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29. April 2005, 18:29   #1
Eyewitness
 
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Eye's Bibelstunde

Also, dieser Thread soll sich in den nächsten Wochen und Monaten mit der Bibel beschäftigen. Ja, Ihr habt durchaus schon richtig gelesen. Die Zeit, die ich für das Neue Testament veranschlage, ist sehr lang, ganz besonders deswegen, weil ich noch Zeit für mein Studium brauche. Also worum soll es gehen?

Ich werde hier Stück für Stück das Neue Testament nicht auseinandernehmen, sondern eher versuchen zu erklären und zu analysieren und zwar aus der Sicht eines "Aliens". Also aus der Perspektive eines Individuums, das weder mit dem alten Testament vertraut ist, noch sich mit der Kultur oder den Gepflogenheiten des Orients oder des Okzidents auskennt. Ich versuche also mehr oder weniger die Wirkung der Texte auf die Leute von vor vielen hundert Jahren nachzuvollziehen und gleichzeitig werde ich versuchen, diese Texte den hoffentlich zahlreichen Lesern näher zu bringen. Ich würde das eine Art naive Leseweise nennen.

Natürlich hoffe ich, dass sich viele Leute hierbei beteiligen werden. Mir ist prinzipiell jeder Beitrag willkommen, aber je eher er sich auf die Bibel bezieht, desto besser. Vor allen Dingen hoffe ich, dass MIT und nicht ohne die Bibel argumentiert wird. Es wäre also schön, wenn sich jemand auch auf konkrete Stellen beziehen könnte und nicht einfach etwas in den Raum wirft. Aber das ist kein Muss. Sollte die Diskussion weiter gehen, als ich es erwarte, dann behalte ich mir auch das Recht vor, diese in einen Extrathread zu verschieben.

Welche Bibel benutze ich? Ich beziehe mich bei allen meinen Aussagen auf hier. Aus Copyrightgründen werde ich aber keine kompletten Passagen hierhin kopieren. Die Erfahrung zeigt, dass man damit mittlerweile richtig fies auf die Schnauze fallen kann, weil mit so ziemlich allem Schindluder getrieben wird. Es wäre also hilfreich, wenn man die Bibel selbst zu Hause hat. Aber ohne wird es auch schon klappen, dafür werde ich sorgen.

Grundsätzlich sage ich direkt noch eins voraus: Die Evangelien werde ich detaillierter besprechen, weil sie die Geschichte direkt erzählen, die Apostelbriefe werden dann wahrscheinlich briefweise abgehandelt, weil diese ja schon Interpretationen enthalten. Vielleicht entdecken wir bis dahin Widersprüche, vielleicht auch nicht.

Noch wichtig am Schluß: Sobald jeder gesehen hat, wie ich arbeite, darf auch jeder beitragen und selber die nächste Bibelstelle analysieren und seinen Senf dazu beigeben. Ich wünsche mir aktive Mitarbeit.

Ich denke, ich werde morgen mit dem ersten Teil anfangen.
 
29. April 2005, 22:50   #2
Akareyon
 
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Ein Bibelthread! Cool. Übrigens gibt es die eine oder andere Bibelübersetzung auch online, siehe biblegateway.com.

Da ich durch meine Jugend ziemlich vorbelastet bin, was den Schmöker anbelangt, freue ich mich jedenfalls auf Deine Darlegungen. Jedenfalls werde ich mich nicht ohne weiteres aus diesem Thread raushalten können :-)
 
30. April 2005, 10:56   #3
Eyewitness
 
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Hehe, das freut mich. Aber sei gewarnt, es ist wirklich die naive Auslegung der Bibel. Alles weitere kommt dann wohl von Dir.

Fangen wir an: heutiges Thema: Matthäus 1
Wir sehen den Stammbaum Jesu mit drei Mal vierzehn Gliedern. Wenn wir das ausrechnen und dabei pro Glied 25 Jahre veranschlagen, dann kommen wir auf einen 1050 Jahre alten Stammbaum, rein technisch gesehen. Komisch ist aber, warum dieser Stammbaum überhaupt aufgelistet wird, denn direkt nach dem Stammbaum erfahren wir, dass Jesu ja vom heiligen Geist "gespendet" wurde und nicht von Josef (Matthäus 1,18), womit der Stammbaum ja eigentlich sinnlos wird, denn davon stammt Jesus dann nicht mehr ab. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass man sozusagen eine doppelte Rechtfertigung für die Bedeutung Jesu geben wollte.

Josef, als gehörnter Ehemann, denkt natürlich sofort darüber nach, seine Frau zu verlassen, aber ein Engel des Herrn hält ihn auf und erklärt ihm gleich das wichtigste: "er wird sein Volk retten von ihren Sünden." (Matthäus 1,21b)

Somit wissen wir also, mit wem wir es zu tun haben: einem Erlöser, der sein Volk von "Sünden" befreien wird. Und Jesu wurde vom heiligen Geist (=Gott?) selbst geschickt und ist damit übernatürlich.

Josef wird als sehr fromm charakterisiert und folgt selbstredend den himmlischen Anweisungen. Weder "berührt" er seine Frau (Matthäus 1,25) noch verläßt er sie, sondern kümmert sich um sie.

Die Geburt Jesu selbst wird noch in en Zusammenhang mit einer Prophezeiung gesetzt, die Jesaja gemacht haben soll und die darauf hinweist, dass eine Jungfrau schwanger wird, was im Fall von Maria wohl zutrifft. Auf der anderen Seite findet sich der genannte Name Immanuel nicht wieder.

Fazit: Jesus erlöst sein Volk, welches nicht weiter definiert ist, in Zukunft von seinen Sünden, die auch nicht definiert sind, und kommt dabei von göttlicher oder zumindest übernatürlicher Abstammung.
 
1. May 2005, 09:43   #4
Maggi
 
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Zitat:
Zitat von Eyewitness
Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass man sozusagen eine doppelte Rechtfertigung für die Bedeutung Jesu geben wollte.
Ja, das ist wohl möglich. Und es wird auch nicht das einzige Mal sein, dass wir auf so eine Stelle stoßen. Bin gespannt.

Ciao,
Maggi
 
1. May 2005, 16:02   #5
Eyewitness
 
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Auf der anderen Seite erscheint es uns ja nur so, vielleicht haben die Leute das früher anders gesehen?
 
2. May 2005, 18:11   #6
Eyewitness
 
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Der Kindermord des Herodes

Schauen wir uns Matthäus 2 an.

Wir hören von den Weisen, die aus dem Morgenland kamen und den neugeborenen König begrüßen wollten. Herodes war verständlicherweise nicht wirklich darüber, Konkurrenz sieht man selten gerne.

Herodes ist dabei eigentlich sehr intelligent. Er benutzt die drei Weisen als Köder, um diesen Konkurrenzkönig ausfindig zu machen. Es überrascht hierbei aber, in was für einer Panik er reagiert. (Matthäus 2,3 und 2,16-18) Der König wurde schließlich erst neugeborenen und er war reichlich unbekannt. Von den Reaktionen Jerusalems erfährt man leider wenig. Ob dem Herodes bewußt war, welcher neue König dort geboren wurde? Angeblich ja, denn seine Gelehrten teilten ihm ja sofort den Geburtsort anhand der Prophezeiungen mit. (Matthäus 2,4-5) Somit lässt sich natürlich in gewisser Weise nachvollziehen, dass Herodes um seinen Posten bangte. Auf der anderen Seite hätte ihm doch bewußt sein müssen, welcher König dort kommt. Viel Logik scheint aus der Handlung des Herodes nicht zu kommen, denn der Kindermord spricht für sich selbst.

Leider erfährt man nichts genaues über die Motive des Herodes, denn die Geschichte endet mit seinem Tod. Jesus musste mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen und kehrte nach Herodes Tod zurück. Jedes Mal wurde sein Vater im Traum darauf aufmerksam gemacht. Auch die Weisen wurden im Traum durch Gott geleitet. Gott selbst sorgte also für den Schutz des neuen Königs.

Besonders interessant scheint mir eine Textstelle, gerade in Bezug auf den armen Panikherodes. Wenn Herodes durch seine Gelehrten informiert wurde, wo Jesus geboren wurde, warum haben seine Gelehrten dann nicht auch die andere erwähnte Prophezeiung gefunden? (Matthäus 2,15) Wie kann es sein, dass diese die andere, nicht gerade unwichtige Textstelle übersehen haben? Sinnvoll wäre es wohl, hierbei von göttlicher Fügung auszugehen.

Fazit: Jesus kann noch nicht einmal sprechen, aber muss schon von seinem Vater beschützt werden, damit er nicht stirbt. Vielleicht ist dies schon ein Ausblick auf seine spätere Leidensgeschichte, denn friedlich beginnt sein Leben auf jeden Fall nicht.
 
2. May 2005, 19:14   #7
Maggi
 
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Erfährt man auch, warum Herodes um seinen Posten bangte? Er hätte ja auch so klug sein können, sich mit dem Prophezeiten zu arangieren; schließlich müsste dann auch der Kaiser in Rom um seine Stelle fürchten. Oder ist das nur ein Teil dieses:
Zitat:
Viel Logik scheint aus der Handlung des Herodes nicht zu kommen ...
Und noch ein was: Könntest du noch kurz für Leute wie mich, die sich nicht in der Bibel auskennen, in einem Nebensatz beschreiben, wie Jesus vor den Kindermördern beschützt wird? Danke.

Ciao,
Maggi
 
2. May 2005, 19:40   #8
Eyewitness
 
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Natürlich wird Josef im Traum durch Gott gewarnt und kann daher rechtzeitig nach Ägypten flüchten.

Nein, man erfährt leider nur sehr wenig über die Motive von Herodes. Es scheint, als fürchte er wirklich nur Konkurrenz um seinen Thron. Explizit wird nichts erwähnt.
 
3. May 2005, 11:23   #9
Akareyon
 
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Zitat:
Zitat von Eyewitness
Wir sehen den Stammbaum Jesu mit drei Mal vierzehn Gliedern. Wenn wir das ausrechnen und dabei pro Glied 25 Jahre veranschlagen, dann kommen wir auf einen 1050 Jahre alten Stammbaum, rein technisch gesehen. Komisch ist aber, warum dieser Stammbaum überhaupt aufgelistet wird, denn direkt nach dem Stammbaum erfahren wir, dass Jesu ja vom heiligen Geist "gespendet" wurde und nicht von Josef (Matthäus 1,18), womit der Stammbaum ja eigentlich sinnlos wird, denn davon stammt Jesus dann nicht mehr ab. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass man sozusagen eine doppelte Rechtfertigung für die Bedeutung Jesu geben wollte.
Im AT liest man immer wieder von Segnungen und Flüchen, die gleich die nächsten zehn bis hundert Generationen treffen. Besonders wichtige und von Gott geliebte Personen erhielten daher auch schonmal die göttliche Zusage: juhu, aus meinen Lenden schießt der Same des Messias.

Folgerichtig bewahrten die Juden ihre Stammbäume im Tempel von Jerusalem auf. Aus diesem Grunde hatten die Schriftgelehrten des alten Israel zwar eine Menge Argumente gegen den Wanderprediger, haben aber niemals seine davidische Abstammungslinie geleugnet.

Und das zumindest war ein wichtiger "selling point" für die taufwilligen Juden (der ersten wichtigen Marktzielgruppe der messianischen Lehre, bevor es auch den den Türen der "Heiden" klopfte) des ersten Jahrhunderts: denen war nämlich wichtig, daß die Prophezeiungen tatsächlich auf IHREN Messias zutrafen. So mußte er laut Überlieferung auch dem Stammbaum Davids entspringen. Da die Familienaufzeichnungen bei der Eroberung Jerusalems durch den römischen Feldherrn und späteren Kaiser Titus im Jahre 70 beim Tempelbrand zerstört wurden, liefern gleich zwei Evangelisten, nämlich Matthäus und Lukas, zwei Stammbäume, die leicht voneinander abweichen. Das läßt sich vielleicht damit erklären, daß an verschiedenen Stellen der Mann anstelle seiner Frau erwähnt wird, weil letztere in der patrilinearen Genetik keine große Rolle spielte. So ist es möglich, daß zumindest einer der beiden Stammbäume die Herkunft der Maria, und nicht Josephs, erklärt. Das Kind in der Krippe ist also gleich doppelt Messias.

Das alles war noch zu Jesu Zeiten nachprüfbar und offensichtlich hieb- und stichfest, sonst hätte sich zumindest der Arzt Lukas nicht so weit aus dem Fenster gelehnt, und nicht viele Juden hätten sich von den Jüngern Jesu zu Christen bekehren lassen (den Heidenchristen war halt die ganzheitliche Lehre wichtiger als den Judenchristen). Kleines Schmankerl: im Stammbaum des Matthäus tauchen vier Frauen auf. Alle vier Nichtjüdinnen. Ein Hinweis darauf: auch die Heiden haben eine Chance.

Das beste Argument, das die späteren gelehrten Juden gegen den Messias hatten, war, Maria als berüchtigte Dorfnutte abzustempeln, die sich einem römischen Legionär namens Panthera hingegeben hat (mit Berufung auf den jüdischen Gewährsmann des Heiden Kelsos/Celsus, gegen dessen ca. 178 u.Z. abgefaßte Schrift übrigens schon der Kirchenvater Origenes wenige Jahrzehnte später wetterte (siehe "Gegen Celsus", Kapitel 1: 1,28 & 32: „Hierauf lässt Kelsos einen Juden auftreten, der sich mit Jesus selbst unterredet und ihn, wie er meint, wegen vieler Dinge zur Rechenschaft zieht. Zuerst wirft er ihm vor, ‚dass er sich fälschlich als den Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe’, er schmäht ihn aber auch, ‚dass er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Handarbeiterin stamme’. Er sagt dann, ‚diese sei von ihrem Manne, der seines Zeichens ein Zimmermann gewesen, verstoßen worden, als des Ehebruchs schuldig’. Weiter bringt er vor, ‚von ihrem Manne verstoßen und unstet und ehrlos umherirrend, hätte sie den Jesus heimlich geboren. Dieser habe aus Armut sich nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und dort sich an einigen Zauberkräften versucht, auf welche die Ägypter stolz seien; er sei denn auch zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich als Gott erklärt’. [...] Doch wir wollen uns nun wieder zu den Worten zurückwenden, die Kelsos den Juden sagen lässt, zu der Behauptung nämlich, ‚die Mutter Jesu sei von dem Zimmermann, mit dem sie verlobt war, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und von einem Soldaten namens Panthera geboren habe’. Wir wollen sehen, ob nicht die Fabeldichter ins Blinde hinein ‚den Ehebruch der Jungfrau mit Panthera’ und ‚die Vertreibung durch den Zimmermann’, dies alles erfunden haben, um so die wunderbare Empfängnis vom Heiligen Geiste zu beseitigen.“).

Damals gab's halt noch keinen Vaterschaftstest. Stellt Euch mal Maria und Joseph in einer Talkshow vor!

Gutinformierte Analyse der Weihnachtsgeschichte: http://www.kreudenstein-online.de/Qu...eihnachten.htm
 
3. May 2005, 11:45   #10
Akareyon
 
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Zitat:
Zitat von Eyewitness
Nein, man erfährt leider nur sehr wenig über die Motive von Herodes. Es scheint, als fürchte er wirklich nur Konkurrenz um seinen Thron.
Wie seine Amtsnachfolger - zu Recht! - auch: weil das jüdische Volk einen politischen Befreier von der Oppression, einen Revolutionär, erwartet, und keinen metaphyischen Prediger in Jesuslatschen. Aber das wird später noch viel deutlicher.
 
6. May 2005, 10:35   #11
Eyewitness
 
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Tja, so kann man sich irren. Hätten die mal von an Anfang gewußt, wie Jesus wirklich agiert, sie hätten ihn wohl in Ruhe gelassen.

Machen wir uns mal an Matthäus 3!

In Matthäus 3 geht es um Johannes, den Täufer. Seine Herkunft und seine Motivation werden nicht beschrieben, aber seine Tat wird beschrieben. Er tauft die Menschen, damit sie sich zu ihren Sünden bekennen. Aber, und das ist wichtig, er erlöst sie nicht von ihren Sünden. Er übernimmt also keine göttliche Aufgabe, sondern er hat nur ein Bußritual eingeführt. Laut Matthäus ist dieses Ritual sehr beliebt, denn so ziemlich alle möglichen Leute kommen und vollziehen dies Ritual.

Nur die Glaubensgelehrten werden von ihm abgelehnt, ohne eine Benennung von exakten Gründen. Er führt lediglich an, dass sie sich nicht für etwas besseres halten sollten. (Matthäus 3,9) Und er warnt sie auch, dass sie genausosehr durch Gott bestraft werden könnten. Das muss auf diese damals extrem beleidigend gewirkt haben.

Wie Johannes gelebt hat, überspringe ich mal. Er war eben ein Eremit. Interessanter ist die Tatsache, dass sich auch Jesus taufen lässt.

Je nach dem, wie man das Ritual interpretiert, als Bußritual, bei dem man sich zu seinen Sünden bekennt, so wird zuerst einmal eines klar: Jesus hatte Sünden und zu denen hat er sich dann in diesem Ritual bekannt. Leider wird darauf nicht eingegangen, aber es wäre die logische Schlussfolgerung, wenn es ein Bußritual ist. Hat man keine Sünden, muss man auch nichts büßen. Und wir haben hier den ersten hieb- und stichfesten Hinweis darauf, dass Jesus der Sohn Gottes ist, wenn vielleicht auch nicht leibhaftig, so doch aber geistig: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe:" (Matthäus 3,17) Klar, dass sich Johannes vorher schon weigerte, Jesus zu taufen, da Jesus sozusagen "über" Johannes steht, aber Jesus hat ihn mit seiner charmanten Art überzeugt.

Fazit: Auch Jesus beging Sünden, was ihn sehr menschlich macht. Und es gab eine klare Warnung an die Glaubensgelehrten: Jeder wird vom "Zorn" (Matthäus 3,7a) heimgesucht, wenn er Sünden begangen hat. (Dies kann man durchaus auch auf unsere Glaubensgelehrten ausdehnen)
 
15. May 2005, 15:27   #12
Eyewitness
 
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Auch hier sorry für die lange Pause, so ist es nun mal, wenn man studiert und gleichzeitig arbeitet und auch noch verheiratet ist...alles Arbeit!

Matthäus 4 ist unser heutiges Thema und es geht direkt mit dem Lieblingspartner Hollywoods los: Dem Teufel. Er führt Jesus in Versuchung, nachdem ihn der "Geist" in die Wüste geführt hat. Die Versuchung ist also eine gezielte Prüfung Jesu auf seine Standfestigkeit. Zuerst wird er am Hunger geprüft (im Übrigen eine sehr viel härtere Prüfung als man denken mag) (Matthäus 4, 2-4). Diese erste Prüfung ist mehr oder weniger eine relativ menschliche Prüfung und auch eine Prüfung, an der wohl viele schon scheitern würden. Die nächsten beiden Prüfungen untersuchen die Göttlichkeit oder die göttliche Macht von Jesus. Wie bei der ersten Prüfung entzieht er sich durch den Verweis auf das fünfte Buch Mose und schlußendlich verläßt ihn der Teufel erfolglos, so dass ihm die Engel dienen konnten. Jesus hat also den Teufel hinter sich gelassen.

Matthäus 4,12-17 können wir uns eigentlich sparen, es ist mehr oder weniger eine weitere Rechtfertigung durch Verweis auf einen Propheten und fast aussagelos, außer dass er ausgerechnet dem Johannes nicht geholfen hat. Warum nur?

Die Berufung der ersten Jünger erfolgt etwas unnachvollziehbar. Wahrscheinlich war es wohl auch nicht so, aber dass Jesus etwas magisches an sich gehabt haben muss, steht außer Zweifel. Immerhin, die ersten vier Jünger folgen ihm relativ schnell. Die Namensänderung des Simon auf Petrus wird dort leider noch nicht erklärt. Vielleicht kommt dies ja noch später. Der Begriff "Menschenfischer", den Jesus benutzt, um Petrus und Andres zu überreden, ihm zu folgen, mag aus unserer Sicht wohl leicht negativ besetzt sein, ich denke aber, dass man sich daran nicht stören sollte. Aus Jesu Sicht ist dieser Begriff höchst ehrenwert.

Matthäus 4,23-25 beschäftigt sich dann mit den ersten Krankenheilungen und Predigten Jesu in Galiläa und Syrien. Er heilt kranke und lehrt das Evangelium. Mehr ist auch noch nicht zu erfahren. Matthäus 4 hat also insgesamt nicht wirklich viel neues für uns, mit Ausnahme der Versuchung des Teufels. Matthäus 5 wird durch die Bergpredigt auf jeden Fall interessanter, dort wird es eine Menge zu interpretieren geben.
 
16. May 2005, 15:49   #13
Eyewitness
 
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Die Bergpredigt Matthäus 5-7

Die Bergpredigt ist ziemlich lang, weswegen ich mich hier an der Unterteilung orientieren werde, die in der Bibel schon mitgegeben ist und ich werde mich heute erstmal nur an Matthäus 5 aufhalten, denke ich. Schauen wir mal. Die Bergpredigt ist für uns auf jeden Fall wichtiger als die vorherigen Teile, da wir hier jetzt zu Glaubensgrundsätzen kommen, die für die Christen wichtig sind und nach denen sie leben müssen, weswegen es sich lohnt, einen genaueren Blick drauf zu werfen.

Btw: der Text ist ziemlich lang geworden, ich hoffe, ich vergraule nicht noch mehr Leute, es ist sowieso schon kaum einer....

Die Seligpreisungen:
Selig sind so ziemlich alle, die auf Erden in irgendeiner Form leiden müssen und natürlich sind auch diejenigen selig, die Gutes tun. Matthäus 5,3-11 hat vom Prinzip her nicht besonders viel zu sagen, aber man kann schon ein paar wichtige Verhaltensvorschriften erkennen:
  1. sanftmütig sein: heißt wohl soviel wie: nicht jähzornig sein, Geduld haben, mit Weisheit reagieren und immer überlegen.
  2. Gerechtigkeit: Man soll gerecht handeln, in jeder Lebenslage und zu jedem anderen Individuum.
  3. Barmherzigkeit: Gnade.
  4. reines Herz: sündenfrei? Ohne Lüge? Ohne Hintergedanken? Ich denke, so ungefähr sollte man dies auslegen.
Es sind zwar noch mehr Seligpreisungen vorhanden, aber dies sind die Kernverhaltensweisen, die sich erkennen lassen. Es sind recht allgemein gehaltene Aussagen, die sich wohl irgendwie auf jede Lebenssituation anwenden lassen.
Matthäus 5,12 hat meiner Meinung nach noch eine besondere Bedeutung: Dort sagt Jesus klar und deutlich, dass das Glück nicht auf Erden zu suchen ist, sondern dass das Glück oder ein gutes "Leben" erst im Himmel zu erreichen ist. Dies bedeutet, dass das irdische Leben nur zu Vorbereitung auf das Leben im Himmel dient. Die ganze Tragweite läßt sich so kaum vernünftig darstellen. Die Aussage, dass man erst im Himmel reichlich belohnt wird, verdammt automatisch jede Form von irdischem Materialismus, so wie es zum Beispiel heute üblich ist. Es geht darum, ein anständiges Leben zu führen und sich auf die himmlischen Dinge zu konzentrieren und nicht sein irdisches Leben durch materielle Dinge zu gestalten. Dieser Aspekt wird uns wahrscheinlich noch mehrfach begegnen und ist unter keinen Umständen zu unterschätzen.

Salz und Licht:
Jesus weist mit diesem Gleichnis darauf hin, dass die eigene Verhaltensweise Vorbildcharakter für andere hat. Es geht nicht darum, den anderen direkt zu bekehren, sondern durch die eigenen guten Taten ein Vorbild für andere zu sein, so dass diese von alleine folgen.

das Gesetz:
Jesus sagt, dass er nur für die spirituellen Dinge zuständig ist. Die weltlichen Gesetze will er nicht ändern. Er will den Menschen nur einen Hinweis darauf geben, wie sie sich zu verhalten haben, er will nicht Politik machen. Hier finden wir einen ersten Hinweis auf eine Trennung von Staat und Kirche. Die weltlichen Dinge werden von den weltlichen Herrschern geregelt, den Rest übernimmt Gott.

zum Töten:
"Du sollst nicht töten" bleibt natürlich bestehen. Eigentlich geht es Jesus auch gar nicht um den Mord, sondern es geht ihm das Verhältnis der Menschen zueinander. Die Menschen sollen sich darum bemühen, immer ein gutes Verhältnis zueinander zu haben, sich darum kümmern, dass es keinen Streit zwischen ihnen gibt, auch nicht zwischen Feinden. Er unterstreicht das durch die Aussage, dass der Dienst (Opfergabe) an Gott zwar wichtig ist, aber es ist wichtiger, erst für Frieden zu sorgen. Danach kann man Gott immer noch ehren. In gewisser Weise verlangt er dies sogar.

Scheidungsrecht:
Hier kommt der Teil, den die meisten Leute heutzutage nicht mehr so toll finden werden. Die Ehe ist ein Bündnis vor Gott und logischerweise kann auch Jesus nur sagen, dass die Ehe nicht gebrochen werden soll, sondern dass man dafür zu sorgen hat, dass die Ehe funktioniert. Er definiert auch den Ehebruch neu. Nicht die wirkliche Tat des Fremdgehens reicht für Ehebruch, nein, selbst die innere Begierde ist schon Ehebruch. Er drängt darauf, dass man sich selbst zu kontrollieren hat, so dass die eigene Seele rein bleibt und nicht "in die Hölle geworfen werde" (Matthäus 5,29). Es gibt nur eine Ausnahme, die eine Scheidung erlaube und das ist der Ehebruch des Partners. Das Heiraten einer Geschiedenen ist nebenbei auch verboten.
Diese Ansicht ist sehr viel konservativer als unsere heutige und wahrscheinlich für viele auch schwer zu verstehen. Wenn ich daran denke, dass es ja auch zu Gewalt innerhalb der Familie kommen kann, so muss das aber trotzdem nicht heißen, dass diese Ehe nicht geschieden werden kann. Man denke daran, dass die Ehe immer noch ein Bündnis vor Gott ist und Jesus weist oft genug darauf hin, dass Gewalt falsch ist. Daher interpretiere ich Gewalt in der Ehe auch als Ehebruch. Es ist zwar nicht der Tatbestand des Fremdgehens erfüllt, aber das Bündnis vor Gott kann zumindest nicht mit Gewalt erfüllt sein, wenn Jesus schon vorher darauf hinweist, dass zwischen den Menschen keine Feindschaft und damit auch keine Gewalt herrschen soll.
Interessant ist auch noch die Erwähnung der Hölle. Es gibt also eine Hölle, eine Bestrafung nach dem Tod für diejenigen, die im Leben falsch gehandelt haben. Auch dieser Punkt ist wichtig. Ich hoffe, dass später noch genauere Details kommen werden, denn bisher wissen wir nur von der Belohnung nach dem Tode.

das Schwören:
Tja, man soll nicht schwören, auf nichts, was weltlich ist, denn alles, was weltlich ist, ist auch göttlich, weil Gott es erschaffen hat. Zu klären wäre vielleicht die genaue Bedeutung des Wortes "schwören" und was es eigentlich impliziert. Mir ist das nicht so ganz klar.

Vom Vergelten:
Also nimmt diese Textstelle wörtlich, so soll man sich der Gewalt eines anderen vollkommen ausliefern. Der Grundsatz ist natürlich dann super, wenn alle sich dran halten würden. Da man davon aber nicht ausgehen kann, muss es noch eine weitere Bedeutung geben: wahrscheinlich gibt uns Matthäus 5,42 den Hinweis darauf, was eigentlich gemeint ist: "Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will." Es geht wahrscheinlich eher darum, seinen Mitmenschen zu helfen, als sich von anderen durch Gewalt drangsalieren zu lassen. Nur in zweiter Bedeutung soll es wohl heißen, dass es wichtiger ist, keine Gewalt auszuüben, als auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren. Gerade der Kontext, Auge um Auge, Zahn um Zahn, der erwähnt wird, läßt diesen Schluß zu, denn wird Auge um Auge, Zahn um Zahn konsequent umgesetzt, kommt es zu einer nimmer enden wollenden Gewaltspirale, die Jesus so wahrscheinlich zu durchbrechen versucht.
(Nimmt man das jüdische Vergeltungsbewußtsein wirklich für voll, so dürfte Deutschland noch einiges bevorstehen. Ich weiß nicht, wieviel Prozent der Juden durch Deutschland gestorben sind, aber theoretisch müßten sich die Juden mit einer gleichen Prozentzahl an uns rächen....)

Feindesliebe:
Auch hier ist der Text nicht wirklich wörtlich zu nehmen. Wenn man also abends von einem Vergewaltiger überfallen wird, so soll man sich nicht voller Lust ihm hingeben, sondern man soll für seine Seele beten und ihm vielleicht sogar helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Dieses Gebot ist wohl eines der Gebote, bei dem es einem am schwersten fällt, es auch zu befolgen. Die Gnade, die man hier aufbringen soll, fällt bei einigen Verbrechen extrem schwer und ich denke, es gibt nur wenige, die dies wirklich durchhalten können.

So, Matthäus 6 wird demnächst kommen und nach Matthäus 7 werde ich noch mal eine Zusammenfassung der Bergpredigt schreiben, in der die wichtigsten Glaubenssätze kurz und übersichtlich dargestellt sind.
 
16. May 2005, 20:15   #14
Maggi
 
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Zitat von Eyewitness
Scheidungsrecht:
Hier kommt der Teil, den die meisten Leute heutzutage nicht mehr so toll finden werden. [...]
Vielleicht wäre es an dieser Stelle ganz interessant, auf die verschiedenen Auffassungen von "Ehe" in verschiedenen Konfessionen und Religionen einzugehen. Luther sah bekanntlich in der Ehe kein Sakrament, sondern ein weltliches Ding, das wie Essen, Speise, Haus und Hof den Gesetzen der Natur gehorcht. Die katholische Kirche hat da einen anderen Ansatz; die Ehe, das "Bündnis vor Gott", hat den Rang eines Sakraments wie die anderen Sakramente Taufe, Firmung, Eucharistie, Priesterweihe, Beichte und Krankensalbung auch. Und weil der Vertrag, das Bündnis mit Gott nicht so einfach gebrochen werden kann/darf, ist auch keine Scheidung wegen jedem Furz erlaubt, wie es heute üblich zu sein scheint ...

Zitat:
Zitat von Eyewitness
[...] es ist sowieso schon kaum einer....
Nicht aufgeben!

Ciao,
Maggi
 
16. May 2005, 20:36   #15
Eyewitness
 
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Wobei ich da eher auf der Seite der katholische Kirche stehe, gerade weil dies näher zum Text steht. Schließlich versuche ich ja so ein bißchen zu vermitteln, was Jesus wohl gemeint haben könnte. Und nicht Luther.... Und ich glaube, auch aus Familiensicht ist es besser, wenn eine Ehe möglichst lange bestehen bleibt, aber da können wir jetzt auch schön lange drüber streiten.

Und danke für die Ermutigung.
 
16. May 2005, 20:51   #16
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Zitat:
Zitat von Eyewitness
Und ich glaube, auch aus Familiensicht ist es besser, wenn eine Ehe möglichst lange bestehen bleibt, aber da können wir jetzt auch schön lange drüber streiten.
könnten wir, sogar ganz dolle! Aber ich schweige und lausche Deiner Erzählungen mit einem mehr oder weniger schlechten Gewissen.
Was ist eigentlich bei den Ehen, die nur standesamtlich geschlossen wurden? Haben die gar keinen Segen?

Oups sorry, erzähl weiter
 
17. May 2005, 06:43   #17
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Rein technisch gesehen nicht, denn sie sind kein Bund vor Gott, weil sie nur weltlich geschlossen wurden. Auf der anderen Seite kann man auch einfach JEDE Ehe als Bündnis vor Gott klassifizieren, aber das wäre falsch nach meiner Meinung, ich sehe es technisch. Eine Ehe muss als Bündnis vor Gott geschlossen sein, damit die Aussagen von Jesus zutreffen können. Alles andere sind eben weltliche Dinge, für die ja die weltlichen Herrscher zuständig sind.
 
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