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17. October 2002, 19:12   #1
Black Panter
 
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Tomczyk glaubt nicht an radikale Änderungen in der Formel 1

Tomczyk vertritt Deutschland im World Council

Der ADAC-Sportpräsident sitzt als einziger Deutscher im World Council - jenem Gremium, das im Dezember die Vorschläge, die die Formel-1-Kommission am 28. Oktober beschließen wird, genehmigen muss.

Im ersten Teil des Sport1-Interviews spricht er über die Drohung Ferraris, seine Einschätzung der Durchsetzbarkeit der vorgeschlagenen Regeländerungen und die Frage, wie man einige neue Regularien überhaupt überprüfen will.

Im zweiten Teil des Sport1-InterviewsGlaube nicht an radikale Änderungen gibt er einen detaillierten Einblick in das Entscheidungs-Prozedere der Formel-1-Kommission und des World Councils.


Sport1: Bernie Ecclestone und Max Mosley haben mit ihren Vorschlägen eine kleine Revolution ins Rollen gebracht. Wie denken Sie persönlich über die Vorschläge der beiden?

Hermann Tomczyk: Es gibt eine gewisse Anzahl an Vorschlägen, die den Event Formel 1 wieder interessanter machen sollen. In meinen Augen sind gute Vorschläge dabei, aber auch schlechtere.

Sport1: Welche erachten Sie für sinnvoll?

Tomczyk: Zu den guten gehört meiner Meinung nach die Aufwertung des Freitag-Qualifyings. Das halte ich für einen positiven Ansatz, um den Freitag interessanter zu machen

Sport1: Bei welchen Vorschlägen haben Sie Bedenken?

Tomczyk: Im sportlichen Bereich gibt es Überlegungen, wie zum Beispiel den Fahrertausch, die meiner Meinung nach für die Formel 1 nicht die Lösung sind.

Sport1: Mit welchem Ergebnis rechnen Sie? Qualifying ja, Zusatzgewichte, Fahrertausch nein?

Tomczyk: Zusatzgewichte und Fahrertausch sind Handicapregeln, die man in bestimmten Wettbewerben schon eingesetzt hat. Das kann man machen, aber ob das für die Formel 1 der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Das wird man diskutieren müssen.

Sport1: Wie groß wird der Einschnitt Ihrer Meinung nach sein?

Tomczyk: Ich persönlich glaube nicht, dass es zu radikalen Veränderungen kommen wird. Die Formel-1-Kommission erarbeitet ja auch erst die Vorschläge für den World Council, die wir dort im Dezember bearbeiten werden.

Sport1: Sie glauben nicht an große Veränderungen. Könnte diesbezüglich die Drohung Ferraris, aus der Formel 1 auszusteigen, eine Rolle spielen?

Tomczyk: Nein. So etwas wird in der Formel 1 in meinen Augen nie eine Rolle spielen. Die Formel 1 ist eine Plattform, die für Teams und Hersteller geschaffen wurde. Man kann niemanden zwingen, diese Chance zu nutzen. Die Bühne muss einfach so gut sein, dass es sowohl eine technische Herausforderung als auch ein medialer Anreiz ist, sie zu nutzen. Diese Bedingungen hat die Formel 1 bisher auch immer erfüllt.

Sport1: Das heißt, Sie halten die Aussagen von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo eher für Säbelrasseln als für eine ernstgemeinte Drohung?

Tomczyk: Solange die Voraussetzungen in der Formel 1 so interessant und anspruchsvoll bleiben, ja.

Sport1: Angenommen Ferrari zieht diese Drohung durch. Wäre das nicht fatal für die Formel 1?

Tomczyk: Selbstverständlich, wenn sich Marken wie Ferrari, Mercedes oder BMW nicht mehr unmittelbar auf der Rennstrecke messen könnten, das wäre sicherlich ein Verlust. Andererseits: Wenn wir auf jede Ausstiegsdrohung reagieren würden, wäre jede Diskussion überflüssig. Man wird es nie allen recht machen können. Entscheidend ist, dass der Sport - in diesem Fall die Formel 1 - funktioniert, das heißt für die Techniker eine Herausforderung und für die Fans ein Spektakel bleibt.

Sport1: Aber das Produkt Formel 1 funktioniert doch seit über 50 Jahren bestens...

Tomczyk: Sicherlich, aber man darf auch nicht den Fehler machen, sich zurückzulehnen und zu glauben, dies gehe immer so weiter. Man muss auch auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Nehmen wir einmal die Regeländerung bei den Reifen vor einigen Jahren her. Der Aufschrei war damals riesengroß - keine Slicks mehr, dafür Rillenreifen! Wer redet heute noch darüber?

Sport1: Im Vergleich zu den aktuellen Vorschlägen war das aber eine Kleinigkeit.

Tomczyk: Auch damals gab sehr viel mehr Vorschläge. Am Ende hat man sich auf ein Ergebnis geeinigt, mit dem alle leben konnten. So sehe ich das diesmal auch.

Sport1: Was sind Ihrer Meinung nach die Beweggründe von Ecclestone und Mosley? Müssen die beiden wegen der Eintönigkeit in dieser Saison etwas tun, damit die Fans nicht den Spaß an der Formel 1 verlieren?

Tomczyk: In meinen Augen ist es eher die Sorge um das Produkt. Die Formel 1 ist weltweit führend, bewegt sich seit vielen Jahren auf dem höchstem Niveau. Da liegt doch die Verantwortung bei der FIA und der FOA nicht solange zu warten, bis das Interesse nachlässt, sondern vorher zu agieren. Der Zeitpunkt, über neue Regeln nachzudenken, ist auf alle Fälle richtig.

Sport1: Wegen der Langeweile?

Tomczyk: Das ist für mich nicht das Entscheidende. Für mich sind das die Kosten. Diese dürfen nicht ins Uferlose steigen.

Sport1: Wie will man neue Regeln eigentlich überprüfen? Konkretes Beispiel: Traktionskontrolle und Launch Control wurden schon einmal verboten, aber wieder zugelassen, weil es den Verdacht gab, dass viele Teams diese Hilfsmittel illegal eingesetzt haben.

Tomczyk: Das ist richtig. Wenn man etwas nicht überprüfen kann, sollte man es besser auch nicht verbieten. Aber ein Einheitsreifen wäre für mich zum Beispiel ein ganz sinnvoller Ansatz in der Formel 1. Im Moment ist das auf Grund diverser Verträge nicht möglich.

Sport1: Wie will man zum Beispiel einen Motor, der das ganze Wochenende über im Auto sein soll, kontrollieren?

Tomczyk: Das müsste schon machbar sein. Einen verplombten Motor über das Wochenende verplombt zu halten, muss bei der heutigen Technik zu überprüfen sein. Es ist nur eine Frage der Definition. Was zählt zum Motor? Was darf man verändern? Das alles wurde diskutiert und ganz klar festgestellt, dass für eine wie auch immer gestaltete Motorenregelung vorher alles genau definiert werden muss.

Sport1: Wenn zum Beispiel bei Michael Schumachers Fahrzeug im dritten Qualifying ein Schlauch im Motor platzt, darf er dann trotzdem im Rennen starten?

Tomczyk: Über diese Fragen hat man im World Council gesprochen, als das neue Motorenreglement vorgelegt wurde und festgestellt: All diese Punkte müssen klipp und klar definiert werden, damit man nicht an solchen Kleinigkeiten scheitert.

Sport1: Das wird also auf Punkt und Komma festgelegt, damit die Teams keinen Ermessensspielraum haben?

Tomczyk: Richtig. Den darf es nicht geben. Wenn es einen Graubereich gäbe, könnte man es nicht kontrollieren.
 
17. October 2002, 19:14   #2
Black Panter
 
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Teil 2 des Interviews

Sport1: Als erstes werden diese Vorschläge am 28. Oktober von der Formel-1-Kommission behandelt. Können Sie uns sagen, wer dieser Kommission angehört?

Hermann Tomczyk: In der Formel-1-Kommission sind alle Teams mit ihren Teamchefs vertreten, außerdem FIA und FOA durch ihre Präsidenten Max Mosley und Bernie Ecclestone. Dazu kommen noch weitere Vertreter, von Reifenherstellern, Sponsoren bis hin zu den Veranstaltern aus Europa und Übersee.

Sport1: Welche Mehrheitsverhältnisse werden für Regeländerungen in dieser Formel-1-Kommission benötigt?

Tomczyk: Da gibt es genau festgelegte Modalitäten, technische Änderungen beispielsweise müssen einstimmig verabschiedet werden, bei sportlichen Änderungen reichen Mehrheiten aus.

Sport1: Welche Vorschläge gehören zum Punkt Technik, welche zum Punkt Sport?

Tomczyk: Bei der Technik sind sicher die Motoren ein Thema, um die Kosten zu reduzieren. Auch Themen wie Traktionskontrolle, oder Aerodynamik fallen in diesen Bereich. Zum sportlichen Bereich gehört der Rest, wie zum Beispiel Fahrertausch oder Beschränkungen für Testfahrten, die ich auch für vernünftig halte. Was beschlossen wird, kann man am 28. Oktober sehen.

Sport1: Wenn technischen Änderungen einstimmig gefasst werden müssen, ist dann nicht damit zu rechnen, dass die Teams bei gravierenden Einschnitten ihr Veto einlegen?

Tomczyk: Ich weiß nicht was passieren wird, vielleicht ringt man sich ja zu größeren Änderungen durch, das muss man einfach abwarten, auf jeden Fall ist das immer ein sehr interessantes Diskussionsforum.

Sport1: Die von der Formel-1-Kommission beschlossenen Vorschläge werden dann dem World Council, dem auch Sie angehören, vorgelegt. Dieser tagt im Dezember.

Tomczyk: So ist es, diesem Gremium gehören Ecclestone, Mosley und 40 Vertreter nationaler Automobilclubs an.

Sport1: Können diese Vertreter die Vorschläge noch abändern oder werden die Entwürfe nur abgenickt?

Tomczyk: Im Prinzip bringen alle Kommissionen, ob für Rallye, Tourenwagen oder Formel 1 zuständig, ihre Vorschläge ein. Dann wird im World Council darüber diskutiert und abgestimmt. Wenn jemand Fragen hat oder Fehler entdeckt werden, wird das noch einmal ausführlich diskutiert. Wir sagen definitiv nicht zu allem Ja und Amen.

Sport1: Ein konkretes Beispiel: Angenommen die Formel-1-Kommission ringt sich zum Fahrertausch durch. Würden Sie diesem Vorschlag zustimmen, der bedeuten könnte, dass Michael Schumacher 2003 auch mal im Minardi fahren müsste oder Ihr Veto dagegen einlegen?

Tomczyk: Dieser Vorschlag ist für mich bar jeglicher Realität, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies ernsthaft diskutiert wird. Jedes Formel 1-Auto ist was Sitzposition, Monocoque oder Gewichtsverteilung angeht praktisch auf den Fahrer zugeschnitten, so etwas kann man nicht ständig ändern. Ich gebe aber zu, viele Fans würden dies sicherlich interessant finden.

Sport1: Ist im World Council auch Einstimmigkeit von Nöten?

Tomczyk: Nein, einfache Mehrheit reicht aus. Der Vorschlag der Formel-1-Kommssion steht auf der Tagesordnung, liegt beschlussfähig in den Unterlagen und wenn er ohne Diskussion akzeptiert wird, wird entschieden. Wenn es Fragen oder zu einzelnen Punkten Debatten gibt, dann kann man den Vorschlag entweder an die Kommission zur Überarbeitung zurückgeben, oder es wird dem einen oder anderen Punkt nicht zugestimmt.

Sport1: Ecclestone und Mosley sind sehr für Reformen. Kann es vorkommen, dass die beiden schon im Vorfeld für Mehrheiten im World Council sorgen?

Tomczyk: Das habe ich noch nicht erlebt.

Sport1: Im World Council sitzen nicht nur Vertreter aus großen Motorsportnationen wie Deutschland, sondern auch aus eher exotischen Ländern...

Tomczyk: ...die enthalten sich eben der Stimme. Wenn es zum Beispiel um asiatische Serien oder das Reglement in Nordamerika geht, muss ich nicht unbedingt abstimmen, wenn ich mich in dieser Thematik nicht auskenne. Umgekehrt machen das manche Kollegen auch, wenn es um europäische Themen geht. Wenn jemand nur Rallye-Spezialist ist, muss er bei Formel-1-Fragen ja nicht unbedingt mitstimmen.

Sport1: Aber wenn Ecclestone und Mosley unbedingt wollen, dass ein Vorschlag durchgeht: Sorgen die beiden dann dafür, dass jeder abstimmt?

Tomczyk: Ich habe den World Council immer als sehr demokratisches Gremium kennen gelernt. Aber klar, die Formel 1 ist ein sehr spezielles Thema und hier müssen Vorschläge schon gut durchdacht sein.
 
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