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15. November 2006, 22:05   #1
Ben-99
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Wolf Biermann – Deutschlands einflußreichster Dichter, wird heute 70 Jahre alt.

... aus aktuellem Anlaß habe ich mir heute noch mal die Scheibe angehört, mit der alles begann: Sein 1968 (nur im Westen) erschienenes erstes eigenes Album "Chausseestraße 131". Seine Ausbürgerung 8 Jahre später und die lauten Proteste dagegen von vielen namhaften Künstlern gelten heute als der Anfang vom Ende der DDR.

Warum das Album des schon damals "verbotenen" Dichters und Liedermachers einerseits heimlich, andererseits bei offenem Fenster in seiner Wohnung in der Berliner Chausseestraße aufgenommen wurde – übrigens auf einem "Grundig"-Amateur-Tonbandgerät - erfahrt Ihr in der angehängten "Anmerkung" von Wolf Biermann aus dem Booklet der 1996 bei "2001" erschienenen CD. Es hing tatsächlich mit dem "Sennheiser"-Profi-Mikrofon zusammen, das seine damals in Hamburg lebende Mutter unter ihrem Rock über die deutsch-deutsche Grenze schmuggelte ;-)

Leider steht der heute 70jährige nicht mehr zu den meisten seiner damaligen Texte. Er hat inzwischen auch keine Probleme damit, auf der Gehaltsliste des Springer-Verlags ("Die Welt") zu stehen, gibt heute sogar der "Bild"-Zeitung Interviews und erträgt das schleimige, geheuchelte Lob eines Franz-Josef Wagner. Neuerdings sieht er sogar Israel als seine wahre Heimat und stellt in letzter Zeit in bezug auf seinen Vater immer besonders heraus, daß er Jude war, wobei er früher immer nur betonte, daß der im KZ ermordete Hamburger Werft-Arbeiter überzeugter Kommunist war. Wolf Biermann hatte sich leider auch 1991 als Befürworter des vorletzten Angriffskriegs auf den Irak geoutet.

Bei jedem anderen hätte ich längst den Daumen gesenkt, ihn vielleicht sogar als "Wendehals" verspottet. Das mache ich bei Wolf Biermann nicht, weil ich viel zuviel Respekt vor diesem Allround-Literaten habe. Ich kenne kaum jemand, der so charismatisch und wortgewaltig mit der deutschen Sprache umgehen kann. Und das gilt nicht nur für seine meist vorzüglichen Songs und Gedichte, sondern er ist auch einer der besten deutschen Erzähler. Wer in den 90er Jahren seine Aufsätze im "Spiegel" gelesen hat, wird das sicherlich bestätigen. Ich hatte damals gedacht: Die meisten "Spiegel"-Redakteure werden jetzt sicherlich neidisch sein, weil jeder ahnt, daß keiner von ihnen besser schreiben kann.

Es ging vor allem um seine Emotionen beim Lesen der Stasi-Akten, als er nicht wußte, ob er lachen oder weinen sollte bei der Lektüre. Denn kein anderer Bürger der DDR ist so intensiv von so vielen Spitzeln überwacht und denunziert worden. So erfuhr er dann, wer seine damaligen "Freunde" in Wirklichkeit waren und daß man in den Akten nachlesen kann, daß er irgendwann vor über 30 Jahren an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit exakt soundso lange Geschlechtsverkehr mit Frau X hatte. Die DDR war in dieser Hinsicht ein Drecksstaat. Und nicht mal in der Nazi-Zeit hatten so viel freiwillige Spitzel dabei geholfen, die Nachbarn zu verraten wie in Mielkes dunkeldeutschem Stasi-Land.

Nein, per Saldo ist Wolf Biermann schon okay. Und da er immer für Überraschungen gut ist und sein Gehirn auch noch mit 70 hervorragend funktioniert, kann es gut sein, daß er irgendwann doch wieder zu seinen "linken" Wurzeln zurückkehrt. Und wenn nicht, behaupte ich dennoch trotzig, daß er zu den besten und wichtigsten deutschen Dichtern des 20. Jahrhunderts gehört. Und der "einflußreichste", wie ich in der Überschrift formuliert habe, war er sowieso: Denn nicht mal Goethe, Schiller oder Heine haben es geschafft, allein durch Dichter-Worte einen Unrecht-Staat in die Knie zu zwingen und ihn am Ende zu besiegen. Wolf Biermann, der Hamburger aus kleinen Verhältnissen, der sich damals an der deutsch-deutschen Grenze für den umgekehrten Weg entschied, kann mit Recht stolz auf sein Lebenswerk sein.

Gruß Ben

Zitat:
Diese Lieder erschienen 1968 auf meiner ersten eigenen Platte. Der Covertitel sollte sagen: Dieser Biermann ist zwar im Osten verboten - deshalb erscheint seine Platte ja auch ohne DDR-Genehmigung im Westen - aber er spielt kein Versteck, er hat Namen und Adresse mitten in Berlin, für Freund und Feind leicht zu finden.

Da ich als „Staatlich anerkannter Staatsfeind" kein Tonstudio mieten konnte, blieb mir „nichts-walter-ulbricht" - ich mußte die Lieder zuhaus in meinem Zimmer auf Band singen. Freunde aus dem Westen hatten mir ein Tonbandgerät für gehobene Laien von GRUNDIG rübergeschmuggelt. Meine Mutter Emma brachte mir dazu ein super-professionelles Kondensator-Mikrophon von Sennheiser unter dem Rock mit, als sie mal wieder durch die Kontrollen im „Tränenpalast" am Bahnhof Friedrichstraße aus Westberlin zu Besuch kam.

Dieses Mikrophon hatte einen Fehler, es war einfach zu gut: höchstempfindlich und es hatte eine Kugelcharakteristik, das bedeutet: dieses Mikro registrierte nicht nur das Husten einer Fliege, sondern auch alle Geräusche von draußen, das Quietschen der Straßenbahnen in der Kurve an der Kreuzung unterm Fenster. Jeder verdammte Lastwagen ratterte mir mitten durchs Lied, jedes Kindergeschrei kam mit aufs Band, jedes Hundegebell aus der Hannoverschen Straße.

Es war zum Verrücktwerden. Wir verhängten also die hohen Fenster dreifach mit Wolldecken. Nun allerdings nervte die Sorge, irgendwelche Spitzel könnten von der Straße aus beobachten, daß Biermann die Fenster verdächtig verhängt... Wir warteten mit den Aufnahmen aufs ruhige Wochenende. (In der stilleren Nacht geriet die Singerei zur Gitarre für die Nachbarn im Mietshaus zu ruhestörendem Lärm.) Alles nützte nichts, die Geräuschkulisse war nicht wegzukriegen.

So fand ich endlich die eleganteste Lösung für dieses unlösbare Problem: Ich riß bei den Aufnahmen die Fenster auf und sagte mir: Ok! dann müssen die Autos und Bahnen, dann sollen eben die Köter und Kinder meine Musikanten sein, dann spielen sie alle mit - und fertig!

So kreierten wir den unverwechselbaren Chausseestraßen-Sound, der ja grade deshalb so schön wurde, weil er keine gekünschtelte Masche war, sondern authentischer Ausdruck.

Wolf Biermann, Altana 1996
 
10. January 2007, 21:11   #2
Ben-99
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... es ist nicht nur für Berlin hochnotpeinlich, sondern auch für jeden Demokraten sehr traurig miterleben zu müssen, wie jämmerlich der in Kulturfragen schon immer besonders "kompetente" Bürgermeister Wowereit und andere Vertreter der Berliner Regierungsparteien derzeit mit aller Macht verhindern wollen, daß Wolf Biermann Ehrenbürger der deutschen Hauptstadt wird.

Mit den Artikeln des "Spiegel"-Autors und (ehemaligen) Angie-Fans Claus Christian Malzahn habe ich oft Probleme. Diesmal allerdings stimme ich ihm ohne Wenn und Aber zu:

Zitat:
Wolf Biermann gilt als der deutscheste aller deutschen Dichter (...) Biermanns Leben ist an diese deutschen Daten geheftet wie eine zweite Haut. Die Idee, ihm in der deutschen Hauptstadt die Ehrenbürgerwürde anzutragen, erscheint da nur logisch. Biermann hat in Berlin gelebt und gewirkt - nur Tucholsky und Brecht haben zuvor ähnlich große politpoetische Bugwellen an der Spree entfachen können.

(...)

Seit Monaten wird in den Reihen der Koalitionsparteien nach den absurdesten Argumenten gesucht, um Biermanns Ehrung zu verhindern.

(...)

In Wahrheit betreibt aber die SPD taktische Spielchen. Denn mit ihrer distanzierten Haltung will sie vor allem ihren Koalitionspartner schützen, der einen öffentlichen Auftritt Biermanns in Berlin anlässlich der Annahme der Ehrenbürgerschaft ungefähr so fürchtet wie weiland Honecker eine Rede von Bärbel Bohley auf dem Alexanderplatz.

(...)

Biermanns melancholische Verse über den Preußischen Ikarus, über die Zerrissenheit von Stadt, Land, Mensch gehören in jedes Schulbuch. Seine Überzeugungen liegen quer zu allen etablierten Programmen der Hauptstadt; schon deshalb kann er politisch gar nicht vereinnahmt werden. Aber der Unwille der amtierenden Regierungsparteien, Biermann zu ehren, adelt den 70-Jährigen auch. Die Stadt Düsseldorf brauchte fast 200 Jahre, bis die Universität den Namen des Düsseldorfers Heinrich Heine tragen konnte. Heines Urenkel im Geiste Biermann braucht die Ehrenbürgerwürde nicht. Berlin aber braucht Biermann, um sich seiner rasenden Geschichte bewusst zu werden. Seine Lieder, Gedichte und Balladen werden jedenfalls auch dann noch gelesen werden, wenn der rot-rote Senat in Berlin nur noch als Fußnote der Nachwendezeit auftaucht.

Und Klaus Wowereit? Hatte der nicht die Love-Parade erfunden?

Biermann und Berlin: Angst vor Ikarus
Gruß Ben
 
11. January 2007, 10:07   #3
jupp11
 
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Ich habs mit dem heutigen Biermann nicht so sehr wie du Ben.

Allerdings muss ich zugestehen, dass es einfacher ist, sich in einem totalitären Staat mit einigen Liedern und einer gehörigen Portion Sturheit Aufmerksamkeit zu verschaffen, als in unserer, von Verlockungen strotzenden, Gesellschaft.

Dafür gibts auch noch ein Beispiel: Manfred Krug, der sich nach einer Karriere in der DDR (Spur der Steine), quasi mit der Übersiedelung in den Westen als reichlich angepasst (insbesondere bei Gehaltsverhandlungen), gezeigt hat.

Was die Ehrenbürgerschaften Berlins angeht, so ist dieser Link ganz interessant.

Berliner Ehrungen: Berliner Ehrenbürger, alle Personen ABC...

Insbesondere die Durchgestrichenen *gg


tschao

jupp11
 
11. January 2007, 11:44   #4
Bandwurm
Erde, Wind & Feuer
 
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Schöner Link Jupp.

Zitat:
Hitler, Adolf
* 20.04.1889 Braunau am Inn (Österreich-Ungarn)
† 30.04.1945 Berlin
Politiker, Anhänger der NS-Bewegung
Anhänger?
Hitler, Adolf - Gedächtnis Berlin
 
11. January 2007, 14:33   #5
Ben-99
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... und was sollen solche Listen nun "beweisen"? Daß Berlin auch mal eine Zeitlang die Hauptstadt des faschistischen Deutschland war? Die liebevoll in Stein gemeißelten Hakenkreuze an den Häusern und Grabsteinen Eurer Urgroßeltern wurden später auch wieder nicht nur "durchgestrichen", sondern sorgsam abgekratzt.

Hat aber zum Glück alles nur wenig bzw. überhaupt nichts mit Wolf Biermann zu tun.

Gruß Ben
 
11. January 2007, 14:41   #6
Sacki
Dummschwätzer
 
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Wäre Biermann schwul und würde ab und an ein paar Feten schmeißen zu denen er auch unseren smarten Regierenden "Wowereit" einladen würde, hätte man ihm schon längst diese Ehrenbürgerschaft verliehen.

Vielleicht wird Wowereit ja demnächst Hape Kerkeling für diese Ehre vorschlagen, der ja zusammen mit seinem Lebenspartner seinen Haupt-Wohnsitz nach Berlin-Wilmersdorf verlegt hat, ganze 4 Häuserblocks von Wowi entfernt...

Wenn ich mir dem Link von Jupp mal anschaue dann suche ich in der Liste einige Menschen vergebens, z.B. John F. Kennedy, dem man heute noch wegen seines "Ich bin ein Berliner" anhimmelt, auch wenn diese Aussage völlig aus dem Zusammenhang gerissen und somit bis heute völlig falsch interpretiert wird.

Aber dafür ist der Vater eines Kriegstreibers Ehrenbürger Berlins: Papa Bush.
 
11. January 2007, 17:38   #7
jupp11
 
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So eine Liste belegt eigentlich nur, welch zweifelhafte Ehre es ist, in diesen Verein aufgenommen zu werden.

Die Stadt war immer Spielball der aktuell Regierenden.

Und sie hat sich immer schwergetan, Regimekritiker zu nominieren.

tschao

jupp11
 
16. January 2007, 19:12   #8
Sacki
Dummschwätzer
 
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Nun hat der Partylöwe und "feiernde Bürgermeister" Wowereit doch eine Schlappe erlitten: Biermann wird Ehrenbürger Berlins.
Schmierig wie Wowereit ist, heuchelte er nach dieser Entscheidung seine Freude über diese Entscheidung in die Mikrophone. Und das, nachdem er im Vorfeld vehement gegen die Ehrenbürgerschaft Biermans zu Felde gerückt war.

Erst gestern war ich wieder einem Würgereiz nahe, als in einem Filmbericht gezeigt wurde, wie schleimig Herr Wowereit Karl Lagerfeld hofierte, als dieser in Berlin eine Ausstellung eröffnete.
Lagerfeld war diese Anbiederei sichtlich äußerst peinlich.

Mein Vorschlag; steckt diesen Laiendarsteller für ein Jahr ins Big Brother Haus, denn da paßt er hin.
 
17. January 2007, 12:31   #9
tw_24
 
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Zitat:
Zitat von Sacki
Aber dafür ist der Vater eines Kriegstreibers Ehrenbürger Berlins: Papa Bush. [..] Wenn ich mir dem Link von Jupp mal anschaue dann suche ich in der Liste einige Menschen vergebens, z.B. John F. Kennedy
... über den die Wikipedia berichtet:
Zitat:
Für den neuen US-Präsidenten John F. Kennedy waren die Verwicklungen in Südostasien von großer Bedeutung, da sie über die „Glaubwürdigkeit“ der USA entschieden. Auch Kennedy wollte in Vietnam keine „Niederlage“ zulassen und so setzte er auf eine massive Aufstockung der Mittel für die ARVN, die Entsendung der Eliteeinheit Green Berets und die Verwendung von Napalm.
Und den wünschst Du Dir zum Ehrenbürger? Good to know. Und nun rätseln wir mal, von welchem Kriegstreiber diese schöne Erkenntnis stammt ;-):
Zitat:
Rein ökonomisch ist das wiedervereinigte Deutschland ein erwachsener erfolgreicher Mann, militärisch ein halbstarker Schwächling, der sich als Sanitäter und Aufbauhelfer in Krisenregionen schicken läßt. Aber weltpolitisch wollen die Kinder der Nazigeneration partout nicht runter vom Schaukelpferd einer selbstverschuldeten Unmündigkeit. Dieses Sich-aus-allem-Heraushalten, diese scheuschlaue, lebensdumme Tatenlosigkeit im Streit der Welt ist in der praktischen Auswirkung ein Tun, will sagen: folgenschweres Lassen. [..] Ich bin sogar der Meinung, daß der französische Präsident Chirac und sein kleiner deutscher Kumpel, der falsche Pazifist und Bundeskanzler Schröder, eine große Mitschuld am Irakkrieg der Amerikaner und Briten gegen das Terror-Regime von Saddam Hussein haben. Der Krieg vor drei Jahren hätte womöglich vermieden werden können, weil der Diktator abgetreten wäre, hätte der Westen mit einer Zunge gesprochen, mit einer Faust gedroht.
Das dürfte die Schwierigkeiten der roten und rosaroten nationalen Sozialisten mit Wolf Biermann erklären.

MfG
tw_24
 
17. January 2007, 19:23   #10
Ben-99
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... kein Mensch, auch nicht der beste Denker und Dichter, ist rundum perfekt. Und nur, weil sich Biermann bedauerlicherweise für den Irak-Krieg ausgesprochen hat, würde ich ihn nicht gleich "Kriegstreiber" nennen. Heine und Tucholsky waren ja auch keine "Antisemiten", nur weil sie hin und wieder auch Kritik gegen Juden geäußert haben. Denn Gott sei Dank war ihnen nichts auf dieser Welt "heilig".

Freu' Dich also nicht zu früh. Denn gerade Wolf Biermann würde sich ganz bestimmt nicht vom blinden Jubel-Amerikanismus und dem naiv-romantischen Israel-Kult der "Antideutschen" vereinnahmen lassen. Außerdem bin ich mir sicher, daß er seine Pro-Irakkrieg-Haltung schon in absehbarer Zeit als Fehler bedauern wird.

Gerade die angeblichen "Hinrichtungen" werden manchen der letzten Bush-Befürworter die Augen geöffnet haben. Denn in Wirklichkeit wurde Saddam von den Amerikanern an ein Lynch-Kommando ausgeliefert. Und die sogenannte "Panne" bei der bestialischen Tötung seines Halbbruders, als diesem der Kopf abgerissen wurde, zeigt einmal mehr, wie weit dieses kaputte, bluttriefende Land von einer Demokratie entfernt ist, nachdem Bush Hunderttausende Zivilisten auf dem Gewissen hat. Allein im letzten Monat starben in dem von den USA besetzten Bürgerkriegsland 34.000 Iraker.

Gruß Ben
 
17. January 2007, 19:30   #11
Bandwurm
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34’452 im ganzen Jahr 2006 Ben:
Mehr als 34'000 Zivilpersonen in Irak getötet (International, NZZ Online)
35.000 Zivilisten im Irak 2006 getötet | Nahost | Deutsche Welle | 16.01.2007
 
17. January 2007, 19:42   #12
Ben-99
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... jo, sorry, da habe ich mich leider vertippselt:

Zitat:
Im vergangenen Jahr wurden mehr als 34.000 Zivilisten getötet. Weitere 36.000 Menschen seien verletzt worden, schreibt die Uno in ihrem Bericht. Das sind rein rechnerisch 100 Tote pro Tag.

Allein in den beiden Monaten November und Dezember seien 6367 Menschen getötet und mindestens 6875 verletzt worden. Als besonders ernst wird in dem Bericht die Lage in Bagdad bezeichnet. Die meisten Leichen der dort getöteten Menschen wiesen auch Zeichen von Folter auf, hieß es. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte im Irak, Gianni Magazzeni, warf der irakischen Regierung vor, nicht genug für den Schutz der Menschen zu tun und die Täter nicht entschlossen genug zu verfolgen.

34.000 tote Zivilisten im Irak in einem Jahr | tagesschau.de
Gruß Ben
 
17. January 2007, 20:11   #13
tw_24
 
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Und die nicht ganz 34.500 Menschen, die ausgerechnet die Deutsche Welle so überaus großzügig aufrundet, wurden getötet - durch wen?

[Nachtrag]
Die Erfolgsmeldungen aus dem Irak schaffen es freilich nicht in die Medien: Job Openings
Und wenn ich mir anschaue, was Michelle Malkin aus Bagdad berichtet, ist die Lage nichtmal dort überall so düster wie die Zahlen vielleicht nahelegen sollen: Hot Air » Blog Archive » Hot Air TV in Baghdad

MfG
tw_24
 
17. January 2007, 20:18   #14
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... "durch wen?" Durch eine rücksichtslose, imperialistische Großmacht, die sich als Weltpolizist aufspielt, souveräne Staaten überfällt, die Bevölkerung bombardiert, Gefangene foltert und durch die Besatzung einen verhängnisvollen Bürgerkrieg ausgelöst hat.

Gruß Ben
 
17. January 2007, 20:25   #15
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Das mußt Du genauer ausführen: Wen Land A zusammen mit gut 30 weiteren in Land B, das seit drei Jahrzehnten von einem nazistischen Despoten regiert wird, der die Vereinten Nationen jahrelang vorführte, einmarschiert, den Diktator in ein Erdloch jagt, dann gehen die Befreiten aufeinander los? Und das ist dann eben Land A anzulasten?

MfG
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17. January 2007, 22:01   #16
Ben-99
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... verabschiede Dich doch mal endlich von Deiner naiven Vorstellung, ein Land wie die USA, das zum Beispiel dem faschistischen Schlächter Pinochet als Steigbügelhalter diente und zu der Zeit mit Saddam befreundet war, als er Tausende kurdische Landsleute vergasen ließ, würde einen Krieg gegen den Irak aus "humanitären" Gründen führen, um die Menschen zu "befreien". Natürlich ging es auch diesmal wieder um ureigene amerikanische (Wirtschafts-) Interessen.

Was Bush dort wirklich angerichtet hat, beschrieb schon im vergangen Oktober der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, in einem Interview mit tagesschau.de. Auszüge:

Zitat:
Allein im Juli und August 2006 wurden die Leichen von 6500 Personen gefunden, die entführt und oft sehr schwer gefoltert wurden - das sind mehr als 100 Personen pro Tag. Ich habe an diesem Bericht insofern mitgewirkt, als ich verschiedenste Opfer und Nichtregierungsorganisationen befragt habe. Viele von ihnen haben mir glaubhaft berichtet, dass ihrer Meinung nach die Situation jetzt schlechter ist als unter Saddam Hussein.

Unter seiner Diktatur war die Folter auch ganz furchtbar, aber man konnte zumindest noch einschätzen, wer Angst haben musste, gefoltert zu werden. Heute hingegen ist die Sicherheitslage so sehr außer Kontrolle, dass letztlich jeder Mensch Opfer von Entführungen, willkürlichen Hinrichtungen und schrecklichsten Foltermethoden werden kann: Den Menschen werden Gliedmaßen amputiert, Finger fehlen, Augen werden ausgestochen.

(...)

Seit dem Folter-Skandal von Abu Ghraib hat sich sehr viel im Bewusstsein geändert. Trotzdem gibt es immer noch vereinzelte Vorwürfe von Misshandlungen - allerdings ungleich weniger. Viele Iraker haben uns sogar gesagt, sie hätten Angst, von einem Gefängnis der multinationalen Streitkräfte in ein staatliches Gefängnis überstellt zu werden - weil dort die Situation viel ernster sei. Es gibt immer wieder Hinweise, dass der Staat - insbesondere das irakische Innenministerium, in geringerem Ausmaß auch das Verteidigungsministerium - in der Haft Foltermethoden anwendet.

(...)

Die irakischen Gerichte stehen diesem Ausmaß an Gewalt hilflos gegenüber. Ich habe Hochachtung vor allen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, die versuchen, Ruhe und Ordnung herzustellen und für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen. Das ist äußerst gefährlich, denn man wird deswegen selbst sehr schnell Opfer eines Anschlags.

(...)

Wenn ich mir ansehe, dass in zwei Monaten 6500 letztlich unbeteiligte Menschen sterben, es völlig unklar wird, wer gegen wen kämpft und die staatlichen Strukturen ohnmächtig daneben stehen - dann würde ich das als Bürgerkrieg bezeichnen. Natürlich haben die Vereinigten Staaten ein sehr starkes Interesse daran, zu glauben, dass ihre Mission irgendwann einmal zu einem friedlichen und demokratischen Irak führen wird. Nur führen uns die Fakten leider in die entgegengesetzte Richtung.

UN-Beauftragter: "Jeder kann Opfer von Folter werden" | tagesschau.de
Gruß Ben
 
18. January 2007, 08:47   #17
Ben-99
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... ich wundere mich immer wieder, für wie dumm Du die Leute hältst, wenn Du scheinheilig fragst, was denn die Amerikaner mit dem blutigen Bürgerkrieg im Irak zu tun haben sollen.

Dabei gehört seit langem zur Tradition der imperialistischen US-Außenpolitik, daß man in einem Land, das man kontrollieren oder gar ausbeuten will, eine Marionetten-Regierung installiert. Dabei darf es auch gern mal ein grausamer Diktator sein. Pinochet, der mit Unterstützung der CIA in Chile den demokratisch gewählten Allende in den Tod trieb, hatte ich ja schon erwähnt. In Kuba war es die Marionette Batista und in Nicaragua der Diktator Somoza – beide hingen an den Fäden des großen Puppenspielers USA – und es wurden immer dieselben blutigen Stücke aufgeführt.

Heute abend zeigt "Das Vierte" übrigens wieder mal die vor 20 Jahren gedrehte Satire "Walker". TV-Spielfim schreibt dazu:

Zitat:
Die böse Farce von Alex Cox („Repo Man“) über den Expansionsdrang der USA spielte 1987 auch auf die jüngere US-Politik an. Die CIA hatte 1967 in Nicaragua den Diktator Somoza als Präsidenten installiert und damit einen neuen Bürgerkrieg provoziert

Walker
Gruß Ben
 
18. January 2007, 09:14   #18
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Recht hat er, der "Sonderberichterstatter" der Vereinten Nationen, die nichts unternahmen, den Völkermord an Kurden und - mindestens ab März 1991 - Schiiten zu verhindern, den Saddam Hussein betrieb, wenn er meint, "man konnte zumindest noch einschätzen, wer Angst haben musste, gefoltert zu werden". Das war schlicht - jeder. Kurden wurden dank deutscher Hilfe vergast und sowieso rassistisch verfolgt, weil sie Kurden waren - und daran, also am Kurdisch-Sein, konnten sie selbst durch Wohlverhalten nichts ändern -, Schiiten massenweise umgelegt, weil sie dem Bath-Faschismus als Schiiten galten, und selbst die eigene Familie verschonte Saddam Hussein nicht, noch weniger die, die ihm in der Bath-Bewegung gefährlich werden konnten. Auf dieser Angst, die jeder haben mußte, beruhte am Ende ja gerade die Macht Saddam Husseins.

Das ist eigentlich einfachste Totalitarismus-Theorie in der Praxis; hochbezahlte "Berichterstatter" heißen denn aber wohl so, weil sie berichten können, jedoch nicht analysieren. Was will einer wie dieser Manfred Nowak etwa dem kurdischen Jungen Taimour sagen, den Kanan Makiya in Cruelty and Silence als Überlebenden eines Massakers an den Einwohnern mehrerer kurdischer Ortschaften zu Wort kommen läßt, wenn er meint, "man konnte zumindest noch einschätzen, wer Angst haben musste, gefoltert zu werden"? Dein Verbrechen war es, Kurde zu sein? Deine Eltern hätten halt aufpassen müssen, als sie Dich zeugten, sie wußten doch, "wer Angst haben mußte, gefoltert zu werden"? Wahrlich, solche Lobpreisungen Saddam Husseins zeugen einmal mehr davon, wie überflüssig und menschenverachtend Vereine wie die UNO sind und all die, deren ganze Dummheit in fünf Worte zu fassen ist: War is not the answer.

Wolf Biermann hat das begriffen, ein paar seiner Anhänger offensichtlich nicht.

MfG
tw_24
 
18. January 2007, 11:35   #19
Ben-99
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... okay, ich hätte es wissen sollen, daß wieder die Standard-Antwort von Dir kommt: Denn jeder, der Bushs Irak-Politik kritisiert, hat natürlich "keine Ahnung " – was vor allem die Uno-Mitarbeiter betrifft. Die beurteilen die Lage zwar vor Ort, aber von den idyllischen "Bahamas" aus hat man als Antideutscher natürlich einen viel besseren Überblick ;-)

Tja, dann zähle ich mal auf, wer inzwischen noch alles "keine Ahnung" hat: Da wäre erstmal das US-Militär, dessen Generäle vor einer Truppen-Ausweitung abgeraten haben, ebenso wie enge Berater des Präsidenten, die Abgeordneten der Demokraten, die meisten Leitartikler der seriösen US-Zeitungen und nicht zu vergessen die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Bürger. Mit anderen Worten: "Euer" durchgeknallter "Held" steht mittlerweile einsam und allein da, und man berät derweil unter den Kongreßabgeordneten, wie man den offensichtlich schwer gestörten Mann mit legalen Mitteln stoppen kann, indem man Bush zum Beispiel den Geldhahn für die Ausweitung seiner idiotischen Kriege abdreht.

Ach ja, da ist übrigens noch jemand, der bestimmt auch "keine Ahnung" hat. Aber es handelt sich ja auch "nur" um den früheren US-Botschafter in Deutschland, Richard Holbrooke:

Zitat:
Bush werde "ohne Zweifel" als der Kriegspräsident in die Geschichte eingehen. Bush habe "das Land in zwei Kriege geschickt, von denen er keinen beenden wird. Dann haben wir ein riesiges Haushaltsdefizit und eine tief gespaltene Nation. Das ist eine furchtbare Hinterlassenschaft", sagte Holbrooke der "Berliner Zeitung".

Demokraten wollen mit Resolution Bush-Partei spalten
Zitat:
Zitat von tw_24

Wolf Biermann hat das begriffen, ein paar seiner Anhänger offensichtlich nicht.
Noch einmal: Ich kann Dir nur dringend davon abraten, Wolf Biermann für Eure dumpfe antideutsche Propaganda zu instrumentalisieren. Zum einen, weil er kein politisch-philosophisches Leichtgewicht ist wie Euer ulkiges Maskottchen Henryk M. Broder, zum anderen aber auch, weil ihm jeglicher Applaus von der falschen Seite zuwider ist. Auch das macht seine Größe aus - und daß er noch nie Probleme damit hatte, frühere Fehleinschätzungen freimütig einzugestehen, was er möglicherweise auch schon bald in bezug auf den Überfall und die Besetzung des Iraks tun wird.

Ich bin übrigens auch kein "Anhänger" von Biermann, der sich als Dichter, der gern zwischen allen Stühlen sitzt, als "Guru" auch kaum eignen würde und schon deshalb auch nicht zur Ideologie der "Antideutschen" paßt, deren simples Weltbild nur aus den Farben Schwarz und Weiß besteht.

Was mich mal interessieren würde: Warst Du eigentlich auch schon vor '89 während Deiner Zeit als NVA-Soldat ein Fan des "Nestbeschmutzers" Wolf Biermann?

Gruß Ben
 
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