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12. September 2002, 14:48   #1
Pumawoman
 
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Ägypten - meine erste Begegnung vor vielen Jahren

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die maschine der egypt-air zieht eine schleife über das nil-delta, unter mir unmengen von grünen leuchten, sieht von hier oben aus, als wäre es eine straßenbeleuchtung. als ich meinen mann drauf hinweise, lacht er nur und meint, daß wären die moscheen. landung um 22.20 ortszeit am flughafen kairo, die tür geht auf und im ersten moment kann ich die eindrücke und gerüche nicht orten, einsortieren. es weht noch immer heißer wind von der sahara, die gerüche - sehr orientalisch, aber angenehm, der lärm *lach* - im ersten moment erschreckend, noch dazu da damals die pilger nach mekka unterwegs waren.

die abfertigung im zollgebäude erfordert viel geduld und noch mehr zeit, diese menschen sterben nicht an streß . kinder, koffer, ehemann und raus gehts - das familienkommitee erwartet uns, ein bißchen angst hab ich schon, wie werde ich als europäerin und (damals noch) nicht-moslim aufgenommen werden? aber jegliche angst ist unbegründet, ich werde einfach genau wie meine kids, in die arme genommen (auch von den männern), gedrückt, daß ich keine luft mehr bekomme, nach arabischer sitte dreimal auf die wangen geküßt, unterliege einem wortschwall, von dem ich überhaupt nichts verstehe und werde zu einem bereitstehenden taxi gezogen.

und jetzt raus aus kairo - was heißt hier kairo? der flughafen liegt, wie fast in jeder anderen großstadt, am rand der stadt, also sehe ich nur randbezirke, mittlerweilen bewegt sich der uhrzeiger richtung mitternacht und die straßen sind noch immer dicht bevölkert. ja hier spielt sich das leben im freien ab. überall gibts kleine imbißstuben, in denen arabische süßigkeiten verkauft werden, irgendwo am straßenrand steht eine tiefkühltruhe von coca-cola, eine mickrige glühbirne beleuchtet die truhe *gg* und damit ist das "verkaufsgeschäft" perfekt.

wir passieren die größte stehende ramses statue, die villa von mubarak und schon sind wir auf der sogenannten "wüstenstraße". eine art autobahn (nicht mit den europäischen vergleichbar), verbindet kairo mit alexandria direkt am rand der sahara, gefürchtet von allen, aber doch stark befahren. gefürchtet, weil in der nacht extreme nebelfelder auftauchen, lichter werden zurückgeworfen, man fährt eigentlich "blind", während des tages - ein glutofen. der fahrstil der ägypter ist ebenfalls sehr gewöhnungbedürftig, rote ampeln sind sicher nur ziergegenstände - sie werden nicht beachtet, blinker funktionieren äußerst selten, man deutet einfach mit der hand, das geht auch

so, jetzt noch ein paar daten:
Die Arabische Republik Ägypten ist mit einer Fläche von über 1 Million km2 fast doppelt so groß, wie die Bundesrepublik Deutschland. Von dieser Fläche sind jedoch nur etwa 6% bewohnt. Der größte Teil des Landes besteht aus Wüste. Lebensader des Landes ist die Stromoase des Nils. Hier lebt der größte Teil der über 61 Millionen ägyptischen Bürger.

Die Landessprache ist arabisch, der Islam ist Staatsreligion. Kairo, die größte Stadt der arabischen Welt, ist die Hauptstadt Ägyptens. In Ägypten gilt die osteuropäische Zeit, d.h. sie müssen zur mitteleuropäischen Zeit eine Stunde hinzu addieren.
 
12. September 2002, 14:49   #2
Pumawoman
 
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Das Miettaxi bringt uns doch ein Stück ins Landesinnere, meine Schwiegermutter und die noch verbleibenden Brüder meines Mannes haben eine gemischte Landwirtschaft zu betreuen. Wir fahren an blühenden Baumwollfeldern vorbei, sehen, wie die Felder bewässert werden, noch wie in grauer Vorzeit, ein Ochse zieht an einem Rad, das Wasser wird hochgepumpt - Staunen, mehr nicht. Jetzt endlich, wir fahren von der Hauptstraße ab, jetzt ist die Straße grad so breit, daß ein PKW fahren kann, rechts neben uns, ein Kanal, links Felder. Reis? In Ägypten? Ja klar, Baumwolle und Reis - das Saatgut wird von der Regierung subventioniert, die Wirtschaftsbanken geben Kredite dafür, die Menschen haben ein leicht gehobenes Einkommen. Kakteen in der Höhe von 20 Meter säumen ein Haus, Federvieh, Ziegen, Wasserbüffel, Gänse und was weiß ich noch alles, läuft vor dem Auto herum. Mir ist schlecht, wenn ich nach links sehe, die Straße mehr als holprig, und ich habe Angst, daß uns ein anderes Auto entgegenkommen könnte. Nein, der Ägypter kann autofahren . Endstation - das Heimatdorf meines Mannes. Wir quälen uns aus dem Fahrzeug, kaum haben wir ein Bein am Boden, werden wir vom Empfangskommitee in die Arme genommen, gedrückt und geküßt, gestreichelt ... Ich weiß nicht mehr, von wievielen Armen ich gehalten wurde, aber soviel Herzlichkeit ist mir noch nie begegnet.

Eine Eskorte führt uns ins Haus meiner Schwiegermutter, etliche Besucher schließen sich uns an. Wir werden durch die Räume geführt, Platz wird angeboten - wollen wir auf einer Couch sitzen oder wie die Einheimischen am Boden? Natürlich am Boden, wir wollen alles genauso erleben, wie es für das Land normal ist. Ein Tisch wird gebracht, die Frauen bringen das Essen (man muß sich mal vorstellen, es war als wir bei meiner Schwiegermutter ankamen ca 4 Uhr Früh , Suppe, Kuskus, eine gebratene Gans, Salate, und selbstgebackenes Fladenbrot. Irgendjemand legt für mich und die Kinder Eßbesteck hin - mein Mann dolmetscht, daß wir genau wie alle anderen mit den Fingern essen werden - Suppe wird aus den Schalen getrunken. Ist ein bißchen eigenartig, aber wir schaffen es bravorös - keine Blamage!

Daß meine Kinder und ich um diese Zeit lieber Kaffee oder Tee getrunken hätten, brauch ich nicht sonderlich hervorzuheben - der europäische Magen ist dieses Mahl um diese Zeit eben nicht gewöhnt. Man war etwas traurig, daß wir nicht essen wollten, nahm es aber dann doch hin, nachdem erklärt wurde, daß es nicht um den Geschmack ging, sondern einfach um die Menge und die Zusammenstellung.

Nachdem auch der letzte der Besucher sein Mahl beendet hatte, gab es Tee. Heiß, sehr stark und verdammt süß. Auch daran kann man sich gewöhnen. Wir saßen noch immer am Boden, als plötzlich eine Frau auf mich zukam und mir eine Decke brachte, die Handbewegung war eindeutig - ich solle meine Beine bedecken. Schiefer Blick zu meinem Mann, warum hast du mir nicht gesagt, daß ich einen knöchellangen Rock tragen soll? Bevor er überhaupt noch antworten konnte, wurde die Frau von meiner Schwiegermutter und den Brüdern meines Mannes dermaßen angefahren, daß ich schon Befürchtungen hatte, sie reißen ihr den Kopf ab. Eine Erklärung bekam ich dann auch: ich war Gast, der erste europäische Gast, der dieses Dorf betreten hat, und ich kann tun und lassen was ich will, ich solle mich nur wohlfühlen. Mein Gott war mir das peinlich, ich stand auf, nahm die Decke und legte sie logischerweise über meine Beine.

Ich habs bis heute noch nicht verstanden, daß Frau in diesen Länden ohne Hemmung ihren Säugling auch in einer Männerrunde (nur ihr bekannte Männer)stillt, aber es verpönt ist, mehr als einen Fußknöchel zu sehen.

*********
Demnächst gehts weiter
 
12. September 2002, 23:04   #3
tschubbl
 
Beiträge: n/a
Auf die Fortsetzung bin ich schon gespannt.
Die Autofahrten in diesen Ländern sind übrigens immer ein abenteuer.So fuhren wir des Nachts,ohne Scheinwerfer und der Patron versuchte während der Fahrt,dieselben zu reparieren.
 
13. September 2002, 03:21   #4
Träumerle
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Super interessant, ich freue mich schon auf die Fortsetzung
 
16. September 2002, 05:05   #5
jupp11
 
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Ich schliesse mich sofort und ohne zu zögern meinen Vorpostern an.

Ägypten, ich hab immer schon davon gelesen, allerdings nicht von Deinem Ägypten, das Du so anschaulich geschildert hast, sondern vom Ägypten der Vorfahren Deiner Verwandten und Bekannten dort.

Sag Pumawoman, wann spielt die Geschichte. Ich vermute es ist schon ein paar Jahre her, denn ein Dorf in der Nähe von Alexandria, das Dich als ersten westlichen Gast hatte...

...gibt das heute noch?
 
16. September 2002, 06:20   #6
Pumawoman
 
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also mit dieser Resonanz hatte ich nich gerechnet, aber:

1. ja, die erste Begegnung ist schon einige Jährchen her - ich glaub es war 1986

2. klar gibts ne Fortsetzung, ich war ja dann öfters im Land der Pharaonen

3. *lach* Jupp, es gibt noch immer mehrere Dörfer - auch in der Nähe von Alexandria - wo noch kein europäischer oder westlicher Bewohner der Erdkugel war
 
30. September 2002, 09:37   #7
Pumawoman
 
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na dann machen wir mal weiter

Das Dorfleben war natürlich für uns Europäer so was von romantisch - Trinkwasser war in Tonkrügen, die überall herumstanden. Natürlich hatten wir uns vorher informiert, ja kein Wasser trinken, nicht mal zum Zähneputzen verwenden - aber alles natürlich vergessen. Nachdem ich sah, daß mein Mann aus diesen Krügen trank, mußte ich natürlich auch. Und die Rache des Pharao war dementsprechend fürchterlich. Ich bekam Fieber, aber so hoch, daß ich bereits phantasierte, die schrecklichsten Magen- und Bauchkrämpfe, naja, den Rest kann man sich wohl denken - den muß man nicht unbedingt posten.

Der "Dorfmediziner" versorgte mich mit Tee und das in Unmengen, ich bekam kühlende Umschläge und nach drei Tagen war ich wieder auf dem Damm. Meine Kids waren vernünftiger, die schütteten sich nur mit Cola zu .

Als ich wieder auf meinen eigenen Beinen stehen konnte, waren mal die Pyramiden angesagt (mittlerweile glaub ich, hab ich sie 4x gesehen). Also Taxi herbei, Familie einpacken und auf nach Cairo. Irgendwann um 7.00 Früh fuhren wir los, als wir über den letzten Hügel fuhren, tauchte die Cheops Pyramide rechts neben uns auf - zuerst dachte ich, wieso ist um diese Zeit noch Nebel, bemerkte aber schnell, daß es lediglich Smog war - ganz Cairo ist davon überdeckt. Der erste Eindruck vor den Pyramiden: offener Mund, große Augen und ein ooohhhh. Sie sind imposant - könnt ihr mir glauben. Ein einheimischer Führer war natürlich auch gleich zur Stelle, kostet ja alles gar nicht viel . Ob wir die Grabkammern besichtigen wollen? Na klar, also rein mit uns. mein Mann ist 193 cm, mein Schwager 198cm - der Tunnel, durch den wir mußten ca 150cm - und steil wie eine Hühnerleiter. Meine Kleine war damals grad 3 Jahre, also mußte sie getragen werden. Das Bild sah einfach genial aus!

In der Grabkammer angekommen sagen wir einen Sarkophag, bewunderten diesen, auch das Lüftungssystem, etc. Plötzlich brüllt mein Sohn auf: Aaaaaaahhh, Mama, ER steht auf! Alle, total erschrocken drehen sich um - hinter dem Sarkophag schlief ein anderer Führer und als sich der erhob, sah es so aus, als würde er aus dieser Steinkiste hochkommen. Also Kind beruhigen, ihm erklären, daß dies keine Mumie ist, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, aber keine Chance, noch weiter den Ausführungen zu folgen, wir müssen raus. Kleinste wird wieder "geschultert" und die Hühnerleiter hinunter. Draußen angekommen zeigt unser Taxifahrer aufs Autothermometer - kaputt gegangen. Bei 60Grad Celsius hats den Geist aufgegeben.
 
2. October 2002, 15:21   #8
Pumawoman
 
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Na dann machen wir mal auf "öffentlich" und stellen das Land mal ein bißchen anders vor:

"Allahu akbar" - Allah ist der Größte. Der Ruf des Muezzins, demit dem er vom Minatett der Moschee über Lautsprecher die Gläubigen zum Gebet auffordert, wird den reisenden gleich in den ersten Stunden seines Aufenthaltes mit der tief verwurzelten Religiosität der Ägypter konfrontieren. Der Ruf wird den Europäer aber auch auffordern, westliche Vorstellungen von Schnelligkeit und Effizienz bereits am Flughafen bei der Paßkontrolle abzustreifen und Toleranz zu üben gegenüber andren Denk- und Lebensformen.

Denn bereits am Flughafen in Kairo wird man sich behutsam der Gangart des Landes anpassen müssen und erfahren, daß Zeit in Ägypten ein sehr dehnbarer Begriff ist. Freunde dich deshalb rechtzeitig mit dem ägyptischen "IBM" an. Das klingt modern, sthet aber für eine Geisteshaltung, die vielleicht das große Problem ist, das Ägypten auf dem Weg zu einem funktionierenden Staat hat: Die drei Initialen gehören zu den ägyptischen Wörtern: Insha´allah, bukra und malesh, dalle drei Schlüsselbegriffe, die die Mentalität der meisten Ägypter besser verstehen helfen.

Insha´allah bedeutet: SO GOTT WILL und folgt jedem Ja, jeder Zusage- und meint einschränkend: wenns nicht klappt, dann wollte es Allah so.

BUKRA heißt morgen, meint aber: Was heute nicht geht, läßt sich morgen oder auch übermorgen erledigen. Und morgen, das kann vielleicht auch nächste Woche sein, irgendwann halt, sprich nie.

MALESH entspricht dem freundlich-schläfrigen Gemüt vieler Ägypter und kann etwa mit "Macht nichts, keine Aufregung oder Ruhig bleiben" übersetzt werden. Dieser Ausspruch paßt fast überall und immer. Malesh ist aber ohne Zweifel der zarte Fluch des verzweifelnden Reisenden.

*************
Keine Sorge, es kommt schon noch mehr

Quelle: Ägypten/Michael Rauch
 
2. October 2002, 17:45   #9
ulrike
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Habe ja gewusst das es ein interesantes Land ist.Bin schon auf die Fortsetzung gespannt.
 
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