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28. May 2002, 22:25   #1
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
Sokrates, Platon ...und die Demokraten

Sokrates, sein Schüler Platon und dessen Schüler Aristoteles werden wohl allgemein als die Philosophen anerkannt, deren Ideen über mehr als 1000 Jahre die Politik und Wissenschaft des erwachenden Europa geprägt haben. Obwohl es natürlich auch Vorgänger gab.

Kaum jemand ist sich allerdings bewusst, dass diese 3 Gegner der damals herrschenden Demokraten in Athen waren. Sokrates, der aufgrund fadenscheiniger Behauptungen gezwungen werden sollte, sich von einigen seiner Ideen loszusagen nahm lieber die von den Demokraten ausgesprochene Todesstrafe auf sich und leerte den Schierlingsbecher im Kreise von Vertrauten.

Ein Widerspruch, wie ich finde, zu dem, was wir so allgemein über die Zusammenhänge denken. Auf der einen Seite die Verehrung dieser Philosophen, und auf der anderen Seite die Glorifizierung und Rückführung unserer Demokratie, auf das Athen des Sokrates, in dem eine Staatsform herrschte, die mit unserer Definition von Demokratie letztlich wohl nur den Namen gemeinsam hat.

Man muss sich vorstellen, das Athen dieser Zeit hatte etwa eine Bevölkerung entsprechend einer kleineren Großstadt heutiger Zeit. Und nur die männlichen Bürger durften wählen, nicht aber die Sklaven oder Frauen. Gewählt wurde dann allerdings fast alles, sogar Generäle wurden durch das Los bestimmt für eine gewisse Zeit. Egal, ob sie Ahnung von der Materie hatten, oder nicht.

Und gegen diese Demokratie haben sich sowohl Sokrates, als auch Plato (Platon) gewandt. Platon hat in seinem wohl wichtigsten Werk "Politea" (Der Staat) ziemlich eindringlich beschrieben, wie er sich ein Staatswesen so vorstellt.

Alle diejenigen, die nun ihren Hausplaton gerade verliehen haben, können Auszüge aus Platons Werken hier im Projekt Gutenberg kurz nachschlagen.

Was mich nun interessiert, und was ich gern diskutieren möchte sind die Auswirkungen der Essenz aus diesen Werken Platons auf die Zeit bis zum beginnenden Mittelalter. Insbesondere die Rolle der christlichen Kirche und ihre Annahme und Umsetzung der Ideen Platons haben nämlich imho Europa nach dem Fall von Rom in einen über 1000jährigen Dornröschenschlaf geschickt und bereits vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse vergessen lassen.
 
29. May 2002, 03:57   #2
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Moin,
um Platon zu verstehen, muss man die Zeit berücksichtigen, in der er lebte. Philosophien kann man nur dann adaptieren, wenn man den Zeitpunkt der Entstehung berücksichtigt. Unter diesem Aspekt kann man die Zurückführung der großen Philosophen auf Platon verstehen, insbesonders die Einbeziehung der Wissenschaft, ihre Erklärungen und der Mathematik, die Sowohl bei Sokrates als auch Platon und Aristhoteles eine wichtige Rolle spielten, obwohl manche Dinge heute absurd sind.ok.

Platon, geboren 427 v. Chr. in Athen, wo er auch 347 v. Chr. starb, war ein Schüler des Sokrates und gemeinsam mit seinem Schüler Aristoteles der wohl einflußreichste griechische
Philosoph. Er gründete zwischen 387 und 367 v. Chr. die Akademie in Athen, die erst 529 n. Chr. vom Kaiser Justinian aufgelöst wurde. Unter seinen Schriften finden sich auch einige
mit mathematik-philosophischem Inhalt.

Viele Mathematiker sehen ihre Wissenschaft in mehr oder weniger starker Form in der Tradition des Platonismus, bei dem die mathematischen Objekte und Strukturen eine Existenz
unabhängig vom menschlichen Denken besitzen. Mathematiker erfinden ihre Objekte also nicht, sondern sie entdecken sie.

Mit der Ideenlehre gelingt es Platon (427 - 347 v. Chr.) nicht nur ein System
zu schaffen, das von Sokrates´ Fragestellung ausgehend große Teile der
vorsokratischen Philosophie wieder sinnvoll aufnehmen konnte, sondern auch
ein Gedankengebäude zu errichten, das wie kein anderes in der
abendländischen Geistesgeschichte nachwirkte. So ist für A. N. Whitehead
alle abendländische Philosophie "als Fußnoten zu Platon" zu verstehen.
Seine um 385 v. Chr. gegründete Schule, die Akademie, bestand nahezu
1000 Jahre. Blütezeiten des Platonismus waren der von Plotin geschaffene
Neuplatonismus der Spätantike und die Zeit der italienischen Ranaissance.
Inhalt der platonischen Ideenlehre ist ein angenommenes Reich immaterieller,
ewiger und unveränderlicher Wesenheiten, der Ideen (griech. éidos; idéa).
Ideen im Sinne Platons sind Urbilder der Realität, nach denen die
Gegenstände der sichtbaren Welt geformt sind. Diese Ideen existieren
objektiv, d. h. unabhängig von unserer Kenntnisnahme oder Gedankenwelt.
Sie entspringen also nicht einer Setzung unseres Bewußtseins, sondern
werden durch dieses erkannt. Deshalb läßt sich Platons Position als
Objektiver Idealismus beschreiben.

Analogie von Seele und Staat in ihrem Aufbau

Platon beschreibt in der "Politeia" eine Analogie von Staat und Seele in Bezug auf ihren Aufbau. Die drei Stände des Staates entsprechen den drei
Teilen der Seele. Die Seele kann nur intakt und somit glücklich sein, wenn alle Teile im Gleichgewicht sind. Ebenso kann der Staat nur funktionieren,
wenn alle drei Stände im Gleichgewicht sind. Platon stellt folgende Beziehungen auf:

Stand
Lehrstand
Wehrstand
Nährstand
Teil der Seele
Vernunft
Mut
Begierde
Staatsform
Aristokratie
Timokratie
Oligarchie, Demokratie, Tyrannis


Die Seele ist im Einklang, wenn die Vernunft durch den Mut die Begierde zu zügeln und nach ihrem Willen zu formen versteht. Analog dazu verhält
es sich im Staat. Der Lehrstand muss versuchen, möglichst allen Menschen zu vermitteln, dass sie ein Teil des Ganzen sind und Individualismus
unzulässig ist. Der einzelne muss nach Platon seine Pflichten im Staat erfüllen, auch wenn es ihn zunächst unglücklich zu machen scheint. Es macht ihn
aber dennoch glücklich, weil er es für die Allgemeinheit macht und diese dadurch glücklich wird. Dieses Glücklichsein strahlt dann auf den einzelnen
zurück. Da allerdings einige Menschen des Nährstandes nicht zu dieser Einsicht gelangen (wie es im idealsten Fall wäre, was aber auch Platon als
unerreichbar erkennt) genauso, wie die Begierde der Seele manchmal über die Vernunft siegt, muss es Bestrafungen für Uneinsichtige geben, damit
das Gleichgewicht der Stände nicht beeinträchtigt wird.

Verfallsformen des Staates

Diese Analogie lässt sich noch weiterführen. Während Platons Idealstaat eine Aristokratie ist, in der die Vernunft überwiegt, gibt es noch vier
weitere, schlechtere Staatsformen: Timokratie (Herrschaft einiger, in der der Seelenteil Mut überwiegt), Oligarchie (Herrschaft mehrerer),
Demokratie und Tyrannis, die alle drei der Begierde entsprechen. Die Staatsformen laufen in dieser Reihenfolge ab und werden immer schlechter.
Parallel zur Staatsform muss sich natürlich auch entsprechend die Seelenform verändern. Dieser Prozess ist nach Platon unausweichlich, da nicht mal
der beste Staat vorm Verfall geschützt ist.

Insgesamt muss man sagen, dass Platon das Buch nicht für unsere Zeit geschrieben hat. Für seine Zeit und Erlebnisse ist dieses Buch sicherlich
verständlich, einiges vielleicht auch uns. (Er ruft z.B. auch dazu auf, dass blutsverwandte Länder- für ihn griechische - sich nicht zu bekämpfen,
sondern sich ggf. sogar in einer Art Staatenbündnis zusammenschließen sollen. Parallelen zur heutigen EU sind in Ansätzen deutlich.) Allerdings darf
man zwei Sachen nicht vergessen: Zum einem war der Staat Platons schon zu seiner Zeit mehr ein geistiges Gebilde als ein reales (Platon selbst
scheiterte schließlich auch bei der Verwirklichung). Zum anderen lassen sich damit vom Ansatz her viele Staatsformen begründen, die unserer
heutigen Demokratie entgegenstehen (besonders wenn zur Begründung nur Teile der "Politeia" verwendet werden), z.B. Kommunismus und
Alleinherrschaften im negativen Sinne, was Platon bestimmt nicht erreichen wollte.

Trotzdem ist die "Politeia" - besonders auf dem Hintergrund der über die Staatslehre hinausgehenden Buchteile - eine hoch interessante Darstellung
von Platons Philosophie- und Staatsverständnis.
_________________________________
Was mich nun interessiert, und was ich gern diskutieren möchte sind die Auswirkungen der Essenz aus diesen Werken
Platons auf die Zeit bis zum beginnenden Mittelalter. Insbesondere die Rolle der christlichen Kirche und ihre Annahme und
Umsetzung der Ideen Platons haben nämlich imho Europa nach dem Fall von Rom in einen über 1000jährigen
Dornröschenschlaf geschickt und bereits vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse vergessen lassen.
__________________________________
hier kann es keine einfache Antwort geben. vor allem muss man berücksichtigen, was bei solchen Aussagen zugrunde gelegt wurde. Alle namhaften Philosophen haben sich mit Platon beschäftigt und haben in der Regel Ansätze in ihren Werken. Die Rationalität, die Platon durch die Einbindung der Mathematik und Wissenschaft vermittelte, hat die Philosophen des 18ten und 19ten Jahrhunderts geprägt.
Stillstand der Wissenschaft, wie sie von jupp angeführt wird, im Zusammenhang mit Platon, stimmt so nicht. Das römische Imperium war wegen 300Jahre Dekadenz untergegangen, konnte also keine Impulse an neu entstehende Kulturen weitergeben, waren ja nicht mehr vorhanden. Namhafte Lehrer aus dieser Zeit sind mir nicht bekannt, anderen auch nicht. Weiter kam es zur Völkerwanderung, was die Entwurzelung ganz Europas zur Folge hatte, Völker auf der Flucht betreiben keine Forschung, die über ein Überleben hinausgeht. Zur Erinnerung, wir reden von der abendländischen Kultur. Das was uns als moslemische Kultur vorgegeben wurde, war ja aus ihrem Umfeld entstanden und natürlich eine Bereicherung der sich neu entfalteten Kultur Europas, wobei die Lücke, die das römische Reich hinterließ, einige Jahrhunderte spürbar war. Hinzu kam, dass der Überlebenskampf im Norden weitaus mehr im Vordergrund stand als im mediteranen Süden, schlicht klimabedingt.
Das aber Platon anzulasten, ist für mich nicht nachvollziehbar.


mfg
 
29. May 2002, 12:41   #3
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
hmm, Platons persönliche Geschichte lässt sich ja eigentlich überall nachlesen, aber Danke für die Zusammenfassung.

Ich denke, wir haben uns missverstanden. Ich laste Platon überhaupt nichts an. Desweiteren sehe ich mindestens 1500 Jahre lang nach Platon und Aristoteles keinen einzigen Philosophen, der nennenswert die Denkweisen in Europa geprägt hat.

Ich will darauf hinaus, dass die christliche Kirche in der Anlage ihrer Institutionen eine verdächtige Ähnlichkeit aufweist mit dem von Platon in seiner Politea favorisierten Staatsform. Du brauchst nur die Rige der Philosophen und Staatslenker durch die Kirchenfürsten ersetzten, dann stimmt fast alles.
 
29. May 2002, 20:35   #4
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Moin,
1. natürlich eine kurze Zusammenfassung, es sind zig Seiten, dachte, sollte sich doch jemand in die Diskussion einklinken, wäre ein kurzer Abriss hilfreich. Niemand hat alles parat.

Kirchenfürsten waren immer Autokraten, Platon favorisiert die Aristokratie, in der Abfolge die Timokratie
Oligarchie, Demokratie, Tyrannis.
Das steht bereits in meiner Stellungnahme. Mit der Politea hatte Platon bekanntlich seine Schwierigkeiten, er hat ja versucht, die Idee bis nach Sizilien zu tragen und ist gescheitert. Übrigens, dass dies das bedeutendste Buch sein soll, erschließt sich mir nicht. Es beinhaltet auf jeden Fall Unstimmigkeiten, gesehen auf die Gesamtaussage. Einzeln etwas zu betrachten, kann zu keiner Stimmigkeit führen. Platon auf eine Aussage zu reduzieren, ist unredlich.
Sicher ist, dass die Kirchen im Mittelalter von Fürsten geführt wurde, aber genau die hatten keine vollständige Bildung, brauchten sie auch nicht, sie waren durch Geburt prädestiniert. Ich sehe die Brücke zu Platon nicht, nur weil die Ausprägung der Hierarchie Ähnlichkeiten vermittelt.
Ein Stichwort/Beispiel wäre hilfreich um den Gedanken nachvollziehen zu können.

mfg
 
31. May 2002, 18:41   #5
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
bitte etwas Geduld, kommt noch, aber die letzte Woche hat mich zuviel Nerven gekostet, als dass ich die Muße aufgebracht hätte.

Dann wird dieser Beitrag gelöscht.
 
31. May 2002, 18:46   #6
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Wir kämpfen um jedes Posting und du willst eins löschen

mfg
 
Antwort

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