Skats

Datenschutzerklärung Letzten 7 Tage (Beiträge) Stichworte Fussball Tippspiel Sakniff Impressum
Zurück   Skats > Interessant & Kontrovers > Der Spiegel der Welt
Registrieren Hilfe Benutzerliste Kalender


 
 
9. December 2002, 14:25   #1
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Grün würgt weiter

Joseph Fischer wollte "beten" und "Kerzen anzünden", damit mit Gottes Hilfe die Delegierten der jüngsten Bundesdelegiertenkonferenz von "Bündnis 90/Die Grünen" in Hannover "richtig" entscheiden und die Trennung von Amt und Mandat, die es verbietet, ein Parteiamt gleichzeitig mit einem Parlamentsmandat wahrzunehmen, aufheben oder wenigstens für Claudia Roth und Fritz Kuhn eine Sonderregelung beschließen würden - die Mehrheit der Delegierten verärgerte den "deutschen" Außenminister, der in seinem Amt kein Grüner sein will.

Der Erpressungsversuch der alten Parteiführung mißlang, die Basis ließ Joseph Fischer und das Duo Roth/Kuhn mächtig belämmert aussehen, die in ihrer eingebildeten Professionalität nicht einmal für diesen ja nicht ganz unwahrscheinlichen Fall basisdemokratischer Sturheit vorgesorgt hatten, so daß dann über Nacht fieberhaft nach Nachfolgern gesucht werden mußte, die mit Angelika Beer und Reinhard Bütikofer so gar nicht ins Konzept des heimlichen Vorsitzenden Joseph Fischer zu passen scheinen, der sich nicht einmal dazu durchringen konnte, der neuen Vorsitzenden auch nur zu gratulieren.

Sollte durch die Trennung von Amt und Mandat allerdings frischem Blut der Aufstieg in verantwortungsvollere Posten gewährleistet werden, so zeigt diese Wahl zweier Polit-Profis, daß genau das auch nicht eintrat, was auch die weitere Besetzung des neuen Parteirats zeigt - etwa in Gestalt Steffi Lemkes, der Erfinderin des zustimmenden "strategischen Neins".

Claudia Roth soll im kleinen Kreis ihre gefürchteten Krokodilstränen vergossen haben, Fritz Kuhn wirkte auch ein wenig weinerlich - mit parteiinterner Basisdemokratie scheinen beide Probleme zu haben, die nun "nur" noch ein Gehalt als einfache Abgeordnete beziehen werden.

Die "neue" Parteispitze wird als zweitklassig bezeichnet, was (aus politischen Gründen) mindestens auf Angelika Beer zwar zutrifft - sie dachte einmal laut darüber nach, in Wehrmachtstradition Feldbordelle einzurichten -, dennoch aber auch unangemessen ist - denn das neue Duo wurde mit über siebzigprozentiger Zustimmung der BDK-Delegierten gewählt, die ja allesamt nicht unbedingt dumm sind, sondern wußten, was sie taten, als sie den Ämterhäufungswünschen von Claudia Roth und Fritz Kuhn widersprachen, zugleich aber auch eine Urabstimmung zum Thema beschlossen.

Diese Bundesdelegiertenkonferenz hat gezeigt, wie Macht korrumpiert. Weil sie sich für unentbehrlich hielten, unersetzbar vielleicht, inszenierte die egozentrische alte Parteispitze um Claudia Roth und Fritz Kuhn mit Unterstützung des Bombenlegers Joseph Fischer in Hannover erneut einen "Selbstfindungsparteitag", der eine vor gerade mal acht Wochen getroffene Entscheidung revidieren sollte, statt ernsthaft über politische Konzepte zu diskutieren. Den Delegierten ist es zu verdanken, daß sie sich auf dieses faule Spiel nicht einließen und der Postengeilheit des Duos Roth/Kuhn eine Absage erteilten, das ja durchaus wußte, worauf es sich mit der Kandidatur für den Bundestag einließ, ja, ganz bewußt die Satzung von "Bündnis 90/Die Grünen" zu mißachten bereit war.

Der Katzenjammer, der nun von ihrer Seite einsetzt, belegt, wie notwendig die Fortführung der Trennung von Amt und Mandat eigentlich wirklich ist, um eine parteiinterne Demokratie zu sichern, die die einfachen Mitglieder nicht nur zu beitragszahlenden Mitläufern degradiert. Fischer, Roth und Kuhn wollten, daß alles nach ihrer Pfeife tanzt - und sie scheiterten damit kläglich. Sie zeigten eindrucksvoll, wie tief der Graben zwischen einer machtversessenen Parteiführung und einer Parteimehrheit sein kann - bei "Bündnis 90/Die Grünen" wurde für genau diesen Fall die Trennung von Amt und Mandat in der Satzung festgeschrieben, bei anderen Parteien - vornehmlich der SPD - kann man sehen, wie verheerend und lähmend sich die Vereinbarkeit von Amt und Mandat auswirkt.

Deren Parteiblatt vorwärts, eigentlich kein Regierungsorgan, verkommt in den letzten Monaten mehr und mehr zum Rechtfertigungsorgan für das Handeln der Bundesregierung, zum Sprachrohr des Gerhard Schröder, dem sich alles unterzuordnen hat, was eine rote Mitgliedskarte besitzt, was indes zu manchmal recht amüsanten Kolumnen der Parteiprominenz führt, die am Tage der Veröffentlichung allerdings schon wieder Makulatur sind, da der "Genosse Gerd" inzwischen wieder einen Rückzieher gemacht hat - in der aktuellen Ausgabe formuliert zum Beispiel Peer Steinbrück, NRW-Ministerpräsident: "Vermögenssteuer ist Verantwortungssteuer", in der nächsten wird er ganz sicher das Gegenteil mitteilen.

Nun, einen kleinen Rest Unabhängigkeit von der an der Regierung beteiligten Partei-Elite haben sich die Delegierten von "Bündnis 90/Die Grünen" noch bewahrt, daß sie zugleich mehrheitlich dennoch den Kurs ihrer alten wie neuen Führung tragen, spricht wiederum gegen sie - denn auffällig war durchaus, daß die ehemaligen Friedenbewegten, die einmal die Wehrpflicht abschaffen wollten, heute erklärtermaßen nur noch eine "Umweltpartei" sein wollen, Krieg als selbstverständliches Mittel der Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln also akzeptiert haben. (Es sei denn, es geht gegen Saddam Hussein, den mögen sie alle viel lieber als George W. Bush.)

MfG
tw_24
 
Antwort

  Skats > Interessant & Kontrovers > Der Spiegel der Welt

Stichworte
weiter, wuergt, gruen




Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 09:36 Uhr.


Powered by vBulletin, Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Online seit 23.1.2001 um 14:23 Uhr

Die hier aufgeführten Warenzeichen und Markennamen sind Eigentum des jeweiligen Herstellers.