9. January 2003, 14:25 | #1 |
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Gedichte
Seltsam genug
Eugen Roth Ein Mensch erlebt den krassen Fall, Es menschelt deutlich, überall - Und trotzdem merkt man, weit und breit Oft nicht die Spur von Menschlichkeit. |
9. January 2003, 14:33 | #2 |
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Zivilcourage
Eugen Roth Ein Mensch erfährt, daß unsere Zeit Voll sei von Rücksichtslosigkeit. Doch sieht aus Feigheit, aus bequemer, Er ringsum lauter Rücksichtnehmer. Die Freiheit geht doch wohl im Grunde Aus solcher Rücksicht vor die Hunde. |
9. January 2003, 14:42 | #3 |
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Begegnung
Erika Meyer-Bothling Irgendwoher kommend - von entlegenen Punkten im All - irgendwoher kommend laufen zwei Bahnen aufeinander zu. Leuchtfunken sprühen auf, blühen auf zu nie- geahnten himmlischen Rosen und - fallen zusammen. Kaskaden flimmernder Goldsterne sinken hinab, im Verglühen noch schön. Zwei Bahnen, irgendwohin gehend - verlieren sich im Dunkel. |
9. January 2003, 14:48 | #4 |
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Irrtum
Eugen Roth Ein Mensch meint, gläubig wie ein Kind, Daß alle Menschen Menschen sind |
24. January 2003, 00:44 | #5 |
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Die Entwicklung der Menschheit
Erich Kästner Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt bis zur dreißigsten Etage. Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon und es herrscht noch genau der selbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen. Sie hören weit, sie sehen fern, sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne, sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung. Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehen die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben. Was ihre Verdauung übrigläßt, verarbeiten sie zu Watte. Sie spalten Atome, sie heilen Inzest, und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest, daß Cäsar Plattfüße hatte. So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen. |
24. January 2003, 13:49 | #6 |
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Augen in der Großstadt
Kurt Tucholsky Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? vielleicht dein Lebensglück... vorbei, verweht, nie wieder. Du gehst dein Leben lang auf tausend Straßen; du siehst auf deinem Gang, die dich vergaßen. Ein Auge winkt, die Seele klingt; du hast's gefunden, nur für Sekunden... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück... Vorbei, verweht, nie wieder. Du mußt auf deinem Gang durch Städte wandern; siehst einen Pulsschlag lang den fremden Andern. Es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Er sieht hinüber und zieht vorüber ... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück! Vorbei, verweht, nie wieder. ----------------- Es ist eines meiner Lieblingsgedichte. Gruss DJEddy |
24. January 2003, 21:39 | #7 |
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selbstkritik
die selbstkritik hat viel für sich. gesetzt den fall, ich tadle mich: so hab ich erstens den gewinn, daß ich so hübsch bescheiden bin; zum zweiten denken sich die leut, der Mann ist lauter redlichkeit; auch schnapp ich drittens diesen bissen vorweg den andern kritiküssen; und viertens hoff ich außerdem auf widerspruch, der mir genehm. so kommt es denn zuletzt heraus, daß ich ein ganz famoses haus. eugen roth (?) |