Exklusivberichterstattungen

Maggi · 7. February 2006, 18:03

Exklusivbericherstattungen müssen auf bestimmte Weise gewürdigt werden, finde ich. Meine ich. Manche machen das in einem bestimmten Stil, setzen Überschriften in riesigen Lettern, benutzen Farben, eintönige, wenige, meistens schwarz, weiß und rot. Viele Zeitungen, besonders im Boulevardbereich, benutzen dabei Fotos, viele Fotos, große, am besten noch mit riesigen farbigen Lettern bedruckt. Dazu noch eine enge, dicke, schwere Schrift, dann schaut das ganze wie ein professioneller Artikel aus den fleißigen und geübten Händen eines Bild-Designers aus. Wenn die da so etwas überhaupt haben, wenn sie keinen Hausmeister haben, der ihnen die Schlagzeilen designt, oder eine Putzfrau, oder die Sekretärin, oder 1-Euro-Jobber oder Schlimmeres.

Viele Redakteure meinen aber auch, die Wichtigkeit ihres Artikels unterstreichen zu können, indem sie den Stil einer wichtigen Boulevardzeitung kopieren, vervielfältigen, nachmachen, textautormäßigen Mimikry üben. Dieser Stil geht so:

Bau Dir einen Satz. Benutze die schlimmsten Wörter, die Dir einfallen, die perversesten Sachen, die krankesten Wendungen und die psychopathischsten Ausdrücke. Schreibe den schlimmsten Ausdruck, den Du Dir vorstellen kannst, als letztes Wort zum Satzende. Dann geht die Feinarbeit los. Hast Du noch deine Liste von krankesten Wendungen, perversesten Sachen und psychopatischsten Ausdrücken? Nimm dein letzes Wort, schreibe ein Komma danach. Tippe nun das zweitschlimmstes Wort, das Du Dir vorstellen kannst, nach das schlimmste. Wiederhole diesen Schritt mit den restlichen Wörtern auf deiner Liste, bis Du sie alle verbraucht hast.

Wenn Du fertig bist, lies Dir Deinen Text nochmals durch. Hast du etwa fälschlicherweise das Wort "und" benutzt? "Und" ist eine Vokabel, die jeglichen Exklusivberichterstattungen fremd ist. Es taucht in diesen Wörtern kein "und" auf. Streich es durch und ersetze es nach Belieben durch einen Punkt oder Komma.

Lies dir deinen Text ein weiteres Mal durch. Dieses Mal geht es um die Trennung von Wörtern. Wenn Dir ein Wort auffällt, das aus mehr als drei Silben besteht, dann streich es besser durch. Deine Leser werden es Dir danken, es will ja niemand mit dem Duden neben der Zeitung sitzen.

Ich finde es jedenfalls erschreckend, wie offensichtlich, augenscheinlich, ohne-darüber-nachzudenken die Seuche des Bild-Stils mittlerweile durch alle deutschen Printmedien fleucht, als gäbe es keine Alternativen. Aber die gibt es, liebe Redakteuere aller großen und kleinen Publikationen. Bitte hört auf, das zu machen. Es regt auf.

Wenn Du bis hierhin gekommen bist, bist du also auf dem besten Wege, ein großartiger Exklusivberichterstatter zu werden, ein gewissenloser publicitygeiler Journalist, ein schmieriger, arroganter, überheblicher Schmierfink, ein Bild-Redakteur. Und Schlimmeres.

Ciao,
Maggi

Ogino · 7. February 2006, 19:14

Bravo Maggi.

Das unterschreibe ich sofort.

7. February 2006, 18:03	#1
Maggi Registriert seit: April 2002 Beiträge: 3.915	Exklusivberichterstattungen Exklusivbericherstattungen müssen auf bestimmte Weise gewürdigt werden, finde ich. Meine ich. Manche machen das in einem bestimmten Stil, setzen Überschriften in riesigen Lettern, benutzen Farben, eintönige, wenige, meistens schwarz, weiß und rot. Viele Zeitungen, besonders im Boulevardbereich, benutzen dabei Fotos, viele Fotos, große, am besten noch mit riesigen farbigen Lettern bedruckt. Dazu noch eine enge, dicke, schwere Schrift, dann schaut das ganze wie ein professioneller Artikel aus den fleißigen und geübten Händen eines Bild-Designers aus. Wenn die da so etwas überhaupt haben, wenn sie keinen Hausmeister haben, der ihnen die Schlagzeilen designt, oder eine Putzfrau, oder die Sekretärin, oder 1-Euro-Jobber oder Schlimmeres. Viele Redakteure meinen aber auch, die Wichtigkeit ihres Artikels unterstreichen zu können, indem sie den Stil einer wichtigen Boulevardzeitung kopieren, vervielfältigen, nachmachen, textautormäßigen Mimikry üben. Dieser Stil geht so: Bau Dir einen Satz. Benutze die schlimmsten Wörter, die Dir einfallen, die perversesten Sachen, die krankesten Wendungen und die psychopathischsten Ausdrücke. Schreibe den schlimmsten Ausdruck, den Du Dir vorstellen kannst, als letztes Wort zum Satzende. Dann geht die Feinarbeit los. Hast Du noch deine Liste von krankesten Wendungen, perversesten Sachen und psychopatischsten Ausdrücken? Nimm dein letzes Wort, schreibe ein Komma danach. Tippe nun das zweitschlimmstes Wort, das Du Dir vorstellen kannst, nach das schlimmste. Wiederhole diesen Schritt mit den restlichen Wörtern auf deiner Liste, bis Du sie alle verbraucht hast. Wenn Du fertig bist, lies Dir Deinen Text nochmals durch. Hast du etwa fälschlicherweise das Wort "und" benutzt? "Und" ist eine Vokabel, die jeglichen Exklusivberichterstattungen fremd ist. Es taucht in diesen Wörtern kein "und" auf. Streich es durch und ersetze es nach Belieben durch einen Punkt oder Komma. Lies dir deinen Text ein weiteres Mal durch. Dieses Mal geht es um die Trennung von Wörtern. Wenn Dir ein Wort auffällt, das aus mehr als drei Silben besteht, dann streich es besser durch. Deine Leser werden es Dir danken, es will ja niemand mit dem Duden neben der Zeitung sitzen. Ich finde es jedenfalls erschreckend, wie offensichtlich, augenscheinlich, ohne-darüber-nachzudenken die Seuche des Bild-Stils mittlerweile durch alle deutschen Printmedien fleucht, als gäbe es keine Alternativen. Aber die gibt es, liebe Redakteuere aller großen und kleinen Publikationen. Bitte hört auf, das zu machen. Es regt auf. Wenn Du bis hierhin gekommen bist, bist du also auf dem besten Wege, ein großartiger Exklusivberichterstatter zu werden, ein gewissenloser publicitygeiler Journalist, ein schmieriger, arroganter, überheblicher Schmierfink, ein Bild-Redakteur. Und Schlimmeres. Ciao, Maggi

7. February 2006, 19:14	#2
Ogino Registriert seit: January 2001 Beiträge: 1.996	Bravo Maggi. Das unterschreibe ich sofort.