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2. December 2002, 16:50   #1
tw_24
 
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Deutschland verblödet: Dieter Bohlen - Nichts als die Wahrheit

"Modern Talking war tot. Nach den bonbonfarbenen Fallschirmseiden-Albträumen, dem Lipgloss und dem ganzen hoch, höher, am höchsten Gequieke wollte ich endlich wieder als richtiger Mann auf der Bühne stehen."

Dieter Bohlen hat ein Buch geschrieben, und ich mußte es lesen. Das eine stimmt nicht ganz, denn die BILD-Tusse Katja Kessler hat mitgekritzelt, das andere ist blanke Folter. Aber da das Ding nun schon im Erscheinungsjahr in die 8. oder 9. Auflage und damit scheinbar besser über die Ladentheken geht als dereinst Mein Kampf, muß man sich diese buchstäbliche Orgie aus billigem Deutsch und noch billigerem Sex wohl antun, denn um nichts anderes geht es.

Der omnipotente wie -präsente Dieter Bohlen 'verspeist' die Frauen reihenweise, und zur Belohnung gibt es nach dem coitalen Hit auch noch einen in den Top Ten - Prostitution auf Boulevardniveau, um das es - Papier ist leider viel zu geduldig - nicht weit her ist.

Nun, was lernen wir über Dieter Bohlen, diesen Durchschnittsdeutschmichel? Er singt oder läßt in englischer Sprache singen, kann aber nicht einmal in diesem Ideom richtig f.icken, man möge mir die Wortwahl verzeihen: "Es stellte sich heraus, dass Sabrina ("Boys, Boys, Boys" [tw_24]) darauf stand, wenn man sie beim Sex beschimpfte. Insbesondere Sätze wie: »Ohoho! Na warte, du unkeusches Luder! Jetzt züchtige ich dich!« hatten es ihr angetan. Doch schon nach der ersten Balkon-Runde gingen mir die »dirty expressions« aus. Auf Deutsch wäre das alles ja kein Thema gewesen, aber hier musste ich auf Englisch züchtigen. Ich rief heimlich bei Andy an und beschwerte mich: »Mensch, ihr schickt mich hierher und ich soll Geschäfte machen ... ich brauch sofort per Fax neue Schimpfworte ... auf Englisch, ihr könnt sie mir auch durchtelefonieren.« Ich erhielt umgehend drei eng getippte Seiten.". Toll. Oder sollte ich sagen: Doll? Wo steckte wohl des Dieters Handy, als er Sabrinas "Popogonien" explorierte und es, gegönnt sei es ihm, auf einem Balkon "genoss"?

"Sie hatte, um es gelinde zu formulieren, ein Schräubchen locker", menschenkennert der Popp-Bohlen und macht sich Gedanken um die eigene Befindlichkeit: "Und weil es immer wieder derselbe Titel war, den sie da sang, dachte ich irgendwann mir platzt das Hirn weg" - doch wo nur noch eine Katja Kessler ist, kann - leider - nichts wegplatzen, es müßte nämlich erst einmal existieren.

Platt platzt es dennoch weiter, Seite um Seite, wirklich lesen kann man das Buch nicht, sondern nur überfliegen, wird doch wieder und wieder die gleiche Geschichte erzählt: Intelli-Prinz Dieter trifft Aschenputtel, das in jedem Fall geistig zurückgeblieben zu sein scheint, legt es flach und produziert in der Pause zwischen zwei Coi-Tussen mal ein wenig Chart-Futter als Blue System oder Modern Talking, rettet nebenbei mal BMG (a.k.a. Bertelsmann) und ist alleinverantwortlich für ein Phänomen, das als "Die 80er" gegenwärtig wieder Populärkultur sein soll: "Ob Deutschland, Italien, Frankreich, das Comeback von Modern Talking schob ein ganzes 80er-Revival an, Blondie kam zurück aus ihrer Gruft und auch Boy George holte seinen alten Kram aus der Schublade. Alle, die damals mit uns groß geworden waren, versuchten ein Stückchen von der Sahnetorte abzukriegen."

Stock/Aitken/Waterman (Kylie Minogue, Rick Astley ...) oder die verrückt-genialistischen Bill Drummond und Jimmy Cauty (a.k.a. The KLF, The Timelords ...), die angloamerikanisch-britische Acid-/Rave-Bewegung von 1988/89 (Primal Scream, The Beloved ...) oder den belgischen New Beat (The Maxx, Amnesia ...), der dem deutschen Techno vorausging, gab es nicht, sondern nur ihn: Dieter Bohlen. Die DJ-Culture eines Maximilian Lenz (a.k.a. WestBam, damals mit "Monkey say, Monkey do" oder "Disko Deutschland" noch wirklich innovativ), den das Goethe-Institut 1988 zur musikalischen Begleitung der Olympiade nach Korea entsandte, gab es nicht, Tim Simenon (Bomb the Bass) bastelte mit "Beat dis" niemals einen Hit ausschließlich aus Samples zusammen - damals ein echter Meilenstein -, und in Chicago fanden niemals endlose House-Parties statt - oder sie "alle, die damals mit uns groß geworden waren", verdanken ihren Erfolg dem einen einzigen Dieter Bohlen, dessen Größenwahn leider durch die Verkaufszahlen seiner Werke bestätigt wird.

Man kann das glauben, es aber auch lassen. Letzteres ist empfehlenswerter, denn bei Tageslicht betrachtet ist Dieter Bohlen nichts als ein aufgeblasener deutscher Mittelständler mit Talent zur Selbstdarstellung und -vermarktung, der freilich auch ein Gespür dafür hat, mit welchem musikalischen Schrott sich möglichst gefahrlos ein paar Euro verdienen lassen. Musikalische Trends jedenfalls hat er nie gesetzt, nie etwas gewagt, nicht einmal den Schritt auf den größten Markt für Tonträger, die USA, weshalb seine Selbstüberschätzung nur abstößt.

Und wie einfach gestrickt der Privat-Mensch Dieter Bohlen ist, mögen diese Zeilen zeigen: "Hinten in der Ecke saß ganz still ein Mädchen, das ein bisschen aussah wie Gloria Estefan (Und prompt Estefania heißt, welch assoziativer Zu- und Glücksfall! [tw_24]) und aufgeregt an seiner Cola Light rumsaugte. Dunkle Haare, riesen Kitzaugen, kleine weiße Perlzähne: Estefania. Wie ich später erfuhr, war sie die Freundin einer der fünf Tänzerinnen von DJ Balloon und kam aus Hamburg. Dieses fantastische Gesicht hatte ich noch nie abends dort auf Piste gesehen. Das ließ mich - jjjjjjidd! - meine Antennen ausfahren. Ich konnte mich gar nicht satt sehen an ihr. Natürlich war ich gespannt, wie der Rest von ihr aussah. Aber diese Frau blieb sitzen, sitzen, sitzen und saugte, saugte, saugte an ihrer Cola. Endlich stand sie auf und ich hatte spontan Mitleid mit dem Reißverschluss ihres Jeans-Overalls in Konfektionsgröße 30. So was von knackig, so was von eng. Ich dachte nur: Mein lieber Scholli, ist die sexy!"

Mit mindestens 400.000 verkauften Exemplaren ist das Buch dennoch in der Tat ein Bestseller, was viel aussagt über dessen Leser und den Zustand des Landes. Statt Tiefgang werden weibliche Vornamen flachgelegt, und auch für das arbeitslose und damit im Kapitalismus überflüssige Menschenmaterial hat Dieter Bohlen zu bieten, was der deutsche Spießer schon immer wußte: "Auf Dauer hat nur der Tüchtige Erfolg!", "Schmeißt man dich vorne raus, gehe morgen von hinten wieder rein." oder "Sätze wie: »Ich kann das noch besser« und »Ich werd's denen mal zeigen« katapultieren dich aus der Suppe, in der alle schwimmen, in eine geistige Poleposition." Was er selbst davon hält, macht er mit einem einzigen Satz klar, der der Verlogenheit dieser Gesellschaftsordnung beinahe schon vorbildlich den Spiegel vorhält: "Und wenn jemand [..] schon achtundfünfzig ist, befördere ich das Demo-Tape gleich ins Enddepot: den Mülleimer." "Die Würde des Menschen ist unantastbar." (GG, Art. 1.)

Nichts ist so überflüssig wie dieses Buch, das weder stilistisch noch inhaltlich etwas hat, das als Niveau bezeichnet werden könnte. Es ist, schlicht und ergreifend, Müll, weshalb 400.000 und mehr Leute dafür 20 Euro ausgaben und -geben, ist mir schleierhaft, es ist, um mit Dieter Bohlen und/oder Katja Kessler zu sprechen, so lästig "wie ein Furunkel am Hintern".

Dieter Bohlen mit Katja Kessler - Nichts als die Wahrheit, Heyne 2002, gebunden, ISBN 3453-86143-4, ca. 20 Euro.

Wer indes wirklich Spaß am auch selbstironischen Blick hinter die Kulissen des Pop haben will, sollte sich die - mit ca. 13 Euro allerdings gnadenlos überteuerte - deutsche Übersetzung von The Manual von Bill Drummond und Jimmy Cauty zulegen, die es im englischsprachigen Original im Internet - illegal (Obwohl: The KLF steht für Kopyright Liberation Front ...) - auch for free gibt.

Bill Drummond & Jimmy Cauty - Das Handbuch. Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit, Die Gestalten Verlag (dgv) 1998, Taschenbuch, ISBN 3-931126-22-6, ca. 13 Euro.

MfG
tw_24
 
2. December 2002, 19:07   #2
Lord Asak
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Beiträge: 59
Mit anderen Worten bekomme ich für 20Eur ein schlechteres Pornoheftchen ohne Bilder?

Dann bleibe ich lieber bei meiner Literatur...
 
2. December 2002, 19:28   #3
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von Lord Asak
Mit anderen Worten bekomme ich für 20Eur ein schlechteres Pornoheftchen ohne Bilder?
Doch, ein Bild bekommst Du ;-) - einen grinsenden Dieter auf dem Titel. Doch für 20 Euro ist das wirklich etwas wenig. Dann doch lieber BILD ...

MfG
tw_24
 
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dieter, verbloedet, deutschland




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