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4. December 2002, 14:23   #1
tw_24
 
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Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
"Kanonen statt Gebiß!" oder "Gesundheit - ein Luxus?"

Wer Zeit und Laune hat, kann in diesen Tagen des trüben deutschen Herbsts im Reichstag wahrhaft spannende Debatten erleben - da wirft man sich gegenseitig vor, der jeweilige politische Gegner betreibe "Diffamierung", zugleich auch noch "Klamauk" und "unsinnige Vergleiche".

Doch es gibt auch Rede-Beiträge, die ganz lehrreich sind. So war gestern etwa Hans Eichel zu vernehmen, der Spar-Kommissar, der Stellung nahm zur geplanten Erhöhung von Steuern auf einige Güter und Leistungen, die bisher noch niedriger besteuert werden.

Der geringere Mehrwertsteuersatz soll, so Eichel, demnächst für "wirklich Lebensnotwendiges" gelten. Und das sind "Grundnahrungsmittel", "Kultur" und der "ÖPNV". Alles andere ist Luxus und damit "nicht lebensnotwendig", im Zweifelsfall also entbehrlich.

Gegenwärtig gilt - und das Beispiel brachte Hans Eichel selbst - der niedrige Mehrwertsteuersatz von 7% noch für Zahnersatz und soll nun auf 16% angehoben werden. Wunderbar wäre es natürlich, wenn Zahnersatz in der einen oder anderen Form wirklich entbehrlich wäre, ist er aber wohl nur in den wenigsten Fällen. Und - er ist wohl dennoch überflüssiger Luxus, "nicht lebensnotwendig".

Da stellt sich nun eigentlich die Frage, wie die "Grundnahrungsmittel" der Zukunft aussehen und - vor allem - verspeist werden sollen.

Es fällt aber auch insgesamt auf, daß all das, was mit dem Gesundheitswesen zusammenhängt, für Hans Eichel offenbar nicht wirklich lebensnotwendig ist; es gelte, Steuerschlupflöcher zu schließen, entfuhr es ihm - daß damit medizinische Leistungen verteuert werden, um mehr Geld in die Staatskasse (es sind ja Steuern und keine Versicherungsbeiträge) zu lenken, Gesundheit also noch einmal zusätzlich teurer wird, um am Ende vielleicht ein paar kleine und große Kriege zu finanzieren, sagte er freilich nicht. Das wäre wohl auch peinlich gewesen.

MfG
tw_24
 
4. December 2002, 15:53   #2
Eyewitness
 
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Registriert seit: April 2001
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Beiträge: 2.831
Und trotzdem ist diese Idee, wenn auch zum Teil Augenwischerei, ja erst einmal grundsätzlich zu begrüßen. Natürlich ist Zahnersatz nicht lebensnotwendig und ein Luxusartikel, aber da gerade ärmere Haushalte unter Umständen davon profitieren, daß der Steuersatz für einige Dinge gesenkt werden, und zumindest für ein paar Leute Entlastung vorhanden ist, ist doch in Ordnung.

Daß das Gesundheitswesen etwas anderes braucht als einen niedrigen Mehrwertsteuersatz ist doch verständlich. Da muß eine Reform her und die kommt nicht vor Herbst 2003, wenn Herr Rürup und seine Kommission sich dazu durchgerungen haben, etwas vorzuschlagen. In der Zwischenzeit gilt Löcher stopfen, den Bau zusammenhalten und hoffen, daß alles gut geht.
 
4. December 2002, 21:06   #3
DEMON
 
Beiträge: n/a
Doch, werter Eye, wenn die Bundesregierung mit der Rürup-Kommission genauso umgeht, wie sie es mit Hartz und seiner "Dummschwätzer-Proffesoren" getan hat, wird sich auch bis Herbst 2003 nichts ändern, ausser vielleicht, dass diese Form, dieses Land systematisch ausbluten zu lassen, noch extremere Formen annimmt!
 
4. December 2002, 22:17   #4
Eyewitness
 
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Beiträge: 2.831
Nun, wir wollen ja einfach mal zum Selbstschutz den best case annehmen. Und auch, weil wir der Regierung wenigstens eine Chance geben wollen.
 
4. December 2002, 22:49   #5
jupp11
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 4.013
Bleiben wir doch mal spasseshalber beim Zahnersatzt.

Der ist mit Sicherheit lebensnotwendig in meinen Augen. Allerdings sind die Spannbreiten derart gross, dass diese Aussage eben nicht jeden Zahnersatz einschliesst.

Eine Dame in meinem Verwandtenkreis lässt sich gerade Implantate machen. Der Zahnarzt empfiehlt 4 Implantate für den Unterkiefer, damit eine Prothese entsprechend sitzt.

Kostenpunkt dafür 16.000,-- Euro !!!!!

Während jemand anders mit einer Vollprothese im Unterkiefer für 1000 Euro zurecht kommt. Aber welche von beiden ist nun Luxus?

Nur noch als Nachtrag, die Dame wird 75 und sie kann ein halbes Jahr lang nur auf den Felgen kauen, weil der Einheilungsprozess dieser Implantate so lange dauert.

Also tw, die Trennung von Luxus und lebensnotwendigem ist manchmal nicht so einfach.

Aber mal zur Mehrwertsteuer, wir werden ohnehin kurz über lang nicht umhinkommen, unsere Steuern europäisch zu harmonisieren. Allerdings können wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass sich unsere Nachbarn UNSEREM Steuersystem angleichen. Dazu sind sie einfach zu schlau.
 
5. December 2002, 07:54   #6
Eyewitness
 
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Beiträge: 2.831
Zahnersatz ist alles, aber nicht lebensnotwendig. Oder hast Du schon mal jemanden gesehen, der gestorben ist, weil er keinen Zahnersatz hat?

Lebensnotwendig sind Nahrung, Klamotten und ein Dach über dem Kopf. Alles andere sind Luxuswaren, nur leider nehmen wir das heutzutage nicht mehr so wahr, weil unser Anspruchsdenken so gigantisch ist.
 
5. December 2002, 11:05   #7
tw_24
 
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Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von Eyewitness
Da muß eine Reform her und die kommt nicht vor Herbst 2003, wenn Herr Rürup und seine Kommission sich dazu durchgerungen haben, etwas vorzuschlagen.
Zitat:
Zitat von Ludwig Stiegler, SPD
Ich habe die Schnauze voll davon, daß wir vor unseren Mitgliedern und Wählern täglich den Kopf hinhalten müssen für dieses Professoren-Geschwätz. Ich erwarte, daß Professoren wie Herr Rürup uns nicht länger mit ihrer Ejaculatio praecox beglücken.
Zum Zahnersatz erklärte Hans Eichel, daß mit dem geringeren Mehrwertsteuersatz quasi ein Einfallstor für medizinisch vielleicht wirklich nicht lebensnotwendige Leistungen geschaffen werden könne - also etwa für Schönheitsoperationen oder anderes.

Mit einer solchen Argumentation könnte man aber auch bei Kulturgütern einen höheren Mehrwertsteuersatz fordern. BILD, jenes Blatt, das niemand liest, von dem sich aber ganz speziell die amtierende Bundesregierung verfolgt fühlt, gehört auch zur Kultur.

Wäre Hans Eichel clever, hätte er sich hingestellt und etwa so argumentiert: "Gerhard Henschel hat ein hervorragendes Buch geschrieben, meine Damen und Herren. Es heißt Die Liebenden und sollte in keinem Bücherregal fehlen. Für dieses Buch wird ein Mehrwertsteuersatz von 7% erhoben.

Diesen ermäßigten Steuersatz können wir jedoch nicht mehr länger gewähren, denn wenn wir uns, werte Kolleginnen und Kollegen, vergegenwärtigen, daß von dieser Regelung auch überflüssige Machwerke wie BILD profitieren, müssen wir dieses Steuerschlupfloch endlich schließen.

Deutschland braucht Bildung und nicht BILD, und um in die Zukunft Deutschlands investieren zu können, brauchen wir - ja, es ist wahr - entsprechende Mittel, die uns durch die mehrwertsteuerliche Begünstigung solcher Druckerzeugnisse wie BILD, Morgenpost oder Coupé fehlen.

Das können wir nicht länger hinnehmen, meine Damen und Herren!" (- Applaus bei SPD und "Bündnis 90/Die Grünen" -)

Mit etwas Geschick könnte man beim ÖPNV oder bei Grundnahrungsmitteln (Markenprodukte vs. ALDI/Lidl ...) auch ganz locker argumentieren, um am Ende einen einzigen Mehrwertsteuersatz zu begründen ;-) ...

Zitat:
Zitat von Eyewitness
Lebensnotwendig sind Nahrung, Klamotten und ein Dach über dem Kopf. Alles andere sind Luxuswaren, nur leider nehmen wir das heutzutage nicht mehr so wahr, weil unser Anspruchsdenken so gigantisch ist.
Den Anspruch hat ja Hans Eichel festgelegt: Grundnahrungsmittel, Kultur und ÖPNV. Kleidung und Wohnung kommen da auch nicht vor, fällt mir gerade ein und auf.

Zitat:
Zitat von jupp11
Also tw, die Trennung von Luxus und lebensnotwendigem ist manchmal nicht so einfach.
Stimmt. Aber ein gewisses Mindestmaß sollte gewahrt werden. Und das meint nicht immer die billigste Variante. Bei Zahnfüllungen wird heute beispielsweise noch immer standardmäßig Amalgam benutzt, das gesundheitsschädlich sein kann. Wer andere Füllungen will, muß zahlen, zumindest bei den gesetzlichen Krankenkassen. Dabei könnte es sogar sein, daß hochwertigeres Material langfristig billiger ist.

MfG
tw_24
 
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