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4. September 2002, 09:03   #1
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Naher Osten: "Und jedes dieser Opfer ist eine Tragödie!" Oder: Wie glaubwürdig ist Ar

Als Ende Juli Michel Friedman den israelischen Staatspräsidenten Arial Scharon auf die ihm eigene Art zu interviewen versuchte, leitete er die Befragung noch mit den Worten ein: "Sehr geehrter Herr Ministerpräsident: keine Woche ohne terroristische Anschläge, keine Woche ohne Selbstmordanschläge."

Heute nun ist ein solcher Gesprächsbeginn schon Makulatur - seit mehr als zwei Wochen herrscht nämlich, was arabisch-fundamentalistische terroristische Aktivitäten angeht, Ruhe, während die Israelische Verteidigungsarmee (IDF) immer wieder dadurch auffällt, daß sie - natürlich irrtümlich - Zivilisten umlegt.

Auf das Bekanntwerden solcher "Unfälle" folgte in dieser Woche die Ankündigung, die "Vorfälle" würden strengstens untersucht, von Versuchen dagegen, eine Verhandlungslösung des mörderischen Konflikts herbeizuführen, war nichts zu vernehmen.

Dabei hatte Ariel Scharon bisher immer zur Bedingung für Verhandlungen gemacht, es müsse für mindestens sieben Tage Ruhe herrschen - es scheint, als versuche gegenwärtig die palästinensische Seite die Probe aufs Exempel zu machen.

Bei Friedman hatte Ariel Scharon - "weil ich zum deutschen Volk spreche" - erklärt: "Sie müssen wissen: sobald es ruhig ist, muß es ruhig bleiben." Gegenwärtig sieht es so aus, als wollte auch Ariel Scharon nichts weniger als Frieden - Frieden und Sicherheit sowohl für Israel, als auch für die Palästinenser. Das ist bedauerlich und zu verurteilen, zumal auf diese Weise die Glaubwürdigkeit der gegenwärtigen israelischen Regierung schweren Schaden nimmt. Und, schlimmer noch, fundamentalistische Terrorbanden könnten daraus schlußfolgern, daß der - wenn auch nur temporäre - Verzicht auf Gewalt an der Situation nichts ändert und deshalb wieder Selbstmord-Attentäter losschicken.

Interessant ist indes auch das Nichtverhalten deutscher wie europäischer Politiker. Nun, da die Gelegenheit bestünde, Ariel Scharon an sein Versprechen, es müsse sieben Tage "Ruhe" herrschen, bevor Verhandlungen beginnen könnten, zu erinnern, schweigen sie so betreten wie die Regierung Scharon.

Bei dieser verwundert das weniger, die Wortlosigkeit der sich sonst so lautstark für eine Konfliktbeilegung auf dem Verhandlungsweg einsetzenden Deutsch-Europäer muß nachdenklich stimmen. Es wäre zwar verfrüht anzunehmen, eine friedliche Lösung stünde unmittelbar bevor, doch gerade das Ausbleiben diplomatischer Aktionen der Deutsch-Europäer macht deutlich, daß der Konflikt zwischen Arabern und Israel von ihnen auch nur instrumentalisiert wird, um - in eben jener Region, die "Naher Osten" genannt wird - nicht an Einfluß zu verlieren.

Würde es nämlich zwischen Israel und Palästinensern zu einem etwas entspannteren Verhältnis kommen, wäre ein us-amerikanischer Militärschlag gegen das Regime des Massenmörders Saddam Hussein vermutlich noch wahrscheinlicher, in dessen Gefolge - einen us-amerikanischen Erfolg freilich vorausgesetzt - Deutsch-Europa, das mit den Nachbarstaaten des Irak beste wirtschaftliche Beziehungen unterhält, mit denen der Irak wiederum über Freihandelsabkommen längst das UN-Embargo umgeht, an Einfluß in der Region verlieren würde, während jener der USA sich vergrößern würde.

Die Aufrechterhaltung des Konflikts zwischen Israel und dessen Kolonialbevölkerung liegt also im Interesse Deutsch-Europas - wie es einst den Irak mit Giftgas hochrüstete, profitiert es heute vom privaten Terrorismus einerseits wie dem der IDF.

So lange nämlich arabische Zivilisten "versehentlich" getötet werden und der arabisch-fundamentalistische Terror in Israel für Unruhe und tote Juden sorgt, ist Saddam Hussein, an dessen Seite sie nun alle stehen wollen, vergleichsweise sicher - und damit ist der deutsch-europäische Einfluß garantiert.

MfG
tw_24
 
4. September 2002, 22:30   #2
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
das würde bedeuten, das Sharon außerhalb des Militärs eine gewisse Intelligenz hätte. Das bestreite ich aber. Ich glaube, dass unsere Schwachköppe das gar nicht verfolgen und solange es keine Zeitung in Deutschland wagt, auf diesen Umstand hinzuweisen, bekommen die doch nichts mit.
tw, du setzt Intelligenz bei deutschen Politikern voraus. Haben die nicht. Hat auch Bush nicht, aber der hat Berater, die Klug sind und nicht aus dem Sauerland kommen.
Ich sehe da keinen Zusammenhang, da mir die Akteure einfach zu dumm erscheinen, eine solche Finesse auszubrüten.

mfg
 
10. September 2002, 16:40   #3
TheRebell
 
Benutzerbild von TheRebell
 
Registriert seit: August 2001
Ort: Doofland
Beiträge: 109
ob Israel oder Palestina!
Krieg ist immer falsch!
Ich muss aber Palestina in schutz nehmen!
Síe gehen zwar auch einen falschen Weg!!
Aber man könnte sie fast schon verstehen! ich find es richtig das sie einen eigenen Staat fordern und da sie keine Armee haben sind die Selbstmordattentate der traurige aber einzige Weg mit dem sie sich wehren können!
Ariel Sharon ist einfach nur krank, statt sich um Frieden zu bemühen muss er die Situation zum eskalieren bringen!
Ich find es nur verwunderlich warum so viele Leute hinter Israel stehen! :confused:
 
21. November 2002, 11:20   #4
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
Ich hab den Thread mal wieder vorgekramt, weil ich vor ein paar Tagen einen Bericht im Fernsehen gesehen habe, der beschrieb, wie israelische Soldaten auf der Suche nach vermeintlichen oder echten Terroristen vorgehen.

Es war schon desilliusinierend zu sehen, wie ein französches Kulturzentrum und das damit verbundene Museum praktisch heimgesucht wurde.

Da werden nicht nur die Räume durchsucht, sonder systematisch Einrichtung, Computer oder Kunstgegenstände entweder geklaut oder unbrauchbar gemacht.

Für mich ist das ein Indiz dafür, dass die israelischen Soldaten auf sowas konditioniert werden. Und das schreibe ich Scharon und seiner Regierung zu. Wem sonst?
 
22. November 2002, 12:58   #5
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von jupp11
Für mich ist das ein Indiz dafür, dass die israelischen Soldaten auf sowas konditioniert werden. Und das schreibe ich Scharon und seiner Regierung zu. Wem sonst?
Irgendwer muß ja die Befehle geben, also ist in letzter Instanz natürlich Ariel Scharon verantwortlich für das, was die Israelische Verteidigungsarmee (IDF) anstellt. Und "konditioniert" werden Soldaten in aller Welt darauf, Befehle auszuführen und dabei möglichst wenig Skrupel zu haben.

Zitat:
Zitat von jupp11
Da werden nicht nur die Räume durchsucht, sonder systematisch Einrichtung, Computer oder Kunstgegenstände entweder geklaut oder unbrauchbar gemacht.
Gegen Soldaten, die sich an Diebstählen beteiligen, wird IDF-intern ermittelt, ob da freilich jeder Fall behandelt wird, wage ich zu bezweifeln. Es ist aber auch nicht so, daß Plünderungen erlaubt würden.

Sofern die Technik genutzt wurde, um terroristische Anschläge vorzubereiten, sollte sie besser als Beweismittel sichergestellt statt zerstört werden - "unbrauchbar" wäre sie dann ja auch. Allerdings hat die IDF leider gar nicht immer den Auftrag, quasi als 'Polizei-Ersatz' Beweise zu sammeln - Soldaten sind keine Polizisten.

Und das ist sicher ein Teil des Problems, nicht aber das Problem. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat als polizeiliche Ordnungsmacht versagt, obwohl sie einst durchaus gut ausgerüstet war - heute ist sie weitgehend machtlos, weil die IDF nicht zu Unrecht ihre Infrastruktur zerstört(e). An die Stelle der PA traten die IDF, und in den unbesetzten Autonomiegebieten herrscht ein weitgehendes Machtvakuum, das fundamentalistische Gruppen nutzen, um Kanonenfutter zu rekrutieren.

Das geschieht nicht immer offen, sondern in irgendwelchen Hinterzimmern und -höfen, im Zweifelsfall mitten in Wohnhäusern - und die kommen dann eben auf die Abschußliste der IDF, denn die übt ja "Vergeltung" - der Begriff wird auch offiziell benutzt und macht deutlich, daß es der Regierung Scharon in der Tat gar nicht so sehr um eine Deeskalation des Konflikts geht, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Gegenseite auch herzlich wenig Interesse daran hat, mit Israel zu verhandeln.

Vor diesem Hintergrund bleibt der israelischen Administration beinahe gar nichts anderes übrig, als sich auf die Logik der gewalttätigen Vergeltung einzulassen, selbst wenn jeder vernunftbegabte Mensch weiß, daß damit überhaupt kein Problem gelöst werden kann, sondern der Konflikt nur noch verschärft und Leid auf beiden Seiten vermehrt wird.

Doch was bleibt der israelischen Regierung anderes übrig? Einen Selbstmordattentäter, der sich in die Luft befördert hat, kann man nicht mehr bestrafen, und dessen Auftraggeber sind ja auch keine regulären Soldaten, sondern 'normale' Zivilisten mit Familie, die ein 'normales' Leben führen und zivile Infrastruktur nutzen, sofern sie noch vorhanden ist.

Für diesen Gegner ist eine Armee wirklich nicht geschaffen, aber irgendwie kann man ihn, den Gegner, auch nicht gewähren lassen, denn der stellt eine existenzielle Bedrohung der israelischen Gesellschaft dar - auch wenn der Terrorismus Israel nicht auslöschen kann, so läßt sich mit Terror doch eine ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, das Leben zur Hölle machen.

Im Gegenzug führt das dann natürlich wieder dazu, daß radikale Parolen populär werden, das Vorgehen der IDF teilweise sogar noch als zu zaghaft kritisiert wird und rechte Politiker sich größerer Beliebtheit erfreuen als eher gemäßigte. (Und innerhalb der israelischen Gesellschaft werden dann Palästinenser mit israelischem Paß eben auch mehr und mehr diskriminiert, was bei verschiedenfarbigen Auto-Kennzeichen beginnt und beim Verbot des Verkaufs städtischer Grundstücke an Palästinenser noch nicht aufhört.)

Die gegenwärtige Situation in Israel und Umland ist leider wie sie ist - und viel wird sich daran in der nächsten Zeit vermutlich kaum ändern, denn wer den ersten Schritt hin zu friedlicheren Zuständen macht, muß befürchten, damit schon verloren zu haben.

Gewalt und Gegengewalt ernähren sich gegenseitig, und das ist dann eine Folge:

Zitat:
Zitat von jupp11
Es war schon desilliusinierend zu sehen, wie ein französches Kulturzentrum und das damit verbundene Museum praktisch heimgesucht wurde.
Im April suchten palästinensische Terroristen die Geburtskirche in Bethlehem heim. Das war eine Aktion, über die man nur den Kopf schütteln kann. Doch das eine rechtfertigt das andere nicht wirklich, gehört aber dennoch zum Gesamtbild.

MfG
tw_24
 
5. January 2006, 20:22   #6
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
Zitat:
Zitat von jupp11 vor über 3 Jahren

Ich hab den Thread mal wieder vorgekramt
... ich auch *g*.

Obwohl die gegenwärtige Situation in Israel alles andere als "lustig" ist. Was man bei uns in Deutschland schon daran erkennt, daß die Moderatorin der "heute"-Sendung vorhin um 19.00 Uhr bereits in Schwarz gekleidet war. Denn: Israels Regierungschef kämpft derzeit mit dem Tod. Und sogar seine Kritiker, zu denen ich mich auch zähle, nehmen die Nachricht mit Bestürzung zur Kenntnis, weil sie befürchten, daß dadurch ein "Frieden" im Nahen Osten wieder in weite Ferne gerückt ist.

Zwar ist aus dem früheren "Saulus" Ariel Scharon, einem ultrarechten Hardliner, der sogar im eigenen Land "Bulldozer" genannt wurde, in den letzten Monaten nicht gerade ein "Paulus" geworden, aber es war doch zu erkennen, daß er zuletzt ernsthaft nach Lösungswegen suchte, um sich mit den Palästinensern zu einigen. Der Abzug aus dem von gewaltbereiten israelischen Siedlern bewohnten Gaza-Streifen war sicherlich eine mutige Entscheidung von ihm und hat auch ein wichtiges Zeichen gesetzt.

Kein Grund, also, Häme oder gar Freude über die Nachricht zum Ausdruck zu bringen, daß die Ära Scharon vorbei ist. Denn: In Israel wird in Kürze gewählt. Und sollte es tatsächlich noch mal der wenig kompromißbereite Netanjahu schaffen, Scharon zu beerben, wären dadurch die Uhren in der krisengeschüttelten Region gleich wieder um mehrere Jahre zurückgedreht.

Gruß Ben
 
5. January 2006, 20:58   #7
Sacki
Dummschwätzer
 
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Beiträge: 3.365
Bleibt abzuwarten, wie sich das Beziehungsgeflecht zwischen Palästinensern, Israelis, aber auch den USA neu zusammensetzt, wenn Sharon keinen Einfluß mehr hat.
Bush, der ja bekanntlich eine enge Verbindung zu Sharon hatte, wird umdenken lassen müssen (selbst kann er das ja nicht )
 
Antwort

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