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31. May 2002, 00:03   #1
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Günther Grass/Im Krebsgang

Moin,

Günther Grass hat seinen ersten Internet-Roman geschrieben. "Im Krebsgang" rührt zwar an
keinem Tabu, wie etliche Feuilletons schrieben. Die aktuelle Novelle des
Literaturnobelpreisträgers ist aber sehr wohl ein Buch, das sich mit den Möglichkeiten des
Internet auseinandersetzt.

Das Netz fördert verdrängte Geschichte zutage
Der Stoff, die Versenkung des deutschen Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff am 30. Januar 1945 durch russische
Torpedos, wird auf einer Internetseite - "www.blutzeuge.de" - aufbereitet und diskutiert. Im Netz begegnet der
Ich-Erzähler, der in der Stunde des Schiffs-Untergangs auf die Welt kam, seiner verdrängten Geschichte. In der
Auseinandersetzung mit der Website entsteht das Panorama von der Vorgeschichte und der Versenkung des völlig
überfüllten Schiffes, bei dem mehr Menschen als beim Untergang der Titanic starben.

Grass ganz zeitgemäß
Geschickt baut Grass die Spannung zwischen der unpersönlichen Kommunikation im Internet und der persönlichen
Betroffenheit des Protagonisten auf. Der sitzt an einer Auftragsarbeit über den Untergang der Wilhelm Gustloff. Verbunden
mit dem professionellen Schreiben ist die Aufarbeitung der Biografie des Berliner Journalisten. Obwohl er von seiner
Mutter während des Untergangs des Flüchtlingsschiffes auf die Welt gebracht wurde, ist er vor der eigenen
Familiengeschichte und der Geschichte von Flucht und Vertreibung stets aus dem Weg gegangen. Gedoppelt wird diese
Betroffenheit durch das Lesen auf der Website "www.blutzeuge.de". Denn der Journalist muss erkennen, dass sein eigener
Sohn Betreiber und Verfasser dieser Site ist. Die Vergangenheit holt ihn in Form der Zukunft also wieder ein. Ein echter
Krebsgang also.

Buch der leisen Töne
Grass setzt sich mit ehr leisen Tönen mit der Geschichte der Wilhelm Gustloff auseinander. Er beschreibt
nicht reißerisch in sämtlichen Details, wie das Schiff sinkt und Menschen in den Abgrund der eiskalten
Ostsee gezogen werden. Diese Passagen wirken eher zu distanziert. Doch Grass setzt diese Katastrophe
in den großen Zusammenhang. Er erzählt von Wilhelm Gustloff, dem Nazi, der in der Schweiz von einem
Juden erschossen wurde. Grass beschreibt, wie "Kraft durch Freude" die Deutschen erstmals auf
Kreuzfahrt schickt - an Bord der klassenlosen Wilhelm Gustloff. Grass versetzt sich in den russischen
U-Boot-Kommandanten, der die tödlichen Torpedos abfeuern ließ. Und Grass beschreibt, wie in der
DDR und in der Bundesrepublik mit dem Schicksal der Flüchtlinge umgegangen wurde. All das ist
stimmig, all das ist die verhängnisvolle Geschichte, die "Im Krebsgang" erneut zu einem Mord führt.

Bedrohliche Gegenwart
Die neue Novelle ist auch ein Buch über eine bedrohliche Gegenwart. Rechtsextremismus als Ergebnis nicht vollständiger
Aufarbeitung der Geschichte kann tödlich enden. Opfer sind Opfer und müssen als solche ernst genommen werden. Dies
mit dem Hinweis auf eine kollektive Täterschaft abzulehnen, ist nur die halbe Wahrheit. Ohne Wahrhaftigkeit lässt sich der
latente Rechtsextremismus aber nicht in den Griff bekommen. All dies verpackt Grass in gute Literatur. Umso ärgerlicher
ist es deswegen, dass sich Grass als Autor in dem Buch selbst moralisierend zu Wort meldet. Das wäre nicht nötig
gewesen. Der Text ist stark genug, ohne Erläuterung durch den Autor verstanden zu werden.
_________________________

ist eine Novelle, also relativ einfach zu lesen, was ich tun werde. Die paar Seiten

mfg
 
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krebsgang, grassim




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