als wären wir Palästina und demnach okkupiert.
Schöne Formulierung ;-). Ich versuche, mir das gerade bildlich vorzustellen ... Aber wer sind die steinewerfenden Palästinenser?

Zitat:
Zitat von quentin
man sollte sich langsam fragen, wieviel Macht diese Religionsgemeinschaft in Deutschland hat.
Zitat:
Zitat von Payne Hamiller
Ich bin zwar kein FDP-Wähler, aber ganz unrecht hat Mölleman nicht. Sharon trägt ein gutes Stück Mitschuld an der jetzigen Sitiuation.
Henryk M. Broder, Jude, Ex-Linker Kriegsfreund und deshalb nun ein Lieblingsfeindbild von Wiglaf Droste, hat sich im Spiegel zur Sache geäußert. Wenn ich Broder auch sonst nicht unbedingt empfehlen würde, dieser Diskussionsbeitrag ist gut:

Zitat:
Zitat von Henryk M. Broder
Ein moderner Antisemit
Von Henryk M. Broder

Es kann sein, dass Möllemann ein taktischer Antisemit ist. Oder ein emotionaler. Einer, der mit dem Bauch denkt und mit dem Kopf fühlt. Oder nur ein Opportunist. Ein Antisemit ist er auf jeden Fall.

Ein Antisemit hat nichts gegen die Juden, sie haben etwas gegen ihn, und deswegen muss er sich gegen sie zur Wehr setzen. Er ist das Opfer, der Jude ist der Täter. Der Antisemitismus war, von seinem Selbstverständnis her, immer eine Notwehrbewegung gegen die Anmaßung und die Herrschaftsgelüste der Juden. Hätten sich die Juden nicht vorgenommen, die Welt zu erobern, hätten die Nazis den Kampf gegen sie nicht aufnehmen müssen, zum Wohle der ganzen Welt, wenn auch vergeblich. Deswegen hat der Antisemit auch immer ein gutes Gewissen. Mit den Folgen seiner Untaten konfrontiert, schämt er sich nicht, er fühlt sich durch das Ergebnis nachträglich bestätigt, denn die Juden, wie minderwertig sie sein mögen, haben sich mal wieder als unbesiegbar erwiesen.

Die Juden ihrerseits, die nicht so klug sind, wie ihnen immer nachgesagt wird, verstehen den Antisemitismus nicht. Sie glauben, nach Auschwitz hätte dem Hass die Luft ausgehen müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Ein idealistisches Verbrechen, das nicht zu Ende gebracht wurde, schreit nach Fortsetzung, denn jeder Überlebende erinnert die Täter daran, dass sie nicht nur Verbrecher, sondern auch Versager sind.

Wie jede Mode, jede private und öffentliche Regung der Moral, jedes Ressentiment geht auch der Antisemitismus mit der Zeit. Es gibt reaktionäre Antisemiten ("Den Holocaust hat es nicht gegeben!") und moderne Antisemiten ("Die Juden ziehen aus dem Holocaust ihren Nutzen!"), und wer ganz cool und up to date sein möchte, der verurteilt zuerst "die Verbrechen der Nazis", distanziert sich vom "Rassismus jeder Art", um anschließend zu fragen, warum denn die Juden beziehungsweise die Israelis aus der Geschichte nichts gelernt hätten. Der aufgeklärte Antisemit hat ein großes Anliegen an die Juden: dass sie endlich aufhören, sich danebenzubenehmen. Sonst muss er nämlich böse werden.

Möllemann ist der Prototyp des modernen Antisemiten. Man muss ihn nur beim eigenen Wort nehmen. In einem Interview mit der "taz" sagte er unter anderem: "Was würde man denn selbst tun, wenn Deutschland besetzt würde? Ich würde mich auch wehren, und zwar mit Gewalt. Ich bin Fallschirmjägeroffizier der Reserve. Es wäre dann meine Aufgabe, mich zu wehren. Und ich würde das nicht nur im eigenen Land tun, sondern auch im Land des Aggressors."

Möllemanns Selbstverteidigungsphantasien hatten nichts mit einer Besetzung Deutschlands zu tun, nicht einmal mit einer Reserveübung der Bundeswehr im südlichen Westfalen. Auf eine für ihn charakteristische, agile bis debile Weise, drückte er sein Verständnis für die Aktionen palästinensischer Selbstmordattentäter in Israel aus. Denn ebenso wie deutsche Antisemiten handeln auch palästinensische Terroristen immer in Notwehr, egal wie viele Unbeteiligte sie in den Tod mitnehmen. Es trifft keine Unschuldigen, denn unschuldige Juden beziehungsweise Israelis kann es nicht geben.

In einem Interview mit dem ZDF sagte Möllemann bald darauf: "Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art." Das klassische Klischee: der Jude als Verursacher des Antisemitismus. Nehmen wir an, Möllemann hätte Recht und Friedman wäre intolerant und gehässig und noch einiges dazu. Und? Reicht das, um die Wahnidee des Antisemitismus faktisch abzusichern? Darf ein Jude nicht intolerant und gehässig sein, ohne dass alle Übrigen dafür abgemahnt werden? Die Haltung hat Tradition. Wo immer zu Ostern ein Ritualmord nicht begangen wurde, mussten alle Juden dafür büßen.

Würde umgekehrt Möllemanns aufgeblähtes, dumpfes, schmierantenhaftes Auftreten als Begründung für aufkommenden Antigermanismus reichen? Nicht einmal ansatzweise. Aber wenn es um Juden geht, bestehen die Antisemiten auf einer Kollektivhaftung.

Möllemanns schönster Satz freilich, mit dem er sich einen ewigen Platz in der Hall of Fame des Antisemitismus gesichert hat, ist kaum bemerkt worden. In einem Interview mit Ulrich Wickert in den "Tagesthemen" sagte er, der Ex-Grünen-Politiker Jamal Karsli könne kein Antisemit sein, er sei doch "selbst ein Semit". Dabei machte Möllemann ein Gesicht, als wären die Nürnberger Gesetze in seinem Wahlkreis noch immer nicht aufgehoben worden.

Abgesehen davon, dass Möllemann unbelesen und ungebildet ist und sowohl vom "jüdischen Selbsthass" (Theodor Lessing) wie vom Judenhass mancher Araber (Osama Bin Laden) keine Ahnung hat, es ist schon lange nicht mehr der Begriff des "Semiten" in die politische Debatte eingeführt worden. Wer so viel rassistische Unbefangenheit an den Tag legt, der schleppt ein Problem mit sich herum: seine eigene ungelöste Arier-Frage.

Die Juden, die mal wieder nicht verstehen, wie ihnen geschieht und wieso ein jüdischer Dandy, dem man allenfalls seinen Friseur und seinen Maßschneider vorwerfen könnte, zum antisemitischen Fixpunkt eines Großmauls aus der rheinisch-westfälischen Etappe werden konnte, werden sich den Namen Möllemann eine Weile merken. Dann werden sie wieder zur Tagesordnung übergehen, die bewaffneten Posten vor den jüdischen Schulen und Gemeindezentren für etwas Selbstverständliches halten und sich mit einem alten Witz trösten, dessen Aktualität wieder einmal bewiesen wurde: "Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich natürlich ist."

Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,197832,00.html
MfG
tw_24
 
30. May 2002, 17:26   #5
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Moin,
so, wie es gerade gefällt. Von Henryk M. Broder, ein vom Größenwahn getriebener, ein äußerst dummer, nichts sagender Literat, ein erstklassiger Polemiker, rhetorisch geschult wie Friedman, gleiche Kaderschmiede, gleicher Größenwahn.
Wer zum Antisemiten werden will? Diese Webside erfüllt den Wunsch
http://www.henryk-broder.de/
Dumm ist, Broder zu zitieren aber den Spiegel nicht 42 Jahre gelesen zu haben, dessen Mitarbeiter er ist:
Ein Satz von Broder gefällig?
__________________________________
Die Auslese von Ungenießbarem

Deutschland und der Terror - das waren für Henryk M. Broder vor allem "Passionsspiele der kommentierenden Klasse". In seinem neuen Buch "Kein
Krieg, nirgends: Die Deutschen und der Terror" seziert der Autor und SPIEGEL-Reporter sowohl den plumpen Anti-Amerikanismus als auch die naive
Friedensbewegtheit auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne.

Eigentlich könnte er sich doch freuen. Denn: "Jetzt schweigen sie wieder. Die Friedensfreunde haben ihre Transparente weggepackt, die 'taz' ihr
Kriegstagebuch eingestellt, und die klügsten Köpfe der Nation halten ihre Lippen fest verschlossen, nachdem sie den Mund eben noch übervoll
genommen haben." Wenn man das Gerede sowieso nicht mehr hören...
____________________________________
Mitherausgeber der Jüdischen Tagebücher, Bemerkung gefällig
____________________________________
Jüdischer Kalender 2001-2002

Ein Klassiker unter den Buchkalendern Aktuell, informativ, subjektiv - ganz nach dem Motto von Anton Kuh "Warum denn sachlich, wenn es
auch persönlich geht?" Mit über 300 Zitaten, Daten, Fakten und Geschichten. Ein wichtiger Almanach aus deutsch-jüdischer Kultur und Geschichte.
______________________________________
Es gibt in Deutschland wohl keinen, außer Friedman, der so selbstverliebt den grotesken jüdischen Größenwahn in Deutschland so darstellt.
Jüdischen Witz gefällig, bei einer nur von Biolek stellbaren Frage an junge Juden in Deutschland, ' Juden gelten in der Welt als besonders intelligent'
______________________________________

"wird ein dummer Jude geboren, lassen wir ihn sofort taufen "
_____________________________________
hab ich auf Band, immer wenn ich mich bestätigen will, hole ich es raus.



Kleine Leseprobe des polemischen Demagogen gefällig, nichts für Ungebildete
_______________________________________
Sibylle Tönnies, Professorin in Bremen, hat ein Herz für
die Rechtsradikalen, die sich in Berlin nicht frei entfalten
konnten.

Ein Mann muss nicht immer schön sein und eine Frau nicht unbedingt klug, wenn
sie es zu was bringen wollen. Horst Mahler, früher RAF-Anwalt, heute
NPD-Vordenker, hat sich aus eigener Kraft resozialisiert und auch Sibylle Tönnies,
die an der Uni Bremen Sozialwesen unterrichtet und in der Lüneburger Heide lebt,
wird langsam erwachsen. Beide verkörpern jene besondere Spezies des furor
teutonicus, von deren Angehörigen man nicht sagen kann, ob es sich um rechte
Linke oder linke Rechte handelt. Dazu gehören auch solche Lichtgestalten wie
Alice Schwarzer, Rainer Langhans, Klaus-Rainer Röhl, Bernd Rabehl und Christof
Schlingensief, deren Tragik darin liegt, dass sie zu spät geboren wurden, um in der
Kulturverwaltung des Generalgouvernements Polen beweisen zu können, wozu sie
in der Lage sind.
Und so versuchen sie, jede(r) auf seine (ihre) Art, das Versäumnis nachzuholen.
Alice Schwarzer solidarisiert sich mit Saddam Hussein und Leni Riefenstahl,
Christof Schlingensief veranstaltet "Kameradschaftsabende" und Sybille Tön-nies
reist nach Berlin, um über eine NPD-Demo zu berichten, die von der Polizei zuerst
geschützt und dann aufgelöst wurde.
Ihre "Gedanken zu einer Berliner Kundgebung", am 28. November in der "Welt"
erschienen, gehören zum Besten, was seit den Tagen geschrieben wurde, da
deutsche Soldaten bei Stalingrad gedemütigt wurden. Es ist knallharte
Kriegs-berichterstatterprosa, mit einem weichen Eyeliner hingezeichnet. Großartig
der szenische Einstieg vom "Neptunbrunnen am Alexanderplatz", wo sich ihr ein
"bizarres Bild" bietet: "Hoch oben der Wassergott in schäumend-königlicher Pose,
um ihn her wogen Nixen. Um Nixen und Brunnen herum formt sich ein weiterer
Kranz aus kahlen, hellen Schädeln. Es sind Neonazis, die eine Kundgebung
abhalten. Sie bilden einen engen Kreis, weil sie nicht anders können - um sie
schlingt sich wiederum ein grüner Gurt, der sie zusammendrückt: die Polizei. Eine
politisch-plastische Rosette. Ein groteskes Mandala."
Drei Super-Bilder in nur zwei Zeilen: grüner Gurt, plastische Rosette, groteskes
Mandala. So romantisch könnte die Welt sein, in der Sibylle Tönnies lebt und lehrt,
wenn da nicht außerhalb des Kreises die Gegen-Demonstranten wären, die den
Nazis den Spaß nicht gönnen.
"Pfeilgleich stechen ihre ausgestreckten Arme gegen die feindliche Mitte … Dazu
werden mit heiserer Stimme Parolen skandiert … Die kahlen Schädel … sind freie,
leuchtende Zielscheiben … Von Polizei dicht eskortiert, marschieren die Glatzen in
braver Kolonne davon …"
Da hat Sibylle Tönnies ein schreckliches Déjà-vu. Während sich die Glatzen brav
auf den Weg machen, steht sie fassungslos am Straßenrand, randvoll mit Empathie
und Idiotie: "Das Bild erinnert in erschütternder Weise an einen KZ-Marsch. Die
rasierten, geneigten Köpfe, die bewaffnete Eskorte … Diese Nazis befinden sich in
Schutzhaft …, die Polizei schützt sie vor den Angriffen einer zum Lynchen
aufgelegten Menge."
Natürlich ist der Vergleich mit einem KZ-Marsch maßlos übertrieben. Denn erstens
waren die KZ-Häftlinge besser dran, sie mussten nicht durch ein Spalier von
Gegen-Demonstranten, die mit heiserer Stimme Parolen skandieren. Und zweitens
haben die Nazis das Schlimmste noch vor sich: die Fahrt in der S-Bahn zum
Bahnhof Schönefeld. Sibylle Tönnies fährt nicht mit, obwohl es eine schöne
Gelegenheit wäre, "diese Unglücklichen" zu trösten, ihnen das Händchen zu halten
und das Brüstchen zu geben, damit sie sich stärken und beruhigen. Sie bleibt am
Neptunbrunnen bei den Nixen stehen und sinniert darüber, was sie soeben erlebt
hat. "Man kann annehmen, dass nicht der Rechtsradikalismus diese Unglücklichen
so geformt hat, sondern ein in ihrer Biografie wütendes Schicksal. Sie brauchen
den Rechtsradikalismus, um mit einer furchtbaren Kränkung zurechtzukommen.
Ihnen bleibt als Stolz nichts übrig, als der Stolz darauf, Deutsche zu sein."
Wo das Schicksal wie ein Stahlgewitter in der Biografie wütet, bietet der
Rechtsradikalismus den Unglücklichen und Gekränkten die natürliche Zuflucht.
Doch worin liegt die Kränkung, die sie erlitten haben und die ihnen gar keine
andere Möglichkeit ließ als die, rechtsradikal zu werden? War bei Aldi das
Dosenbier plötzlich alle? Hat die brandenburgische Regierung ein ausdrückliches
Verbot erlassen, Ausländer zu verhauen? Oder wurde wieder ein Jugendclub in
Guben geschlossen, um mit dem gesparten Geld Asylanten aus Afrika ins Land zu
holen?
Möglich wäre auch etwas anderes: Man hat den Unglücklichen nie die Chance
gegeben, eine Vorlesung von Frau Professor Sibylle Tönnies, zum Beispiel über ihr
Lieblingsthema, den Kommunitarismus, zu besuchen. Und so bleibt ihnen nichts,
als der Stolz darauf, Deutsche zu sein, denn den gibt es umsonst. Erbarmen mit
den Nazis? Ja, gewiss. Und Erbarmen mit Sibylle Tönnies, die wieder nach
Bremen muss, um dort "Sozialwesen" zu unterrichten. Auch in ihrer Biografie
wütet ein Schicksal, auch sie muss mit einer furchtbaren Kränkung
zurechtkommen. Heil Sibylle!
1.12.2000 19

Ein Arsch kommt selten allein

Im Gegensatz zu den meisten Kritikern finde ich "Big Brother" richtig gut, vor
allem im Zusammenhang mit der laufenden "Leitkultur"-Debatte. Denn "BB" ist
ein perfekter Mikrokosmos, sozusagen die ganze Republik in einer Nuss-Schale.
Im Grunde geht es, wie im richtigen Leben, nur um zweierlei: Geld und Sex: Wie
kommt Vati auf die Mutti und wann ist der richtige Zeitpunkt, um Kasse zu
machen? Mit dem ****** haben die Teilnehmer keine Probleme, wenn sich nur
zwei finden, die gleich notgeil sind. Wie bei einer Betriebsfeier und wie in jedem
Internat macht auch hier Gelegenheit Liebe.
Dagegen ist nichts zu sagen, denn so geht es in jedem Container zu, ob es nun ein
Plattenbau in Marzahn oder eine Luxusvilla in Dahlem ist. Viel schwieriger ist es
dagegen, den richtigen Moment zum Aussteigen zu erwischen. Hier sind es die
Dummen, die unbedingt bis zum Ende dabei bleiben wollen, indess die Klugen, wie
auf der Börse, rausgehen und Gewinne mitnehmen. Während die blonde Dani und
der schwarze Karim in einer Stretch-Limo von einem Event zum nächsten
gefahren werden und überall das gleiche Zeug lallen, sitzen Harry und Ebru weiter
in der Kiste und wälzen Probleme, die sie nicht hätten, wenn sie da geblieben
wären, woher sie gekommen sind. Irgendwann werden auch sie wieder draußen
sein, traumatisiert für den Rest ihres Lebens. Denn wenn zehn Leute dasselbe Klo
und dieselbe Dusche benutzen müssen, bleiben Langzeitschäden nicht aus. Schon
die Zuschauer müssen aufpassen, dass sie nach nur einer Stunde Hingucken keinen
Darmverschluss erleiden.
Womit wir beim vorläufig letzten Hit aus dem Klo mit Kamera wären. Christian,
der ziemlich früh rausgewählt wurde, hat einen Song aufgenommen, mit dem er
durch die Diskos tourt. Der Refrain lautet: "Es ist geil, ein ********* zu sein, es ist
geil, so richtig dreckig und gemein, wenn du ein Schwein bist, gehört dir alles allein,
es ist geil, ein ********* zu sein." Dagegen ist Stefan Raabs "Wadde hadde dudde
da" ein poetisches Kleinod und "Ich find dich Scheiße" der "Tic Tac Toe" eine
sozialkritische Ballade. Mit diesem Lied wird Christian, wie schon vor ihm Zlatko,
zum Millionär, und ich gebe zu, dass es der Neid ist, der mir die Feder führt.
Warum ist mir ein so wunderbarer Beitrag zur deutschen Leitkultur nicht
eingefallen, warum schreibe ich nur über Dumpfmeister wie Zlatko und Christian,
statt für sie zu schreiben? Ich schaffe nicht einmal einen so niedlichen kleinen
Spruch, wie er neulich Angela Merkel beim kleinen Parteitag der CDU entfallen ist:
"Öde, öder, Schröder!" Jetzt warte ich nur darauf, dass Angela und Christian
gemeinsam auftreten, denn Musik kennt keine Grenzen, und Leitkultur ist dann am
schönsten, wenn ein ********* singt und ein anderes reimt. 27.11.2000
_____________________________________

@tw, du musst Broder schon komplett nehmen, auch als Arschkriecher in der amerikanischen Arsch.
Ich bediene mich ausschließlich der Broderschen platten Sprache.
Hier wolltest du den Teufel mit dem Belzebub austreiben.

mfg
 
30. May 2002, 17:44   #6
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
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Zitat:
Zitat von quentin
Moin,
so, wie es gerade gefällt. Von Henryk M. Broder, ein vom Größenwahn getriebener, ein äußerst dummer, nichts sagender Literat, ein erstklassiger Polemiker, rhetorisch geschult wie Friedman, gleiche Kaderschmiede, gleicher Größenwahn.
Das sagte ich doch auch schon:
Zitat:
Zitat von tw_24
Henryk M. Broder, Jude, Ex-Linker Kriegsfreund und deshalb nun ein Lieblingsfeindbild von Wiglaf Droste, hat sich im Spiegel zur Sache geäußert. Wenn ich Broder auch sonst nicht unbedingt empfehlen würde ...
Also, ich weiß schon, wen ich da zitiere. Er war auch mal taz-Mitarbeiter, bevor sein Ego abhob ... und den Verstand am Boden zurückließ ;-) ...

Mein "Freund" Wiglaf Droste beschrieb ihn mal als Kollateralkameraden:

Zitat:
Zitat von Wiglaf Droste
Kollateralkameraden
von WIGLAF DROSTE
In Afghanistan ist geschehen, womit zu rechnen war: Nicht nur die anderen kommen ums Leben, auch Deutsche trifft es. Drei dänische und zwei deutsche Soldaten starben, als sie versuchten, eine Rakete zu entschärfen. Für die Dänen hat sich die deutsche Soldatenpresse weniger interessiert, von den Deutschen weiß man: Sie wurden befördert: vom Leben zum Tode, vom gemeinen Mann zum Helden. "Unsere Helden! Heimkehr in Särgen", titelte das Springer-Blatt B.Z. am 10. März; ein großes Farbfoto zeigte eine Deutschlandfahne mit Kriegsadler, die um einen Sarg gewickelt war, und gut drei Dutzend Kampfuniformierte mit ernstgedrillten Gesichtern. Auf Seite drei wurden Blut und Seife ausgegossen: "Ein einzelner Trompeter spielte das Lied ,Ich hatte einen Kameraden. 1.200 Soldaten standen stramm im strömenden Regen. Zwei von ihnen brachen während der Feier zusammen." So ist das Wort Kollateralschaden auch beim deutschen Soldaten angekommen: Die Entwicklung vom Kameraden zum Kollateralkameraden vollzieht sich mitunter militärisch flott.

Der Kommandeur von Leuten, die im Tode Helden sein müssen, damit man nicht fragt, was sie im Leben waren, heißt Carl-Hubertus von Butler und redet auch so: "Sie sind hier gewesen, um dem Frieden zu dienen und das Zusammenleben der Völker zu fördern. Dafür haben sie das Wertvollste gegeben, was sie besitzen - ihr Leben." Der erste Halbsatz stimmt sogar: "Sie sind hier gewesen." Alles andere ist Casino und Kapelle. Die Soldaten gaben ihr Leben nicht, es wurde ihnen genommen. Sie besaßen ihr Leben auch nicht - sie hatten es vorher verkauft beziehungsweise auf Zeit vermietet, gegen Sold, wie Söldner das nun einmal tun. Für die Bereitschaft, anderen das Leben zu nehmen und dabei auch das eigene zu riskieren, gibt es Zulagen. Zwei deutsche Soldaten haben einen Arbeitsunfall erlitten und können die Prämie nicht mehr kassieren. Wer darüber in Tränen ausbrechen will, mag das tun. "Unsere Helden"? Meine nicht. Das Bedürfnis, Helden wenigstens publizistisch zu zeugen, offenbart den dringenden Wunsch nach noch mehr Leichen. Lebende Helden gibt es ja kaum - wer Helden will, den verlangt es nach Toten. Und wenn die Heldenfriedhofswärter sich selbst zu Helden machten? Der B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron bettelt geradezu um ein schwarz-rot-goldenes letztes Lätzchen. Auch sein Vorgänger, der heutige Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner, gegen dessen Prosa allenfalls ein spermizides Mittel hülfe, hat dringenden Heldenbedarf angemeldet. Die Prominentenfriseure dieser Welt werden ihn vermissen.

Der Propagandazwerg Henryk M. Broder dagegen spricht nicht plump von Helden - er beschimpft bloß jeden, der kein Held werden möchte, als Feigling und hofft, auf diese Weise den einen oder anderen doch zur Mordbereitschaft drangsalieren zu können. So erhöht er die eigene statistische Chance, vom Fernsehsessel aus täglich zusehen zu können, wie aus einem Feigling ein Held wird, ein Kollateralkamerad, von dem die anderen dann singen, sie hätten ihn gehabt und einen bessern nicht gefunden.
Dennoch bringt er es in meinen Augen in diesem Aufsatz ganz gut auf den Punkt. Nicht irgendein Jude ist daran schuld, daß ich "die Juden" mag oder auch nicht, sondern mental allein ich. Natürlich wird das Handeln und Verhalten von Friedman, Spiegel, Reich-Ranicki oder wem auch immer etwas dazu beitragen, was ich mir als "Jude" vorstelle. Aber das sind dann noch immer meine Vorstellungen, meine Bewertungen. Und für die bin dann aber ich verantwortlich und nicht der Kriegsverbrecher Scharon oder der selbstverliebte Michel Friedman.

Aber noch etwas zum Streit zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der FDP: Mir scheint, daß da mittlerweile beide Seiten darum bemüht sind, ohne Schaden aus der Diskussion herauszukommen und doch irgendwie als Sieger dazustehen. Um Antisemitismus geht es doch gar nicht mehr, sondern darum, das Gesicht zu wahren. Möllemann "bedauert", aber als ausdrücklich falsch empfindet er nichts, was er von sich gegeben hatte. Da frage ich mich, warum es dann etwas zu "bedauern" gibt, wenn doch alles richtig war. Und auf der Seite des Zentralrats der ... hat man mit der kindischen Forderung, Möllemann/die FDP möge sich doch bitteschön erst einmal entschuldigen, sich sicher auch keinen Gefallen erwiesen, sondern die Hürden noch höher gesteckt.

MfG
tw_24
 
30. May 2002, 18:54   #7
quentin
 
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Beiträge: 1.693
Auf dem BR habe ich mal Möllemann zitiert, obwohl ich schon lange vorher der Meinung war ' Haider hat nicht gewonnen, sondern die SPÖ verloren' und das begründet.
Ben`s Meinung, frei zitiert, Möllemann tauge nicht als Kronzeuge und genau das wollte ich, da Broder durch den ' Spiegel 'bekannt ist, ausdrücklich belegen.
Sind wir ja fast einer Meinung über die Bewertung dieses Mannes. Ich darf ihn auch schon zig Jahre in Talkshows geniessen, letzte Zeit sehr wenig, scheint wohl einigen unangenehm aufgefallen sein.

Richtig ist aber auch, wenn er auch von mir Ungeliebten rhetorisch geschliffen öffentlich vors Schienbein getreten hat, das ich die grinsende Genugtuung des nicht Gefragten empfand.
_______
Möllemann. Läßt ihn Spiegel den Gang nach Canossa gehen, kann die alte FDP/Kohl - Riege sich noch so viel im Schienbeintreten üben, das kommt schlecht oder sogar sehr übel rüber

mfg
 
30. May 2002, 18:59   #8
tw_24
 
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Jetzt hat es mit Uri Avnery mal einen israelischen Friedensaktivisten zur Jungen Freiheit gezogen,
der auch in der linken Szene recht populär ist. Oder war - denn die Junge Freiheit gilt ja vielen
als rechtsextrem ... Von der taz wurde der Interviewte schon mal wieder gefragt, ob denn wisse,
welchem Blatt er die Antworten gibt.

Zitat:
"Wir wollen keine Sonderrolle"
Uri Avnery, israelisicher Publizist und Friedensaktivist, über Antisemitismus und die Kritik an Israel
Moritz Schwarz

Herr Avnery, in Deutschland ist durch ein Interview unserer Zeitung mit dem syrischstämmigen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli ein bereits schwelender Streit um die Frage, welche Kritik an der Politik Israels erlaubt ist, ausgebrochen. Der Streit ist inzwischen vor allem in Gestalt einer Auseinandersetzung zwischen dem FDP-Politiker Jürgen Möllemann und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman, eskaliert. Die Frage, die derzeit in Deutschland diskutiert wird, lautet: Darf man Israel kritisieren und wenn ja, in welchem Maße?

Avnery: Man darf Israel nicht nur kritisieren, meiner Ansicht nach muß man es sogar tun. Israel ist ein Staat wie jeder andere, und wir sind ein Volk wie jedes andere. Wir wollen keine Sonderrolle. Denn jede Art von Sonderbehandlung beinhaltet schließlich schon eine Form von Antisemitismus.

Eine positive Sonderbehandlung jüdischer Angelegenheiten ist also ein Ausdruck von Antisemitismus?

Natürlich, denn solch eine Sonderbehandlung geschieht schließlich, weil wir Juden anders angesehen werden, als andere Menschen. Das lehne ich ab.

Es gibt allerdings auch Kritik, die nicht mehr statthaft ist. Wo beginnt also der Antisemitismus in der Debatte?

Die Frage ist, von welchem Standpunkt aus übt man Kritik. Bejaht man etwa das Existenzrecht Israels oder zielt die Kritik darauf, dies Israel abzusprechen. Wenn man sein Land liebt, dann muß es auch gestattet sein, die Politik seiner Regierung zu kritisieren.

Antisemitisch wäre demzufolge Kritik, die Israel als Staat bekämpft?

Sie denken da in einem verhängnisvollen Dualismus. Man sollte nicht zwischen Israel und Palästina wählen, weil meiner Ansicht nach die wahren Interessen Israels und Palästinas beinahe identisch sind: Beide Völker brauchen den Frieden! Und die große Mehrheit unseres Volkes ist auch bereit, die besetzten Gebiete zurückzugeben, Jerusalem zu teilen und einem Palästinenser-Staat zuzustimmen. Ariel Scharon genießt zwar als Person das Vertrauen der Mehrheit der Israelis, gleichzeitig jedoch mißbillgt die Mehrheit die inhaltlichen Elemente seiner Politik. So gab es etwa vor wenigen Tagen in Tel Aviv eine Demonstration mit 70.000 Menschen, die für eine Rückgabe der besetzten Gebiete votierten.

Ihre Familie ist 1933 aus Deutschland geflohen, Sie selbst haben als Zehnjähriger die Stimmungsmache der Nationalsozialisten gegen die deutschen Juden erlebt. Es gibt also eine "Form der Kritik", die den Tatbestand des Antisemitismus erfüllt.

Natürlich gibt es auch Antisemitismus, aber ich warne davor, das mit Kritik an Israel gleichzusetzten. Dann wären wir, die politischen Gegner Scharons hier in Israel übrigens auch alle Antisemiten. Nein, Antisemitismus hat Merkmale, die klar erkennbar sind, Kritik an Israel zu üben, gehört allerdings nicht dazu.

Sondern?

Antisemitismus ist eine Art Geisteskrankheit, die man instinktiv erkennt. Wir alle kennen klassische Beispiele solcher antisemitischer Propaganda. Außerdem vergessen all jene, die nur allzu leichtfertig überzogene Antisemitismus-Vorwürfe austeilen, die Gefahr, daß dann die wahren Antisemiten unerkennbar werden.

Jürgen Möllemann wirft Michel Friedman vor, dessen überzogene Antisemitismus-Vorwürfe verursachten erst Antisemitismus.

So formuliert, kann das leicht zu der Schlußfolgerung führen, die Juden seien selbst Schuld am Antisemitismus ...

Möllemann zielt nicht auf die Juden, sondern auf den Mißbrauch des Antisemitismus-Vorwurfes.

Ich habe das auch nicht so verstanden, ich meine nur, diese Formulierung ist gefährlich.

Der Deutsch-Syrer Jamal Karsli warf - damals noch Abgeordneter der Grünen - der israelischen Armee während der Operation "Schutzschild" in Transjordanien vor, "Nazi-Methoden" anzuwenden. Daraufhin wurde er erstmals des Antisemitismus geziehen. Zu Recht?

Ich lehne jede Funktionalisierung des Holocaust zu politischen Zwecken unbedingt ab. Man kann Israel vorwerfen, es führe einen Kolonialkrieg im Westjordanland, oder man kann es der Apartheid zeihen, man kann sehr viele schwere Vorwürfe formulieren. Aber den Vorwurf "Nazi-Methoden" ins Feld zu führen, ist absurd. Der Holocaust war etwas geschichtlich Spezifisches, ihm fielen sechs Millionen Menschen zum Opfer. Diese Assoziation ist also maßlos überzogen.

Überzogen oder antisemitisch?

Der palästinensische Intellektuelle Edward Said hat einmal gesagt, ein Araber könne sich nicht mit Israel auseinandersetzen, wenn er den Holocaust nicht versteht. Araber haben allerdings ein verständliches Problem damit, denn der Holocaust wird in der israelischen Propaganda gegen die Palästinenser verwendet: Das führt natürlich leicht zur arabischen Gegenreaktion, den Holocaust zu verharmlosen oder zu leugnen. Mit europäischem Antisemitismus hat das allerdings nichts zu tun.

Das heißt, die deutschen Kritiker spiegeln "ihren" europäischen Antisemitismus auf den Syrer Karsli, der tatsächlich "nur" typisch arabische Ressentiments hat?

Ich weiß nicht, ob es im Fall des Herrn Karsli so ist oder nicht, denn ich kenne ihn nicht, aber ich kann es mir vorstellen. Ein Indiz wäre, daß die Formel, "Israel benutze ?Nazi-Methoden?" sehr häufig in arabischen Ländern zu hören ist, und Herr Karsli schließlich syrischer Abstammung ist.

Wären Sie kein Israeli, sondern ein nicht-jüdischer Deutscher, würden Sie bei Ihren Ansichten mit dem Vorwurf des Antisemitismus, des Rechtspopulismus und braunen Gedankenguts überschüttet werden.

Ich glaube, Deutschland hat seine Vergangenheit noch nicht überwunden, daher dieser ungesunde Zustand, der jede normale Diskussion über den Palästina-Konflikt in Deutschland unmöglich macht. Wenn ich Deutscher wäre, würde ich die Atmosphäre in meinem Land ablehnen, und ich hoffe, ich hätte den Mut, auch dann zu sagen, was ich hier und heute als Israeli vertrete.

Jüdische Institutionen genießen in Deutschland ein hohes moralisches Ansehen, inwieweit sind sie aber von der Politik der Regierung in Jeruslalem beeinflußt?

Die israelische Botschaft in Berlin zum Beispiel ist heute schlicht eine Propagandazentrale der israelischen Regierung.

So wie das jede Botschaft ist.

Im Prinzip ja, aber frühere israelische Botschafter hatten durchaus eigene Meinungen, mit denen sie auch nicht hinter dem Berg gehalten haben.

Dem Zentralrat der Juden in Deutschland werfen Sie "totale Einseitigkeit" vor.

Ja, der Zentralrat ist leider eine Filliale der israelischen Botschaft in Berlin. Allerdings war auch das nicht immer so. Zu Zeiten Ignatz Bubis? wurde noch Kritik an der israelischen Politik geübt. Doch der jetzige Zentralrat scheint ebenfalls nur ein Propagandainstrument der Regierung Scharons zu sein. Soweit ich weiß, haben diese Leute keinerlei Beziehung zu liberalen Strömungen in Israel, geschweige denn zur israelischen Friedensbewegung.

Das heißt, Sie halten das Wirken des Zentralrates für geradezu unheilvoll, weil er den Deutschen unter Ausklammerung der gesamten gesellschaftlichen Breite ein falsches Bild von Israel vermittelt?

Das ist leider richtig. Ich werde zum Beispiel immer wieder von liberalen jüdischen Kreisen nach Deutschland eingeladen, nie jedoch vom Zentralrat. Allerdings ist das nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern in vielen Ländern so. Stets schweigen die organisierten jüdischen Gemeinden über die Politik der israelischen Regierung, was de facto einer Zustimmung gleichkommt. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die israelischen Botschaften wirken bei den Wahlen stark in die Gemeinden hinein. Wer also die israelische Regierungspolitik deutlich kritisiert, der hat später bei den Wahlen in den Gemeinden keine Chance.

Sie sagten, Ignatz Bubis habe die Regierung in Jerusalem kritisiert.

Dennoch gibt es natürlich selbständigere und unselbständigere Vorsitzende. Bubis gehörte zu ersteren, zumindest in der ersten Zeit.

Sie kritisieren aber auch die deutsche Regierung.

Meine Organisation Gush Shalom, der Friedensblock, führt schon seit Jahren einen Boykott gegen die Erzeugnisse der Siedlungen im Westjordanland und im Gaza-Streifen durch. So versuchen wir, die Siedlungspolitik zu stoppen. Doch die Erzeugnisse der Siedlungen werden auch nach Europa, etwa nach Deutschland exportiert. Dabei schließt der europäische Handelsvertrag mit Israel diese Produkte aus. Dennoch werden diese Produkte illegal nach Europa eingeschleust. Zwar versuchen die verantwortlichen Stellen seit Jahren, diesen Warenfluß zu verhindern, werden aber daran von den Außenministerien der europäischen Staaten, besonders Deutschlands gehindert. Das heißt: Europa finanziert die Siedlungspolitik mit etwa 200 Millionen Dollar im Jahr. Deutschland und Europa finanzieren eine Entwicklung, die zum Unglück Israels beiträgt, weil sie den Frieden verhindert.

Haben Sie Außenminister Joschka Fischer schon einmal darauf angesprochen?

Ich habe ihn bereits mehrmals angesprochen, immer ohne Erfolg. Auf einer Veranstaltung in Tel Aviv erwiderte er nur lapidar: "Ich bin der deutsche Außenminister".

Was bedeuten soll...?

Das heißt, er zieht sich darauf zurück, keine persönliche Meinung zu vertreten, sondern nur die Politik Deutschlands. Ich kenne Joschka Fischer bereits seit 1982 und bin sehr enttäuscht darüber, daß er heute eine so absolut amerikahörige Politik betreibt, statt Europa zu einer selbständigen und ausgeglichenen Politik zu führen.

Joschka Fischer war einst Gast auf PLO-Kongressen. Halten Sie es für möglich, daß er sich auf diese Art und Weise von seinem damaligen Verhalten entlasten möchte?

Das kann ich nicht beurteilen, aber denken Sie daran, wie gern er sich früher mit Yassir Arafat hat fotografieren lassen. Als aber Arafat im April während der Operation "Schutzschild" in Ramallah belagert wurde, und wir von Gosh Shalom versucht haben, uns zwischen die Fronten zu stellen, da ist Joschka Fischer ferngeblieben. Die Amerikaner pflegen zu sagen, "A friend in need, is a friend indeed", also "Nur ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund". Er hat sich nicht als Freund erwiesen.

War der Besuch des FDP-Parteichefs Guido Westerwelle Anfang dieser Woche in Israel nicht eine Gelegenheit, diese Kritik über andere Kanäle als den Kontakt zum Auswärtigen Amt in Deutschland zu lancieren?

Der Besuch Guido Westerwelles und die Affäre um die Herren Möllemann und Karsli werden hier beinahe vollständig ignoriert, dafür interessiert sich hier kaum jemand. Allerdings hätte doch jede deutsche Partei die Möglichkeit, die wirkliche Situation in Israel und Palästina zur Kenntnis zu nehmen. Doch haben sie alle Angst davor, als antisemitisch bezeichnet zu werden. Schließlich ist diese Befürchtung allerdings auch begründet, wie die Affäre um die FDP leider zeigt.

Deutsche Politiker sind häufig nicht auf die Moral, sondern auf die Einhaltung einer "political correctness" fixiert. Zum Beispiel, was den angeblich richtigen Ton gegenüber Israel betrifft. Jeder Akteur in Deutschland ist dabei bemüht, eine jüdische Stimme zu finden, die ihm für sein Verhalten "Absolution" erteilt. Statt sich selbst den Herausforderungen zu stellen und sich um eine eigene Moral zu bemühen, sucht man Juden, die man befragen kann, und ist damit moralisch entlastet. Als Beispiel für diese deutsche Feigheit können Sie wahrscheinlich auch dieses Interview betrachten.

Das ist in der Tat eine ungesunde Atmosphäre, die man auslüften muß, und ich kann nur hoffen, daß die Affäre Möllemann/ Karsli wenigstens dazu beiträgt, eine Diskussion über diese Probleme in Deutschland zustande zu bringen.

Geben Sie allerdings Gedankenfreiheit, dann wird diese Freiheit unweigerlich auch von echten Antisemiten genutzt werden. Auf diesen Einwand muß man vorbereitet sein.

Natürlich, aber das muß man in Kauf nehmen.

Haben Sie Verständnis dafür, daß das die Juden in Europa kritischer sehen als Sie, der Sie in Israel leben?

Ich verstehe das sehr gut, schließlich ist meine Familie selbst 1933 aus Deutschland geflohen, und es ist auch richtig, auf der Wacht zu sein. Aber ich glaube dennoch, daß dieses Phänomen im Europa von heute - wohl in der Erinnerung an die Vergangenheit - überschätzt wird. Der Antisemitismus ist heute keine wirkliche Gefahr mehr in Europa. Hinter jeder Ecke Antisemiten zu sehen, ist weder hilfreich noch gesund.

Sie nennen die Regierung Scharon "rechtsradikal". Ist das nicht auch wieder eine Stigmatisierung?

Nein, das ist eine politische Beschreibung, denn in dieser Regierung arbeiten mindestens drei Minister, die ganz offen die Idee der ethnischen Säuberung propagieren. Und ich glaube nicht, daß Ariel Scharon von dieser Geisteshaltung weit entfernt ist.

Der Vertrag von Oslo und der Palästinenserstaat scheinen gescheitert. Die Zeichen stehen eher auf Krieg, denn auf Frieden. Haben Sie wirklich noch Hoffnung?

Natürlich, denn beide Seiten wissen, daß sie letztlich gar keine andere Wahl haben, als am Ende Frieden zu schließen. Irgendwann sind die Völker nicht mehr länger bereit, den Preis für den Krieg zu zahlen. Die Regierungen kommen und gehen, aber die Hoffnung unserer beiden Völker auf Frieden bleibt.

Quelle: http://www.jungefreiheit.de/yy09.htm
MfG
tw_24
 
30. May 2002, 19:18   #9
quentin
 
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Ist das ein Telepath, speziell für mein Hirn?? dann möchte ich an dieser Uni ein Zweitstudium absolvieren.
Ich drucks aus für meinen Sohn, der den P.Spiegel für seriös hält. Kannst du dir unsere Diskussionen vorstellen. Ich bin der Antisemit schlechthin, wobei er ganz vergißt, wer ihn erzogen hat, er hält das alles für normal, mich zu kritisieren. Ich auch, aber einer muss es von kleinauf erlaubt haben

mfg
 
31. May 2002, 15:50   #10
tw_24
 
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Der Deutschlandfunk formulierte gestern in seinen Nachrichten so: "Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat Gewerkschaften, Kirchen und Intellektuelle aufgefordert, die FDP zu einer klaren Distanzierung von rechtsextremistischen Tendenzen zu drängen."

Eine sehr interessante Formulierung, wie ich finde. Denn sie wirft der FDP als Partei offenbar vor, alleinige Heimstatt "rechtsextremistischer Tendenzen" zu sein. Gesellschaftlicher Druck soll auf die FDP ausgeübt werden, also scheint es in der "Restgesellschaft" keine "rechtsextremistischen Tendenzen" zu geben.

Wenn Spiegel und/oder Friedman es tatsächlich so formuliert haben, dann haben sie sich ein wenig im Ton vergriffen, würde ich sagen ...

MfG
tw_24
 
31. May 2002, 17:03   #11
quentin
 
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So wie mir bekannt, haben sie, aber bei der Schlammschlacht habe ich gar nicht drauf geachtet. Hast recht.
Was jetzt auf Möllemann für einen Druck ausgeübt wird, halte ich für nichtdemokratisch. Man kann ihn mögen oder nicht, unterstellt wird ihm ja alles, aber die Leute, die ich heute getroffen habe, beginnen tatsächlich über die Stellung des Zentralrates nachzudenken.
Nachdenklich macht mich, dass sie ihr Erscheinungsbild derzeit mit Sicherheit abschätzen können, es ihnen aber egal ist, sondern eine klare Machtdemonstration vorführen.
Das stimmt mit meinen bisherigen Wahrnehmungen überein.
Mein Schlüsselerlebnis bzw. Auslöser des Nachdenkens war das Verbot Fassbinders in Frankfurt. Danach habe ich alles kritisch hinterfragt.
mfg
 
31. May 2002, 23:54   #12
quentin
 
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Moin,
Neues vom Streit

FDP und Zentralrat der Juden
Sie streiten und streiten

"Der FDP-Berg hat gekreißt und eine Maus geboren" -
das war das spöttische Urteil vieler Beobachter über den
einstimmigen Beschluss, den der FDP-Bundesvorstand
in seiner mit Spannung erwarteten Sondersitzung zu dem
seit Wochen anhaltenden Streit zwischen Parteivize
Jürgen Möllemann und dem Zentralrat der Juden gefasst
hat. Ausgelöst hatte Möllemann die
Auseinandersetzungen mit dem Vorwurf gegen den
Vizepräsidenten des Zentralrates, Michel Friedman,
dieser trage mit seiner "intoleranten und gehässigen Art" zum Antisemitismus
in Deutschland bei.

Reaktionen - Zentralratspräsident Spiegel ist entsetzt

Das Wort "Entschuldigung" kommt nicht vor
Obwohl Friedmann und der Zentralratspräsident Paul Spiegel immer wieder
ausdrücklich eine Entschuldigung von Möllemann verlangt haben, kommt
dieses Wort in der vierseitigen wortreichen "Berliner Erklärung" des
FDP-Vorstands nicht vor. "Wir missbilligen und bedauern, dass durch
Äußerungen von Jürgen W. Möllemann Anlass für Missverständnisse
entstanden ist", heißt es lediglich in dem Papier, das Parteichef Guido
Westerwelle unmittelbar nach seiner Nahost-Reise - in Absprache auch mit
Möllemann - selbst formuliert hat.

FDP spricht von "Bedauern und Missbilligen"
Für Westerwelle aber sind das Bedauern und die Missbilligung "schon eine
bemerkenswert deutliche Erklärung", zumal auch Möllemann im
Bundesvorstand dem Papier selbst mit zugestimmt habe. Solche Vorgänge
seien selten in den deutschen Parteien. Und mit Blick auf Spiegel und
Friedman fügte er hoffnungsvoll hinzu, diese Formulierungen müsse man
unter Demokraten "als Brücken begreifen" - den Streit also jetzt beilegen. In
der Erklärung wird zugleich - ebenfalls mit Blick auf den Zentralrat der
Juden - betont: "Der Vorwurf des Antisemitismus gegen die FDP als ganzes
oder gegen einzelne Führungsmitglieder der FDP ist ehrverletztend und
unberechtigt."

"Berliner Erklärung" schweigt auch zu Karsli
Ein weiterer "Knackpunkt" zwischen
Möllemann und dem Zentralrat wird in der
Erklärung überhaupt nicht erwähnt: Der Streit
um den mit Israel-feindlichen und
antisemitischen Äußerungen aufgefallenen
früheren nordrhein-westfälischen
Grünen-Landtagsabgeordneten Jamal Karsli, den Möllemann in die dortige
FDP- Fraktion aufgenommen hat. Spiegel und Friedman sehen ohne eine
Revidierung dieser Entscheidung keine Basis für eine Verständigung mit
Möllemann und der FDP. Westerwelle wiederholte vor der Presse, dass er
dafür gesorgt habe, dass Karsli nicht in die FDP aufgenommen wurde.
Dessen Mitarbeit in der Landtagsfraktion sei aber die souveräne
Entscheidung der dortigen FDP-Abgeordneten. Wie es hieß, sorgte
Möllemann im Kontakt mit Westerwelle dafür, dass der Fall Karsli nicht in
die Erklärung aufgenommen wurde - ebenso, dass auch das Wort
Entschuldigung nicht auftaucht.

Streit mit dem Zentralrat der Juden schwelt weiter
In den Tagen vor der Vorstandssitzung, als Westerwelle in Israel und
Ägypten Station machte, war in der FDP zu hören, der Parteichef müsse
nach der Rückkehr seine ganze Autorität einsetzen und ein Machtwort
reden, um den "unseligen Streit" mit dem Zentralrat der Juden zu beenden.
Ein Machtwort war dies nicht - da sind sich die Beobachter in Berlin einig.
Somit dürfte der Konflikt mit dem Zentralrat der Juden weitergehen.
Westerwelle nimmt dies offensichtlich eher in Kauf als einen Konflikt mit
seinem Stellvertreter Möllemann.
_________________________________

freut mich, das der Kasper Westerwelle nicht eingeknickt ist.

mfg
 
3. June 2002, 23:05   #13
jupp11
 
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Beiträge: 4.013
Habe gestern abend mal bei Sabine Christiansen reingeschaut. Gäste u. a. Westerwelle und Friedman.

Ich wette, dass der Friedman seine Mimik vor dem Spiegel eingeübt hat. Hehe, inclusive der Mithilfe eines Mimik-Beraters. Wahrhaft gekonnt.

Ich vermute, er hat sogar Bildmischer und Kameramann bestochen, damit er exakt dann in Grossaufnahme erscheint, wenn Westerwelle wieder mal Stuss redet.

Dieser Westerwelle ist ja eine derart ärmliche Figur auf der Politbühne, der kann einem fast leid tun. Der Typ hat einfach nicht das Format, oder zumindest verbirgt er es wirklich gut, eine Partei zu führen.

Hehe und Friedman kommentiert nahezu ohne Worte in Grossaufnahme nur durch Minenspiel die Rechtfertigungsversuche der Westerwelle, mal durch Hochziehen einer Augenbraue, mal durch Herunterziehen eines Mundwinkels, oft durch eine Kombination von beidem.

Interessant anzusehen. Sachlich ist nix dabei rausgekommen.
 
3. June 2002, 23:20   #14
quentin
 
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Doch, Friedman ist ein Schauspieler. Denn der hat auch nichts neues erzählt.
Westerwell hat es schwer. Einen total überschätzten Genscher, Baum, die Pflaume und einen Ehrenvorsitzenden Graf, der wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt ist. Diese Typen schmeißen Knüppel, denn wenn der 18% bekommt, sind die 5% ler einfach nur dumme Auguste.

mfg
 
3. June 2002, 23:26   #15
jupp11
 
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Naja, ich weiss nicht...

wenn die FDP über 10 % kommt, liegts imho eher an der Unfähigkeit von CDU, SPD der Grünen als an eigenem Vermögen.

Vertrauen flösst mir der Typ (Westerwelle) jedenfalls nicht ein.

Nachtrag:

gerade gefunden:
Zitat:
In einer Erklärung nehmen Journalisten und Künstler den Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman, gegen die Angriffe von FDP-Parteivize Möllemann in Schutz.

In einer am Montag veröffentlichten Erklärung haben Journalisten, Künstler und Medienschaffende sich hinter den Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman, gestellt. Zugleich beziehen sie unter dem Titel «Einspruch!» Position gegen FDP-Parteivize Jürgen Möllemann.
Dieser habe «unseren Kollegen Michel Friedman rassistisch angegriffen und verletzt, dagegen verwahren wir uns», heißt es in dem Papier.

Zwar sei Kritik an Friedman wie an der israelischen Politik eine demokratische Selbstverständlichkeit. Diese dürfe aber nicht auf die Religion bezogen sein, heißt es in der Erklärung weiter. «Wer das eine mit dem anderen verquickt, argumentiert rassistisch und legitimiert Antisemitismus.»

Unterzeichnet haben das Papier unter anderem der Intendant des ORB sowie die Chefredakteure mehrerer ARD-Sender und des ARD-Hauptstadtstudios. Zudem haben sich auch eine Reihe prominenter Printjournalisten sowie Schriftsteller und Schauspieler der Erklärung angeschlossen. (nz)
Gezz gibbet aber Laschen von allesn Seiten für Möllemann.


 
5. June 2002, 13:26   #16
tw_24
 
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Langsam aber sicher gehen mir zwar nicht die Argumente gegen Möllemann aus, aber die, die man für Paul Spiegel und/oder Michel Friedman in die Diskussion einbringen könnte.

Ich habe diese Christiansen-Sendung nun schon mehrmals angeschaut und finde, daß es zwischen Westerwelle und Friedman zu einem Unentschieden gekommen ist, bei dem mir Westerwelle ein klein wenig im Vorteil zu sein scheint.

Christiansen war - wie immer - eine Fehlbesetzung, den SPD-Wahlkämpfer Sigmar Gabriel mit seinen dummen Sprüchen konnte man ignorieren, einzig Schäuble als elder statesman versuchte, die Diskussion ernsthaft zu bereichern, was ihm allerdings auch nicht immer gelang. Den Hohlkopf Sigmar Gabriel hätte man besser entweder durch einen "unabhängigen" deutschen Juden (z.B. Reich-Ranicki, der mit der "Antisemitismus-Debatte" ja nichts zu tun haben will) oder einen Vertreter der israelischen Opposition ersetzt, denn auch wenn es eigentlich ein innerdeutsches Thema ist, der kritische Blick von außen fehlte wirklich.

Mir sind in den letzten Tagen dank jupp11s "Ermahnung" ;-), die Äußerungen von Paul Spiegel und/oder Michel Friedman müßten doch aus sich selbst heraus logisch erklärbar sein, diese zumindest in Teilen negativ aufgefallen.

So erklärt zum Beispiel Paul Spiegel immer wieder, unter Freunden sei Kritik erlaubt und manchmal sogar angebracht. Das drängt eigentlich zu der Nachfrage, ob ich mich erst mit einem Kriegsverbrecher wie Arial Scharon anfreunden muß, um ihn kritisieren zu dürfen. Konsequent bis ans Ende gedacht, hätte die Shoa vielleicht früher ein Ende gefunden, wenn die selektierten Juden an den Rampen der Vernichtungslager ihren Mördern voller Freude um den Hals gefallen wären, um ihnen - natürlich unter Freunden - zu sagen, daß das so ja wohl nicht weitergehen könne ...

Möllemanns Äußerungen seien, so wieder Paul Spiegel, "die größte Beleidigung seit dem Holocaust". Das ist zwar sicher nicht so gemeint, kann aber als schier grenzenlose Verharmlosung des Holocaust aufgefaßt werden, der anscheindend auch "nur" eine Beleidigung war - viele würden sich sicherlich freuen, "nur" beleidigt, nicht aber vergast worden zu sein.

Und gerade wenn man sich die ost-/westdeutsche Vergangenheit anschaut, scheint Paul Spiegel gnadenlos zu übertreiben.

Die DDR kannte Israel als Staat erst ab 1990, vierzig Jahre Ignoranz sind offenbar harmloser als der Maulheld Möllemann, der seine dummen Äußerungen ja auch schon zurückgenommen hat.

Die BRD leistete sich unter Konrad Adenauer eine rechte Hand namens Hans Globke, der an den Nürnberger Rassegesetzen mitgewirkt hatte, die den Holocaust begründeten; ein Bundeskanzler Kiesinger fand nicht nur den Vietnam-Krieg der USA gut, sondern auch den Führer, als dieser noch an den Endsieg glaubte.

Aber die "größte Beleidigung" für Paul Spiegel sind Möllemanns Äußerungen. Diese inquisitorische Bewertung, die sich mittlerweile ja gegen die ganze FDP richtet, gegen die Spiegel einen "Aufstand der Demokraten" anzetteln will, ist in meinen Augen unhaltbar.

Paul Spiegel verharmlost den Holocaust auf eine Weise, die alles andere als anständig ist, und käme ein solcher Satz vom gescholtenen Möllemann, er wäre wieder in den Schlagzeilen.

Mit dem eher peinlichen Aufspringen von CDU/SPD/"Bündnis 90/Die Grünen" auf den "Antisemitismus-Zug" wird der Holocaust tatsächlich nur noch für innenpolitische Zwecke mißbraucht, wie das Uri Avnery jüngst bemerkte.

Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung findet gar nicht mehr statt, "Antisemitismus" ist offenbar wirklich zum Todschlagsargument im Wahlkampf geworden, das selbst von BILD aufgegriffen wurde, um die FDP als unwählbar darzustellen: "Westerwelle nimmt Möllemanns antisemitische Zündeleien hin. Er nimmt in Kauf, daß eine Partei der Mitte mit dem Schüren von Judenfeindlichkeit Stimmen gewinnt. Und so lange er das tut, kann man seinen Verein nicht wählen."

Das ist, auch wenn ich die FDP so gar nicht mag, ein ungeheuerlicher Satz des Dr. Mathias Döpfner, für den dieser Schreibtischtäter geteert und gefedert werden sollte. Das ist kein politischer Kommentar mehr, sondern eben die "Moralkeule", die dereinst Martin Walser erfand.

MfG
tw_24
 
5. June 2002, 14:44   #17
jupp11
 
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Zitat:
Westerwelle nimmt Möllemanns antisemitische Zündeleien hin
...hehe, wohl doch nicht mehr. Hat er doch Möllemann und der NRW-FDP ein Ultimatum gestellt, Karsli aus der Partei zu entfernen, da ansonsten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Möllemann nicht mehr möglich sei.

Und eine solche Partei will wählbar sein??? :confused: :confused:

 
5. June 2002, 18:43   #18
tw_24
 
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Zitat:
Zitat von jupp11
...hehe, wohl doch nicht mehr. Hat er doch Möllemann und der NRW-FDP ein Ultimatum gestellt, Karsli aus der Partei zu entfernen, da ansonsten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Möllemann nicht mehr möglich sei.
... und niemand weiß so recht, warum dieses Ultimatum kam, mit dem sich Westerwelle in meinen Augen eigentlich selbst widerspricht, nachdem er in den vergangenen Tagen so vehement für die FDP gestritten hat. Jamal Karsli jedenfalls fiel nicht durch neuerliche Entgleisungen auf, Möllemann auch nicht - warum also dieses Ultimatum?

Zitat:
Zitat von jupp11
Und eine solche Partei will wählbar sein???
Nun ist sie das irgendwie nicht mehr.

MfG
tw_24
 
5. June 2002, 20:40   #19
quentin
 
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Du solltest dir mal die Frage stellen, warum sich mit allen Wassern gewaschene machtgeile Politiker sich so instrumentalisieren lassen. Die wissen doch, dass sie sich mit der bedingungslosen Arschkriecherei in den Zentralrat selbst ein gewaltiges Problem einhandeln. Irgendwann haben alle die Bevormundung satt und ich erlebe das seit ich denken kann.
Friedman, ein CDU - Mitglied ist in dieser Partei trotz Globke, trotz Kiesinger und ich habe noch kein Wort über Adenauer gehört, der die beiden gefördert hat.
Hab das Sonntag auch gesehen, in allen Bewertungen gebe ich dir Recht, hab's mir auch noch mal angeschaut.
Westerwelle wird gerade von seinen Parteifreunden, von der Presse unter der Regie von Friedman sturmreif geschossen. NRW ist nur mit Abstand der größte Verband.
Friedman hätte 100 gute Gründe finden können, berechtigt auf die Strasse zu gehen, Urteile gegen Glatzen scharf zu kritisieren etc.etc. aber wen nimmt er?; Möllemann der einen Kriegsverbrecher verurteilt.
@jupp, hehehe?? Ich glaube, das wird noch nachbeben und wenn es Jahre dauert.
Bevor ich Müntefering wähle und seinen Volksschulgrößenwahn, wähle ich FTP oder Gysi, falls ich überhaupt gehe.
Bisher immer SPD, das ist vorbei.

mfg
 
24. June 2002, 19:54   #20
tw_24
 
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Justiz stellt Ermittlungen gegen Möllemann ein

Nordrhein-Westfalens FDP-Chef Jürgen Möllemann, der seiner Partei die Antisemitismus-Debatte der vergangenen Wochen eingebrockt hat, bleibt Ärger mit der Berliner Justiz erspart. Für eine Klage von Grünen-Chefin Claudia Roth wegen Volksverhetzung sieht der Staatsanwalt keinen "zureichenden Tatverdacht".

Berlin/Düsseldorf - Die Berliner Justiz stellte ihre Ermittlungen gegen FDP-Vize Jürgen Möllemann im Zusammenhang mit Äußerungen in der Antisemitismus-Debatte ein. Claudia Roth hatte Möllemann wegen Volksverhetzung und Beleidigung des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, angezeigt.
Im Streit mit dem Zentralrat der Juden hatte Möllemann Mitte Mai gesagt, er fürchte, "dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt, die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art". Möllemanns Anwältin Annette Marbert-Kubicki warf Roth vor, sie habe wider besseres Wissen versucht, die Justiz für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutsc...202439,00.html
 
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