25. May 2002, 08:30 | #1 |
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Schämt Euch, PDS-Pöbler!
Die PDS, die Partei des demokratischen Sozialismus, von diversen Medien noch immer auch
als "Nachfolgepartei" tituliert, nutzte den Donnerstag, um sich nachdrücklich als "kon- sequente Anti-Kriegspartei" lächerlich zu machen. George W. Bush, der beinahe schon fanatisch immer wieder betont, Gott sei mit ihm, des- sen Achtung vor der Schöpfung seines Gottes aber bei der ausdrücklichen Befürwortung der Vollstreckung der Todesstrafe an Minderjährigen aufhört, trat im Reichstag auf, um "dem deutschen Volke" in einer schon im Vorfeld als "historisch" gefeierten Rede klar- zumachen, was er vom gemeinen Deutschen im gottgewollten Kreuzzug gegen die "Achse des Bösen" erwartet. Und beinahe alle anwesenden Vertreter des deutschen Volkes hatten die Botschaft begrif- fen: Wir sind alle Amerikaner! Und wer sich dem verweigert, ist ein Terrorist. "Ich bin ein Amerikaner" hatte denn auch der PDS-Abgeordnete Carsten Hübner eine Erklä- rung überschrieben, in der begründete, warum er sich heldenhaft den kriegstreiberischen Worten des Kriegsverbrechers George W. Bush durch persönliches Fernbleiben quasi virtu- ell in den Weg stellen wollte. Daß er damit allein schon durch die Wahl der Überschrift dem Größenwahn der US-Regie- rung, für den Doppelkontinent Amerika insgesamt sprechen zu wollen, anschloß, merkte der arme Niedersachse, der allerdings für die PDS-Thüringen im Reichstag fehlte, ver- mutlich gar nicht. Drei weitere Abgeordnete der PDS, Ulla Jelpke, Heidi Lippmann und Winfried Wolf, dage- gen verweigerten sich nicht der "historischen" Ansprache des gottgesandten Texaners, wagten es aber tatsächlich dem Willen der von ihnen vertretenen Wähler dadurch Ausdruck zu verleihen, daß sie während der Predigt ein gar gotteslästerliches Plakat entrollten. "Mister Bush and Mister Schröder - Stop Your Wars!" war da zu lesen, bis gottesfürchti- ge "Parlamentsdiener" - nein, diese Bezeichnung ist nicht meine Erfindung - dem athe- istischen Spuk ein rasches Ende bereiteten. Kriege mit einem Ende? Offenbar ist nicht mehr der "totale Krieg", sondern der ewige Kriegszustand die neue Vision, die die "zivile Welt" einen soll. Dies machten im An- schluß an die Verkündung von Gottes Wort durch George W. Bush nicht nur die gleichge- schalteten Ehrenamerikaner von CDU/CSU, SPD, FDP, "Bündnis 90/Die Grünen" durch einen an Parteitage in totalitären Regimen erinnernden Applaus deutlich, sondern auch noch die PDS-Fraktionsspitze in Gestalt von Roland Claus, der sich nicht nur öffentlich, sondern auch noch ausgerechnet bei "dem Bluthund Bush" (ein ungenanntes PDS-Vorstands- mitglied) entschuldigte. Die Entschuldigung, die so ehrlich gemeint wie peinlich ist, kam selbstverständlich nicht mehr bei der Springer-Presse an, deren Berliner Flaggschiff B.Z. den Zustand der in ihren Augen vorbildlichen Hauptstädter als "George kommt. Berliner happy. Nur Idi- oten sind dagegen." beschrieb. BILD, das täglich erscheinende Fachblatt für korrektes staatsbürgerliches Verhalten, fand die Meinungsäußerung der drei PDS-Abgeordneten nicht weniger schlimm als deren Fraktions-Vorgesetzter und titelte: "Schämt Euch, PDS-Pöbler!" Wahrlich, es ist eine Unverschämtheit, in einem deutschen Parlament nicht nur die eigene Meinung, sondern vielleicht auch die von ein paar Millionen Menschen - laut diversen Umfragen lehnt die überwiegende Mehrheit einen Krieg gegen den Irak ab - in Gestalt eines Plakates kund- zutun. Die Empörung der PDS-Führung über diese "Eigenmächtigkeit" dieser "Pöbler" macht klar, daß die PDS eigentlich schon lange in der Bundesrepublik Deutschland angekommen ist, in der uneingeschränkt solidarischen Bundesrepublik Deutschland. Wie meinte doch der teure Gast am 21. September 2001: "Entweder ihr steht zu uns oder zu den Terroristen." Roland Claus hat endlich begriffen, auch wenn er noch so schön vorur- und pressemit-teilte: "Die deutsche Politik hat es erneut an Selbstbewußtsein mangeln lassen. Alle vollmundigen Erklärungen von Außenminister Fischer und Bundeskanzler Schrö- der, Präsident Bush damit zu konfrontieren, daß Deutschland seinen Rüstungsetat nicht erhöhen wird und Bedenken gegen einen Irak-Krieg erhebt, waren in den Wind und nicht an Bush gerichtet." Wählt PDS, wenn Ihr meint, es sei "bedauerlich" eine eigene Meinung zu vertreten! Gebt den demokratischen Sozialisten Eure Stimme, wenn Ihr es "bedauerlich" findet, daß un- sere tapferen Jungs und Mädels nicht überall dort Frieden stiften können, wo es die gottgewollte US-Adminstration wünscht! Vom Winde verweht ... MfG tw_24 "Die PDS ist Friedenspartei." Gabi Zimmer |
25. May 2002, 09:57 | #2 |
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Hab's jetzt bestimmt zum 3ten Mal gelesen...
...aber irgendwie fehlt mir immer noch das Feeling für die PDS und deren Akteure. Komischerweise sind mir nur Namen wie Gysi, Wagenfeld und Bisky, einigermassen geläufig. Den gesamten Rest kann ich anhand der Namen nicht zuordnen. Es war imho ein Riesenfehler, Gysi praktisch in Berlin kaltzustellen. Denn auf Bundesebene war er wohl der Einzige, der die PDS aus dem grauen Bereich der Namenlosigkeit herausheben konnte. Ob nun ein paar PDS-Verirrte ihren Gefühlen per fehlgestyltem Transparent Luft machten oder nicht.... ...es ist kaum eine Meldung wert. Die sollten sich tatsächlich was überlegen. |
25. May 2002, 10:22 | #3 | |
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@ jupp11
Okay, das ist für Insider sicherlich verständlicher ;-). Also, die drei erwähnten Plakatentroller und der demonstrativ abwesende Carsten Hübner sind innerhalb der PDS dem eher linken Flügel zuzuordnen, die ihre Werte nicht opfern, um "regierungs- fähig" zu werden. Ulla Jelpke stammt aus Hamburg und ist für die NRW-PDS im Bundestag. Sie ist "Spe- zialistin" für "Bürgerrechte vs. Innere Sicherheit". Gelegentlich schreibt sie in der Jungen Welt zum Thema. Heidi Lippmann, in Göttingen geboren, ist für die PDS Niedersachsen im Bundestag. Sie ist zuständig für Verteidigungspolitik und Entwicklungshilfe. Winfried Wolf, auch ein "Wessi", kommt aus Horb am Neckar und ist für die Landes- liste Baden-Württemberg in den Bundestag eingezogen. Er kümmert sich hauptsäch- lich um Verkehrspolitik und E-Mails von tw_24 ;-) - Ja, macht er wirklich! -, in- nerhalb der PDS gehört er zu den schärfsten Kritikern des eher 'sozialdemokrati- schen' Kurses der Parteiführung und hat auch in der Debatte um ein neues Programm der Partei den offiziellen Vorschlag ziemlich verrissen und an einem Alternativ- Vorschlag mitgearbeitet. Unabhängig davon, wie man nun zur PDS steht, ich finde es einfach lächerlich, daß deren Fraktionschef Roland Claus sich so empört über die doch eher harmlose "Stör- aktion" erregt und sich dafür auch noch entschuldigen zu müssen meint. Da war ja ausnahmsweise mal der George W. Bush der verständnisvollere Demokrat, der in sei- ner ganzen Größe eher milde lächelnd auf die drei Abweichler herabblickte. Angesichts der ihm sonst so solidarisch entgegengebrachten Zustimmung von allen anderen Reichstags-Abgeordneten kann ich das auch nachvollziehen. Bemerkenswert und ebenfalls peinlich finde ich dann aber auch, wie die BILD das Thema skandalisiert. Ein paar PDS-Alt-Linke machten, was in einer Demokratie ei- gentlich möglich sein sollte - sie sagten ihre Meinung. Und daß dann nun PDS-Führung und BILD gemeinsam die gleiche Meinung vertreten, ist beinahe schon wieder komisch. Zitat:
Allerdings fängt auf diese Weise das an, was man heute bei "Bündnis 90/Die Grünen" so schön als Rückgratlosigkeit bewundern kann ... MfG tw_24 P.S.: Hier mal noch die offizielle Erklärung der drei Abweichler: Titel: Erklärung der Abgeordneten Jelpke, Lippmann und Wolf zu ihrer Aktion im Bundestag Datum: 23.05.2002 Art: Presseerklärung -------------------------------------------------------------------------------- Zu ihrer Protestaktion während der Rede von George W. Bush im Deutschen Bundestag erklären die drei PDS-Abgeordneten: Der US-Präsident ist für die größten Aufrüstungsbemühungen in der Weltgeschichte verantwortlich. Die USA werden im Jahre 2003 mehr Geld für das Militär ausgeben, als die Bundesrepublik Deutschland im gesamten Haushalt zu verteilen hat. Diese offensichtliche Ausrichtung und Beschränkung der US-Außenpolitik auf militärische Aktionen, Interventionen und Kriege wurde bereits in der Vergangenheit z.B. durch die Interventionen im Kosovo und in Afghanistan erschreckend verdeutlicht. Deswegen haben alle anwesenden Abgeordneten der PDS mit einer weißen Friedenstaube am Revers oder am Kostüm ihre kritische Haltung gegenüber der US-Politik zum Ausdruck gebracht. Wir hielten es darüber hinaus für unangemessen, die Rede des US-Präsidenten im Bundestag und die Ankündigung neuer Kriege, wie beispielsweise eines Angriffs gegen den Irak, stillschweigend hinzunehmen, ohne unserer Überzeugung, dass diese Kriege ein Ende haben müssen, Ausdruck zu verleihen. Deswegen entfalteten wir während der Rede ein Transparent mit der Aufschrift: "Mr. Bush + Mr. Schröder: STOP YOUR WARS. Auch wenn das Transparent sofort weggerissen wurde, steht diese Botschaft im Raum und wird von Zehntausenden von Menschen, die auf den Straßen in Berlin und in anderen großen Städten demonstrieren eindrucksvoll unterstützt. "Wir wollen Ihre Kriege nicht Herr Präsident. Wir wollen gar keine Kriege." |
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25. May 2002, 10:25 | #4 | |
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thx für die Hintergrundinfos.
Zitat:
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25. May 2002, 10:31 | #5 | |
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Zitat:
verfolge ich sehr interessiert - und da es da einige parteiinterne Skandälchen we- gen der (Nicht-) Veröffentlichung von Vorschlägen gab, sind Leute wie Winfried Wolf hervorragende Ansprechpartner, wenn man sich erstmal dazu durchringt, sie zu kon- taktieren. Irgendwie gehören sie ja doch zur "Obrigkeit". Darüber hinaus hat der Mann auch den einen oder anderen klugen Gedanken zur Entwick- lung der Verkehrspolitik in Deutschland veröffentlicht. MfG tw_24 |
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25. May 2002, 20:27 | #6 |
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@jupp, druck es aus, lehn dich zurück und lese es ein paar Mal. Dein Befund wird sich deutlich ändern. Vergleich das mal mit den Friedensapellen der DDR, es könnten Kopien sein. Da ist nicht ein neuer Gedanke.
mfg |