23. July 2006, 01:40 | #1 |
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"Leaving Las Vegas" von Mike Figgis.
... vorhin, gestern abend, lief er wieder mal im Fernsehen, und sicherlich haben wieder viele gedacht: Das geht mich nichts an, und warum sollte ich mir auch Filme über Suchtprobleme irgendwelcher Leute anschauen, mit denen ich nichts zu tun habe?
Im Prinzip richtig. Aber dieser Ausnahme-Film nimmt auch Menschen gefangen, die einfach nur einen guten Action-Fim sehen wollten. Denn er ist einfach verdammt gut gemacht und nicht eine Sekunde langweilig. Auch wenn es diesmal nicht das gewohnte "Happy End" gibt und man den Griff in die Popcorn-Tüte schon nach den ersten Minuten vergißt. "Leaving Las Vegas" ist wirklich starkes Kino, weil die Handlung nicht wieder mal in der durch die ganzen Hollywood-Fließband-Autoren inzwischen langweilig gewordenen "Zukunft" spielt und auch nicht vor 100 Jahren, um einen dieser eher lästigen Kostüm-Filme zu schaffen. Sondern da wird unsere Zeit, in der wir leben, tatsächlich im 1:1-Format abgebildet, und zwar schonungslos so, wie sie nun mal ist: durch und durch verlogen und verkommen. Und wer versucht, sich darüber durch Alk oder andere Drogen hinwegzuretten, wird am Ende der Verlierer sein. Nie zuvor wurde das in einem Movie so realistisch dargestellt. Und es ist sowieso ein Glücksfall, daß ein früherer Rock-Musiker wie Mike Figgis diesen Film überhaupt realisieren konnte. Dabei haben die Produktionskosten insgesamt nur lächerliche 4 Millionen Doller betragen. Sonst kalkuliert man für übliche "Blockbuster" 80-150 Millionen Dollar ein. "Titanic" hat sogar 200 Millionen gekostet. Und dennoch mußte der Regisseur betteln gehen, um sogar diese geringe Summe zusammenzubekommen, denn an solchen angeblich "depressiven" Themen wollte sich zunächst kein Produzent beteiligen. Zum Glück sah es das Publikum anders. Und auch Nicolas Cage hat für sein überragendes Schauspiel-Talent endlich seinen ersten verdienten Oscar ergattert. Und auch ich meine: Kein anderer Mensch auf dieser Welt hätte diese Rolle besser spielen können. Er ist wirklich derjenige, dem man seine Entscheidung abnimmt, hinter sich alle Brücken abzubrechen, um sich, mehr oder weniger "kontrolliert", am Ende in der durch und durch verlogenen Glitzer-Stadt Las Vegas totzusaufen. Da ist nichts romantisch verklärt. Da gibt es auch keine Show-Einlagen, die den Zuschauern eine Verschnaufpause bieten, wie man es sonst gewohnt ist. Wer sich auf "Leaving Las Vegas" einläßt, hat eine Achterbahn-Fahrt der Gefühle gebucht und kommt im besten Fall gar nicht dazu, sein vorsorglich bereitgelegtes Taschentuch zu berotzen. Natürlich sind auch Tränen erlaubt – aber erst dann, wenn man den Film nach einigem Abstand verinnerlicht hat. Auch daß sich der Autor des Films noch vor Beginn der Dreharbeiten mit 34 Jahren erschossen hat, soll keine Rolle spielen. Schließlich fand ja der Vater das Drehbuch seines kranken Sohns in der verwahrlosten Wohnung und konnte es noch rechtzeitig nach Hollywood schicken ... Sci-Fi-Albernheiten und tolle 3D-Tricks? Nö, damit kann dieser unverhofft erfolgreiche Low-Budget-Film nicht glänzen. Und doch brennt er sich für immer in die Seelen der Zuschauer ein und beweist einmal mehr, daß in Hollywood auch Wunder möglich sind. Ich hoffe, daß in Zukunft noch öfter solche Drehbücher verfilmt werden, für die sich angeblich kein Schwein interessiert und danach dann Filme entstehen, die heute von unabhängigen Kritikern zu den besten aller Zeiten gerechnet werden. Also, schaut ihn Euch wenigstens das nächste Mal an, wenn er wieder mal im Fernsehern läuft oder Ihr günstig eine DVD dieses in jeder Hinsicht außergewöhnlich gelungenen Films ergattern könnt. Gruß Ben |